TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/17 W137 2232699-1

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Veröffentlicht am 17.09.2020
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Entscheidungsdatum

17.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W137 2232699-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Bulgarien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2020, Zl. 1260009801/200522581 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft von 24.06.2020 bis 29.06.2020 für rechtmäßig erklärt.

II. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1.       Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bulgarien. Er reiste spätestens im Februar 2020 nach Österreich ein.

2.       Am 24.02.2020 wurde der Beschwerdeführer bei der illegalen Prostitution betrete, woraufhin er angezeigt wurde. Der Beschwerdeführer gab vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, weiterhin in Österreich arbeiten zu wollen.

3.       Mit Bescheid vom 07.04.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein für die Dauer von zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG wurde ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und wurde mit Spruchpunkt III. einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

4.       Am 23.06.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgrund eines am selben Tag erlassenen Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs 3 Z 3 BFA-VG festgenommen.

5.       Am 24.06.2020 wurde der Beschwerdeführer im Zuge der Prüfung eines Sicherungsbedarfs niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er im Wesentlichen zusammengefasst aus, gesund und bereits seit vier Monaten in Österreich zu sein. Er hätte in ein paar Tagen ausreisen wollen. Er komme immer wieder nach Österreich um hier zu arbeiten, habe jedoch keine Arbeitserlaubnis. Seinen Aufenthalt in Österreich habe er durch die illegalen Arbeiten in Österreich finanziert. Er sei noch nie bei der Behörde vorstellig geworden. Er sei nicht polizeilich gemeldet, habe zuletzt jedoch bei seinem Cousin gewohnt. Er sei ledig und kinderlos. Seine nahen Angehörigen leben in Bulgarien.

Der Beschwerdeführer wurde über die Anordnung der Schubhaft und der weiteren Vorgehensweise unterrichtet.

Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, zur beabsichtigten Erlassung der Schubhaft Stellung zu nehmen, wovon er keinen Gebrauch machte.

6.       Mit Bescheid vom 24.06.2020 wurde die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG angeordnet. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer trotz eines rechtskräftigen und durchsetzbaren Aufenthaltsverbots im Bundesgebiet aufhältig sei. Der Beschwerdeführer sei trotz des bestehenden Aufenthaltsverbots wieder in das Bundesgebiet eingereist. Darüber hinaus wurde die Schubhaft mit der weitgehend fehlenden sozialen Verankerung und Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet begründet. Mit der Anordnung des gelinderen Mittels könne aufgrund der finanziellen Lage und der mangelnden polizeilichen Meldung nicht das Auslangen gefunden werden. Insgesamt erweise sich die Schubhaft angesichts der vorliegenden „ultima-ratio-Situation“ auch als verhältnismäßig. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag durch persönliche Übergabe (gemeinsam mit der Verfahrensanordnung betreffend die Beigabe eines Rechtsberaters) zugestellt.

7.       Am 29.06.2020 wurde ein Entlassungsschein aus der Schubhaft zur Überstellung in die Verwaltungsstrafhaft ausgestellt.

8.       Am 29.06.2020 erging ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs 3 Z 3 BFA-VG betreffend den Beschwerdeführer, um die Abschiebung nach Bulgarien nach der Verbüßung der Verwaltungsstrafhaft sicherzustellen.

9.       Mit einem am 02.07.2020 ausgestellten Abschiebeauftrag – Luftweg wurde eine unbegleitete Rückführung es Beschwerdeführers nach Sofia organisiert.

10.      Am 03.07.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG (samt Vollmachtsbekanntgabe) ein. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass keine Fluchtgefahr vorliege, da der Beschwerdeführer sehr wohl greifbar und die Ansicht der Behörde nicht nachvollziehbar sei, da einige Aktenteile zu Unrecht von der Akteneinsicht ausgenommenen gewesen seien. Es sei auch aktenwidrig, dass der Beschwerdeführer trotz bestehenden Aufenthaltsverbots immer wieder in das Bundesgebiet zurückgereist sei. Darüber hinaus verfüge der Beschwerdeführer über verwandtschaftliche Beziehungen in Österreich und könne das fehlende soziale Netzwerk zur Begründung der Fluchtgefahr nicht herangezogen werden, da sich der Beschwerdeführer erst kurze Zeit in Österreich befinde. Beantragt werde daher, dass a) eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des Beschwerdeführers durchgeführt werde; b) der angefochtene Bescheid behoben und die Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig erklärt werde; c) ausgesprochen werde, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung nicht vorlägen; d) der belangten Behörde die Kosten aufzuerlegen.

11.      Am 06.07.2020 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit der Beschwerdevorlage verwies das Bundesamt auf das Vorverhalten des Beschwerdeführers und darauf, dass sich der Beschwerdeführer lediglich von 24.06.2020 bis 29.06.2020 in Schubhaft befand und seither eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüße, welche aufgrund seines unbekannten Aufenthaltes nicht früher habe vollzogen werden können.

Beantragt wurde die Abweisung der Beschwerde; sowie den Beschwerdeführer zum Ersatz der angeführten Kosten zu verpflichten.

12.      Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.07.2020 wurde der Beschwerdeführer bzw dessen rechtsfreundliche Vertretung darüber informiert, dass sich der Beschwerdeführer seit 29.06.2020 nicht mehr in Schub-, sondern in Verwaltungsstrafhaft befindet. In diesem Zusammenhang wurde eine einwöchige Frist eingeräumt, um die Beschwerde allenfalls zu adaptieren.

13.      Am 14.07.2020 langte eine Stellungnahme ein, worin der Antrag auf die Prüfung der weiteren Anhaltung im Rahmen einer „Habeas Corpus Prüfung“ zurückgezogen und ausgeführt wird, dass (nur) der Schubhaftbescheid vom 24.06.2020 sowie die darauf gestützte Anhaltung in Schubhaft bis zum 29.06.2020 bekämpft werden. Zu der Beschwerde wurde ergänzend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund der zu verbüßenden Verwaltungsstrafhaft für die Behörde greifbar gewesen wäre. Die Schubhaft sei zudem unverhältnismäßig gewesen, da der Beschwerdeführer eine „Transfrau“ zum Zeitpunkt der Festnahme „sehr feminin gekleidet“ gewesen sei, weshalb sich die Schubhaft im Männertrakt des PAZ nicht zuletzt aufgrund dieses Umstandes als unverhältnismäßig erweise. Erst nach der Effekteneinholung am 25.06.2020 sei eine dezentere Kleidung möglich gewesen.

14.      Am 14.07.2020 wurde der Beschwerdeführer unbegleitet in seinen Herkunftsstaat abgeschoben.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bulgarien. Er verfügt über einen bulgarischen Personalausweis, welcher bis 08.08.2029 gültig ist. Der Beschwerdeführer ist biologisch männlichen Geschlechts und wird im bulgarischen Personenstandsregister auch als Mann geführt. Im Rahmen der in Österreich betriebenen illegalen Beschäftigungen (darunter auch Prostitution) bemühte er sich um ein betont weibliches äußeres Erscheinungsbild.

Mit Bescheid vom 07.04.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein für die Dauer von zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG wurde ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und wurde mit Spruchpunkt III. einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft, weshalb zum Zeitpunkt der Festnahme rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahmen bestanden. Der Beschwerdeführer hat Österreich nach dieser Entscheidung nicht verlassen.

Der Beschwerdeführer ist spätestens im Februar 2020 das letzte Mal in das Bundesgebiet eingereist und ist ohne Arbeitserlaubnis diversen Tätigkeiten nachgegangen. Dabei wurde er bei der illegalen Prostitution betreten. Der Beschwerdeführer reiste auch bereits davor immer wieder in das Bundesgebiet ein, um diversen Arbeiten ohne Arbeitserlaubnis nachzugehen.

Der Beschwerdeführer hat keine nennenswerten Integrationsmaßnahmen gesetzt. Der Beschwerdeführer verfügt über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Abgesehen von seinem Cousin hat der Beschwerdeführer keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Er verfügt über keine aufrechte polizeiliche Meldung, keinen gesicherten Wohnsitz und ist mittellos.

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung sowie während dieser gesund und haftfähig.

Der Beschwerdeführer wurde am 29.06.2020 aus der Schubhaft entlassen und bis zur Überstellung in Verwaltungsstrafhaft angehalten. Am 14.07.2020 wurde der Beschwerdeführer nach Bulgarien per Luftweg unbegleitet abgeschoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 1260009801/200522581. Unstrittig sind die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers und zur Frage der Geschlechtsdefinition auf biologischer und juristischer Ebene.

Vom bulgarischen Personalausweis liegt eine Kopie im Akt, ebenso befindet sich der Bescheid hinsichtlich des ergangenen Aufenthaltsverbots, dem nicht erteilten Durchsetzungsaufschub sowie der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Verwaltungsakt. Dass der Beschwerdeführer in Österreich illegalen Beschäftigungen (darunter auch Prostitution) nachgegangen ist, ergibt sich aus dem Akt und wurde auch nie bestritten.

1.2. Im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme am 24.06.2020 konnten beim Beschwerdeführer 18,80 Euro in bar vorgefunden werden. Weitere finanzielle Mittel kamen im Verfahren nicht hervor. Die Feststellungen rund um seinen Gesundheitszustand und der mangelnden Meldung ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme sowie aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Aufgrund seines Verhaltens, nämlich der illegalen Erwerbsausführung sowie der damit im Zusammenhang stehenden getätigten Angaben betreffend die illegale Prostitution, wonach er dieser weiter nachgehen werde, dem Aufenthalt im Verborgenen und der mangelnden Kooperationsbereitschaft, kann dem Beschwerdeführer nur eingeschränkte Vertrauenswürdigkeit zugebilligt werden.

1.3. Das Fehlen substanzieller sozialer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet ergibt sich aus der Aktenlage und den authentischen Angaben des Beschwerdeführers. Auch in der Beschwerde wurden keine entgegenstehenden Behauptungen aufgestellt. Der Beschwerdeführer verfügt zwar über einen Cousin in Österreich, jedoch hat er darüber hinaus keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Er gab selbst an, dass seine näheren Verwandten in Bulgarien leben.

Der Beschwerdeführer ging in Österreich nie einer legalen Erwerbstätigkeit nach, sondern führte Arbeiten nach eigenen Angaben immer ohne eine Arbeitsgenehmigung aus. Im Verfahren sind keine legalen Beschäftigungsverhältnisse hervorgekommen.

1.4. Dass der Beschwerdeführer gesund ist, gründet auf dessen glaubhaften Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt und sind auch keine gesundheitlichen Beschwerden im Verfahren hervorgekommen.

Aus dem oben Dargestellten ergibt sich die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers, die auch nicht angezweifelt worden ist.

1.5. Die Feststellungen betreffend die Überstellung in die Verwaltungsstrafhaft und die Abschiebung ergeben sich aus der Aktenlage.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

2.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

2.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft

3.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Über den Beschwerdeführer wurde die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

3.2. Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit einem rechtskräftigen und durchsetzbaren Aufenthaltsverbot, einer wiederholten Wiedereinreise ins Bundesgebiet trotz bestehenden Aufenthaltsverbots einer mangelnden polizeilichen Meldung, dem Fehlen finanzieller Mittel sowie dem Fehlen sozialer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Das Bundesamt stützte sich dabei erkennbar auf die Ziffern 1, 2 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG.

Das Vorliegen eines rechtskräftigen und durchsetzbaren Aufenthaltsverbots ist unstrittig. Dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer für die Behörde greifbar gewesen sei, ist Folgendes entgegenzuhalten:

Der Beschwerdeführer ist seit dem 19.02.2020 in Österreich nicht mehr gemeldet und war für die Behörde nicht greifbar. Erst im Zuge einer Routinekontrolle wurde der Beschwerdeführer von der Polizei bei der illegalen Prostitution aufgegriffen.

Es ist zwar unstrittig, dass dem Beschwerdeführer in weiterer Folge das Ergebnis der Beweisaufnahme vom 25.02.2020 und der Bescheid vom 07.04.2020 zugestellt werden konnte, jedoch ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass den Behörden keine Zustelladresse bekannt war. Der Bescheid vom 07.04.2020 wurde etwa aufgrund der mangelnden Zustelladresse öffentlich ausgehängt. Zudem bedingt das Ausüben der illegalen Prostitution das bewusste Vermeiden einer Kontaktaufnahme mit der Gesundheitsbehörde und unterstreicht den fortgesetzten Aufenthalt im Verborgenen. Dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer verbüßten Verwaltungsstrafhaft für die Behörden greifbar gewesen wäre, ist entgegenzuhalten, dass diese erst nach der Entlassung aus der Schubhaft vollzogen wurde. Der Beschwerdeführer war für die Behörden nicht greifbar und besteht gegen ihn eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme, weshalb die Voraussetzungen von § 76 Abs. 3 Ziffer 1 und 3 FPG gegeben sind.

In der Beschwerde wird richtigerweise aufgegriffen, dass sich aus dem Akteninhalt nicht ergibt, dass der Beschwerdeführer trotz bestehenden Aufenthaltsverbots wiederholt in das Bundesgebiet eingereist ist. Der Beschwerdeführer gab in seiner niederschriftlichen Einvernahme am 24.06.2020 an, dass er das letzte Mal vor rund vier Monaten, sohin im Februar 2020 eingereist sei. Das Aufenthaltsverbot wurde mit Bescheid vom 07.04.2020 verhängt und erwuchs am 03.06.2020 in Rechtskraft. Aus der Aktenlage ergibt sich kein Hinweis, dass der Beschwerdeführer nach Verhängung des Aufenthaltsverbots aus dem Bundesgebiet aus- und später erneut einreiste. In diesem Zusammenhang gründet die Annahme des Bestehens der Voraussetzungen von Z 2 des § 76 Abs. 3FPG lediglich auf einer behördlichen Mutmaßung und ist daher für sich nicht geeignet als Indiz einer Fluchtgefahr zu dienen.

3.3. Die Behörde ist weiter vom Fehlen einer sozialen Verankerung des Beschwerdeführers in Österreich gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG ausgegangen. Demgemäß ist der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Das Bundesamt kommt dabei zutreffend zum Ergebnis, dass es für derartige Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung keinen stichhaltigen Hinweis gab. Insbesondere ging der Beschwerdeführer ausschließlich illegalen Beschäftigungen nach und verfügte über keine gesicherte Unterkunft. Auch in der Beschwerde wird dem nicht substantiiert entgegengetreten. Dass der Beschwerdeführer „hier durchaus über verwandtschaftliche Beziehungen“ verfüge, ist nicht mehr als eine substanzlose Behauptung. Im Übrigen müsste auch dargelegt werden, warum ihn diese von einer „Flucht“ (einem neuerlichen Aufenthalt im Verborgenen) abhalten sollte.

Die belangte Behörde kam daher zutreffend zu der Auffassung, dass der Beschwerdeführer über keine solchen substantiellen Bindungen in Österreich verfügt, auf Grund welcher anzunehmen sein könnte, dass er sich bis zur geplanten Abschiebung den Behörden nicht entziehen werde, ist der Beschwerdeführer doch bereits vor seiner Festnahme am 23.06.2020 trotz angeblicher – aber nie konkret dargelegter - familiärer Anknüpfungspunkte für die Behörden nicht greifbar gewesen.

Auf Grund dieser Erwägungen besteht im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anordnung der Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass dabei Z 2 des § 76 Abs. 3 FPG ersatzlos als Indiz für Fluchtgefahr entfallen kann ohne dass der Bescheid dadurch rechtswidrig würde. Die unzutreffende Annahme eines Fluchtgefahrindikators nach § 76 Abs. 3 FPG belastet für sich genommen einen Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit.

3.4. Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt im Ergebnis zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anhaltung in Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.

3.5. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden: Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, da sich der Beschwerdeführer insbesondere durch sein vor Anordnung der Schubhaft gezeigtes Verhalten als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat – was aber Voraussetzung für die Anordnung des gelinderen Mittels ist. Auf Grund dieser Umstände und der (wenn auch vergleichsweise gering ausgeprägten) Fluchtgefahr, überwogen daher – wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt – die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und war diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.

3.6. Das Bundesamt konnte aus den oben dargelegten Gründen zudem davon ausgehen, dass die Überstellung des Beschwerdeführers nach Bulgarien nicht nur in zumutbarer, sondern sogar binnen kurzer Frist möglich ist. Auch die absehbare Dauer der Schubhaft war nicht unverhältnismäßig: Mit der Durchführung der Überstellung war tatsächlich und innerhalb der gesetzlichen Fristen zu rechnen. Abschiebungen nach Bulgarien fanden im relevanten Zeitraum statt; der Beschwerdeführer verfügt auch über einen bulgarischen Personalausweis. Die damals absehbare Anhaltedauer betrug nur wenige Tage.

Tatsächlich wurde der Beschwerdeführer auch nur 5 Tage in Schubhaft angehalten – am 24.06.2020 erfolgte die Entlassung und Überstellung in eine Verwaltungsstrafhaft. An diese reihte sich schließlich – ohne weitere Schubhaft - am 14.07.2020 die Abschiebung des Beschwerdeführers.

Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers und wurde sie auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet.

3.7. Soweit in der Beschwerde eine Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft auch mit der Tatsache begründet wird, dass der Beschwerdeführer entsprechend seiner Selbstdefinition als Frau (beziehungsweise „Transfrau“) sehr feminin gekleidet und dennoch im Männertrakt des PAZ untergebracht gewesen sei, lässt sich diese Argumentation nicht nachvollziehen. Für die Unterbringung eines Mannes (biologisch/personenstandsrechtlich) in einem Frauentrakt gibt es keine rechtliche Grundlage – auch wenn hier ein Spannungsverhältnis zwischen „Sex“ und „Gender“ bestehen mag. Zudem wäre es dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar gewesen, in der Räumlichkeit, in der er bei versuchter Ausübung der illegalen Prostitution festgenommen wurde, „dezente“ oder weitgehend „geschlechtsneutrale“ Kleidung zu deponieren – umso mehr, als er sich der grundsätzlichen Problematik (Sex-Gender-Diskrepanz) in diesem Zusammenhang zweifelsfrei bewusst war.

Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass vom Beschwerdeführer für den Zeitraum bis zur Beschaffung dezenter Kleidung keine Beschwerde im Zusammenhang mit den Umständen der Anhaltung in Schubhaft eingebracht hat.

3.8. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft abzuweisen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Durch Einträge in öffentlichen Registern (ZMR, Strafregister, etc.) belegte oder widerlegte Tatsachen beziehungsweise Sachverhaltselemente bedürfen ebenfalls keiner mündlichen Erörterung. Zeugen wurden weder namhaft gemacht, noch wurde deren Einvernahme beantragt.

In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Aus der Aktenlage haben sich zudem keine Zweifel an der Haftfähigkeit ergeben, wobei diesbezügliche Probleme auch in der Beschwerde nicht thematisiert worden sind. Die Erläuterung von Rechtsfragen in einer mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich.

5. Kostenersatz

5.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

5.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang. Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei hingegen kein Kostenersatz.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Berücksichtigung eines unstrittigen oder zweifelsfrei belegten Vorverhaltens entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Fluchtgefahr Haftentlassung Haftfähigkeit Kostenentscheidung - Gericht Kostenersatz Mandatsbescheid Mittellosigkeit Obsiegen öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Schubhaftbeschwerde Schubhaftverfahren Sicherungsbedarf Strafhaft Transsexualität Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit Verwaltungsstrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2232699.1.00

Im RIS seit

01.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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