TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/16 97/05/0194

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Veröffentlicht am 16.09.1997
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Index

L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Burgenland;
L70701 Theater Veranstaltung Burgenland;
L81701 Baulärm Umgebungslärm Burgenland;
L82000 Bauordnung;
L82001 Bauordnung Burgenland;
L82201 Aufzug Burgenland;
L82251 Garagen Burgenland;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

AVG §1;
BauO Bgld 1969 §63 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art10 Abs1 Z9;
B-VG Art15 Abs1;
FG 1949 §1;
FG 1993 §2 Z2;
TelegraphenG 1924 §1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des Rudolf Kremsner und 2. der Hermine Kremsner, beide in St. Michael, vertreten durch Dr. Witt & Partner KEG, Rechtsanwälte in Wien IV, Argentinierstraße 20A/2A, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Güssing vom 1. April 1997, Zl. 02/04/28-1997, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Post- und Telekom Austria AG in Wien IX, Nordbergstraße 15; 2. Gemeinde St. Michael, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Zweitmitbeteiligten vom 23. September 1996 wurde der Erstmitbeteiligten die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Antennentragmastes für das Mobilfunknetz auf dem Grundstück Nr. 82/9, KG St. Michael, unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Die Beschwerdeführer hatten im erstinstanzlichen Verfahren u.a. die Einwendung erhoben, daß der Erstbeschwerdeführer durch die Errichtung des Sendemastes eine Beeinflussung seines Herzschrittmachers befürchten würde. Er hätte deshalb Bedenken, da sein Herzschrittmacher bereits zweimal gestört worden sei.

In der gegen den angeführten Bescheid vom 23. September 1996 erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer insbesondere wieder vor, daß der Erstbeschwerdeführer seit 1979 einen Herzschrittmacher habe, dessen einwandfreie Funktion für ihn lebenswichtig sei. Durch Einflüsse unbekannter Art sei es bereits zweimal zu Veränderungen der Herzschrittmachereinstellwerte gekommen. Laut einem Gutachten des Institutes für elektro- und biomedizinische Technik der Technischen Universität Graz sei eine Störbeeinflussung von Herzschrittmachern durch elektromagnetische Wellen möglich und deshalb auch bei GSM-Mobilfunkstationen nicht auszuschließen. Weiters wendeten sich die Beschwerdeführer dagegen, daß einerseits die Haftungsfrage bei Blitzschlägen nicht ausreichend geklärt wäre und andererseits durch den Sendemast das Ortsbild erheblich verunstaltet würde.

Mit Bescheid vom 2. Jänner 1997 wurde die Berufung der Beschwerdeführer vom Gemeinderat der zweitmitbeteiligten Gemeinde abgewiesen. Auch die Berufungsbehörde ging auf die in gesundheitlicher Hinsicht vorgetragenen Einwendungen betreffend den Herzschrittmacher des Erstbeschwerdeführers inhaltlich ein und erachtete sie für nicht zutreffend.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellungen, in der ausschließlich die Mangelhaftigkeit des Verfahrens in bezug auf die Frage der Auswirkungen des Sendemastes auf den Herzschrittmacher des Beschwerdeführers enthielten, wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Auch die belangte Behörde ging auf diese Einwendungen im Lichte des § 94 Abs. 3 Bgld. BO i.V.m.

§ 63 Abs. 2 leg. cit. inhaltlich ein.

In der dagegen zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde, deren Behandlung vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 16. Juni 1997, B 1126/97-3, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde, wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Unterlassung einer gesundheitsbeeinträchtigenden Bauführung gemäß der Bgld. Bauordnung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 94 Bgld. Bauordnung, LGBl. Nr. 13/1970, sind Nachbarn im Verfahren gemäß § 92 Parteien (§ 8 AVG). Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß er durch das Vorhaben in seinen subjektiven Rechten verletzt wird. Gemäß § 94 Abs. 3 Bgld. Bauordnung hat die Baubehörde, wenn die Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen baurechtlichen Vorschriften des Landes behauptet wird, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen, hierüber im Bescheid (§ 93 Abs. 2) zu erkennen und die Einwendung als unbegründet abzuweisen oder die Bewilligung zu versagen. Öffentlich-rechtliche Einwendungen können insbesondere auf die Vorschriften über die Bebauungsweise, die Entfernung der Bauten von den Nachbargrenzen oder Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Beschaffenheit des Bauplatzes und die Vorschriften, die den Schutz der Nachbarn vor Immissionen zum Gegenstand haben, gestützt werden. Gemäß § 63 Abs. 2 Bgld. Bauordnung sind für Bauten, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen hinsichtlich Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen vorzuschreiben, wenn keine besonderen Bauvorschriften bestehen.

Das vorliegende Bauvorhaben stellt jedenfalls auch eine Fernmeldeanlage im Sinne des § 1 Fernmeldegesetzes, BGBl. Nr. 170/1949 bzw. des § 2 Z. 2 des Fernmeldegesetzes 1993, BGBl. Nr. 908, welches im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides wirksam war, dar. Nach letzterer Bestimmung sind Fernmeldeanlagen alle technischen Anlagen zur Aussendung, Übertragung oder zum Empfang von Nachrichten, sei es auf dem Leitungs- oder Funkweg, auf optischem Wege oder mittels anderer elektromagnetischer Systeme. Eine derartige Anlage war im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides gemäß § 5 des Fernmeldegesetzes 1993 bewilligungspflichtig.

Bewilligungsvoraussetzung ist u.a. gemäß § 3 Abs. 2 i.V.m. § 11 leg. cit., daß der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen gewährleistet ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 5. Oktober 1954, Slg. Nr. 2720, zum Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG ("Post- und Fernmeldewesen", im Zeitpunkt des Erkenntnisses noch "Telegraphen- und Fernsprechwesen") ausgesprochen, daß der Inhalt des Begriffes "Fernmeldeanlage" in § 1 Fernmeldegesetz (1949) die Grenzen des verfassungsrechtlichen Kompetenzbegriffes "Telegraphen- und Fernsprechwesen" (seit der B-VG-Novelle, BGBl. Nr. 444/1974), wie er sich aus § 1 Telegraphengesetz, BGBl. Nr. 263/1924, ergeben hat, nicht überschreitet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 93/05/0244).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits in seinen Erkenntnissen vom 21. Jänner 1992, Slg. Nr. 13.563/A, vom 15. September 1992, Zl. 92/05/0055, vom 20. Juni 1995, Zl. 93/05/0244, und vom 7. November 1995, Zl. 94/05/0352, mit der Abgrenzung des Kompetenztatbestandes "Fernmeldewesen" zu den von den Baubehörden zu vollziehenden Angelegenheiten befaßt und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß der Bewilligungspflicht einer Fernmeldeanlage nach dem Fernmeldegesetz die Festsetzung einer zusätzlichen Bewilligungspflicht durch die Baubehörde betreffend die in deren Kompetenz fallenden Gesichtspunkte nicht entgegensteht. Im hg. Erkenntnis vom 19. September 1995, Zl. 94/05/0216, hat der Verwaltungsgerichtshof diese Aussage noch dahingehend verdeutlicht, daß eine zusätzliche Bewilligungspflicht durch die Baubehörde aus kompetenzrechtlicher Sicht in bezug auf solche in die Landeskompetenz (u.a. Baurecht) fallenden Gesichtspunkte in Betracht kommt, die sich nicht mit einem von der Bundeskompetenz "Fernmeldewesen" erfaßten Gesichtspunkt decken. Soweit in baurechtlichen Bestimmungen etwa Gesichtspunkte des Ortsbildschutzes und der Ortsbildgestaltung maßgeblich sind, kommt dem Landesgesetzgeber die Zuständigkeit gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. November 1995, Zl. 94/05/0352, und die dort zitierte hg. Vorjudkatur).

Im bereits zitierten hg. Erkenntis Zl. 93/05/0244 präzisierte der Verwaltungsgerichtshof die in die Bundeskompetenz "Fernmeldewesen" fallenden Gesichtspunkte. Dies sind jene für die Errichtung und den Betrieb einer Fernmeldeanlage typischen Regelungsaspekte, wie die Sicherung des ungestörten Betriebes anderer Fernmeldeanlagen und die Abwehr der von den Fernmeldeanlagen typischerweise ausgehenden Gefahren. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch klargestellt, daß Aspekte des Schutzes des Lebens und der Gesundheit (gegenüber den von einer Fernmeldeanlage typischerweise ausgehenden Gefahren) - wie sie von den Beschwerdeführern eingewendet worden waren und nunmehr zum alleinigen Beschwerdegrund gemacht wurden - von der Bundeskompetenz "Fernmeldewesen" erfaßt sind und es sich bei diesen Gesichtspunkten nicht um der Landeskompetenz "Baurecht" zuzuordnende Gesichtspunkte handelt. Soweit es um die Beachtung von in die Landeskompetenz "Baurecht" fallenden Gesichtspunkten geht (wie etwa Ortsbildschutz), kommt eine Zuständigkeit der Baubehörden auch für Fernmeldeanlagen in Betracht (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 93/05/0244). Die jeweils maßgeblichen baurechtlichen Bestimmungen müssen gegenüber Fernmeldeanlagen jeweils in diesem Sinne verfassungskonform ausgelegt werden. Das bedeutet im vorliegenden Fall, daß § 63 Abs. 2 Bgld. Bauordnung, soweit er auf Aspekte des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Nachbarn verweist, im baurechtlichen Verfahren einer Fernmeldeanlage nicht herangezogen werden darf, weil dieser Aspekt im Falle einer Fernmeldeanlage von der beschriebenen Bundeskompetenz umfaßt ist.

Wie sich aus den Ausführungen der hg. Judikatur ergibt, darf die Baubehörde gesundheitliche Belange im Zusammenhang mit einer Fernmeldeanlage nicht prüfen. Die Vorstellung der Beschwerdeführer, in der nur mehr gesundheitliche Aspekte releviert wurden, hätte daher aus diesem Grund abgewiesen werden müssen. Der Umstand, daß die belangte Behörde die Abweisung der Vorstellung aus einem anderen Grund vorgenommen hat, verletzt - da die Baubehörden, wie dargelegt, grundsätzlich auch für Fernmeldeanlagen, die unter einen der Bewilligungstatbestände der Bgld. Bauordnung fallen, zuständig sind - die Beschwerdeführer aber nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Es erübrigte sich daher eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

sachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenBewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997050194.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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