TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/25 W123 2169963-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.09.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.09.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W123 2169963-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2017, Zl. 1030919100-14948055, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 07.09.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Im Rahmen der am 08.09.2014 erfolgten Erstbefragung brachte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund vor, dass der Beschwerdeführer im Iran weder eine Ausbildung, noch einer legalen Erwerbstätigkeit nachgehen habe können und es ihm deshalb wirtschaftlich sehr schlecht gegangen sei. Daher sei dem Beschwerdeführer kein anderer Ausweg geblieben, als seine Familie und den Iran zu verlassen, damit der Beschwerdeführer ein menschliches und wirtschaftlich erträgliches Leben führen könne. Einen weiteren Grund könne der Beschwerdeführer nicht angeben. Im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat brachte der Beschwerdeführer vor, dass er in Afghanistan Grundstücke besitze, welche von seinem Onkel unterschlagen worden seien. Im Falle der Rückkehr des Beschwerdeführers würde er mit seinem Onkel Probleme erhalten und es wäre für den Beschwerdeführer extrem gefährlich.

3.       Am 08.06.2017 erfolgte die Einvernahme vor der belangten Behörde. Die Niederschrift lautet auszugsweise:

„[…]

F. Welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an.

A. Muslim, Schiit war ich früher aber jetzt bin ich konvertiert. Nachgefragt gebe ich an, dass ich jetzt Christ bin. Nachgefragt gebe ich an, dass ich einer Freikirche angehöre.

F: Welcher Freikirche gehören Sie an.

A: Es ist in XXXX , ich besuche dort diese Kirche.

F. Wie der Name der Freikirche ist, wissen Sie nicht.

A. Mehr weiß ich nicht, es ist auch keine Kirche, sondern wir treffen uns in einem Haus und dort wird gebeten, es gibt auch Musik usw.

[…]

F.: Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, von sich aus vollständig, detailliert und wahrheitsgemäß.

[…]

A. Als ich 17 Jahre alt war, habe ich immer wieder Angst gehabt, weil ich im Iran geboren und aufgewachsen bin. Ich bin aber nicht wie die Iraner. Alle Iraner und die iranischen Behörden sehen gleich, dass ich kein Iraner bin. Sie schimpfen über die Afghanen. Auch habe ich gesehen, dass Afghanen freiwillig nach Syrien in den Krieg zogen. Warum sage ich freiwillig, weil die iranischen Behörden sagten, wenn jemand in den Krieg nach Syrien geht, bekommt er die Staatsbürgerschaft. Viele versuchten so ihre Familien im Iran in Sicherheit zu bringen. Als ich 10 oder 11 Jahre alt war, wollten mich Iraner missbrauchen und vergewaltigen. Sie haben mich geschlagen. Ich habe bis heute Narben. Manchmal kriege ich keine Luft.

[…]

F. Warum sind Sie nicht nach Afghanistan gegangen.

A. Ich kann nicht in Afghanistan leben. Ich war nie in Afghanistan, mein Dialekt ist ganz anders, meine Kleidung ist ganz anders. Manche Freunde, die im Iran geboren wurden, haben mir erzählt, dass man nicht als Afghane anerkannt wird, weil man ganz anders spricht. Sie betrachten einen als Feind.

F. Gibt es irgendwelche persönliche Gründe warum Sie nicht nach Afghanistan können.

A: Nicht wirklich, wir hatten nur kleinere Probleme mit meinem Onkel. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Schwester, die in Österreich ist, meinen Cousin hätte heiraten sollen, sie hat aber jemanden anders geliebt und geheiratet. Das ist ein Problem zwischen meiner Familie und dem Onkel. Mein Onkel war mal im Iran und hat meine Mutter auf der Straße geschlagen. Wir hatten zwar einen Ausweis, aber die iranischen Behörden haben uns nicht geholfen.

[…]

F. Woher kommt Ihr Interesse für das Christentum.

A. Ich war in Griechenland hat ein Bekannter, ein Iraner, mit mir über das Christentum geredet und mich in die Kirche mitgenommen. Dort waren die meisten Iraner. Dort wurde mein Interesse geweckt. In Österreich hat ein Bekannter, ein Afghane, die Kirche immer wieder besucht. Ich habe ihn gefragt wohin er geht. Er sagte, ich dürfte das niemanden erzählen, aber er würde die Kirche besuchen. Ich bin dann zweimal mit ihm in die Kirche gegangen.

Ich wurde dann nach OÖ, nach XXXX , verlegt. Dort habe ich zwei afghanische Freunde, XXXX und XXXX . Wir sind auch mit XXXX , einem Österreicher, befreundet. Die beiden Afghanen wollten konvertieren und fragten, ob ich auch will. Ich lehnte ab, weil ich zu wenige Informationen hatte. Ich hatte aber auch kein Problem mit der Konversion meiner Freunde. XXXX hat mit mir im Hintergrund gesprochen und mich informiert. Er hat mich gefragt ob ich auch konvertieren will und ich sagte, ich wüsste es noch nicht. Danach wurde ich nach XXXX verlegt, dort habe ich andere Afghanen getroffen die auch konvertiert waren. Ich habe auch XXXX (VB gibt an, dass es sich um XXXX handelt). Dort habe ich dann beschlossen auch zu konvertieren.

[…]“

4.       Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 26.07.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

5.       Gegen den obgenannten Bescheid der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 24.08.2017. Darin brachte der Beschwerdeführer zusammenfassend vor, dass er nachweislich zum Christentum konvertiert sei. Die innerliche Konversion des Beschwerdeführers sei auch in der zeugenschaftlichen Einvernahme eines Gemeindemitgliedes bestätigt worden. Ferner sei der Beschwerdeführer Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und somit Angehöriger einer ethnischen Minderheit.

6.       Am 10.09.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentlich mündliche Verhandlung statt, in der der Beschwerdeführer sowie der Pfarrer der römisch-katholischen Kirche XXXX (als Zeuge) einvernommen wurden. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers beantragte am Ende der Verhandlung die Stattgebung der Beschwerde aufgrund der Ernsthaftigkeit der Konversion des Beschwerdeführers, insbesondere vor dem Hintergrund der Zeugenaussage, der aufgrund des persönlichen, langjährigen Kontakts des Zeugen mit dem Beschwerdeführer besonderes Gewicht zukomme. Aufgrund der Konversion wäre der Beschwerdeführer in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Der Beschwerdeführer ist im Iran geboren und aufgewachsen und hat bis zu seiner Flucht nach Europa im Iran gelebt. Der Beschwerdeführer besuchte zwei Jahre die Schule und verrichtete anschließend (illegal) verschiedene berufliche Tätigkeiten.

Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Im Iran lebt die Mutter und der Bruder des Beschwerdeführers; der Beschwerdeführer unterhält regelmäßigen Kontakt zu ihnen. Ferner leben zwei Tanten mütterlicherseits im Iran. In Afghanistan lebt ein Onkel väterlicherseits, zu dem der Beschwerdeführer keinen Kontakt pflegt und keine Kenntnis von seinem Wohnsitz hat.

Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass er bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt wäre bzw. ein besonderes Interesse an seiner Person besteht bzw. bestehen könnte. Insbesondere konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass er aus inneren Beweggründen zum Christentum konvertiert ist bzw. dass der christliche Glaube wesentlicher Bestandteil seiner Identität geworden ist.

1.2. Zum Herkunftsstaat:

Auszug Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand: 13.11.2019, letzte Information am 21.07.2020)

Religionsfreiheit

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 30.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus (AA 2.9.2019; vgl. CIA 30.4.2019, USDOS 21.6.2019); in Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan (UP 16.8.2019; vgl. BBC 11.4.2019). Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 4.2.2019, MPI 2004). Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist (USODS 21.6.2019; vgl. AA 9.11.2016). Im Laufe des Untersuchungsjahres 2018 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie (USDOS 21.6.2019). Auch im Berichtszeitraum davor gab es keine Berichte zur staatlichen Strafverfolgung von Apostasie und Blasphemie (USDOS 29.5.2018).

Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen berichteten, dass sie weiterhin vor Bestrafung durch Regierung sowie Repressalien durch Familie und Gesellschaft fürchteten. Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen (USDOS 21.6.2019). Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist (USDOS 21.6.2019; vgl. ICRC o.D.), sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (USDOS 21.6.2019).

Das Zivil- und Strafrecht basiert auf der Verfassung; laut dieser müssen Gerichte die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sowie das Gesetz bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. In Fällen, in denen weder die Verfassung noch das Straf- oder Zivilgesetzbuch einen bestimmten Rahmen vorgeben, können Gerichte laut Verfassung die sunnitische Rechtsprechung der hanafitischen Rechtsschule innerhalb des durch die Verfassung vorgegeben Rahmens anwenden, um Gerechtigkeit zu erlangen. Die Verfassung erlaubt es den Gerichten auch, das schiitische Recht in jenen Fällen anzuwenden, in denen schiitische Personen beteiligt sind. Nicht-Muslime dürfen in Angelegenheiten, die die Scharia-Rechtsprechung erfordern, nicht aussagen. Die Verfassung erwähnt keine eigenen Gesetze für Nicht-Muslime (USDOS 21.6.2019).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsalierung gegenüber religiösen Minderheiten und reformerischen Muslimen behindert (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 21.6.2019).

Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.2.2019). Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 4.2.2019). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 21.6.2019).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (USDOS 21.6.2019). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind gültig (USE o.D.). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über das Religionsbekenntnis. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 21.6.2019).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 21.6.2019).

Schiiten

Der Anteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wird auf 10 bis 19% geschätzt (CIA 30.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Zuverlässige Zahlen zur Größe der schiitischen Gemeinschaft sind nicht verfügbar und werden vom Statistikamt nicht erfasst. Gemäß Gemeindeleitern sind die Schiiten Afghanistans mehrheitlich Jafari-Schiiten (Zwölfer-Schiiten), 90% von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Unter den Schiiten gibt es auch Ismailiten (USDOS 21.6.2019).

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten (AA 2.9.2019). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Gemäß Zahlen von UNAMA gab es im Jahr 2018 19 Fälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten, bei denen 223 Menschen getötet und 524 Menschen verletzt wurden; ein zahlenmäßiger Anstieg der zivilen Opfer um 34% (USDOS 21.6.2019). In den Jahren 2016, 2017 und 2018 wurden durch den Islamischen Staat (IS) und die Taliban 51 terroristischen Angriffe auf Glaubensstätten und religiöse Anführer der Schiiten bzw. Hazara durchgeführt (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 21.6.2019, CRS 1.5.2019).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 4.2.2019). Obwohl einige schiitische Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demografischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiert. Vertreter der Sunniten hingegen geben an, dass Schiiten im Vergleich zur Bevölkerungszahl in den Behörden überrepräsentiert seien. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten; wenngleich vier Parlamentssitze für Ismailiten reserviert sind (USDOS 21.6.2019).

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime 25 bis 30% (AB 7.6.2017; vgl. USIP 14.6.2018, AA 2.9.2019). Des Weiteren tagen regelmäßig rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 21.6.2019).

Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 21.6.2019).

[…]

Apostasie, Blasphemie, Konversion

Glaubensfreiheit, die auch eine freie Religionswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan de facto nur eingeschränkt. Die Abkehr vom Islam (Apostasie) wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht (AA 2.9.2019).

Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtsprechung Missionierung illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 21.6.2019) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung „religionsbeleidigende Verbrechen“ verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323).

Es gibt keine Berichte über die Verhängung der Todesstrafe aufgrund von Apostasie (AA 2.9.2019); auch auf höchster Ebene scheint die afghanische Regierung kein Interesse zu haben, negative Reaktionen oder Druck hervorzurufen – weder vom konservativen Teil der afghanischen Gesellschaft, noch von den liberalen internationalen Kräften, die solche Fälle verfolgt haben (LIFOS 21.12.2017; vgl. USDOS 21.6.2019) und auch zur Strafverfolgung von Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 21.6.2019).

Es kann jedoch einzelne Lokalpolitiker geben, die streng gegen mutmaßliche Apostaten vorgehen und es kann auch im Interesse einzelner Politiker sein, Fälle von Konversion oder Blasphemie für ihre eigenen Ziele auszunutzen (LIFOS 21.12.2017).

Gefahr bis hin zur Ermordung droht Konvertiten hingegen oft aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld (AA 2.9.2019). Die afghanische Gesellschaft hat generell eine sehr geringe Toleranz gegenüber Menschen, die als den Islam beleidigend oder zurückweisend wahrgenommen werden (LIFOS 21.12.2017; vgl. FH 4.2.2019). Obwohl es auch säkulare Bevölkerungsgruppen gibt, sind Personen, die der Apostasie beschuldigt werden, Reaktionen von Familie, Gemeinschaften oder in einzelnen Gebieten von Aufständischen ausgesetzt, aber eher nicht von staatlichen Akteuren (LIFOS 21.12.2017). Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.2.2019).

Abtrünnige haben Zugang zu staatlichen Leistungen; es existiert kein Gesetz, Präzedenzfall oder Gewohnheiten, die Leistungen für Abtrünnige durch den Staat aufheben oder einschränken. Sofern sie nicht verurteilt und frei sind, können sie Leistungen der Behörden in Anspruch nehmen (RA KBL 1.6.2017).

Relevante ethnische Minderheiten

[…]

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9 bis 10% der Bevölkerung aus (GIZ 4.2019; vgl. CIA 2012). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt; der Hazaradjat [zentrales Hochland] umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz (Maidan) Wardak sowie Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul. Jahrzehntelange Kriege und schwierige Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA 7.2016).

Die Stadt Kabul ist in den letzten Jahrzehnten rasant gewachsen und ethnisch gesehen vielfältig. Neuankömmlinge aus den Provinzen tendieren dazu, sich in Gegenden niederzulassen, wo sie ein gewisses Maß an Unterstützung ihrer Gemeinschaft erwarten können (sofern sie solche Kontakte haben) oder sich in jenem Stadtteil niederzulassen, der für sie am praktischen sie ist, da viele von ihnen – zumindest anfangs – regelmäßig zurück in ihre Heimatprovinzen pendeln. Die Auswirkungen neuer Bewohner auf die Stadt sind schwer zu evaluieren. Bewohner der zentralen Stadtbereiche neigen zu öfteren Wohnortwechseln, um näher bei ihrer Arbeitsstätte zu wohnen oder um wirtschaftlichen Möglichkeiten und sicherheitsrelevanten Trends zu folgen. Diese ständigen Wohnortwechsel haben einen störenden Effekt auf soziale Netzwerke, was sich oftmals in der Beschwerde bemerkbar macht „man kenne seine Nachbarn nicht mehr“ (AAN 19.3.2019). Viele Hazara leben unter anderem in Stadtvierteln im Westen der Stadt, insbesondere in Kart-e Se, Dasht-e Barchi sowie in den Stadtteilen Kart-e Chahar, Deh Buri , Afshar und Kart-e Mamurin (AAN 19.3.2019).

Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild (BFA 7.2016). Ethnische Hazara sind mehrheitlich Zwölfer-Schiiten (BFA 7.2016; vgl. MRG o.D.c), auch bekannt als Jafari Schiiten (USDOS 21.6.2019). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradjat lebt, ist ismailitisch (BFA 7.2016). Ismailische Muslime, die vor allem, aber nicht ausschließlich, Hazara sind (GS 21.8.2012), leben hauptsächlich in Kabul sowie den zentralen und nördlichen Provinzen Afghanistans (USDOS 21.6.2019).

Die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, hat sich grundsätzlich verbessert (AA 2.9.2019; vgl. FH 4.2.2019) und Hazara bekleiden inzwischen auch prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, sind jedoch in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert (AA 2.9.2019). Hazara werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara, basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten, finden ihre Fortsetzung in Erpressung (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Inhaftierung (USDOS 11.3.2020). Nichtsdestotrotz, genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen (FH 4.2.2019; vgl. WP 21.3.2018).

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Kernfamilie bzw. dem Klan (BFA 7.2016; vgl. MRG o.D.c). Sollte der Haushalts vorstehende Mann versterben, wird die Witwe Haushaltsvorständin, bis der älteste Sohn volljährig ist (MRG o.D.c). Es bestehen keine sozialen und politischen Stammesstrukturen (BFA 7.2016).

Hazara neigen sowohl in ihren sozialen, als auch politischen Ansichten dazu, liberal zu sein, was im Gegensatz zu den Ansichten sunnitischer Militanter steht (WP 21.3.2018). Berichten zufolge halten Angriffe durch den ISKP und andere aufständische Gruppierungen auf spezifische religiöse und ethno-religiöse Gruppen – inklusive der schiitischen Hazara – an (USDOS 21.6.2019).

Im Laufe des Jahres 2109 setzte der ISKP Angriffe gegen schiitische, vorwiegend aus der Hazara Gemeinschaften, fort. Beispielsweise griff der ISKP einen Hochzeitssaal in einem vorwiegend schiitischen Hazara-Viertel in Kabul an; dabei wurden 91 Personen getötet, darunter 15 Kinder und weitere 143 Personen verletzt wurden. Zwar waren unter den Getöteten auch Hazara, die meisten Opfer waren Nicht-Hazara-Schiiten und Sunniten. Der ISKP nannte ein sektiererisches Motiv für den Angriff (USDOS 11.3.20209). Das von schiitischen Hazara bewohnte Gebiet Dasht-e Barchi in Westkabul ist immer wieder Ziel von Angriffen. Die Regierung hat Pläne zur Verstärkung der Präsenz der afghanischen Sicherheitskräfte verlautbart (USDOS 21.6.2019). Angriffe werden auch als Vergeltung gegen mutmaßliche schiitische Unterstützung der iranischen Aktivitäten in Syrien durchgeführt(MEI 10.2018; vgl. WP 21.3.2018).

In Randgebieten des Hazaradjat kommt es immer wieder zu Spannungen und teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Nomaden und sesshaften Landwirten, oftmals Hazara (AREU 1.2018).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (BI 29.9.2017). NGOs berichten, dass Polizeibeamte, die der Hazara-Gemeinschaft angehören, öfter als andere Ethnien in unsicheren Gebieten eingesetzt werden oder im Innenministerium an symbolische Positionen ohne Kompetenzen befördert werden (USDOS 13.3.2019).

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes sowie in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden.

2.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu Sprachkenntnissen und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde, in dem Beschwerdeschriftsatz und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.

2.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Einleitend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Iran geboren und aufgewachsen ist und Zeit seines Lebens nie in Afghanistan war. Demzufolge brachte der Beschwerdeführer in der Erstbefragung ursprünglich auch vor, aus wirtschaftlichen Gründen bzw. aus einer Notlage heraus nach Europa geflüchtet zu sein (vgl. AS 15). Soweit der Beschwerdeführer auf die Frage, welche Befürchtung er bei einer Rückkehr in seine Heimat habe, Grundstücksstreitigkeiten mit seinem Onkel behauptete und vorbrachte, dass er in Afghanistan Grundstücke besäße (vgl. AS 17), ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer diese Ausführungen in der Einvernahme vor der belangten Behörde nicht weiter aufrecht hielt. Im Gegenteil, relativierte der Beschwerdeführer explizit ein mögliches Gefahrenszenario für seinen Herkunftsstaat (vgl. AS 234, arg. „F: Gibt es irgendwelche persönlichen Gründe, warum Sie nicht nach Afghanistan können. A: Nicht wirklich, wir hatten nur kleinere Probleme mit meinem Onkel.“) In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer schließlich überhaupt keine Fluchtgründe mehr in Bezug auf seinen Herkunftsstaat vor (vgl. AS 4 Verhandlungsprotokoll). Soweit der Beschwerdeführer auf Belästigungen bzw. Schikanen, der er während seiner Zeit im Iran ausgesetzt gewesen sein soll, hinweist (vgl. AS 234), ist anzumerken, dass derartige Vorfälle keinen Fluchtgrund iSd GFK darstellen (siehe dazu auch unten, 3., rechtliche Beurteilung).

2.2.2. Ferner kann allein aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Angehöriger der Volksgruppe der Hazara ist, eine Verfolgung seinerseits als nicht maßgeblich wahrscheinlich angesehen werden, wie offenbar im Beschwerdeschriftsatz vermeint. Der Beschwerdeführer legte im gesamten bisherigen Verfahren nicht einmal ansatzweise dar, warum konkret er aufgrund der Volks- bzw. Religionsgruppenzugehörigkeit einer asylrelevanten Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt sein könnte (siehe dazu auch unten, 3., rechtliche Beurteilung).

2.2.3. Somit verbleibt als einziger möglicher Fluchtgrund, die Behauptung des Beschwerdeführers, zum Christentum konvertiert zu sein. Jedoch konnte der Beschwerdeführer aufgrund einer Vielzahl von Ungereimtheiten und Widersprüchen, die im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen sind, diesen (Nach)Fluchtgrund nicht glaubhaft machen. Im Folgenden sollen die dafür ausschlaggebenden Erwägungen des erkennenden Richters dargelegt werden:

2.2.3.1. Das Bundesverwaltungsgericht verweist zunächst auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen der mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt (vgl. etwa jüngst VwGH 13.05.2020, Ra 2019/01/0164).

Der Beschwerdeführer hinterließ während der gesamten mündlichen Verhandlung keinen überzeugenden Eindruck. Insbesondere konnte der Beschwerdeführer dem erkennenden Richter nicht glaubhaft vermitteln, dass er aus innerer Überzeugung seine ursprüngliche Religion abgelegt und sich dem Christentum zugewandt hätte. Dies verdeutlichte einerseits die Körpersprache des Beschwerdeführers, die sehr passiv und geradezu gelangweilt (offenbar aufgrund der umfangreichen Fragen des Bundesverwaltungsgerichtes) wirkte. Man hatte den Eindruck, man müsse dem Beschwerdeführer jede Frage „aus der Nase ziehen“. Ein überzeugter Konvertit, der für seinen christlichen Glauben buchstäblich „brennt“, hätte jedenfalls einen weniger gleichgültigen Eindruck im Zuge einer derart wichtigen Befragung hinterlassen, der eben auch darin bestanden hätte, dem erkennenden Richter die ausschlaggebenden Gründe über die erfolgte Konversion aktiv (von sich aus) mitzuteilen.

2.2.3.2. Abgesehen vom persönlichen Eindruck war ferner der Umstand seltsam, dass der Beschwerdeführer zu Beginn der Verhandlung ein mit 07.09.2020 datiertes Schreiben des Pfarrers der römisch-katholischen Pfarre XXXX über die „Bestätigung zur Aufnahme in den Katechumenat“ vorlegte (vgl. Beilage zum Verhandlungsprotokoll). Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich der Beschwerdeführer bereits seit Anfang September 2014 in Österreich aufhält und vor der belangten Behörde vorbrachte, im Jahr 2015 mit einer Freikirche in Berührung gekommen und dort im November 2015 getauft worden zu sein und offenkundig mehrere Jahre in dieser Gemeinschaft Mitglied gewesen sei. Zwar ist eine Konversion innerhalb einer christlichen Glaubensrichtung nichts Ungewöhnliches, jedoch kann der Beschwerdeführer im gegenwertigen Zeitpunkt (schon aus formalen Gründen) nicht als ein zum römisch-katholischen Glauben konvertierter Christ qualifiziert werden, da in der vorgelegten Bestätigung vom 07.09.2020 hervorgeht, dass mit der Aufnahme in den Katechumenat eine einjährige Einführung des Taufwerbers in den katholischen Glauben beginnt. Somit wäre der frühest mögliche Zeitpunkt, im römisch-katholischen Glauben die Taufe (gemeinsam mit Firmung und Erstkommunion) zu empfangen, erst Anfang September 2021.

2.2.3.3. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist für die Beurteilung, ob eine Person glaubhaft eine innerliche Konversion vollzogen hat, die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem bisherigen Religionsbekenntnis, in concreto dem Islam, in die Beweiswürdigung miteinzubeziehen. Anders formuliert: Ein Beschwerdeführer sollte dem Gericht plausibel und nachvollziehbar darlegen können, warum er jene Religion, mit der er bisher (kulturell) verwurzelt war, zugunsten einer anderen aufgibt. Zwangsläufig ist dafür ein entsprechendes Wissen, das je nach Bildungsstand der jeweiligen Person unterschiedlich ausfallen kann, vonnöten. Demzufolge konfrontierte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer auch mit der Frage, ob er sich während seiner Zeit im Iran mit dem Islam auseinandergesetzt bzw. ob er den Koran (zumindest teilweise) gelesen habe (vgl. Seite 5 Verhandlungsprotokoll). Zwar behauptete der Beschwerdeführer, den Islam zu kennen und auch eine Übersetzung des Korans gelesen zu haben, konnte jedoch anschließend nicht einmal ansatzweise eine kurze Zusammenfassung über die Lehre des Islams geben (vgl. dazu den folgenden Auszug auf Seite 5 des Verhandlungsprotokolls: „R: Erzählen Sie mir etwas über den Islam, was lehrt der so? BF: Laut dem Islam muss man drei Mal pro Tag beten, Anmerkung: D fragt nach, ob der BF die Frage verstanden hat, da der BF länger nichts gesagt hat. Im Monat Ramadan muss man einen Monat fasten, beim Opferfest, muss jemand der es sich leisten kann ein Tier schlachten.“).

2.2.3.4. Unschlüssig und teils widersprüchlich waren auch die Angaben des Beschwerdeführers auf die Frage des Bundesverwaltungsgerichtes, ob er sich während seiner Zeit im Iran mit anderen Religionen auseinandergesetzt bzw. überhaupt gewusst habe, dass es andere Religionen (außer dem Islam) gäbe (vgl. Seite 6 Verhandlungsprotokoll). Zunächst bestätigte der Beschwerdeführer, dass er keine Kenntnis vom Umstand gehabt habe, dass (außer dem Islam) noch andere Religionen existieren. Auf die Frage, ob es somit richtig sei, vor seiner Flucht noch nie etwas vom Christentum oder Judentum gehört zu haben, ging der Beschwerdeführer dann nicht mehr ein, sondern behauptete plötzlich, dass er im Iran einen Film gesehen habe, wo gesagt worden sei, dass Jesus ein Prophet Gottes ist (vgl. Seite 6 Verhandlungsprotokoll).

2.2.3.5. In weiterer Folge unternahm das Bundesverwaltungsgericht den Versuch, die seitens des Beschwerdeführers bereits vor der belangten Behörde (im Rahmen der freien Erzählung) geschilderten, chronologischen Ereignisse betreffend die Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum (vgl. AS 235) durch gezieltes Nachfragen ein wenig zu ordnen. Dabei trat zutage, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, sein diesbezügliches Fluchtvorbringen zeitlich konkret einzuordnen (vgl. etwa die Auszüge aus dem Verhandlungsprotokoll Seite 7, arg. „R: Wie kamen Sie (nach Ihrer Flucht aus dem Iran) mit dem Christentum in Verbindung? BF: Als ich in Griechenland war, hatte ich einen Freund. Er hat damals die Kirche besucht und ich war zwei Mal mit ihm mit. R: In welchen Jahr und Monat war das ungefähr? BF: Es war im Jahr 2014, genauer kann ich es nicht angeben.“ und 10, arg. „R: Wann haben Sie begonnen mit dem Taufunterrichtsbesuch bei Herrn XXXX ? Ersucht wird Jahr und Monat. BF: Es war im Jahr 2015, genau weiß ich es nicht, aber es war Winter.“), ja nicht einmal angeben konnte, in welchem Jahr (!) er getauft worden sei (vgl. Seite 11 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Zu den Fotos im Akt: Wo war das und wann war das? BF: Das war in Bad XXXX , das war 2016 vielleicht. R: Sie wissen nicht einmal, wann Sie getauft wurden? BF: Genau weiß ich es nicht, ich habe es vergessen.“).

2.2.3.6. Ferner konnte der Beschwerdeführer weder angeben, an welchem Gottesdienst er in Griechenland teilnahm (vgl. Seite 8 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: In welcher Kirche waren Sie damals mit diesem Freund, welche Richtung war das? BF: Ich wusste damals nichts darüber, er sagte, wenn ich mir das anschauen will, soll ich mitgehen. R: Waren Sie da nur in einer Kirche drinnen, waren Sie bei einem Gottesdienst oder hat Ihr Freund Ihnen etwas erklärt? BF: Es war an einem Sonntag, ich habe an einem Gottesdienst teilgenommen. R: Nochmals gefragt: Was war das für eine Kirche? Eine katholische, eine protestantische, eine Freikirche etc.? BF: Es war eine große Kirche, mehr weiß ich nicht.“), noch, welcher christlichen Gemeinde Herr XXXX , also jene Person, bei dem der Beschwerdeführer angeblich den Taufunterricht besuchte, angehörte (vgl. Seite 10 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: War Herr XXXX Christ, welcher Gemeinde gehörte er an? BF: Ja, er war Christ und evangelisch. Mehr weiß ich nicht.“) und schließlich auch nicht plausibel darlegen, in welche Glaubensgemeinschaft er nun tatsächlich konvertierte (vgl. Seite 11 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Was ist da passiert bei dieser Taufe, für welche Glaubensrichtung wurden Sie getauft? BF: Freikirche.“) Der Beschwerdeführer gab zur Glaubensrichtung mehrfach an, dass es sich um eine sog. „Freikirche“ gehandelt habe und behauptete (auf diesbezügliche Nachfrage), dass es bei den Freikirchen keine Zweige bzw. Spaltungen gäbe (vgl. Seite 11 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Sie sagen ständig „Freikirche“. Das ist mir zu allgemein. In welche Richtung wurden Sie getauft? BF: Freikirche ist Freikirche, es gibt keine Zweige, Spaltungen.“). Zudem verneinte der Beschwerdeführer explizit die Frage des erkennenden Richters, ob er als Baptist getauft worden sei (vgl. Seite 11 Verhandlungsprotokoll).

Abgesehen davon, dass aus den (dem Verfahrensakt zugrundeliegenden) „Richtlinien der Freikirchen in Österreich zur Tauf- und Mitgliedspraxis von Flüchtlingen“ hervorgeht, dass die Freikirchen in Österreich 5 Gemeindebünde vertreten (vgl. AS 217), somit also die Behauptung des Beschwerdeführers, dass es bei den Freikirchen keine „Zweige“ bzw. „Spaltungen“ gäbe, nicht den Tatsachen entspricht, wird der Bund der Baptistengemeinde (BBGÖ) als ein Bund (von insgesamt fünf) ausdrücklich in den Richtlinien genannt. Der Beschwerdeführer konnte aber offenbar mit dem Ausdruck „Baptisten“ nichts anfangen, obwohl das von ihm vor der belangten Behörde vorgelegte (undatierte!) Empfehlungsschreiben von Pastor XXXX von einer Baptistengemeinde (in Bad XXXX ) stammt (vgl. AS 205).

2.2.3.7. Überdies konnte der Beschwerdeführer weder schlüssige Auskünfte über die „Freikirchen“ geben (vgl. Seite 11 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Erzählen Sie mir etwas über die Freikirchen. BF: Es war keine Kirche, es war ein Haus. Am Wochenende gab es dort immer Gottesdienste, ca. von 9-12 Uhr. Nach dem Gottesdienst haben wir miteinander gesprochen und etwas gegessen.“), noch ansatzweise überzeugend darlegen, worin sich die „Freikirchen“ von der katholischen oder protestantischen Kirche unterscheiden würden (vgl. Seite 11 f Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Sie haben die Frage nicht wirklich beantwortet. Was sind die Freikirchen? Worin unterscheidet sich die Freikirche beispielsweise von der katholischen oder protestantischen Kirche? BF: In der Freikirche betet man nicht zur Mutter Maria sondern nur zu Jesus Christus. R fordert BF auf weitere Unterschiede zu nennen. BF: Das ist der wichtigste und der große Unterschied. R: Sie meinen die Protestanten beten auch Maria an? BF: Protestant ist auch eine Richtung der Freikirchen.“). Ebenso wenig war der Beschwerdeführer imstande, über die protestantische Richtung zu erzählen, ja kannte nicht einmal deren Gründer (vgl. Seite 12 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Wie sind die Protestanten entstanden, warum gibt es die überhaupt? BF: Von der protestantischen Richtung weiß ich nichts: R: Haben Sie schon einmal den Namen Martin LUTHER gehört? BF: Nein.“). Das Bundesverwaltungsgericht übersieht in diesem Zusammenhang zwar nicht, dass eine Verhandlung, die zum Ziel hat, die Ernsthaftigkeit einer behaupteten Konversion zu überprüfen, keinem „WissensCheck“ gleichkommen kann (insbesondere nicht über historische Ereignisse). Jedoch ist insbesondere unter Berücksichtigung der Behauptungen des Beschwerdeführers, bereits im Jahr 2014 mit dem Christentum in Berührung gekommen zu sein bzw. sich im Jahr 2015 einer Freikirche angeschlossen zu haben (und sich dort sogar taufen ließ!) und letztlich der Bestätigung des Vertreters der Freien Christengemeinde, XXXX , vor der belangten Behörde im Jahr 2017, von der „Ernsthaftigkeit der Konversion“ des Beschwerdeführers überzeugt zu sein (vgl. AS 244), die offenkundige Ahnungslosigkeit des Beschwerdeführers im Jahr 2020 zu verhältnismäßig einfachen Fragenstellungen nicht nachvollziehbar.

2.2.3.8. Der Beschwerdeführer konnte dem Bundesverwaltungsgericht auch nicht nachvollziehbar darlegen, warum er sich im Jahr 2015 (oder 2016) einer Freien Christengemeinde anschloss. Die Frage nach dem ausschlaggebenden Motiv für die Konversion, beantwortete der Beschwerdeführer im Wesentlichen dahingehend, dass er „dort“ Freunde gefunden habe, die auch Christen gewesen seien. Ferner benannte er zwei Personen, darunter XXXX , die Kurse organisiert hätten und an denen er teilgenommen habe (vgl. Seite 9 Verhandlungsprotokoll). Der Beschwerdeführer konnte jedoch dem erkennenden Richter zu keinem Zeitpunkt der Verhandlung überzeugend vermitteln, aufgrund welcher inneren Beweggründe heraus er den Schritt zur Freien Christengemeinde gesetzt hatte.

2.2.3.9. Spätestens ab dem Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer vom Bundesverwaltungsgericht mit der Frage konfrontiert wurde, aus welchen Beweggründen er sich nunmehr zur Aufnahme in den Katechumenat der römisch-katholischen Pfarre XXXX entschlossen habe, erschien der Beschwerdeführer auch als Person unglaubwürdig. Der Beschwerdeführer führte dazu (als einziges Motiv!) an, dass ihm die Freikirche zu streng gewesen sei, da er keine Freundin haben durfte (vgl. dazu die relevanten Passagen auf Seite 12 des Verhandlungsprotokolls: „R: Wieso haben Sie sich jetzt offenbar entschieden die römisch-katholische Kirche in XXXX zu besuchen, insbesondere die Aufnehme in das Katechumenat? BF: In der Freikirche war es mir zu streng, ich durfte keine Freundin haben. Jetzt habe ich eine Freundin, sie ist schwanger. In einem Monat kommt mein Kind auf die Welt. R: Ist das der einzige Grund warum Sie sich offenbar für die katholische Kirche entschieden haben? BF: Sie waren sehr streng. Sie haben mir gesagt, diese Beziehung welche ich habe ist nicht richtig. Ich habe mit meiner Freundin gesprochen, dass wir vielleicht abtreiben. Aber dann habe ich mir überlegt, es ist nicht richtig, weil es Jesus nicht will.“). Zwar wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht verkannt, dass es durchaus der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass insbesondere freikirchliche Gemeinden das 6. Gebot sehr streng auslegen und empfohlene Lebensweisen wie „kein Sex vor der Ehe“ jungen Menschen (gerade auch gläubigen) „veraltet“ erscheinen. Jedoch ist der vom Beschwerdeführer in der Verhandlung zum Ausdruck gebrachte (offenkundig einzige) Grund für seinen (abermaligen) Glaubenswechsel (in concreto: von einer freikirchlichen Gemeinde zu einer römisch-katholischen) ein doch zu leicht durchschauender. Wenngleich es die höchst persönliche Entscheidung des Beschwerdeführers darstellt, wie er sein Beziehungsleben gestaltet, (also, ob er auch als Christ vor der Ehe mit einer Frau zusammenlebt oder nicht), erscheint die Motivation des Beschwerdeführers für eine derart wichtige Lebensentscheidung (Konversion innerhalb des Christentums trotz bereits vollzogener Taufe) mehr als fragwürdig. Jedenfalls ist es nicht überzeugend, wenn rein pragmatische Gründe offenbar alleiniges Motiv für einen Glaubensübertritt zu sein scheinen. Ganz abgesehen vom Umstand, dass nach der (offiziellen) Lehre der katholischen Kirche der voreheliche Geschlechtsverkehr ebenfalls nicht dem 6. Gebot entspricht (vgl. Katechismus der katholischen Kirche [KKK], in Oldenbourg/Benno/Paulusverlag/Veritas, 1993, Rn 2350).

2.2.3.10. Aufgrund des Gesamteindrucks, den der Beschwerdeführer in der Verhandlung hinterließ, hegt der erkennende Richter zudem erhebliche Zweifel am nunmehrigen Vorhaben des Beschwerdeführers, ein ganzes Jahr lang ernsthaft den Taufkurs in XXXX zu besuchen und sich nach Abschluss der Taufvorbereitung taufen zu lassen. (vgl. Seite 12 f Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Haben Sie vor ein Jahr ernsthaft als Taufbewerber die römisch-katholische Kirche in XXXX zu besuchen und sich dann nach diesem Jahr römisch-katholisch taufen zu lassen. BF: Ja.“). Dies nicht zuletzt aufgrund der Erwägung, als der Beschwerdeführer bereits in seiner Zeit in XXXX mit einem Mann namens XXXX in Kontakt gekommen sei, der einer katholischen Gemeinde angehört und dem Beschwerdeführer sogar mitgeteilt haben soll, dass die Konversion zum Christentum ein Prozess sei, der ein Jahr dauern würde (vgl. Seite 8 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Sie haben vor dem BFA von Ihrer Zeit in XXXX erzählt wo Sie zwei Afghanische Freunde hatten die konvertieren wollten. Ist das richtig? BF: Ja. R: Wann war das genau? BF: Das war damals, als ich neu nach Wien kam. Damals wurde ich nach XXXX überstellt. R: Waren diese zwei Bekannten schon Mitglieder in einer Kirche oder wie war das? BF: Nein, wir hatten einen Freund namens XXXX . Er ist ab und zu zu den Freunden gekommen und sie haben gesprochen. Meine Freunde haben gesagt, dass sie Christen sein wollen. XXXX hat gesagt, es sei ein Prozess und dauert. Er sagte, dass es in Linz Kurse gibt und es ein Jahr dauert. R: Welcher Gemeinde gehörte XXXX an? BF: Katholisch.“). Dem Beschwerdeführer wäre somit schon im Jahr 2015 die Möglichkeit offen gestanden, den katholischen Glauben kennenzulernen und sich nach Absolvierung des Taufunterrichts, römisch-katholisch taufen zu lassen. Auf den diesbezüglichen Vorhalt gab der Beschwerdeführer zwar an, dass er damals nicht vorgehabt habe, die Religion zu wechseln (vgl. Seite 9 Verhandlungsprotokoll). Dieser Erklärungsversuch überzeugt aber schon deshalb nicht, da der Beschwerdeführer seine nunmehrigen Beweggründe für den behaupteten Glaubenswechsel, ebenfalls nicht plausibel darlegen konnte (vgl. dazu insbesondere die obigen Ausführungen unter 2.2.3.9.).

2.2.3.11. Am obigen Ergebnis vermögen auch die Zeugenaussagen des Pfarrers der römisch-katholischen Kirche XXXX nichts zu ändern. Zwar hinterließ der Zeuge im Rahmen der Einvernahme einen durchaus sympathischen Eindruck. Demzufolge es auch grundsätzlich nachvollziehbar, dass sich der Beschwerdeführer in der neuen Pfarrgemeinde wohlfühlt. Jedoch konnte auch der Zeuge dem Bundesverwaltungsgericht letztlich nicht nachvollziehbar darlegen, warum sich der Beschwerdeführer ausgerechnet erst drei Tage vor der angesetzten mündlichen Verhandlung (schriftlich dokumentiert) für die Aufnahme in den Katechumenat entschied, obwohl der Zeuge gleichzeitig angab, dass der Beschwerdeführer bereits vor gut eineinhalb Jahren den Wunsch geäußert habe, eine Taufvorbereitung zu beginnen (vgl. Seite 17 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Sie kennen den BF ja schon seit 2018. Wann hat der BF Ihnen gegenüber das erste Mal den Wunsch geäußert eine Taufvorbereitung zu machen? Z: Vor gut eineinhalb Jahren.“). Letztlich bestätigte der Zeuge (indirekt), dass sich der Beschwerdeführer nunmehr viel weniger aus innerer Glaubensüberzeugung entschloss, in die römisch-katholische Pfarre XXXX einzutreten, als vielmehr aufgrund der dort herrschenden positiven „Atmosphäre“ (vgl. Seite 18 f Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Ich hatte den Eindruck, dass für den BF das größte Problem nicht „zusammen leben“ konnte und daher mit der Freikirche Probleme bekam. Der BF konnte mir nicht wirklich vermitteln warum er sich ausgerechnet für den katholischen Glauben entscheiden will. Können Sie dazu etwas sagen? BF: Ich glaube, dass der BF die Atmosphäre unserer Pfarrgemeinde gespürt hat, was das Christentum meint, nämlich Toleranz, Offenheit und auch ein liberaler Zugang zu Religion.“). Schließlich vermochten die Ausführungen des Zeugen auf die Frage des Rechtsvertreters, aufgrund welcher Umstände man erkennen könne, dass es dem Beschwerdeführer (nunmehr) „ernst“ mit dem christlichen Glauben sei (vgl. die Antwort auf Seite 19 Verhandlungsprotokoll: „Z: Sein Interesse und auch das der christliche Glaube ein Teil der Inkulturation ist. Die Entscheidung das er hier leben möchte und auch die Kultur kennen lernen bzw. annehmen möchte.“), schon deshalb nicht zu überzeugen, da der Beschwerdeführer sich nunmehr seit knapp 6 Jahren (!) durchgehend in Österreich aufhält und dem Beschwerdeführer daher während dieses verhältnismäßig langen Zeitraums genügend Möglichkeiten offen gestanden wären, den christlichen Glauben als Teil der europäischen Kultur kennenzulernen.

2.2.3.12. Abschließend ist festzuhalten, dass auch bei einer theoretischen Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat eine unmittelbare Gefahr für den Beschwerdeführer auszuschließen ist, da – wie der Beschwerdeführer selbst vorbrachte – ein allfälliges Interesse des Beschwerdeführers für das Christentum in Afghanistan nicht bekannt geworden ist (vgl. Seite 14 Verhandlungsprotokoll). Dass sich aber der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan öffentlich als bekennender Christ positionieren würde, ist nahezu ausgeschlossen (vgl. dazu auch die ausweichenden Angaben des Beschwerdeführers auf entsprechende Frage des Bundesverwaltungsgerichtes, Seite 14 Verhandlungsprotokoll: „R: Sie haben bereits subsidiären Schutz, dennoch die theoretische Frage: Würden Sie falls Sie nach Afghanistan zurück müssten, dort sich öffentlich zum Christentum bekennen? BF: Ich habe auch hier Probleme mit anderen Afghanen. Die welche es wissen, wollen keinen Kontakt mit mir haben. R: Sie haben wieder meine Frage nicht beantwortet. D wiederholt die Frage. BF: Ich möchte weiterhin als ein Christ leben. R: Würden Sie beispielsweise in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat andere Personen ansprechen und diesen vom Christentum erzählen? BF: Ja das werde ich machen, aber ich werde aufpassen. R: Inwiefern werden Sie aufpassen? BF: Ich werde nicht jedem davon erzählen, dass ich Christ geworden bin, weil ich in Österreich auch Probleme deswegen bekommen habe.“).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 82/2015, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 25/2016).

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 Statusrichtlinie [RL 2011/95/EU] verweist.). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (in der Fassung des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Eine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention kann gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

Ein in der Praxis häufiges Beispiel für sogenannte subjektive Nachfluchtgründe ist die im Zufluchtsstaat erfolgende Konversion zum Christentum insbesondere bei Asylwerbern aus islamischen Staaten. Auch wenn in einem solchen Fall der Nachweis einer (religiösen) Überzeugung, die bereits im Heimatstaat bestanden hat, nicht erbracht werden kann, drohen dem Antragsteller bei seiner Rückkehr in den Heimatstaat gegebenenfalls Sanktionen, die von ihrer Intensität und ihrem Grund her an sich asylrelevant sind. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt in diesen Fällen nicht darauf ab, ob die entsprechende Überzeugung bereits im Heimatland bestanden hat (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675). Vielmehr ist maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (vgl. dazu VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544, mwN). Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675; 14.11.2007, 2004/20/0485, sowie VfGH 12.12.2013, U 2272/2012).

3.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht vorliegt:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

3.3.1. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, konnte der Beschwerdeführer seine behauptete Konversion nicht glaubhaft machen, insbesondere nicht, dass der christliche Glaube wesentlicher Bestandteil seiner Identität geworden ist (vgl. dazu ausführlich oben, 2.2.3.).

Im Übrigen ist festzuhalten, dass allfällige sonstige fluchtauslösende Ereignisse während der Zeit des Beschwerdeführers im Iran vorgefallen sind. Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen besteht hier schon deshalb nicht, da sich die begründete Furcht vor Verfolgung auf jenes Land beziehen muss, dessen Staatsangehörigkeit der Asylwerber besitzt (in diesem Fall Afghanistan). Die Furcht vor Verfolgung in einem Land, das nicht das Heimatland ist, kann nämlich dadurch abgewendet werden, dass man den Schutz des Heimatlandes in Anspruch nimmt (VwGH 08.11.1989, 89/01/0338). Zudem ist eine Abweisung eines Asylantrages nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn sich die vom Asylwerber konkret geschilderten, seine Person betreffenden Fluchtgründe nicht auf eine Bedrohung in seinem Herkunftsstaat beziehen, sodass insofern keine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat behauptet wurde (VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240).

3.3.2. Soweit der Beschwerdeführer im Beschwerdeschriftsatz auf die Lage der Hazara hinweist, ist anzumerken, dass den Länderberichten zwar zu entnehmen ist, dass Schiiten – speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören – Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind. Festzuhalten ist aber auch, dass sich für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara die Situation in der Zwischenzeit deutlich verbessert hat, wenngleich die gesellschaftlichen Spannungen fortbestehen und in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wiederaufleben. In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung insgesamt nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan für gegeben zu erachten. Es ist somit davon au

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten