TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/1 W117 2235548-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.10.2020
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Entscheidungsdatum

01.10.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs2 Z3
FPG §76 Abs3 Z1
FPG §76 Abs3 Z2
FPG §76 Abs3 Z3
FPG §76 Abs3 Z9
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs1

Spruch

W117 2235548-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX vertreten durch RA Mag. Laszlo Szabo, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Wien, vom 01.07.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 800619907/200850915, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 25.08.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 2, Z 3, Z 9 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 2, Z 3, Z 9 FPG idgF wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV idgF, hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer wurde am 11.09.2020 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und ihm Parteiengehör eingeräumt. Die Einvernahme gestaltet sich wie folgt:

„(…)

Frage: Haben Sie einen rechtlichen Vertreter?

Antwort: Nein.

Fragen zur Einvernahme und Ihrer Person

Frage: Verstehen Sie den Dolmetscher, haben Sie Einwände gegen ihn?

Antwort: Ja ich verstehe und habe keine Einwände.

Frage: Wie ist Ihr Name und wo wurden Sie geboren. Welche Staatsbürgerschaft haben Sie?

Antwort: Mein Name ist XXXX , ich wurde in XXXX geboren. Ich habe die algerische Staatsbürgerschaft.

Frage: Welche Sprachen sprechen Sie?

Antwort: Meine Muttersprache ist Arabisch. Ich beherrsche auch gut Deutsch und ein wenig Französisch und Italienisch.

Frage: Fühlen Sie sich physisch und psychisch in der Lage, der Einvernahme zu folgen?

Antwort: Ja, ich habe nur ein wenig Schmerzen in den Beinen, da ich keine Medikamente genommen habe.

Frage: Befinden Sie sich derzeit in ärztlicher oder medikamentöser Behandlung, leiden Sie aktuell an irgendwelchen Erkrankungen?

Antwort: Ich hatte einen Wirbelsäulentumor und wurde deswegen behandelt. Daher habe ich Schmerzen am Bein, vor allem am Knie. Ich muss zum Orthopäden und zum Neurochirurgen, auch muss ich noch ein MRT machen. Ich soll mich auch mindestens 2 Stunden am Tag bewegen. Ich nehme für die Schmerzen Lyrica und Magnesium für die Muskeln sowie Neurontin für die Nerven.

Frage: Sind Sie damit einverstanden, dass die ho. Behörde sowie in einem allfälligen Beschwerdeverfahren das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Einsicht in bereits vorliegende und künftig erhobene ärztliche Befunde nehmen kann. Sind Sie außerdem damit einverstanden, dass Ihre behandelnden Ärzte sowie behördlich bestellte ärztliche Gutachter wechselseitig Informationen bezüglich Sie betreffende ärztliche Befunde austauschen können? Sind Sie weiters mit der Weitergabe Ihrer medizinischen Daten an die Sicherheitsbehörde und die für die Grundversorgung zuständigen Stellen einverstanden? Sie können Ihre Zustimmung danach jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen.

Antwort: Ja, ich bin einverstanden.

F: Sind sie operiert worden?

A: Das erste Mal in Steyr 2017 und dann ein zweites Mal im September 2017 in St. Pölten. Ich war auch stationär für 8-12 Monate bei den Barmherzigen Brüdern in Wien und hatte danach eine Bestrahlungstherapie in Wien.

F: Inwieweit waren Sie seit November 2019 in Behandlung?

A: Ich habe mehrmals Physiotherapien gemacht, sowohl in Österreich als auch in Italien. Ich muss auch zur Kontrolle zum Neurologen in Turin/Italien, ich weiß nicht mehr wie dieser heißt. Ich bin aus der Haft gekommen und wusste, dass ich 5 Monate in Italien Therapie machen muss. Dann war ich wieder in Haft in Italien von 20.03.2020 bis August 2020.

Frage: Besitzen Sie ein Mobiltelefon bzw. haben Sie eine Telefonnummer, unter welcher Sie erreicht werden können?

Antwort: Ja, habe ich, aber nur eine italienische Nummer, die ich nicht auswendig weiß.

Fragen zu Ihrem bisherigen Aufenthalt:

Frage: Was war Zweck und Ziel Ihrer Reise vom 09.09.2020 bis 10.09.2020?

Antwort: Ich bin zurück, um mich hier weiter behandeln zu lassen. Die Ärzte in Italien haben gesagt, dass ich mich hier weiter behandeln lassen muss, da ich ansonsten alle Befunde übersetzen lassen müsste, auch hatte ich diese in Italien nicht dabei.

Haben Sie in der Zwischenzeit die EU einmal verlassen?

Antwort: Nein.

Frage: Wo waren Sie seit Ihrer Haftentlassung 2019?

Antwort: Ich war in Österreich bis Dezember 2019, dann bin ich nach Italien.

Frage: Warum haben Sie sich dem Verfahren entzogen?

Antwort: Nach meiner Entlassung habe ich nicht einmal meine Befunde bekommen, mir wurde nicht geholfen. Ich war 5 Jahre im Gefängnis, dann kam ich raus und man gab mir nicht einmal meine Befunde, man hat einfach gesagt geh. Dann bin ich zurück nach Innsbruck und dort sagten sie mir ich brauche eine Versicherung, sonst muss ich das privat machen. Kann ich wieder einen Asylantrag stellen?

Anmerkung: Der Fremde wird über die Modalitäten einer weiteren Asylantragsstellung manuduziert.

F: Wie haben Sie Ihre Behandlung in Italien finanziert?

A: Habe ich nicht, dort gibt es einen Sozialdienst, der das macht. Ich war in Turin, in Italien hat jeder Bezirk einen Sozialdienst für Ausländer, aber ich kann nicht lang die Behandlung dort machen, da es Gesetz ist, dass Leute in dem Land behandelt werden müssen, in dem Sie erkrankt sind.

Frage: Besitzen Sie gültige Reisedokumente? Haben oder hatten Sie jemals andere Dokumente, wenn ja, wo sind diese?

Antwort: Nein, habe ich nicht.

Frage: Haben Sie in einem europäischen Staat einen gültigen Aufenthaltstitel?

Antwort: Nein.

Frage: Haben Sie einen (ordentlichen) Wohnsitz in Österreich?

Antwort: Nein, aber jetzt habe ich ein paar Freunde, bei denen ich wohnen kann.

F: Wer ist XXXX ?

A: Eine Bekannte, ich kenne sie schon lange. 

Frage: Haben Sie Freunde oder Familie in Österreich? Können Sie bei jemandem wohnen? Wenn ja, nennen Sie bitte Name und Adresse.

Antwort: Familie habe ich nicht, aber viele Freunde, aber die Hälfte der guten Freunde sind falsche Freunde. Ich könnte bei XXXX wohnen, sie wohnt in XXXX .

Frage: Sie haben sich Ihrem Verfahren bereits über einen längeren Zeitraum entzogen und sich illegal untergetaucht in Österreich und Italien aufgehalten. Wovon haben Sie in dieser Zeit gelebt?

Antwort: Ich war in Italien, dort war ich 5 Monate im Knast.

Frage: Über wieviel Bargeld oder sonstige Zahlungsmittel verfügen Sie?

Antwort: In etwa 20,- €.

Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die vom Bundesamt zur Beurteilung Ihres Falles herangezogenen allgemeinen Länderfeststellungen des BFA zur Lage in dem für Sie zuständigen Staat samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht zu nehmen. Diese Quellen berufen sich vorwiegend unter anderem auf Berichte von EU-Behörden von Behörde von EU-Ländern aber auch Behörden anderer Länder, aber auch anderen Quellen wie auch zahlreichen NGOs und auch Botschaftsberichten, die im Einzelnen auch eingesehen werden können.

Sie haben die Möglichkeit dazu im Rahmen des Parteiengehörs Stellung zu nehmen.

Frage: Wollen Sie dazu Stellung nehmen.

(…)

Antwort: Wenn ich Schubhaft gehe, gibt es da dann ein Physiotherapie?

(…)

Frage: Haben Sie alles verstanden?

Antwort: Ja, ich habe alles verstanden.“

Mit im Spruch angeführtem Bescheid der Verwaltungsbehörde
wurde daraufhin die Schubhaft angeordnet. Die Verwaltungsbehörde führte u. a. Folgendes aus:

„Verfahrensgang

(…)

Am 23.07.2010 teilte die Polizeiinspektion Gries am Brenner mit, dass Sie am 22.07.2010 von Italien nach Österreich reisten.

Am 28.07.2010 wurde Ihr Verfahren wegen unbekannten Aufenthaltes eingestellt.

Am 01.08.2010 teilte die Polizeiinspektion Gries am Brenner wieder mit, dass Sie am 01.08.2010 von Italien nach Österreich reisten.

Am 15.08.2010 wurde gem. § 26 AsylG gegen Sie ein Festnahmeauftrag erlassen, weil Sie sich dem Verfahren entzogen haben.

Am 20.09.2010 teilte die Polizeiinspektion Gries am Brenner erneut mit, dass Sie am 20.09.2010 von Italien nach Österreich reisten.

Am 06.10.2010 wurden Sie in Innsbruck bei einem Einbruchsdiebstahl in einem Modegeschäft auf frischer Tat betreten und festgenommen.

Bei einer Kontrolle am 29.09.2010 durch Beamte der PI Kaiserjägerstraße wurde bei Ihnen Cannabisharz gefunden.

Am 19.01.2011 wurden Sie dem Bundesasylamt Innsbruck zur Einvernahme vorgeführt und im Beisein eines von der erkennenden Behörde bestellten und beeideten Dolmetschers in der Sprache Arabisch und im Beisein Ihres gesetzlichen Vertreters von einem Organwalter des Bundesasylamtes einvernommen.

Am 14.02.2011 teilte das Stadtpolizeikommando Innsbruck mit, dass Sie sich einer fremdenpolizeilichen Kontrolle entziehen wollten und den Tatbestand des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt gesetzt haben.

Am 01.03.2011 langte das Ergebnis der Sprachanalyse bei der Behörde ein.

Am 01.03.2011 wurde das Ergebnis der Sprachanalyse samt den aktuellen Länderfeststellungen zu Marokko Ihrem gesetzlichen Vertreter zum Parteiengehör versendet.

Am 22.03.2011 wurde Ihr Verfahren erstinstanzlich negativ beschieden, diese Entscheidung, gegen die Sie fristgerecht Beschwerde einlegten, wurde am 27.12.2014 mit Rechtskraft vom 12.01.2015 in zweiter Instanz bestätigt.

Bis 15.11.2019 befanden Sie sich aufgrund Ihrer Verurteilungen in diversen Strafanstalten, zuletzt in der Justizanstalt Stein in Stein an der Donau.

Nach Ihrer Entlassung am 15.11.2019 entzogen Sie sich dem Verfahren durch Untertauchen, wobei Sie sich in Folge laut Ihren eigenen Angaben zuerst in Innsbruck versteckten und danach für mehrere Monate in Italien aufgehalten hätten, wo Sie dann auch laut Ihren eigenen Angaben für ca. 5 Monate in Haft waren.

Nach Ihrer Haftentlassung in Italien kehrten Sie im August nach Innsbruck zurück, wo Sie sich wiederum untergetaucht illegal aufhielten.

Am 09.09.2020 reisten Sie schlepperunterstützt nach Italien, von wo Sie am 10.09.2020 wieder schlepperunterstützt zurück nach Innsbruck reisten, wobei Sie bei der Rückkehr von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes betreten wurden.

Nach Kontaktaufnahme mit dem Journaldienst des BFA wurde der ausgeschriebene Festnahmeauftrag nach BFA-VG der BFA RD Niederösterreich vollzogen und Sie zur weiteren Befragung auf die PI Hall i.T. verbracht.

Am 11.09.2020 wurden Sie ebendort von einem Vertreter des BFA unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch einvernommen.

Feststellungen:

Zu Ihrer Person:

-        Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger.

-        Sie sind Fremder iSd. § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

-        Ihre Identität steht nicht fest. Ihre Verfahrensidentität lautet: XXXX ,

geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Algerien. Sie verfügen über keine Dokumente die Ihre Identität bezeugen könnten.

-        Sie haben in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, dieser ist mit 12.01.2015 in zweiter Instanz rechtskräftig negativ entschieden worden.

-        Sie sind haft- und vernehmungsfähig. Sie wurden 2017 wegen eines Wirbelsäulentumors operiert und benötigen derzeit Lyrica, Magnesium und Neurontin, auch sollen Sie regelmäßige Spaziergänge unternehmen. Laut Ihren Angaben strebten Sie eine weitere Physiotherapie an.

-        Sie sprechen Arabisch, Deutsch sowie ein wenig Französisch und Italienisch.

-        Sie verfügen aktuell über 20,- € an Barmitteln.

Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

-        Die in Ihrem Asylverfahren erlassene Rückkehrentscheidung ist seit 12.01.2015 durchsetzbar. Die Rückkehrentscheidung ist durchführbar.

-        Sie verfügen nicht über die notwendigen Dokumente, die für eine legale Einreise und einen legalen Aufenthalt benötigt werden.

-        Sie sind im österreichischen Bundesgebiet nicht amtlich gemeldet. Sie gehen keiner legalen Beschäftigung nach. Sie sind in Österreich nicht sozialversichert.

-        Sie haben kein Aufenthaltsrecht in Österreich. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen, da Sie nicht über die nötigen Reisedokumente verfügen. Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren und haben sich bereits mehrfach durch Untertauchen dem verfahren entzogen.

-        Sie wurden bereits mehrfach straffällig und verbüssten mehrjährige Haftstrafen in Österreich.

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

-        Sie sind unmittelbar nach Ihrer Haftentlassung im November 2019 untergetaucht und haben sich illegal in Österreich bzw. Italien aufgehalten.

-        Sie gehen keiner Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden.

-        Im bisherigen Verfahren verhielten Sie sich unkooperativ, indem Sie der freiwilligen Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sind sowie sich bei erster Gelegenheit dem Verfahren durch Untertauchen entzogen haben.

-        Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

-        Obwohl eine gesetzliche Verpflichtung hierzu bestand, verweigerten Sie die Ausreise aus Österreich.

-        Obwohl bezüglich Ihrer Person ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot bestand, kehrten Sie nach Österreich zurück.

-        Sie missachteten auch durch Ihre Straffälligkeit die österreichische Rechtsordnung.

-        Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.

-        Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und hielten sich bislang unangemeldet unter Verletzung des Meldegesetzes in Österreich auf.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

-        Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.

-        Sie haben weder Familie noch tragfähige soziale Anknüpfungspunkte in Österreich, wobei Sie durchaus über einige Freunde verfügen.

Etwaige Hinweise auf integrationsverstärkende Anhaltspunkte sind in Ihrem Fall nicht hervorgekommen.

Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen resultieren aus dem Inhalt Ihres BFA-Aktes, Zl. 13-800619907, sowie aus Ihrer Einvernahme am 11.09.2020.
Ihre Identität konnte nicht festgestellt werden, da Sie keine unbedenklichen Identitätsdokumente vorweisen konnten.

Rechtliche Beurteilung

(…)

In diesem Zusammenhang sind die Kriterien gem. § 76 Abs. 3 FPG zu beachten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten

(…)

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere auch ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an der baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit überwiegt.

Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:

In Ihrem Fall liegen die Kriterien nach Ziffern 1, 2, 3 und 9 vor.

Der Gesichtspunkt einer „sozialen Verankerung“ in Österreich ist im Zusammenhang mit der Verhängung der Schubhaft ein wesentlicher Aspekt (VwGH 30.08.2011, 2008/21/0107).

Eine soziale Verankerung in Österreich konnte in Ihrem Falle nicht festgestellt werden. Sie haben keinen aufrechten Wohnsitz. Sie können in Österreich keiner legalen Arbeit nachgehen, verfügen nicht über die Mittel für Ihren Unterhalt und sprechen nicht ausreichend Deutsch. Sie haben keine Verwandten oder anderen sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich. Sie sind in keinster Weise integriert.

Daher sind die Kriterien der Ziffer 9 erfüllt.

Sie haben sich dem Verfahren durch Untertauchen entzogen.

Daher sind die Kriterien der Ziffer 1 erfüllt.

Trotz Ihres rechtskräftigen Einreiseverbotes sind Sie schlepperunterstützt von Italien nach Österreich zurückgekehrt.

Daher sind die Kriterien der Ziffer 2 erfüllt.

Ihr Asylverfahren ist rechtskräftig negativ entschieden, die Rückkehrentscheidung ist durchführbar.

Daher sind die Kriterien der Ziffer 3 erfüllt.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig, da in Ihrem Fall mit der Verhängung des Gelinderen Mittels kein Auslangen gefunden werden kann.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Es ist vielmehr anzunehmen, dass Sie, sollten Sie die Gelegenheit bekommen, unverzüglich untertauchen werden.

Bei der Prüfung der Fluchtgefahr ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Deliquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

Sie wurden in Österreich bereits wegen einer Vielzahl von Delikten verurteilt und haben einen Großteil Ihres Aufenthaltes in Haft verbracht.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio – Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Sie haben sich bereits dem Verfahren durch Untertauchen entzogen.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima – ratio – Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Sie benötigen wegen Ihres vor 3 Jahren operierten Tumors Medikamente. Ihre Haftfähigkeit wird regelmäßig vom Amtsarzt überprüft und haben Sie in Schubhaft auch jederzeit Zugang zu ärztlicher Hilfe.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist.“

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte aus:

„(…)
Der Beschwerdeführer wurde am 15.11.2019 aus einer fünfjährigen Haftstrafe entlassen, die zwischenzeitigen Versuche des BFA zur Identitätsabklärung zum Zweck der Abschiebung aus Österreich waren offenkundig erfolglos. Der Beschwerdeführer verließ Österreich nach Italien wo er eine ältere Haftstrafe von fünf Monaten verbüßte. Am 10.9.2020 betrat er Österreich über den Brennerpass. Er wollte sich hier behandeln lassen um einen operativen Kunstfehler der während der Haft in Garsten geschehen ist, medizinisch korrigieren zu lassen.

Es bestehen soweit beurteilt werden kann keinerlei neue Erkenntnisse des BFA zur Identität des Beschwerdeführers, die seine Abschiebung jetzt ermöglichen würden.

Deshalb kann der Schubhaftzweck, nämlich die Sicherstellung der Außerlandesbringung nicht erreicht werden ohne diesen Zweck darf die Schubhaft aber nicht aufrechterhalten werden.

Deshalb wird gestellt der

ANTRAG

Das BVWG wolle aussprechen, dass die über den Beschwerdeführer verhängte Schubhaft und deren Vollzug rechtswidrig sind.“

Die Verwaltungsbehörde legte den Akt vor und begehrte die Abweisung der Beschwerde und den Ausspruch der Fortsetzung der Schubhaft sowie Kostenersatz für Schriftsatz- und Vorlageaufwand. Unter anderem führte sie noch aus:

„ Zur gegenständlichen Anhaltung in Schubhaft darf folgende Stellungnahme in Hinblick auf deren Verhältnismäßigkeit abgegeben werden:

Zur zentralen Frage der wahrscheinlichen Ausstellung eines Heimreisezertifikats - dessen Mangel im übertragenden Sinn auch in der Beschwerde moniert wird - kann seitens der ho Behörde angemerkt werden, dass eine Rückführung nach Algerien und somit die Realisierung des Schubhaftzwecks nicht als völlig aussichtslos - auch bereits zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung - erscheint. Von der Behörde wurden rechtzeitig und zielführend Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für den Fremden eingeleitet und fortgeführt. So wurden Verfahren zur Erlangung eines Ersatzdokuments mit der algerischen als auch marokkanischen Vertretungsbehörde (kurz VB) eingeleitet. Ersteres erfolgte bereits im Jahre 2013 durch die damals zuständigen Behörden (LPD Wien und Tirol), jenes mit Marokko im Jahre 2016. Nach mehrmaligen (6 insgesamt- zuletzt am 26.03.20) Urgenzen liegt eine erste negative Verbalnote der marokkanischen VB seit 24.02.2016 vor. Zwischenzeitlich – nach fünf Urgenzen – wurde der BF am 23.05.2018 der algerischen VB zum Interview vorgeführt, welche eine algerische Staatsangehörigkeit mit dem kurzen Hinweis, dass es sich um einen marokkanischen StA handelt, nicht bestätigte. Dabei scheint es sich um keine ausführliche Überprüfung gehandelt haben, zumal eine Identitätsprüfung in Algerien für nicht notwendig erachtet wurde. In der Folge ließ sich die marokkanische VB zwei Jahre Zeit, um nach erneuter und aufgrund des Hinweises begründeter Urgenz durch Verbalnote vom 25.02.2020 wiederum abzulehnen. In Bezug auf Algerien ist daher festzuhalten, dass die bisherigen Verfahren und Erhebungsergebnisse schließlich Anhaltspunkte dafür ergaben, dass es sich bei dem BF um einen algerischen Staatsangehörigen handelt und daher kann die ho Behörde in berechtigter Weise davon ausgehen, dass ein HRZ seitens der algerischen VB noch ausgestellt wird. Der BF selbst gibt zudem beharrlich an die algerische Staatsangehörigkeit inne zu haben. Somit ist die Schlussfolgerung zulässig, dass es sich tatsächlich um einen Staatsbürger der der Volksrepublik Algerien handelt und eine genauere Identitätsprüfung in Algerien nicht mehr ausgeschlossen werden kann.

Aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie mussten bis dato auch eine weitere Vorführung vor die algerische VB unterbleiben. Es ist auch nicht bekannt, dass Algerien von der COVID-19-Pandemie derart betroffen wäre, dass von einer noch deutlich länger andauernden vollständigen Anflugsperre auszugehen wäre. Im Hinblick auf die sich abzeichnenden Lockerungen der internationalen Verkehrsbeschränkungen ist der Zweck der Anhaltung innerhalb der Höchstschubhaftdauer jedenfalls erreichbar, wenn auch derzeit nicht festgestellt werden kann, wann genau die algerischen Flughäfen wieder geöffnet werden. Die möglicherweise Ausschöpfung der gesetzlichen Höchstfristen im Rahmen der Fortsetzung der Schubhaft wird vom Fremden im Wesentlichen selbst verursacht. Bei entsprechender Bereitschaft zur Kooperation mit den Behörden hätte nämlich schon längst ein HRZ oder Reisepass ausgestellt werden oder der Fremde mit finanzieller Unterstützung und Hilfe einer NGO freiwillig ausreisen können.

Die Umstände für das Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr, wie schon im verfahrensanordnenden Bescheid dargelegt, liegen nach Ansicht der ho Behörde weiterhin klar vor, resultierend aus dem individuellen und negativ zu prognostizierenden Verhalten des Fremden. Der Fremde bringt in seiner Befragung vom 11.09.2020 zum Ausdruck, dass er in Österreich keine Verwandte hat und nennt auf das Geratewohl und unter Vernachlässigung exakter Angaben Vornamen von unbekannten Personen und bezeichnet diese als seinen Freundeskreis. Eine Wohnmöglichkeit und soziale Integration durch Vorliegen der entsprechenden Tatsachen kann von der ho Behörde nicht nachvollzogen werden und wird als Schutzbehauptung gewertet. Der Fremde hat einen großen Teil seiner Aufenthaltszeit in Österreich in Haft- oder Justizanstalten verbracht. Insofern liegt auch die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft vor, als der Fremde in Österreich über keine Familienangehörigen und keine engen persönlichen Bindungen und über keinerlei Anknüpfungspunkte verfügt. Seine kryptischen Angaben des Vorhandenseins vieler und enger Bekanntschaften in Österreich, unter Vernachlässigung exakter Angaben von Namen, können nicht berücksichtigt werden. Die Behörde geht viel mehr davon aus, dass der Bekanntenkreis aus Mittätern und Kriminellen besteht. Nach der ständigen Judikatur wurde bei der Prüfung der Fluchtgefahr auch das strafrechtliches Verhalten des BF in Betracht gezogen. Dabei ist unzweifelhaft eine gravierende Straffälligkeit - Verwirklichung von mehreren und besonders verwerflichen Straftatbeständen nach dem SMG - zu erkennen. Diese massive Delinquenz erhöht das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen und ordnungsgemäßen Außerlandesbringung. Aufgrund der Art der begangenen Straftaten stellt der Fremde für die erkennende Behörde eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. So hat sich der BF seit seiner Einreise hauptsächlich der Kriminalität gewidmet und wurde zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Es geht ganz klar in der Gesamtbetrachtung hervor, dass sich der Fremde nicht an die Rechtsordnung hält und drängt sich gerade vor dem Hintergrund des vom Fremden gezeigten vertrauensunwürdigen Gesamtverhaltens in Freiheit (völliges Fehlen einer Melde- bzw der Behörde bekannten Adresse sowie unstete Wohnverhältnisse, höchst kriminelles Verhalten inklusive wissentliche Irreführung der Behörden, Angabe falscher Daten zum Zweck der wahren Identitätsverschleierung, gleichbleibender modus operandi – nämlich Untertauchen - nach Haftstrafen und Anhaltungen) nicht im Mindesten der Schluss auf, dass der BF sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle der LPD melden werde.

Die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft wurde auch in Hinblick auf den Gesundheitszustand geprüft und abgewogen. Die in der Befragung vorgebrachten gesundheitlichen Probleme und Beschwerden stellen nach Ansicht der Behörde keine absolute Haftunfähigkeit dar, zumal in der Anhalteeinrichtung der Exekutive die medizinische Versorgung durchgehend gewährleistet ist.

Zusammengefasst ist aufgrund der angeführten Tatsachen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen und zu befürchten, dass sich der Fremde aufgrund des Bewusstseins des unrechtmäßigen Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet in einem gelinderen Mittel stehend einer terminmäßig bekannten und bevorstehenden Abschiebung nicht zur Verfügung halten wird. Für die Behörde ist im gegebenen Fall unter Berücksichtigung der Flucht- und Verhältnismäßigkeitskriterien die weitere Anhaltung in Schubhaft und Überwachung der Ausreise im individuellen Fall schlüssig und auch im Sinne des § 46 FPG aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit - wobei das Gewicht dieses Interesses durch die Delinquenz vergrößert wird - sowie eines geordneten Fremdenwesens im Allgemeinen erforderlich, angemessen und notwendig. In Hinblick auf die realistische Ausstellung eines Heimreisezertifikates und der damit durchführbaren Abschiebung kann auch nicht von einer weiteren, überlangen Verfahrensdauer ausgegangen werden.“

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die von der Verwaltungsbehörde im oben angeführten Schubhaftbescheid gemachten Ausführungen im Rahmen der Rubrik „Verfahrensgang“ sowie die getroffenen und im gegenständlichen Verfahrensgang dargestellten Feststellungen werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Ergänzend wird festgestellt:

Die Rückführung nach Algerien und somit die Realisierung des Schubhaftzwecks war und ist aktuell nicht als völlig aussichtslos anzusehen, wie die Verwaltungsbehörde in Übereinstimmung mit der Aktenlage im Rahmen der Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage darstellte:

„Von der Behörde wurden rechtzeitig und zielführend Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für den Fremden eingeleitet und fortgeführt. So wurden Verfahren zur Erlangung eines Ersatzdokuments mit der algerischen als auch marokkanischen Vertretungsbehörde (kurz VB) eingeleitet. Ersteres erfolgte bereits im Jahre 2013 durch die damals zuständigen Behörden (LPD Wien und Tirol), jenes mit Marokko im Jahre 2016. Nach mehrmaligen (6 insgesamt- zuletzt am 26.03.20) Urgenzen liegt eine erste negative Verbalnote der marokkanischen VB seit 24.02.2016 vor.

Zwischenzeitlich – nach fünf Urgenzen – wurde der BF am 23.05.2018 der algerischen VB zum Interview vorgeführt, welche eine algerische Staatsangehörigkeit mit dem kurzen Hinweis, dass es sich um einen marokkanischen StA handelt, nicht bestätigte. Dabei scheint es sich um keine ausführliche Überprüfung gehandelt haben, zumal eine Identitätsprüfung in Algerien für nicht notwendig erachtet wurde. In der Folge ließ sich die marokkanische VB zwei Jahre Zeit, um nach erneuter und aufgrund des Hinweises begründeter Urgenz durch Verbalnote vom 25.02.2020 wiederum abzulehnen. In Bezug auf Algerien ist daher festzuhalten, dass die bisherigen Verfahren und Erhebungsergebnisse schließlich Anhaltspunkte dafür ergaben, dass es sich bei dem BF um einen algerischen Staatsangehörigen handelt und daher kann die ho Behörde in berechtigter Weise davon ausgehen, dass ein HRZ seitens der algerischen VB noch ausgestellt wird. Der BF selbst gibt zudem beharrlich an die algerische Staatsangehörigkeit inne zu haben. Somit ist die Schlussfolgerung zulässig, dass es sich tatsächlich um einen Staatsbürger der der Volksrepublik Algerien handelt und eine genauere Identitätsprüfung in Algerien nicht mehr ausgeschlossen werden kann.

Aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie mussten bis dato auch eine weitere Vorführung vor die algerische VB unterbleiben. Es ist auch nicht bekannt, dass Algerien von der COVID-19-Pandemie derart betroffen wäre, dass von einer noch deutlich länger andauernden vollständigen Anflugsperre auszugehen wäre. Im Hinblick auf die sich abzeichnenden Lockerungen der internationalen Verkehrsbeschränkungen ist der Zweck der Anhaltung innerhalb der Höchstschubhaftdauer jedenfalls erreichbar, wenn auch derzeit nicht festgestellt werden kann, wann genau die algerischen Flughäfen wieder geöffnet werden. Die möglicherweise Ausschöpfung der gesetzlichen Höchstfristen im Rahmen der Fortsetzung der Schubhaft wird vom Fremden im Wesentlichen selbst verursacht. Bei entsprechender Bereitschaft zur Kooperation mit den Behörden hätte nämlich schon längst ein HRZ oder Reisepass ausgestellt werden oder der Fremde mit finanzieller Unterstützung und Hilfe einer NGO freiwillig ausreisen können.“

2. Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten Schubhaftbescheid übernommenen Feststellungen und aus dem Verfahrensgang übernommenen Sachverhaltsparameter ist auf die eindeutige Aktenlage im Zusammenhang mit den erwägenden Ausführungen der Verwaltungsbehörde zu verweisen, die auch in der Beschwerde nicht in Kritik gezogen wurden.

Die ergänzende Feststellungen ergeben sich aus den eindeutigen Informationen seitens der Verwaltungsbehörde.

Die Beschwerde vermochte mit ihren Ausführungen nicht substantiiert die Unmöglichkeit der Verwirklichung des Schubhaftzweckes aufzeigen – die Verwaltungsbehörde hatte sowohl ihre Bemühungen um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates als auch die immer noch bestehende Möglichkeit der Rückführung dargelegt.

Vor dem Hintergrund der von der Verwaltungsbehörde zutreffend herausgearbeiteten erheblichen Fluchtgefahr, welche nicht bekämpft wurde, kam ein gelinderes Mittel zu keinem Zeitpunkt der Anhaltung in Frage.

Da der Sachverhalt als geklärt anzusehen war, war von der Durchführung einer Verhandlung Abstand zu nehmen; eine Verhandlung wurde auch nicht vom Beschwerdeführer beantragt.

3. Rechtliche Beurteilung

Rechtliche Beurteilung

Zuständigkeit

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2.

Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.

Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Zu Spruchpunkt A) I. (Schubhaftbescheid, bisherige Anhaltung):

Gesetzliche Grundlagen:

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

Die Bestimmung des §22a BFA-VG idgF bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

Materielle Rechtsgrundlage:

Darauf aufbauend wiederum folgende innerstaatliche Normen des Fremdenpolizeigesetzes 2005, welche in der anzuwendenden geltenden Fassung lauten:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 FPG - Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114; 02.08.2013, 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer

Text


Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Vor dem Hintergrund des aktuell feststehenden Sachverhaltes, welcher aber in seiner Kernsubstanz des Bestehens von Fluchtgefahr bereits dem angeführten Mandatsbescheid zugrunde gelegt wurde und auch keine zwischenzeitlich für den Beschwerdeführer sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren waren, wird daher die rechtliche Beurteilung des Schubhaftbescheides zur gegenständlich rechtlichen Beurteilung erhoben: Die Verwaltungsbehörde hatte im Ergebnis zutreffend den Sachverhalt den im Spruch angeführten Tatbeständen unterstellt.

Nochmals ist darauf hinzuweisen, dass die Annahme von Fluchtgefahr seitens der Behörde mit keinem Wort in der Beschwerde in Zweifel gezogen wurde.

Da der Beschwerdeführer erst seit 25.08.2020 in Haft befindlich ist, ist die bisherige Anhaltung als verhältnismäßig anzusehen. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer die bisherige Anhaltung durch sein Verhalten – siehe obige Zitierungen aus dem Schubhaftbescheid zum Verhalten des Beschwerdeführers – selbst zu verantworten.

Irgendwelche Umstände, welche die Verhältnismäßigkeit der bisherigen Anhaltung auch nur ansatzweise relativieren, sind nicht hervorgekommen.

Weil der Beschwerdeführer die österreichische Rechtsordnung so gänzlich missachtet – siehe strafrechtliche Verurteilungen und jüngste neuerliche Einreise –, er also so gar nicht kooperationswillig ist, war und ist dem Interesse des Staates am Vollzug fremdenrechtlicher Normen jedenfalls der Vorrang gegenüber dem Interesse des Beschwerdeführers an seiner Freiheit einzuräumen.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und der Schubhaftbescheid zu bestätigen.

Zu Spruchpunkt A II. (Fortsetzung der Anhaltung):

Die entscheidungsrelevante Bestimmung des § 22 Abs. 3 BFA-VG idgF lautet:

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

All das soeben Gesagte gilt auch für den Ausspruch der Fortsetzung der Anhaltung; da die Rückführung immer noch als möglich anzusehen ist und der Beschwerdeführer die Anhaltung ausschließlich selbst zu verantworten hat, stößt auch die weitere Anhaltung in verhältnismäßiger Hinsicht auf keine Bedenken.

Es war daher auch die Fortsetzung der Anhaltung auszusprechen.

Zu den Spruchpunkten III.(Kosten):

In der Frage des Kostenanspruches – nur die Verwaltungsbehörde begehrte den Ersatz ihrer Aufwendungen - sind gemäß § 56 (3) leg. cit. die §§22 (1a) leg. cit. und § 35 VwGVG die maßgeblichen Normen - diese lauten:

§22 (1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Be schwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

§ 35 VwGVG

(1) Dem Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 b B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu.

Hinsichtlich der konkreten Höhe des "Ersatzes ihrer Aufwendungen" sind § 35 Abs. 4 und 5 iVm § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) maßgeblich.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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