TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/24 W159 2193294-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.2020
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Entscheidungsdatum

24.09.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28

Spruch

W159 2193294-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehöriger von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.06.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AslyG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 ABs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III. bis VI. des bekämpften Bescheides werden gemäß § 28 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Afghanistan, gelangte (spätestens) am 09.12.2015 irregulär nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am gleichen Tag wurde er einer Erstbefragung auf der Polizeiinspektion XXXX unterzogen. Zu den Fluchtgründen führte er aus, dass er illegal im Iran gelebt habe und dort keine Dokumente gehabt habe. Deswegen habe ihn die Polizei festgenommen und habe ihn nach Afghanistan abschieben wollen, außer er hätte „freiwillig“ zugestimmt, in Syrien mit dem Assad-Regime gegen den IS zu kämpfen. Er habe sich geweigert und sei aus diesem Grunde nach Afghanistan abgeschoben worden. Dort habe er große Schwierigkeiten gehabt und habe man ihn beschuldigt, dass er ein iranischer Spion sei. Seine Mutter habe dies erfahren, habe sich ein Visum besorgt und habe ihn in Afghanistan abgeholt und sei er dann wieder in den Iran zurückgekehrt, aber nach drei Monaten habe sie ihm einen Schlepper organisiert, mit dessen Hilfe er ausgereist sei.

Nach Zulassung zum Asylverfahren erfolgte dann am 09.03.2018 eine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark. Dabei gab der Antragsteller an, dass er am XXXX nach iranischem Kalender in XXXX im Iran geboren sei. Sein Vater stamme aus der Provinz Baghlan und habe wegen seiner Feinde Afghanistan verlassen müssen. Im Iran habe er noch eine Tante mütterlicherseits und einen Onkel mütterlicherseits. Seine Mutter sei Iranerin. Diese und seine Schwester würden auch noch im Iran leben. Sein Vater sei zwischenzeitig verstorben. Seine Mutter arbeite als Putzfrau und seine Schwester gelegentlich als Schneiderin. Er habe Kontakt zu seiner Mutter gehabt, aber dieser sei seit einiger Zeit abgebrochen. Er selbst habe nach dem Tod seines Vaters ein Jahr lang als Schneider gearbeitet, als seine Mutter krank gewesen sei. Weil sein Vater Afghane gewesen sei, habe er keine Dokumente bekommen. Die Polizei habe ihn festgenommen. Sie habe ihn vor die Alternative gestellt, ihn entweder nach Afghanistan abzuschieben oder nach Syrien in den Krieg zu schicken. Für diesen Fall hätten sie ihm Dokumente für seine Familie versprochen. Er sei einmal nach Afghanistan abgeschoben worden und ca. 20 bis 25 Tage dort gewesen, und zwar an der Grenze bei XXXX . Die Polizei habe ihn festgenommen und habe ihm vorgeworfen, Iraner zu sein, wegen seines Dialektes. Er sei eine Woche lang festgehalten worden. Vorher habe ein Mann ihn zu sich nach Hause genommen, weil er niemanden dort gehabt habe. Nach der Haft habe ihm seine Mutter ein Visum besorgt und sei er freigekommen. Der Mann, bei dem er zuhause übernachtet habe, habe ihn sexuell vergewaltigt. Er sei auf der Polizei gewesen, diese habe aber seine Vergewaltigung nicht beachtet.

Schon die iranische Polizei habe Fingerabdrücke abgenommen und ihn fotografiert und habe ihm gesagt, dass sie ihn, wenn sie ihn noch einmal bei der Arbeit erwischen würden, sofort ins Gefängnis schicken würden. Auch die afghanische Polizei habe Fingerabdrücke abgenommen und Fotos gemacht. Sie hätte nicht akzeptiert, dass sein Vater Afghane gewesen sei. Sein Leben sei in Afghanistan in Gefahr. Er sei dort auch vergewaltigt worden. In Österreich habe er Rechte und fühle sich sicher. Weder in Afghanistan noch im Iran sei er in Sicherheit. Er besuche eine Schule und werde von der XXXX unterstützt. Außerdem gehe er seit zwei Monaten ins Fitness-Studio und spiele auch gelegentlich Fußball. Er habe auch eine österreichische Freundin gehabt, aber als ihr Vater erfahren habe, dass er Asylwerber sei, habe sie den Kontakt abbrechen müssen. Sein Vater sei ca. zweieinhalb Jahre, bevor er hierhergekommen sei, gestorben. Die Vergewaltigung durch einen Mann sei der Grund gewesen, warum er Afghanistan verlassen habe. Bei der Erstbefragung habe er deswegen darüber nichts erzählt, weil er sich geschämt habe.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 20.03.2018, Zahl XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchpunkt II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigem Grund nicht erteilt, unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und unter Spruchpunkt VI. eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise festgelegt.

In der Begründung des Bescheides wurde der bisherige Verfahrensgang einschließlich der oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und anschließend die Beweismittel aufgelistet und Feststellungen zu Afghanistan getroffen. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass aus einer einmaligen Festnahme durch die afghanische Polizei keine asylrelevante Verfolgung abgeleitet werden könne. Es sei keineswegs anzunehmen, dass die afghanischen Behörden ihn als iranischen Spion angesehen hätten, sonst hätte seine Mutter ihn nicht ohne weiteres freibekommen. Das Vorbringen, dass er in Afghanistan von einem Mann festgehalten und vergewaltigt worden sei, sei völlig unglaubwürdig, da er davon in der Erstbefragung nichts erwähnt habe. Die übrigen vorgebrachten Gründe und Probleme hätten sich auf den Iran bezogen und sei darauf nicht näher einzugehen gewesen, da er afghanischer Staatsbürger sei.

Zu Spruchpunkt I. wurde in der rechtlichen Begründung hervorgestrichen, dass keine Verfolgung im Sinne der GFK hätte erkannt werden können, wobei nochmals darauf hingewiesen wurde, dass sich die Fluchtgründe auf den Herkunftsstaat zu beziehen hätten, um asylrelevant zu sein. Zu Spruchteil II. wurde insbesondere ausgeführt, dass eine inländische Fluchtalternative in Kabul vorliege. Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass die dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen nicht gegeben wären. Zu Spruchpunkt IV. schließlich wurde zunächst hervorgestrichen, dass im vorliegenden Fall kein schützenswertes Familienleben vorliege, zum Privatleben, dass der Antragsteller erst kurz in Österreich sei und er nur schwach ausgeprägte private Interessen hier habe und weder in einem Ausbildungsverhältnis stehe noch selbsterhaltungsfähig sei und daher insgesamt eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Unter Spruchpunkt V. wurde dargelegt, dass im vorliegenden Fall keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG bestehe und einer Abschiebung nach Afghanistan auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrecht entgegenstehe, sodass diese als zulässig zu bezeichnen sei, weiters wären auch keine Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise hervorgekommen (Spruchpunkt VI).

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch den XXXX , fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. In dieser wurde zunächst das Vorbringen kursorisch wiedergegeben. Hingewiesen wurde insbesondere auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer keinerlei Bezug zum Herkunftsstaat Afghanistan habe und die örtlichen Gegebenheiten überhaupt nicht kenne. Er sei außerhalb seines Heimatlandes sozialisiert worden und stehe ihm ein soziales oder familiäres Netzwerk nicht zur Verfügung, sodass keine zumutbare inländische Fluchtalternative vorliege. In der Folge wurde ein ausgiebiges Vorbringen zur schlechten Sicherheitslage in Kabul erstattet und auf die besondere Situation von Rückkehrern aus Europa hingewiesen, sowie schließlich die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt.

In Folge der Unzuständigkeitsanzeige der ursprünglich zugeteilten Einzelrichterin wegen Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung wurde der Verfahrensakt dem nunmehr zuständigen Einzelrichter zugeteilt, welcher eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 05.06.2020 anberaumte.

Zu dieser ließ sich die belangte Behörde entschuldigen und erschien der Beschwerdeführer in Begleitung eines Mitarbeiters seiner ausgewiesenen Vertretung. Diese legte ein Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung (ohne Deutsch) vor, eine Schulbesuchsbestätigung des XXXX , diverse Kursbestätigungen, Bestätigungen des XXXX samt eines Dienstausweises sowie von Empfehlungsschreiben des „ XXXX “ sowie der XXXX vor. Eingangs der Verhandlung wies der Beschwerdeführer auf seine schlechte seelische Situation hin und dass er Konzentrationsprobleme habe und deswegen die Deutschprüfung nicht geschafft habe.

Seine Staatsangehörigkeit wisse er nicht genau. Er habe auch keine Dokumente. Sein Vater sei jedoch afghanischer Staatsbürger gewesen. Dieser habe um die iranische Staatsbürgerschaft angesucht, der Antrag sei jedoch abgelehnt worden. Seine Mutter sei iranische Staatsbürgerin. Er hätte auch die iranische Staatsbürgerschaft nicht erhalten.

Er sei Hazara und schiitischer Moslem. Seine Mutter sei Farsin. Er übe seine Religion auch „manchmal“ in Österreich aus und habe auch manchmal gefastet, er wisse auch nicht genau, ob er wirklich Moslem sei, denn er habe mit Muslimen keine gute Erfahrung gemacht.

Er sei am XXXX in der Stadt XXXX im Iran geboren und habe auch immer in XXXX gelebt, aber ohne Aufenthaltsdokumente. Mit 17 Jahren sei er von der iranischen Polizei erwischt worden. Dann habe man ihm zwei Möglichkeiten genannt, entweder in den syrischen Krieg zu ziehen oder nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Warum sein Vater ursprünglich Afghanistan verlassen habe, habe sein Vater ihm nicht erzählt. Er habe familiäre und ethnische Probleme gehabt. Sein Vater stamme aus der Provinz Baghlan, aus der Stadt XXXX . Er selbst habe acht Jahre lang eine Schule für afghanische Immigranten im Iran besucht. Vor dem Tod seines Vaters habe sich dieser um die Familie gekümmert. Dann habe das seine Mutter getan. Sie habe als Putzfrau gearbeitet. Nach dem Tod seines Vaters sei seine Mutter krank geworden. Dann habe er ein Jahr lang als Schneider gearbeitet, sei aber von der Polizei erwischt worden. Sein Vater habe auf Baustellen gearbeitet. Wegen der harten Arbeit sei er krank geworden. Letztlich sei er an einem Herzinfarkt gestorben. Seine Mutter und seine Schwester, die ein Jahr jünger sei als er, seien noch immer in XXXX . Er sei von der iranischen Polizei vor die Alternative gestellt worden, entweder nach Afghanistan abgeschoben zu werden oder in den syrischen Krieg zu ziehen, dafür werde im Iran viel Propaganda gemacht und viele muslimische Jugendliche würden dies tun. Er habe aber gehört, dass viele nicht mehr lebend zurückkommen würde und habe man ihn nach einer Identitätsfeststellung nach Afghanistan abgeschoben und zwar mit einem Bus und sei er bis zur Grenze nach XXXX gebracht worden. Er sei damals krank gewesen und habe Angst gehabt und habe er verschiedene Leute um ein Nachtquartier ersucht, welche allerdings sexuelle Gegenleistungen von ihm verlangt hätten. Ein afghanisches Ehepaar habe ihm dann geholfen und sei er mit diesen nach Hause gegangen. Sie hätten ihm zu essen und zu trinken gegeben, aber in der Nacht, ungefähr um Mitternacht, sei der Ehemann zu ihm gekommen und habe ihn vergewaltigt. Er habe ihn ausgezogen und habe ihn bedroht, dass er ihn schlagen oder verletzten würde, wenn er nicht ruhig bleibe. Wenn er laut um Hilfe rufen würde und durch die Schreie seine Frau aufwachen würde, würde er ihn erwürgen. Dieser Mann habe mit ihm den Analverkehr vollzogen. Er sei deswegen auch blutig gewesen. Er sei außerdem krank gewesen und habe sich nicht zur Wehr gesetzt. Zwei Tage später habe ihn dieser Mann dann noch einmal vergewaltigt. Er sei zwischen 40 und 50 Jahre alt gewesen. Er sie damals sehr erkältet gewesen, habe Fieber, Kopfschmerzen und Schüttelfrost gehabt. Zwei Tage nach der zweiten Vergewaltigung habe er mal auf die Toilette gehen müssen und habe gesehen, dass die Tür des Hauses offen sei und sei aus dem Haus geflüchtet. In der Folge habe er viele Leute um Hilfe gebeten, niemand habe sich aber um ihn gekümmert. Er habe iranische Kleidung angehabt und habe die Polizei ihn dann gefragt, ob er Dokumente hätte. Da er einen iranischen Akzent habe, habe ihn die Polizei verdächtigt, ein iranischer Spion zu sein und habe ihn er grob behandelt. Sie hätten ihm Handschellen angelengt und ins Polizeiauto gestoßen. Auf der Polizeistation hätten sie ihn noch einmal nach seinen Dokumenten gefragt und habe ihnen dann von den Ereignissen erzählt, aber die Polizisten hätten, anstatt ihm zu helfen, ihn nur ausgelacht und hätten versucht, jedes Detail von ihm herauszubekommen. Sie hätten ihn ausgelacht und noch mehr unter Druck gesetzt. Sie hätten ihn zwar nicht geschlagen, aber versucht, ihn in spielerischer Weise anzufassen. Insgesamt sei er zweieinhalb Wochen bei der Polizei gewesen. Sie hätten ihn immer wieder nach Details der Ereignisse gefragt, um ihn seelisch zu quälen und auszulachen und hätten ihn auch als „iranischen Hurensohn“ bezeichnet. Er habe dann seine Mutter von der Polizeistation anrufen dürfen. Diese sei dann nach Afghanistan gekommen und habe den Polizisten Schmiergeld gezahlt. Daraufhin habe seine Mutter ihn mitnehmen können. Er sei dann noch drei Monate bei seiner Mutter in XXXX im Iran gewesen. In der Zeit habe er das Haus aber nicht verlassen, weil er Angst gehabt habe vor einer weiteren Abschiebung oder eine Zwangsrekrutierung für den syrischen Krieg. Ein Schlepper habe ihn dann nach Europa mitgenommen, aber er sei auch von diesem um sexuelle Dienstleistungen gebeten worden. Außer den erwähnten 25 Tagen sei er niemals in Afghanistan gewesen. Mit seiner Mutter bzw. Schwester habe er einmal pro Woche per Internet Kontakt. Seine Mutter verdiene gerade so viel, dass sie über dir Runden kommen könnten. Seine Schwester dürfe nicht offiziell arbeiten.

Er habe zu 100% gesundheitliche und psychische Probleme. Er könne sich überhaupt nicht konzentrieren. Er sehe diese Geschichte, die ihm in Afghanistan passiert sei, fast 24 Stunden vor seinen Augen, es sei dann tausendmal schlimmer als der Tod.

Nach einer kurzen Besprechung des Beschwerdeführervertreters im Beisein des Dolmetschers beantragte dieser die Einholung eines Gutachtens durch einen Sachverständigen für Psychiatrie oder klinische Psychologie. Gegen die vom Richter vorgeschlagene gerichtlich zertifizierte Sachverständige für klinische Psychologie XXXX wurde kein Einwand erhoben.

Gefragt, was er derzeit in Österreich mache, gab er an, dass er lerne und sich versuche, besonders auf Deutsch zu konzentrieren, wo er den Pflichtschulabschluss nicht geschafft habe. Er würde gerne etwas im Bereich von IT lernen. In Österreich habe er schon bei der Straßenreinigung gearbeitet und bei der Österreich Tafel beim XXXX und auch in einem Altersheim. Er sei Mitglied beim XXXX und sei er auch in einer Gruppe von Österreichern, mit denen er viel unternehme und auch manchmal in die Kirche gehe. Er habe daher auch österreichische Freunde. Er habe zweimal eine österreichische Freundin gehabt, einmal habe der Vater des Mädchens eine weitere Beziehung verhindert, die zweite habe ihn wegen seiner Hautkrankheit verlassen.

Er würde lieber in Österreich sterben als wieder nach Afghanistan zurückkehren, nachdem, was ihm in Afghanistan widerfahren sei. Gefragt, ob er sich nicht in XXXX oder Mazar-e Sharif niederlassen könne, weil er jung und arbeitsfähig sei und Schulausbildung und Berufserfahrung habe, gab er an, dass die Bevölkerung in ganz Afghanistan gleich sei. Er habe auch Angst davor, dass sich seine vergangene Erfahrung wiederhole, da er niemanden in Afghanistan habe. Außerdem gebe es in Afghanistan laufend Selbstmordanschläge. Über Befragen durch den Beschwerdevertreter gab er an, dass in Afghanistan die Leute Paschtu gesprochen hätten und zwar einen Dialekt, er habe das nicht verstanden. Außerdem hätten diese grundsätzlich etwas gegen Hazara. Er habe auch niemanden, der ihn bei einer Rückkehr unterstützen könnte. Abschließend wiederholte der Beschwerdeführer, dass er lieber in Österreich sterben möchte, als nach Afghanistan zurückkehren würde. Dem Beschwerdeführer wurde der aktueller Strafregisterauszug vorgehalten. In diesem scheinen wohl zwei Verurteilungen auf, aber es ist dort auch ein Name bzw. die Namen algerischer Staatsangehöriger verzeichnet, sodass dieser Personensatz nicht dem Beschwerdeführer zugeordnet werden kann und daher davon auszugehen ist, dass dieser unbescholten ist. Der Beschwerdeführer gab auch dezidiert an, dass er niemals von einem österreichischen Gericht verurteilt worden sei.

Die genannte Sachverständige erstattete nach Untersuchung des Beschwerdeführers am 19.06.2020 (unter Beiziehung eines Dolmetschers) mit Datum 06.08.2020 folgendes

Klinisch psychologisches Gutachten:

Zur Vor- und Lebensgeschichte des BF:

Der BF berichtet seine Lebensgeschichte und traumatisierende Erfahrungen weitgehend in Übereinstimmung mit seinem bisherigen Vorbringen:

Herr Mohammdi stammt aus Afghanistan, ist im Iran geboren. Sein Vater ist Hazara aus Afghanistan, seine Mutter Iranerin. Der BF hat eine Schwester namens XXXX , die mit der Mutter in XXXX lebt. Der Vater ist von Afghanistan in den Iran geflohen. Die Eltern haben sich nach Angaben des BF im Iran kennengelernt. Das habe zu familiären Problemen geführt, da es gesellschaftlich verpönt ist, wenn eine Iranerin einen Afghanen heiratet. Die Familie seiner Mutter habe den Kontakt mit der Familie des BF abgebrochen.

Sein Vater sei verstorben, die Mutter habe eine Krebskrankheit erlitten, deshalb habe er arbeiten gehen müssen. Dabei sei er von der iranischen Polizei erwischt worden. Ab diesem Zeitpunkt hätten die Probleme des BF begonnen. Er habe keine Dokumente vorweisen können, da auch sein Vater keine offiziellen Dokumente gehabt habe. Die Eltern hätten inoffiziell geheiratet, aus diesem Grund hätten sein Vater und somit auch dessen Kinder keine Dokumente gehabt. Er sei sodann in einem Camp, in dem afghanische Migranten oder Flüchtlinge gesammelt werden festgehalten worden. Dort habe man ihn seelisch und körperlich unter Druck gesetzt, um ihn dazu zu bewegen, am syrischen Krieg teilzunehmen. Er habe das abgelehnt und sei daraufhin nach Afghanistan abgeschoben worden. Man habe den Kontakt zur Mutter verunmöglicht, die persönlichen Gegenstände habe man ihm weggenommen. Er sei bis zur Grenze mit einem Bus gebracht worden, dort habe man die Menschen ausgeladen und ihnen den Weg Richtung Afghanistan gezeigt. Er sei zu diesem Zeitpunkt 17 Jahre alt gewesen. Er habe sich verloren gefühlt und zahlreiche Menschen um Hilfe gebeten. Dafür seien sexuelle Gegenleistungen verlangt worden. Er habe sich einem Paar anvertraut, dass sich bereit erklärt habe, ihn mit nach Hause zu nehmen, um ihm zu helfen. Er habe diesen Personen vertraut.

Im Haus des Paares habe ihn der Mann vergewaltigt. Er sei in der Nacht gekommen und habe den Analverkehr erzwungen. Der BF sei dabei verletzt worden, er habe geblutet. Der Täter habe ihn gewürgt und ihm gedroht ihn zu erwürgen, falls der BF schreien und seine Frau etwas hören sollte. Er sei körperlich schwach und krank gewesen und habe sich nicht verteidigen können. Er sei zwei Mal von diesem Mann vergewaltigt worden. Er sei eingesperrt gewesen. Nach einer Woche sei es ihm gelungen zu flüchten.

Danach sei er wegen seiner iranischen Kleidung von der afghanischen Polizei aufgegriffen worden. Er habe seine Geschichte erzählt, die ihm aber nicht geglaubt worden sei. Er sei als „Hurensohn“ bezeichnet und ausgelacht worden. Letztlich habe er seine Mutter verständigen können, die ihn nach Schmiergeldzahlung aus Afghanistan abholen und zurück in den Iran bringen konnte. Es seien seine Fingerabdrücke und Fotos von Gesicht und Augen genommen worden. Danach habe man ihm gedroht, er solle sich nicht mehr in Afghanistan blicken lassen, anderenfalls werde man ihn als Spion verurteilen. Aus dem Iran sei der BF sodann nach Österreich geflüchtet.


Zum Krankheitsbild:

Der BF erscheint bewusstseinsklar und in allen Qualitäten ausreichend orientiert. Formale und inhaltliche Denkstörungen sind nicht vorhanden. Innerliche Unruhe, Redefluss und leicht gesteigerter Antrieb sprechen für hohen Affekt- und Leidensdruck. Der BF zeigt einen Zustand vegetativer Übererregung und Anspannung. Nervosität, Kratzen und Nesteln an den Händen sind zu beobachten. Ängstlich-misstrauische Grundhaltung wird deutlich. Der BF ist gut in der Lage, den Gegenstand der Untersuchung und den Sinn der gestellten Fragen zu verstehen.

Herr XXXX steht unter einem starken Leidensdruck, von dem er „befreit“ werden möchte. Der BF geht davon aus, dass ihm die Untersuchung helfen könnte, die belastenden Ereignisse zu verarbeiten und loszuwerden. Auf die Frage nach der aktuellen Lebenssituation gibt der BF an, in Österreich die Schule abschließen zu wollen. Der Hauptschulabschluss sei aber bislang nicht gelungen. Der BF beschreibt Konzentrationsprobleme und beinahe täglich wiederkehrende belastende Nachhallerinnerungen und Träume von den traumatisierenden Ereignissen. Er habe versucht, die Ereignisse zu vergessen und gegen die Erinnerungen anzukämpfen. Das sei ihm aber nicht gelungen. Er betreibe Sport, aber auch dabei würden sich Konzentrationsprobleme störend auswirken. Er träume konkret von der Vergewaltigung und dass er erwürgt werde. Er habe das Gefühl, das Ereignis wieder zu erleben, so konkret, dass er nicht mehr atmen kann.

Der BF beschreibt Ängste und Befürchtungen: Er befürchtet die Abschiebung nach Afghanistan und meint, dass ihm dort erneut etwas zustoßen würde. Aus Angst vor einer Abschiebung habe er recherchiert und festgestellt, dass sexuelle Übergriffe an diesem Ort offenbar häufig passieren. Die Polizei reagiere darauf nicht. Der BF und der Dolmetscher erklären gemeinsam, dass man an diesem Ort mit Kindern „Pajenpazi“ mache. Das sei ein in Besitz nehmen und abhängig machen von Kindern und Jugendlichen. Sexuelle Ausbeutung kann, muss damit aber nicht in Verbindung stehen. Wenn Bekannte und Freunde abgeschoben werden, treten die Erinnerungen an die Vergewaltigung verstärkt auf und die Ängste verstärken sich. Auch vor Polizisten und seinen Landsleuten fürchtet sich der BF. Er berichtet, dass er bewusst Aktivitäten, Orte oder Menschen meidet, die Ängste bei ihm auslösen. So sei er hauptsächlich alleine. Er lebe privat in einer Wohngemeinschaft mit zwei Iranern und einem Araber, da er sich im Heim vor den anderen männlichen Heimbewohnern gefürchtet habe. Aber auch in seiner Wohnung ziehe er sich zurück und sperre seine Zimmertüre ab.

Der BF gibt an, dass die Vergewaltigung sein Leben zerstört habe. Er habe das Vertrauen in die Menschen verloren.

Der BF schildert des Weiteren Schlafstörungen und Appetitlosigkeit. Er esse selten und wenig. Auch Suizidgedanken werden berichtet. Er habe sich intensiv und konkret mit der Möglichkeit zu sterben beschäftigt. Die Verantwortung seiner Mutter und seiner Schwester gegenüber habe ihn letztlich vom Selbstmord abgehalten. Darüber sei er froh. Er habe überlegt durch Medikamente, einen Sturz von der Brücke oder Aufschneiden der Pulsadern zu sterben. Der BF zeigt juckende Hautausschläge an den Händen und erklärt, diese Ausschläge insbesondere an der unteren Körperhälfte zu haben. Der BF geht davon aus, dass diese Ausschläge als Reaktion auf psychische Probleme auftreten, da sich der Zustand im Zusammenhang mit seiner Befindlichkeit verschlechtert oder verbessert.

Er habe in den vergangenen 4,5 Jahren zwei Freundinnen gehabt. Die erste Freundin habe er verloren, weil ihr Vater etwas gegen Flüchtlinge gehabt habe, die zweite Freundin habe ihn wegen der Hautausschläge und der Konzentrationsprobleme verlassen.

Befragt nach einer psychotherapeutischen und/oder psychiatrischen Behandlung, erklärt der BF, er habe schlechte Erfahrungen damit gemacht. Andere Betroffene hätten nur Medikamente bekommen. Ein Zimmerkollege habe zu viele Tabletten auf einmal eingenommen, woraufhin es ihm sehr schlecht gegangen sei. Angesprochen auf die Wichtigkeit einer fachärztlichen und psychotherapeutischen Behandlung, erklärt der BF im Therapiezentrum Zebra angemeldet zu sein, dort aber erst einen Platz zu bekommen, sobald sein Aufenthalt in Österreich gesichert ist.

Zusammenfassend ergibt die klinisch-psychologische Befunderhebung nach der ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung mit einer Reihe von traumaassoziierten Störungsbildern (F43.1). Der BF leidet unter häufig wiederkehrenden, quälenden Nachhallerinnerungen und Albträumen mit dem Gefühl, das traumatische Ereignis wieder zu erleben. Ausgeprägte Konzentrationsschwierigkeiten, Störung der Affektregulation, Depressionsneigung, Ein- und Durchschlafstörungen, sozialer Rückzug, Appetitlosigkeit und psychosomatische Reaktionen in Form von Hautausschlägen begleiten das Störungsbild. Beginnend ist eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung feststellbar (F62.0). Der BF zeigt misstrauische Haltung der Welt gegenüber. Gefühle der Hoffnungslosigkeit und Leere, die Unfähigkeit soziale Kontakte aufzunehmen und chronische Gefühle von Nervosität belasten den BF. Daraus resultiert ein erheblicher psychischer Leidenszustand mit ernsthaften Suizidgedanken und ausgeprägten Funktionseinschränkungen im gesamten Lebensvollzug. Eine psychosewertige Symptomatik ist nicht feststellbar.

GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME UND BEANTWORTUNG DER GERICHTLICHEN FRAGESTELLUNG

Die Befundung folgender Fragestellungen wird aufgetragen:

Leidet der BF an krankheitswertigen psychischen Störungen? Wenn ja, an welchen?

Der BF leidet an einer krankheitswertigen psychischen Störung in Form einer komplexen posttraumatische Belastungsstörung mit den oben beschriebenen Merkmalen (ICD-10: F43.1). Die Posttraumatische Belastungsstörung ist als protrahierte und kumulierte Reaktion auf mehrfache, belastende Ereignisse mit außergewöhnlicher Bedrohung zu verstehen. Typische Merkmale wie das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen, Träumen oder Albträumen, Freudlosigkeit sowie die Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen können, liegen beim BF vor. Auch Störung der Affektregulation, Angst und Depression sind feststellbar. Suizidgedanken sind als weitere Belastung und ernsthafte Gefährdung für den BF anzusehen.

Lang dauernde, chronifizierende oder mehrfache personale Traumatisierung führt häufig zu einer andauernden Persönlichkeitsänderung. Anzeichen für eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (ICD-10: F62.0) sind feststellbar: Änderung der Selbstwahrnehmung, Gefühle der Leere oder Hoffnungslosigkeit, ein chronisches Gefühl der Anspannung wie bei ständigem Bedrohtsein, sozialer Rückzug sowie misstrauische Haltung der Welt gegenüber sind vorhanden.

Wie wirken sich diese im Alltag aus?

Die Achse V des DSM-V (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen) ermöglicht die systematische Beurteilung des allgemeinen Funktionsniveaus eines Patienten. Die Erfassung des Funktionsniveaus erfolgt anhand der GAF-Skala (Global Assessment of Functioning). Die psychischen, sozialen und beruflichen Funktionen sind auf einem hypothetischen Kontinuum von psychischer Gesundheit bis Krankheit gedacht. Die GAF-Skala wird unterteilt in 10 Funktionsniveaus, wobei sich der erste Teil jeweils auf den Schweregrad der Symptome, der zweite Teil auf die Funktionen bezieht. Der BF ist in seiner Realitätskontrolle nicht wesentlich beeinträchtigt, es liegen aber ernste Symptome und ernste Beeinträchtigungen der sozialen, beruflichen bzw. schulischen Leistungsfähigkeit vor. Ängste und Befürchtungen führen zu sozialem Rückzug und Vermeidungsverhalten im Sozialkontakt. Flashbacks und Konzentrationsstörung vermindern die schulische Leistungsfähigkeit. Die mit quälenden Nachhallerinnerungen verbundene psychische Dauerbelastung führt zu herabgesetzter Belastbarkeit und verminderter Stresstoleranz. Bei zusätzlicher, psychischer Belastung besteht die Gefahr einer rasch auftretenden Verschlechterung des psychischen Zustands. Die Beurteilung der gesamten psychischen Funktionen auf einer Skala von 0 bis 100 ergibt beim BF einen GAF-Wert von 50 Punkten, wobei Selbstgefährdungstendenz, herabgesetzte Belastbarkeit, verminderte Stresstoleranz, Lernschwierigkeiten und eingeschränkte Teilhabe am sozialen Leben die wesentlichen Einschränkungen und psychosozialen Belastungsfaktoren darstellen.

Behindern diese Störungen den BF bei der Suche und der Verrichtung von Arbeit?

Die oben genannten Funktionsbeeinträchtigungen stellen voraussichtlich auch eine Beeinträchtigung bei der Suche und Verrichtung von Arbeit dar. Aufgrund der herabgesetzten Belastbarkeit ist Arbeitsfähigkeit derzeit nicht anzunehmen.

Ist der BF in der Lage, Erlebtes einigermaßen widerspruchsfrei und chronologisch anzugeben?

Der BF ist gut in der Lage, Erlebtes einigermaßen widerspruchsfrei und chronologisch anzugeben.

Besteht ein Zusammenhang zwischen den psychischen Störungen und den berichteten Vergewaltigungen bzw. erzwungenen sexuellen Handlungen?

Die Berichte des BF über die erzwungenen sexuellen Handlungen und die extrem belastenden Vorfälle vor und nach der Vergewaltigung erscheinen als psychotraumatische Erfahrung geeignet, die berichtete Symptomatik bzw. die vorliegenden psychischen Störungen hervorzubringen und zu erklären.

Bedarf der BF therapeutischer bzw. medikamentöser Maßnahmen?

Eine psychiatrische und psychotherapeutische Kombinationsbehandlung ist als die State-of-the-Art-Behandlung anzusehen und dringend indiziert.

Wie würde sich eine Abschiebung nach Afghanistan bei dem BF auswirken?

Die Voraussetzung für die angemessene Versorgung einer posttraumatischen Belastungsstörung ist die Stabilisierung der psychosozialen Lebensverhältnisse und die Sicherheit, keiner weiteren ernsthaften Bedrohung der körperlichen Integrität oder des eigenen Lebens ausgesetzt zu sein. Die Abschiebung nach Afghanistan wäre für den BF mit zusätzlicher emotionaler Belastung, unsicheren Lebensverhältnisse und u. U. auch mit der Gefahr verbunden, erneut körperlicher Gewalt und sexuellen Übergriffen ausgeliefert zu sein. Darüber hinaus ist aufgrund der derzeitigen eingeschränkten ärztlichen und psychosozialen Versorgungslage in Afghanistan nicht anzunehmen, dass die Inanspruchnahme einer geeigneten Behandlung gesichert werden kann.“

Dieses Gutachten wurde im Wege eines schriftlichen Parteiengehörs den Verfahrensparteien mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme unterbreitet. Es erfolgte jedoch keine solche. Nachfolgend wurde auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan dem schriftlichen Parteiengehör unterzogen. Auch diesbezüglich ist keine Stellungnahme eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat, wie folgt, festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan, sein Vater gehört der Volksgruppe der Hazara an. Seine Mutter ist eine Iranerin und er ist schiitischer Moslem. Er wurde am XXXX in der Stadt XXXX im Iran geboren und hat fast sein ganzes Leben im Iran verbracht, obwohl er dort keine offiziellen Aufenthaltsdokumente hatte. Sein Vater stammte aus der Provinz Baghlan. Er selbst hat acht Jahre lang eine Schule für afghanische Immigranten besucht. Sein Vater ist ca. 2014 an einem Herzinfarkt verstorben, nachdem dieser zur Versorgung der Familie zuvor auf Baustellen gearbeitet hatte. Der Beschwerdeführer hat dann in der Folge als Schneider gearbeitet und seine Mutter als Putzfrau. Als er bei der „Schwarzarbeit“ von der iranischen Polizei erwischt wurde, wurde er vor die Alternative gestellt, entweder auf Seite der syrischen Truppen in den syrischen Bürgerkrieg zu ziehen oder nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Der jugendliche Beschwerdeführer wollte nicht in den Krieg ziehen und wurde von den iranischen Behörden nach Afghanistan abgeschoben. Mangels jeglichen sozialen Netzes in Afghanistan war der Beschwerdeführer auf die Hilfe unbekannter Personen angewiesen. Nachdem er längere Zeit keine Hilfe erhalten hatte, bot ihm ein Ehepaar Kost und Quartier an. Er wurde jedoch von dem Familienvater mehrfach vergewaltigt und bedroht. Nach einigen Tagen gelang ihm die Flucht und wurde er von der Polizei aufgegriffen und als iranischer Spion verdächtigt. Er wurde wohl von den afghanischen Polizisten nicht misshandelt, aber immer wieder im Detail zu der Vergewaltigung befragt und insgesamt 25 Tage angehalten und schließlich von seiner Mutter „freigekauft“, die ihn nach XXXX bringen ließ. Daraufhin versteckte er sich drei Monate lang im Haus seiner Mutter und organisierte daraufhin seine Mutter die Ausreise nach Europa. Er hat nach wie vor zu seiner Mutter und seiner Schwester per Internet Kontakt, welche nach wie vor in XXXX leben.

Der Beschwerdeführer leidet unter einer schweren, komplexen, posttraumatischen Belastungsstörung mit Angst, Depressionen und Suizidgedanken. Die Krankheit zeigt sich durch häufig wiederkehrende quälende Nachhallerinnerung und Albträumen mit dem Gefühl, das traumatische Ereignis wieder zu erleben, und führt zu ausgeprägten Konzentrationsschwierigkeiten, Störungen der Affektregulation, Depressionsneigungen, Ein- und Durchschlafstörungen, sozialem Rückzug, Appetitlosigkeit und psychosomatischen Reaktionen in Form von Hautausschlägen sowie einer beginnenden andauernden Persönlichkeitsänderung. Es liegen ernste Symptome und ernste Beeinträchtigungen der sozialen, beruflichen und schulischen Leistungsfähigkeit vor. Bei psychischer Belastung besteht die Gefahr einer rasch auftretenden Verschlechterung. Derzeit ist keine Arbeitsfähigkeit gegeben. Eine kombinierte psychiatrische und psychotherapeutische Kombinationsbehandlung ist dringend indiziert, was in Afghanistan derzeit nicht gewährleistet ist. Eine Abschiebung nach Afghanistan würde zu einer weiteren zusätzlichen sozialen und schweren emotionalen Belastung führen.

Trotz seiner schweren psychischen Beeinträchtigung hat der Beschwerdeführer schon freiwillig bei der Straßenreinigung und bei der Österreichtafel beim XXXX geholfen. Er ist auch Mitglied beim XXXX . Mit Ausnahme von Deutsch hat er auch den Pflichtschulabschluss bereits absolviert. Er hat auch österreichische Freunde und auch schon zwei Mal eine österreichische Freundin gehabt. Der Beschwerdeführer ist unbescholten, führt aber kein Familienleben in Österreich.

Zu Afghanistan wird verfahrensbezogen Folgendes festgestellt:

COVID-19:

Stand 21.7.2020

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Aktueller Stand der COVID-19 Krise in Afghanistan

Berichten zufolge, haben sich in Afghanistan mehr als 35.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt (WHO 20.7.2020; vgl. JHU 20.7.2020, OCHA 16.7.2020), mehr als 1.280 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet (OCHA 16.7.2020; vgl. DS 19.7.2020). 10 Prozent der insgesamt bestätigten COVID-19-Fälle entfallen auf das Gesundheitspersonal. Kabul ist hinsichtlich der bestätigten Fälle nach wie vor der am stärksten betroffene Teil des Landes, gefolgt von den Provinzen Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar (OCHA 15.7.2020). Beamte in der Provinz Herat sagten, dass der Strom afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran zurückkehren, und die Nachlässigkeit der Menschen, die Gesundheitsrichtlinien zu befolgen, die Möglichkeit einer neuen Welle des Virus erhöht haben, und dass diese in einigen Gebieten bereits begonnen hätte (TN 14.7.2020). Am 18.7.2020 wurde mit 60 neuen COVID-19 Fällen der niedrigste tägliche Anstieg seit drei Monaten verzeichnet – wobei an diesem Tag landesweit nur 194 Tests durchgeführt wurden (AnA 18.7.2020).

Krankenhäuser und Kliniken berichten weiterhin über Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Diese Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Testkits und medizinischem Material sowie mit der begrenzten Anzahl geschulter Mitarbeiter - noch verschärft durch die Zahl des erkrankten Gesundheitspersonals. Es besteht nach wie vor ein dringender Bedarf an mehr Laborequipment sowie an der Stärkung der personellen Kapazitäten und der operativen Unterstützung (OCHA 16.7.2020, vgl. BBC-News 30.6.2020).

Maßnahmen der afghanischen Regierung und internationale Hilfe

Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Universitäten und Schulen bleiben weiterhin geschlossen (OCHA 8.7.2020; vgl. RA KBL 16.7.2020). Die Regierung Afghanistans gab am 6.6.2020 bekannt, dass sie die landesweite Abriegelung um drei weitere Monate verlängern und neue Gesundheitsrichtlinien für die Bürger herausgeben werde. Darüber hinaus hat die Regierung die Schließung von Schulen um weitere drei Monate bis Ende August verlängert (OCHA 8.7.2020).

Berichten zufolge werden die Vorgaben der Regierung nicht befolgt, und die Durchsetzung war nachsichtig (OCHA 16.7.2020, vgl. TN 12.7.2020). Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich weiterhin von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet (OCHA 15.7.2020).

Einwohner Kabuls und eine Reihe von Ärzten stellten am 18.7.2020 die Art und Weise in Frage, wie das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie im Land umgegangen ist, und sagten, das Gesundheitsministerium habe es trotz massiver internationaler Gelder versäumt, richtig auf die Pandemie zu reagieren (TN 18.7.2020). Es gibt Berichte wonach die Bürger angeben, dass sie ihr Vertrauen in öffentliche Krankenhäuser verloren haben und niemand mehr in öffentliche Krankenhäuser geht, um Tests oder Behandlungen durchzuführen (TN 12.7.2020).

Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden (TN 18.7.2020).

Am Samstag den 18.7.2020 kündete die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken (TN 18.7.2020; vgl. Mangalorean 19.7.2020).

Die Weltbank genehmigte am 15.7.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten (WB 10.7.2020; vgl. AN 10.7.2020).

Auszugsweise Lage in den Provinzen Afghanistans

Dieselben Maßnahmen – nämlich Einschränkungen und Begrenzungen der täglichen Aktivitäten, des Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Lebens – werden in allen folgend angeführten Provinzen durchgeführt. Die Regierung hat eine Reihe verbindlicher gesundheitlicher und sozialer Distanzierungsmaßnahmen eingeführt, wie z.B. das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten, das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern in der Öffentlichkeit und ein Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Personen. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen; die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind auf 6 Stunden pro Tag beschränkt und die Beschäftigten werden in zwei ungerade und gerade Tagesschichten eingeteilt (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte sind aufgrund der COVID-19 Maßnahmen geschlossen, es sei denn, sie wurden geheim und unbemerkt von staatlichen Stellen geöffnet (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

In der Provinz Kabul gibt es zwei öffentliche Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln mit 200 bzw. 100 Betten. Aufgrund der hohen Anzahl von COVID-19-Fällen im Land und der unzureichenden Kapazität der öffentlichen Krankenhäuser hat die Regierung kürzlich auch privaten Krankenhäusern die Behandlung von COVID-19-Patienten gestattet. Kabul sieht sich aufgrund von Regen- und Schneemangel, einer boomenden Bevölkerung und verschwenderischem Wasserverbrauch mit Wasserknappheit konfrontiert. Außerdem leben immer noch rund 12 Prozent der Menschen in Kabul unter der Armutsgrenze, was bedeutet, dass oftmals ein erschwerter Zugang zu Wasser besteht (RA KBL 16.7.2020; WHO o.D).

In der Provinz Balkh gibt es ein Krankenhaus, welches COVID-19 Patienten behandelt und über 200 Betten verfügt. Es gibt Berichte, dass die Bewohner einiger Distrikte der Provinz mit Wasserknappheit zu kämpfen hatten. Darüber hinaus hatten die Menschen in einigen Distrikten Schwierigkeiten mit dem Zugang zu ausreichender Nahrung, insbesondere im Zuge der COVID-19-Pandemie (RA KBL 16.7.2020).

In der Provinz Herat gibt es zwei Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln. Ein staatliches öffentliches Krankenhaus mit 100 Betten, das vor kurzem speziell für COVID-19-Patienten gebaut wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 19.3.2020) und ein Krankenhaus mit 300 Betten, das von einem örtlichen Geschäftsmann in einem umgebauten Hotel zur Behandlung von COVID-19-Patienten eingerichtet wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 4.5.2020). Es gibt Berichte, dass 47,6 Prozent der Menschen in Herat unter der Armutsgrenze leben, was bedeutet, dass oft ein erschwerter Zugang zu sauberem Trinkwasser und Nahrung haben, insbesondere im Zuge der Quarantäne aufgrund von COVID-19, durch die die meisten Tagelöhner arbeitslos blieben (RA KBL 16.7.2020; vgl. UNICEF 19.4.2020).

In der Provinz Daikundi gibt es ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Es gibt jedoch keine Auswertungsmöglichkeiten für COVID-19-Tests – es werden Proben entnommen und zur Laboruntersuchung nach Kabul gebracht. Es dauert Tage, bis ihre Ergebnisse von Kabul nach Daikundi gebracht werden. Es gibt Berichte, dass 90 Prozent der Menschen in Daikundi unter der Armutsgrenze leben und dass etwa 60 Prozent der Menschen in der Provinz stark von Ernährungsunsicherheit betroffen sind (RA KBL 16.7.2020).

In der Provinz Samangan gibt es ebenso ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Wie auch in der Provinz Daikundi müssen Proben nach Kabul zur Testung geschickt werden. Eine unzureichende Wasserversorgung ist eine der größten Herausforderungen für die Bevölkerung. Nur 20 Prozent der Haushalte haben Zugang zu sauberem Trinkwasser (RA KBL 16.7.2020).

Wirtschaftliche Lage in Afghanistan

Verschiedene COVID-19-Modelle zeigen, dass der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet wird, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen der Bevölkerung haben wird (OCHA 16.7.2020). Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen (OCHA 15.7.2020). Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 – 31 Prozent gestiegen sind (WFP 15.7.2020, OCHA 15.7.2020). Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) und des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht (MAIL) zufolge sind über 20 Prozent der befragten Bauern nicht in der Lage, ihre nächste Ernte anzubauen, wobei der fehlende Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die COVID-19-Beschränkungen als Schlüsselfaktoren genannt werden. Darüber hinaus sind die meisten Weizen-, Obst-, Gemüse- und Milchverarbeitungsbetriebe derzeit nur teilweise oder gar nicht ausgelastet, wobei die COVID-19-Beschränkungen als ein Hauptgrund für die Reduzierung der Betriebe genannt werden. Die große Mehrheit der Händler berichtete von gestiegenen Preisen für Weizen, frische Lebensmittel, Schafe/Ziegen, Rinder und Transport im Vergleich zur gleichen Zeit des Vorjahres. Frischwarenhändler auf Provinz- und nationaler Ebene sahen sich im Vergleich zu Händlern auf Distriktebene mit mehr Einschränkungen konfrontiert, während die große Mehrheit der Händler laut dem Bericht von teilweisen Marktschließungen aufgrund von COVID-19 berichtete (FAO 16.4.2020; vgl. OCHA 16.7.2020; vgl. WB 10.7.2020).

Am 19.7.2020 erfolgte die erste Lieferung afghanischer Waren in zwei Lastwagen nach Indien, nachdem Pakistan die Wiederaufnahme afghanischer Exporte nach Indien angekündigt hatte um den Transithandel zu erleichtern. Am 12.7.2020 öffnete Pakistan auch die Grenzübergänge Angor Ada und Dand-e-Patan in den Provinzen Paktia und Paktika für afghanische Waren, fast zwei Wochen nachdem es die Grenzübergänge Spin Boldak, Torkham und Ghulam Khan geöffnet hatte (TN 20.7.2020).

Einreise und Bewegungsfreiheit

Die Türkei hat, nachdem internationale Flüge ab 11.6.2020 wieder nach und nach aufgenommen wurden, am 19.7.2020 wegen der COVID-19-Pandemie Flüge in den Iran und nach Afghanistan bis auf weiteres ausgesetzt, wie das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur mitteilte (TN 20.7.2020; vgl. AnA 19.7.2020, DS 19.7.2020).

Bestimmte öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, die mehr als vier Passagiere befördern, dürfen nicht verkehren. Obwohl sich die Regierung nicht dazu geäußert hat, die Reisebeschränkungen für die Bürger aufzuheben, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern, hat sich der Verkehr in den Städten wieder normalisiert, und Restaurants und Parks sind wieder geöffnet (TN 12.7.2020).

Quellen:

?        AnA – Andolu Agency (19.7.2020): Turkey suspends Iran and Afghanistan flights, https://www.aa.com.tr/en/middle-east/turkey-suspends-iran-and-afghanistan-flights-/1915627, Zugriff 20.7.2020

?        AnA – Andolu Agency (18.7.2020): Afghanistan: Virus cases hit low as testing declines, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-virus-cases-hit-low-as-testing-declines/1914895, Zugriff 20.7.2020

?        Arab News (10.7.2020): Coronavirus-hit Afghanistan gets $200 million World Bank grant, https://www.arabnews.com/node/1702656/world, Zugriff 20.7.2020

?        BBC – News (30.6.2020): Coronavirus overwhelms hospitals in war-ravaged Afghanistan, https://www.bbc.com/news/world-asia-53198785, Zugriff 20.7.2020

?        DS – Daily Sabah (19.7.2020): Turkey suspends flights to Iran, Afghanistan amid COVID-19 outbreak, https://www.dailysabah.com/business/transportation/turkey-suspends-flights-to-iran-afghanistan-amid-covid-19-outbreak, Zugriff 20.7.2020

?        FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (16.7.2020): Afghanistan Revised humanitarian response Coronavirus disease 2019 (COVID-19) May–December 2020, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-revised-humanitarian-response-coronavirus-disease-2019-covid-19-may, Zugriff 20.7.2020

?        JHU - John Hopkins Universität (20.7.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 20.7.2020

?        Mangalorean (19.7.2020): Afghanistan launches new COVID-19 relief package, https://www.mangalorean.com/afghanistan-launches-new-covid-19-relief-package/, Zugriff 20.7.2020

?        OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (16.7.2020): Strategic Situation Report COVID-19, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Afghanistan%20-%20Strategic%20Situation%20Report%20-%20COVID-19%2C%20No.%2062%20%2816%20July%202020%29.pdf, Zugriff 20.7.2020

?        OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (15.7.2020): COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report, 15 July 2020, https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/documents/files/operational_sitrep_covid-19_15_july_2020.pdf, Zugriff 20.7.2020

?        OCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (8.7.2020): Afghanistan: COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report, 8 July 2020, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-covid-19-multi-sectoral-response-operational-situation-report-8-july, Zugriff 20.7.2020

?        PT – Pakistan Today (17.9.2020): Trade with Afghanistan increased 25pc despite Covid-19, NA told, https://profit.pakistantoday.com.pk/2020/07/17/trade-with-afghanistan-increased-25pc-despite-covid-19-na-told/, Zugriff 20.7.2020

?        RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (16.7.2020): Antwortschreiben, per Mail

?        TN – Tolonews (19.7.2020): Afghan Goods Enter India Through Wagah Border, https://tolonews.com/business/afghan-goods-enter-india-through-wagah-border, Zugriff 20.7.2020

?        TN – Tolonews (18.7.2020a): Afghan Govt Launches New COVID-19 Relief Package, https://tolonews.com/afghanistan/afghan-govt-launches-new-covid-19-relief-package, Zugriff 20.7.2020

?        TN – Tolonews (18.7.2020b): Health Ministry’s COVID-19 Strategy Questioned, https://tolonews.com/health/health-ministry%E2%80%99s-covid-19-strategy-questioned, Zugriff 20.7.2020

?        TN – Tolonews (12.7.2020): Afghanistan Faces Catastrophe if Health Measures Not Heeded: AIMA, https://tolonews.com/health/afghanistan-faces-catastrophe-if-health-measures-not-heeded-aima, Zugriff 20.7.2020

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?        TN – Tolonews (20.7.2020): Turkey Suspends Flights to Afghanistan and Iran, https://tolonews.com/business/turkey-suspends-flights-afghanistan-and-iran, Zugriff 20.7.2020

?        TN – Tolo News (5.4.2020): 300-Bed Hospital Opened for COVID-19 Patients in Herat, https://tolonews.com/health/300-bed-hospital-opened-covid-19-patients-herat, Zugriff 20.7.2020

?        TN – Tolo News (19.3.2020): Govt Builds 100-Bed Hospital in Herat for COVID-19 Patients, https://tolonews.com/health/govt-builds-100-bed-hospital-herat-covid-19-patients, Zugriff 20.7.2020

?        WB – World Bank (10.7.2020): World Bank: $200 Million for Afghanistan to Protect People, Support Businesses Amid COVID-19, https://reliefweb.int/report/afghanistan/world-bank-200-million-afghanistan-protect-people-support-businesses-amid-covid, Zugriff 20.7.2020

?        WFP – World Food Programme (15.7.2020): Afghanistan: Countrywide Weekly Market Price Bulletin, Issue 9 (Covering 2nd week of July 2020), https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-countrywide-weekly-market-price-bulletin-issue-9-covering-2nd-week, Zugriff 15.7.2020

?        WFP – World Food Programme (5.2020): WFP Afghanistan Country Brief May 2020, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000116792/download/, Zugriff 20.7.2020

?        WHO – World Health Organization (20.7.2020): Coronavirus disease (COVID-19) Dashboard, https://covid19.who.int/?gclid=EAIaIQobChMIjryr5qHb6gIVkakYCh3mbwOQEAAYASABEgIpyPD_BwE, Zugriff 20.7.2020

?        WHO – World Health Organization (o.D.): Afghanistan - Hospital and laboratory services http://www.emro.who.int/afg/programmes/hospital-and-laboratory-services.html, Zugriff 20.7.2020

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Stand 29.6.2020

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).

In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).

In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).

Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).

Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen

In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).

Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm; bei dem bedürftige Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).

Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung

Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum Einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum Anderem schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).

Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen (RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wieder aufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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