Entscheidungsdatum
08.10.2020Norm
BFA-VG §22aSpruch
W171 2215354-3/11E
beschluss
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter im verspätet amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zl. XXXX , über die Anhaltung von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Algerien, in Schubhaft vom 05.04.2019 bis 06.05.2019, zu Recht beschlossen:
A)
Das Verfahren wird gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG als gegenstandslos eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
I.1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt/BFA bezeichnet) vom 13.07.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge: BF) auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung in den Herkunftsstaat verbunden. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Überdies erwuchs am 12.12.2016 ein mit einem weiteren Rückkehrentscheidung verbundenes Einreiseverbot (10 Jahre) in Rechtskraft.
I. 2. Am 02.03.2018 wurde der BF im Rahmen einer mündlichen Einvernahme vor dem Bundesamt ausdrücklich auf seine Verpflichtung zur Ausreise hingewiesen. Am 12.03.2018 wurde über den BF die Untersuchungshaft verhängt; am folgenden Tag erfolgte die Anklageerhebung. Diese führte schließlich zu einer (rechtskräftigen) strafrechtlichen Verurteilung des bereits vorbestraften BF.
I. 3. Unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Strafhaft wurde der BF festgenommen und dem Bundesamt am 10.11.2018 zum Zwecke einer mündlichen Einvernahme vorgeführt. Er gab dabei an, er hätte sich diese Woche bei seiner Freundin anmelden wollen. Von dieser könne er nur den Vornamen und das Geburtsjahr nennen. Geld bekomme er von seiner Schwester in Frankreich. Er habe in Österreich weder Verwandte noch enge Freunde, seine Freundin wolle er allerdings heiraten. Er verfüge über keine Dokumente und sei gesund.
I. 4. Das BFA ordnete mit Bescheid vom 10.11.2018 über den BF die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung der Abschiebung an. Hinsichtlich der Begründung der Fluchtgefahr verwies das Bundesamt auf die rechtskräftige Rückkehrentscheidung und die fehlende Verankerung im Bundesgebiet. In Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung wurde insbesondere die Straffälligkeit des BF thematisiert.
I.5. Am 11.12.2018 wurde der BF einer Delegation seines Herkunftsstaates vorgeführt.
I.6. Am 01.03.2019 legte das BFA den Haftakt dem Gericht erstmals zur Überprüfung gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG vor Ablauf der Viermonatsfrist vor. Das Gericht sprach mit Erkenntnis vom 06.03.2019 zu XXXX die Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft (das Vorliegen der Voraussetzungen und der Verhältnismäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft) aus. Der BF verblieb sohin weiter in Schubhaft.
I.7. Am 01.04.2019 legte das BFA den Haftakt dem Gericht neuerlich zur Überprüfung gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG vor Ablauf der ersten Vierwochenfrist vor. Das Gericht sprach mit Erkenntnis vom 05.04.2019 zu XXXX die Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft (das Vorliegen der Voraussetzungen und der Verhältnismäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft) aus. Der BF verblieb auch weiterhin in Schubhaft.
I.8. Mit Aktenvorlage vom 02.05.2019, in der Gerichtsabteilung eingelangt am 03.05.2019, legte das BFA den gegenständlichen Schubhaftakt verspätet zur weiteren gerichtlichen Prüfung (zweite Vierwochenfrist) und Genehmigung der Fortsetzung der laufenden Schubhaft vor. Mit gleichzeitig überreichter Stellungnahme wurde näher ausgeführt, dass im vorliegenden Fall weiterhin die im Bescheid vom 10.11.2018 angeführten Gründe für die Annahme von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit und die Notwendigkeit vorlägen und Haftfähigkeit des BF bestehe. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates sei bei der algerischen Botschaft zuletzt am 19.04.2019 urgiert worden Der BF habe sich aktuell nicht kooperationswillig gezeigt und versuche, sich mit Hungerstreiks aus der Schubhaft frei zu pressen. Er sei bisher in Österreich vier Mal straffällig geworden.
I.9. Mit Erkenntnis vom 06.05.2019, XXXX , wies das BVwG die neuerliche Vorlage des BFA vom 02.05.2019, gemäß § 22a Abs. 4 zweiter Satz BFA-VG als verspätet zurück.
Begründend führte das BVwG aus, die Vorlage des Verwaltungsaktes zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der laufenden Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG sei derart verspätet erfolgt, dass ein gesetzmäßiges Prüfungsverfahren durch das Gericht in der verbleibenden Zeit nicht gewährleistet sei. Eine Kompetenz des BFA, die für das BVwG bestehende einwöchige Frist zur ordentlichen Prüfung zu verkürzen, könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Hieraus sei abzuleiten, dass der Mitbeteiligte umgehend aus der Haft zu entlassen sein werde, weil ein fristgerecht eingeleitetes Verfahren nicht mehr möglich sei und ein gültiger gerichtlicher Fortsetzungsausspruch nicht vorliege.
I.10. Der BF wurde am 06.05.2019 aus der Schubhaft entlassen.
I.11. Das BFA erhob gegen die Entscheidung des BVwG Amtsrevision und hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24.10.2019, XXXX , das Erkenntnis des BVwG vom 06.05.2019 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf.
Begründend führte der VwGH aus, dass sich die Situation nicht anders als bei "schlichter" Überschreitung der Entscheidungsfrist des § 22a Abs. 2 erster Satz BFA-VG darstelle. Die dennoch erfolgte zurückweisende Entscheidung des BVwG stehe somit mit der wiedergegebenen Rechtslage nicht im Einklang.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt A.:
Gesetzliche Grundlagen:
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.
Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:
§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.
Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die zweite Vierwochenfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der
Verhältnismäßigkeit durchzuführen und im Rahmen einer Zukunftsprognose festzustellen, ob eine weitere Anhaltung über die gesetzlich vorgesehene Viermonatsfrist hinaus, weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.
Dass die Überprüfung der Verlängerung der Schubhaft auf die weitere Anhaltung, und damit auf die zukünftige Fortsetzung der Schubhaft gerichtet ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 22a Abs. 4 BFA-VG: „Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.“
Dass eine Überprüfung der Fortsetzung der Schubhaft nur bei aufrechter Schubhaft in Betracht kommt, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 19.03.2014, 2013/21/0138, zur damaligen Rechtslage festgehalten, indem er ausführte, dass der (aufgrund der damaligen Rechtslage zuständige) Unabhängige Verwaltungssenat (nur) dann zur Feststellung der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft berufen ist, wenn er gemäß § 82 Abs. 1 FrPolG 2005 angerufen wurde und die Schubhaft im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch andauert. Diese vom UVS vorzunehmende Prüfung hatte unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen (VwGH vom 19.03.2013, 2011/21/0246).
Im gegenständlichen Fall wurde der BF am 06.05.2019 aus der Schubhaft entlassen, weshalb eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft nicht in Betracht kommt.
Aus den Bestimmungen des § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG geht hervor, dass das Verwaltungsgericht in jenem Fall, in dem das Verfahren einzustellen ist, eine Entscheidung in der Rechtsform des Beschlusses zu treffen hat. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen nämlich die Entscheidungen und Anordnungen eines Verwaltungsgerichts durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. § 28 Abs. 1 VwGVG nimmt die Einstellung des Verfahrens, von der Erledigung mittels Erkenntnis ausdrücklich aus. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich aber auch, dass eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens nicht in Betracht kommt. Handelt es sich doch bei der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung iSd § 31 Abs. 1 VwGVG (vgl. zur Bejahung der Notwendigkeit der Fällung eines Beschlusses über die Verfahrenseinstellung auch Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 5 und § 31 VwGVG Anm 5, sowie Schmid in Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, § 28 VwGVG Anm K 3 und § 31 VwGVG Anm K 2) [ vgl. VwGH vom 29.04.2015, Zl. Fr 2014/20/0047].
Da durch die Entlassung des BF aus der Schubhaft einer Entscheidung über die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft die Grundlage entzogen wurde war das Verfahren als gegenstandslos zu erklären und einzustellen.
Zu Spruchpunkt B. – Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie zu Spruchpunkt A. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.
Schlagworte
Ersatzentscheidung Fortsetzung der Schubhaft Gegenstandslosigkeit Haftentlassung Schubhaft Verfahrenseinstellung VwGHEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2215354.3.00Im RIS seit
01.12.2020Zuletzt aktualisiert am
01.12.2020