TE Lvwg Erkenntnis 2020/10/16 LVwG-M-7/001-2020

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Veröffentlicht am 16.10.2020
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Entscheidungsdatum

16.10.2020

Norm

B-VG Art 130 Abs1 Z2
SPG 1991 §29
SPG 1991 §38a Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag.Dr. Wessely, LL.M., als Einzelrichter über eine auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützte Beschwerde von Herrn A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, im Zusammenhang mit einer Amtshandlung durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Leitha am 5. Februar 2020 in ***, ***, zu Recht:

1.   Der Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch die Verfügung des Betretungs- und Annäherungsverbots in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG keine Folge gegeben.

2.   Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) gemäß § 35 VwGVG i.V.m. der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II 2013/517, € 887,20 (Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) binnen zwei Monaten ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).


Entscheidungsgründe:

I.       Mit Schreiben vom 6. März 2020 erhob der Beschwerdeführer eine auf § 88 SPG gestützte Beschwerde gegen ein am 5. Februar 2020 wider ihn verfügtes Betretungs- und Annäherungsverbot bezogen auf die Wohnung in ***, ***, bzw. die Zeugin C und begründete diese wie folgt:

Der Dokumentation gemäß § 38a SPG der Polizeiinspektion *** vom 5.2.2020, GZ: ***, ist zu entnehmen, dass das Betretungsverbot und das Annäherungsverbot von den Polizeibeamten D und E ausgesprochen wurden. Diese beiden Beamten waren nicht unmittelbar mit der Amtshandlung aufgrund einer von Fr. C gegen mich eingebrachten Anzeige befasst (nachfolgender Tagdienst). Sie haben mich in der Wohnung *** laut der vorgenannten Dokumentation um 14 Uhr angetroffen, als ich gerade meine Sachen zusammenpacken und die Wohnung verlassen wollte.

In der Dokumentation ist nicht erwähnt, dass ich alkoholisiert oder aggressiv oder uneinsichtig gewesen wäre. Im Gegenteil: auf Seite 2 wird angeführt, dass ich sehr ruhig und niedergeschlagen aber auch kooperativ gewesen sei. Aus diesen Umständen, nämlich dass ich ohnehin die Wohnung verlassen wollte und ruhig sowie kooperativ war, ist die Annahme bzw. Prognose der einschreitenden Polizeibeamten für mich nicht nachvollziehbar, dass Tatsachen vorgelegen wären, ‚aufgrund derer ein gefährlicher Angriff gegen Leben, Gesundheit oder Freiheit der gefährdeten Person zu erwarten‘ gewesen wäre.“

Ergänzend verwies er auf verwaltungsgerichtliche Entscheidungen.

Dem trat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen, in der sie ausführte, dass vom Beurteilungshorizont der damals einschreitenden Organe aus aufgrund der ihnen gegenüber von der Zeugin C bzw. vom Beschwerdeführer gemachten Angaben und ihre eigenen Wahrnehmungen vertretbar vom Vorliegen der Voraussetzungen für die gesetzte Maßnahme ausgegangen werden durfte. Diese sei daher rechtmäßig erfolgt.

Aus dem unter einem vorgelegten Akt der belangten Behörde ergibt sich, dass die Zeugin C am 5. Feber 2020 um 03.30 Uhr persönlich auf der Polizeiinspektion *** Anzeige erstattete, dass sie mit dem Beschwerdeführer Streit gehabt habe und dabei verletzt worden sei. Der Beschwerdeführer sei alkoholisiert gewesen und habe mit Möbelstücken geworfen, sodass die Zeugin am rechten Schienbein sowie am rechten Oberarm verletzt worden sei. Sie habe weiters ergänzt, dass der Beschwerdeführer seit rund zwei Jahren regelmäßig Alkohol konsumiere und dabei öfter ihr gegenüber aggressiv gewesen sei. Ein Versuch, den Beschwerdeführer an der fraglichen Adresse anzutreffen, sei gescheitert und habe auch die Wohnung nicht geöffnet werden können, zumal offenbar innen an der Wohnungstüre der Schlüssel gesteckt sei. Es sei anzunehmen gewesen, dass sich der Beschwerdeführer in der Wohnung aufhalte und möglicherweise eingeschlafen sei, sodass er den Kontaktversuch der Beamten nicht bemerkt habe. Der Ausspruch des Betretungs- und Annäherungsverbots sei vorerst daher nicht möglich gewesen. Gegen 14.00 Uhr habe der Beschwerdeführer in der gegenständlichen Wohnung angetroffen werden können, sei über die Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt und sei ihm die Möglichkeit eingeräumt worden, dazu Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer habe sehr ruhig und niedergeschlagen gewirkt und angegeben, sich nicht an viel erinnern zu können. Er sei zuvor mit der Zeugin C im Lokal „***“ unterwegs gewesen, sei dann im Zuge eines Beziehungsstreits mit der Zeugin, welcher eskaliert sei, an einem Tisch angestoßen. Vor dem Eintreffen der Beamten habe er in der Wohnung geschlafen und danach jene Möbel aufgestellt, die er zuvor geworfen habe. Bei der Zeugin hätten blaue Flecken an den Oberarmen und am rechten Schienbein festgestellt werden können. Weiters habe die Zeugin C darauf verwiesen, vom Beschwerdeführer im Zuge eines Beziehungsstreits im Jänner gewürgt worden zu sein. Sie habe dabei jedoch keine Verletzungen erlitten und sei dies nicht zur Anzeige gebracht worden. Die Zeugin sei bei der Anzeigeerstattung sehr aufgelöst und nervös gewesen.

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung führte der Beschwerdeführer aus, am fraglichen Abend vier oder fünf Cola Rot getrunken zu haben. In der Wohnung sei es dann zu einem Streit mit der Zeugin C gekommen, wobei es um die Vaterschaft des Kindes gegangen sei. Im Zuge dessen habe er einen Couchtisch so bewegt, dass die Gegenstände darauf umgefallen seien und dabei die Zeugin möglicherweise berührt hätten. Diese habe die Wohnung verlassen, während der Beschwerdeführer dort verblieben sei und aufgeräumt habe. Nachdem er auf SMS keine Antwort erhalten habe, habe er sich in das Lokal begeben, wo sie zuvor gewesen seien, habe die Zeugin aber auch dort nicht antreffen können. Er sei zurück in die Wohnung gegangen, wo er bis 13.00 Uhr geschlafen habe. Danach seien Polizeibeamte gekommen, hätten ihn nach seiner Fahrtauglichkeit gefragt und aufgefordert, er solle zur Polizeiinspektion mitkommen. Dort habe er die Wohnungsschlüssel abgegeben und sei ihm ein Formular über das Kontaktverbot ausgefolgt worden. Eine Vernehmung sei erst drei Tage darauf erfolgt. Über Nachfrage durch das Gericht gab er an, dass die Beamten auch etwas von der Anzeige gesagt hätten und davon, dass es eine „Bedrohung“ gegeben habe. Der Beschwerdeführer habe den Beamten mitgeteilt, ohnehin zu wissen, worum es gehe. Zu den Vorfällen habe er nichts gesagt, aber darauf verwiesen, dass er schon zusammenpacke und gehe. Über weitere Nachfrage gab er an, abgesehen von der Bewegung des Tisches auch ein Fach in einem Kästchen so beschädigt zu haben, dass es ausgebrochen sei. Die Verletzungen der Zeugin im Bereich des Schienbeins könne er sich im Zusammenhang mit dem Vorfall am Tisch erklären, jene am Oberarm nicht. Unrichtig sei auch, dass er die Zeugin zuvor gewürgt habe. Die Wohnung sei generell nicht aufgeräumt gewesen und sei regelmäßig Gewand auf dem Boden gelegen, wobei jedenfalls das im Akt inneliegende Lichtbild mit der Wiege aus der Wohnung stammt.

Die Zeugin C gab an, beim Beschwerdeführer am Abend wahrgenommen zu haben, dass er zwei große Cola Rot und allenfalls Mischgetränke getrunken habe. Näheres zum Alkoholkonsum könne sie nicht sagen. Zuhause sei es dann aus einem ihr nicht mehr bekannten Grund zum Streit gekommen, habe der Beschwerdeführer einen so gestoßen, dass dieser gegen die Schienbeine der Zeugin gestoßen sei. Sie sei ins Schlafzimmer gegangen und habe dem Beschwerdeführer, der habe nachkommen wollen, gesagt, dass sie dies nicht wolle. Sie habe ihn „weggeschubst, sodass er mit dem Kopf gegen einen Kasten gefallen“ sei. Daraufhin habe er ein Kästchen genommen, das er mit Schwung so geschoben habe, dass es gegen die Zeugin gerutscht sei. Der Beschwerdeführer habe die Wohnung verlassen und habe die Zeugin Freunde kontaktiert, die sie schlussendlich auf die Polizei begleitet hätten. Als sie im Stiegenhaus gewesen wäre, sei der Beschwerdeführer zurückgekommen und habe sie gefragt, wohin sie gehen wolle. Sie habe dies nicht beantwortet und habe sich auf Rat ihrer Freunde zur Polizei begeben. Den Beamten habe sie die Vorfälle geschildert wie dem Verwaltungsgericht gegenüber und auch darauf verwiesen, dass es zwei Wochen zuvor einen Vorfall gegeben habe, bei dem der Beschwerdeführer alkoholisiert gewesen sei und die Zeugin im Zorn gewürgt habe. Auch da könne sie den Grund für den Streit nicht nennen, doch gäbe es Leute, die gegen die Beziehung der beiden etwas gehabt hätten. Die Verletzungen am Oberarm könne sie dahingehend erklären, dass sie der Beschwerdeführer am fraglichen Abend im Lokal einmal zurückgezogen habe, um mit ihr reden zu können.

Die Zeugin E hielt fest, vom Nachtdienst über die Anzeige informiert worden zu sein. Sie habe sich mehrfach zur Wohnung begeben, wobei man diese aber nicht habe öffnen können und davon ausgegangen sei, dass der Beschwerdeführer darinnen schlafe, weil vom Alkoholkonsum in der Nacht die Rede gewesen sei. Die Zeugin habe zunächst mit der Zeugin C telefonisch Kontakt aufgenommen, die ihr gegenüber am Telefon geschildert habe, dass der Beschwerdeführer den Couchtisch umgeworfen und diesen dann nach ihr getreten habe. Dabei habe die Zeugin den Eindruck gehabt, dass, wenn die Sprache auf die Vorfälle in der Nacht gekommen sei, die Zeugin C aufgeregt, nervös bzw. mitgenommen gewesen sei. Zum Streitgegenstand habe sie angegeben, dass es sich um einen Beziehungsstreit im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Kind gehandelt habe. Um 14.00 Uhr habe dann auch der Beschwerdeführer in der fraglichen Wohnung angetroffen werden können. Er sei mit der Anzeige konfrontiert worden und habe angegeben, sich nur daran zu erinnern, dass es einen Streit gegeben habe, der eskaliert sei. Im Zuge dessen habe er einen Couchtisch umgeworfen, habe aber von einer Verletzung nichts mitbekommen. Dieser Couchtisch sei bei Eintreffen der Beamten vom Beschwerdeführer gerade aufgestellt worden. Im Übrigen habe die Wohnung einen Gesamteindruck vermittelt, dass Geschirr und Flaschen auf dem Boden gelegen seien, wobei diesbezüglich aber keine konkrete Zuordnung zum Streit hätte getroffen werden können. Die Zeugin hätte aber den Eindruck gewonnen, dass der Streit eskaliert sei und der Beschwerdeführer für den Fall eines wiederholten Alkoholkonsums zurückkehren und es zu einer Neuauflage des Streits kommen könne. Aufgrund dessen sei ein bevorstehender gefährlicher Angriff nicht auszuschließen gewesen. Der Beschwerdeführer habe zwar gesagt, jetzt weggehen zu wollen; von der Absicht, ausziehen zu wollen, habe er jedoch nichts gesagt. Einen Auftrag, vor Ort jedenfalls ein Annäherungsverbot auszusprechen, hätte es nicht gegeben, wenngleich Derartiges aufgrund der Anzeige im Raum gestanden sei.

Der Zeuge D gab an, sich an den Sachverhalt so erinnern zu können, dass der Auftrag erteilt worden sei, ein Betretungsverbot auszusprechen. Er hätte sich dann vor Ort begeben und dort den Beschwerdeführer angetroffen. Dieser sei mit den Anschuldigungen konfrontiert worden und habe angegeben, sich grundsätzlich an nichts zu erinnern, außer dass er den Tisch gestoßen habe. Zur Vorgeschichte habe er erinnerlich nichts gesagt. Der Zeuge glaube, dass er das Verbot ausgesprochen habe, sei sich aber nicht sicher. Ebenso gehe er davon aus, zuvor mit der Zeugin E gesprochen zu haben, könne dies aber auch nicht mehr sicher sagen. Ebensowenig könne er sagen, ob der Beschwerdeführer darauf verwiesen habe, ausziehen zu wollen. Im Hinblick auf die Schilderungen der Zeugin C bzw. den Umstand, dass aufgrund der Angaben der Betroffenen nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der Beschwerdeführer wieder zurückkehre und es dann eine Wiederholung der Vorfälle gäbe, sei das Verbot ausgesprochen worden.

Der Zeuge F gab an, die Zeugin C und bei der Polizeiinspektion *** angetroffen zu haben. Sie habe angegeben, dass glaublich ihr Lebensgefährte randaliert hätte bzw. aggressiv gewesen sei. Auch habe sie von einer Verletzung gesprochen, die der Zeuge jedoch nicht gesehen habe. Weiters habe sie erwähnt, dass Möbel kaputtgegangen seien. Man habe sich zwar zur fraglichen Wohnung begeben, doch hätte man diese nicht betreten können. Auch den Beschwerdeführer habe der Zeuge nicht gesehen.

Die Zeugin G hielt fest, die Zeugin C bei der Polizeiinspektion *** angetroffen zu haben. Sie habe gesagt, von ihrem Freund geschlagen worden zu sein und habe auf die Zeugin einen traurigen bzw. eher weinerlichen Eindruck gemacht. Mit dem Beschwerdeführer habe man keinen Kontakt aufnehmen können. Über die Angaben der Zeugin C der Zeugin gegenüber und deren Wahrnehmungen habe sie den Beamten auf der Polizeiinspektion *** berichtet.

II.      Das Landesverwaltungsgericht sieht daher folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Am 5. Februar 2020 um 03.30 Uhr erstattete die Zeugin C persönlich auf der Polizeiinspektion *** Anzeige, dass sie der alkoholisierte Beschwerdeführer in ihrer Wohnung in ***, ***, im Zuge eines Beziehungsstreits (im Zusammenhang mit einem Kind) mit Möbelstücken attackiert und verletzt habe. Sie verwies auf Verletzungen im Bereich der Oberarme und des rechten Schienbeins; diese wurden (in Form von Hämatomen im Bereich der Oberarme) von Beamten wahrgenommen. Ferner schilderte sie, bereits im Jänner 2020 vom damals ebenso alkoholisierten Beschwerdeführer im Zorn gewürgt worden zu sein. Sie sei damals jedoch nicht verletzt worden und sei keine Anzeige erstattet worden. Bei ihren Schilderungen der Zeugin G gegenüber erweckte die Zeugin C bei dieser einen traurigen und weinerlichen Eindruck. Die Zeugen G und F begaben sich zur Wohnung, konnten den Beschwerdeführer jedoch mit den Anschuldigungen jedoch nicht konfrontieren, da die Wohnungstüre (aufgrund eines innensteckenden Schlüssels) nicht geöffnet werden konnte.

Gleichermaßen schilderte die Zeugin C der Zeugin E gegenüber in der Früh telefonisch die Vorfälle, wobei die Zeugin den Eindruck gewann, dass die Zeugin C, wenn die Rede auf die Vorfälle kam, einen aufgeregten, nervösen bzw. mitgenommenen Eindruck erweckt hat. Um 14.00 Uhr begaben sich die Zeugen E und D zur Wohnung, wo sie den Beschwerdeführer antreffen konnten und ihn mit den Anschuldigungen konfrontierten. Ihnen gegenüber gab er an, tags zuvor mit der Zeugin C im Lokal „***“ gewesen zu sein. In der Wohnung sei er danach im Zuge eines Beziehungsstreits mit der Zeugin C an einem Tisch angestoßen. Als die Beamten noch in der Nacht in der Wohnung gewesen seien, habe er geschlafen und danach am fraglichen Tag jene Möbel wieder aufgestellt, die er geworfen habe. Im Übrigen sei er gerade dabei, die Wohnung zu verlassen. Als die Beamten vor Ort waren, war der Beschwerdeführer gerade dabei, den Couchtisch aufzustellen. Danach verfügten die einschreitenden Beamten ein Betretungs- und an Annäherungsverbot.

III.    Diese Feststellungen gründen sich auf die Angaben der vernommenen Zeugen E, D, F, G und C sowie auf jene des Beschwerdeführers. Soweit der Beschwerdeführer im Zuge der Verhandlung ausführte, es sei ihm vor Verfügung des Verbots keine Möglichkeit geboten worden, sich zu den Vorwürfen zu äußern, stehen dem die glaubhaften Angaben der einschreitenden Beamten ebenso entgegen wie der Umstand, dass der Beschwerdeführer bei Nachfrage durch das Verwaltungsgericht sehr wohl angab, sich zu den Vorwürfen (zumindest teilweise) geäußert zu haben. Hinsichtlich der von der Zeugin C ins Treffen geführten Verletzungen geht das Landesverwaltungsgericht davon aus, dass diese tatsächlich vorhanden waren, auch wenn im Zuge des Verfahrens nicht mehr geklärt werden konnte, welcher Beamten diese wahrgenommen hat. Ausschlaggebend hierfür ist zum einen, dass sich die Beschreibung im Bericht der Beamten wiederfindet und kein Grund dafür erkennbar wäre, dass sich die diesbezüglichen Ausführungen bloß auf die Behauptung der Zeugin C beziehen sollten. Zum anderen lassen sich die Verletzungen im Schienbeinbereich mit den Handlungen (Eintreten auf einen Tisch) in Deckung bringen, die vom Beschwerdeführer ihnen gegenüber nicht in Abrede gestellt wurden.

IV.      In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus dem Gesagten:

Gegenstand der Beschwerden nach Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG sind einzelne Verwaltungsakte, mithin Lebenssachverhalte. Im gegenständlichen Fall liegt daher ein bekämpfter Akt, nämlich Betretungs- und Annäherungsverbot vor. Dieses ist vom Verwaltungsgericht auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, wobei diese Prüfung – trotz der Gegenteiliges intendierenden Formulierung des § 27 VwGVG – unabhängig von den in der Beschwerde geltend gemachten Rechten in jede Richtung zu erfolgen hat (VfSlg 14.436/1996; VwGH 25.9.1996, 96/01/0286; 9.9.1997, 96/06/0096; 15.9.1997, 94/10/0027; 23.9.1998, 97/01/0407; vgl. insb. VwGH 30.3.2016, Ra 2015/09/0139, wonach eine Bindung an die Beschwerdegründe des § 27 VwGVG nicht besteht).

Den Beurteilungsmaßstab im Maßnahmenbeschwerdeverfahren bildet die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gesetzten Amtshandlung (VwGH 24.11.2015, Ra 2015/05/0063), näherhin jene Sachlage, wie sie dem eingeschrittenen Organ im Handlungszeitpunkt bekannt war bzw. (insbesondere im Hinblick auf den Zeitfaktor) bei zumutbarer Sorgfalt bekannt sein musste (VwSlg 14.706 A/1997; VwGH 6.8.1998, 96/07/0053; vgl. N.Raschauer/Wessely, Die abgestufte Gefährdungsprognose nach § 38a SPG, SIAK 2006, 22 ff). Im Ergebnis ist daher zu prüfen, ob die einschreitenden Organe vertretbarer Weise das Vorliegen der Voraussetzungen für sein Einschreiten annehmen durfte (ex ante-Beurteilung; VwSlg 14.142 A/1994; 14.706 A/1997; VwGH 25.1.1990, 89/16/0163; 21.3.2006, 2006/11/0019).

Gemäß § 38a Abs. 1 SPG in der hier maßgeblichen Fassung des Gewaltschutzgesetzes 2019, BGBl I 2019/105, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem Menschen, von dem auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen ist, dass er einen gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit begehen werde (Gefährder), das Betreten einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, samt einem Bereich im Umkreis von hundert Metern zu untersagen (Betretungsverbot). Mit dem Betretungsverbot verbunden ist das Verbot der Annäherung an den Gefährdeten im Umkreis von hundert Metern (Annäherungsverbot). Dabei ist dem Gefährder der Verbotsbereich nach Abs. 1 zur Kenntnis zu bringen (Abs. 2 Z 1) und ist dann, wenn das Betretungsverbot eine vom Gefährder bewohnte Wohnung betrifft, besonders darauf Bedacht zu nehmen, dass dieser Eingriff in sein Privatleben die Verhältnismäßigkeit (§ 29) wahrt (Abs. 3).

Nach Abs. 7 dieser Bestimmung ist die Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots der Sicherheitsbehörde unverzüglich bekanntzugeben und von dieser binnen drei Tagen zu überprüfen. Stellt die Sicherheitsbehörde fest, dass das Betretungs- und Annäherungsverbot nicht hätte angeordnet werden dürfen, so hat sie unverzüglich den Gefährdeten über die beabsichtigte Aufhebung zu informieren und das Verbot gegenüber dem Gefährder aufzuheben.

Die Verfügung eines Betretungs- und Annäherungsverbots setzt daher voraus, dass

?    aufgrund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs,

?    anzunehmen ist, dass der Gefährder einen gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit (des Gefährdeten) begehen werde.

Demnach muss sich den einschreitenden Organen nach stRsp. (z.B. VwGH 13.10.2015, Ra 2015/01/0193; 26.4.2016, Ra 2015/03/0079) ein Gesamtbild bieten, das mit einiger Wahrscheinlichkeit erwarten lässt, dass der Gefährder einen gefährlichen Angriff begehen werde. Entscheidungsrelevant dabei ist, dass bei dieser Prognose vom tatsächlichen bzw. (angesichts der zur Verfügung stehenden Zeit bzw. Möglichkeiten) zu fordernden Wissensstand des Organs im Zeitpunkt seines Einschreitens auszugehen ist. Dass der Verfügung von Maßnahmen nach § 38a SPG ein umfassendes Ermittlungsverfahren voranzugehen hätte, kann (sich das Wesen von Betretungs- und Annäherungsverboten als Dringlichkeitsmaßnahmen vor Augen haltend) dabei ebenso wenig gefordert werden, wie eine abschließende Beurteilung der strafrechtlichen Relevanz eines als Anlasstat zugrunde gelegten Verhaltens (dies zu klären, ist Sache des Strafverfahrens [VwSlg 15.444 A/2000]).

Hinzu tritt, dass das Betretungs- und Annäherungsverbot in zeitlicher Hinsicht – als Ausfluss des im SPG besonders betonten Verhältnismäßigkeitsprinzips (§ 29 SPG) – zweifach eingeschränkt ist: Zum einen endet es mit Ablauf der im § 38a Abs. 10 SPG genannten Fristen, zum anderen ist es von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. der Behörde (unverändert) dann umgehend aufzuheben, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Befürchtung, es könne zu einem gefährlichen Angriff auf die im Gesetz genannten Rechtsgüter kommen, wegfällt (siehe dazu Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4 392 f).

Im konkreten Fall legten die einschreitenden Beamten ihrer Beurteilung die Angaben der Zeugin C und des Beschwerdeführers ihnen gegenüber zugrunde, wobei sie sich dabei auf die persönlichen bzw. telefonischen Eindrücke der Beteiligten stützen konnten. Zentrale Bedeutung kommt dabei dem persönlichen Eindruck der Zeugin C den ersteinschreitenden Beamten gegenüber zu (zu seiner Bedeutung in derartigen Fällen vgl. VwGH 24.5.2005, 2004/01/0499), der von der Zeugin G glaubhaft als traurig bzw. eher weinerlich geschildert wurde. Dieser Eindruck deckt sich mit jenem, den die Zeugin E anlässlich ihres Telefonkontaktes in der Früh des fraglichen Tages hatte, konkret, dass dieser aufgeregte, nervös bzw. mitgenommen war. Mit Blick darauf, dass der Beschwerdeführer selbst im Zuge seiner Erstbefragung diesen Schilderungen der Zeugin C nicht nur nicht entgegentrat, sondern auch zugestand, den Couchtisch umgestoßen zu haben bei Eintreffen der Beamten gerade dabei war, diesen wieder aufzustellen, durften die einschreitenden Organe in einem ersten Schritt vertretbar davon ausgehen, dass die Schilderungen der Zeugin den Tatsachen entsprachen. Gleichermaßen durften sie auf davon ausgehen, dass die Ursache für die Aggressionshandlungen in einem Beziehungsstreit lag und dabei auch die Alkoholisierung des Beschwerdeführers eine Rolle spielte.

Unter Zugrundelegung dieser Schilderungen und jener des Beschwerdeführers erweist sich aber auch die Prognose nicht als unzutreffend, wonach davon auszugehen war, dass der Beschwerdeführer in gleichartigen Situationen abermals Gewalttätigkeiten gegen die körperliche Integrität der Zeugin setzen würde, zumal aufgrund der Angaben der Betroffenen zwischen den genannten Personen Beziehungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Kind bestanden und die Einschreiter vertretbar von einem Zusammenhang mit der Alkoholisierung des Beschwerdeführers ausgehen durften. Zutreffend gingen die einschreitenden Organe und die belangte Behörde weiters davon aus, dass der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer um 14.00 Uhr des fraglichen Tages ruhig und niedergeschlagen gezeigt habe, nichts daran zu ändern vermag, zumal es durch die gesetzte Maßnahme auch solche gefährlichen Angriffe zu verhindern gilt, die aus (vorhersehbaren bzw. zu erwartenden) Konfliktsituationen herrühren können. Die Annahme, dass der Beschwerdeführer in diesen (insbesondere unter Alkoholeinfluss) zu Aggressionshandlungen neigt, ist aufgrund der unbestrittenermaßen vorgelegenen Umstände, als nicht unvertretbar zu erkennen. Damit lagen grundsätzlich die Voraussetzungen für die Verfügung eines Betretungs- und Annäherungsverbotes nach § 38a Abs. 1 SPG vor.

Soweit der Beschwerdeführer gegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme ins Treffen führt, dass die einschreitenden Organe nicht davon ausgegangen seien, dass gefährliche Angriffe bevorstünden, sondern bloß meinten, dass solche nicht ausgeschlossen werden könnten, vermag dies der Beschwerde schon deswegen nicht zum Durchbruch zu verhelfen, weil für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme eine gewisse Wahrscheinlichkeit im Sinn einer reellen Befürchtung ausschlaggebend ist und die einschreitenden Organe jene Beweggründe, die sie zu dieser Annahme führten, in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise dargelegt haben (vgl. VwGH 22.6.2018, Ra 2018/01/0285).

Soweit der Beschwerdeführer weiters vermeint, dass die Maßnahme unverhältnismäßig sei, zumal er bereits dabei gewesen sei, die Wohnung zu verlassen, verkennt er, dass der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass alleine der Umstand des Verlassens der Wohnung nicht hinreicht, eine mögliche Gefährdung zu verneinen. Nicht umsonst sieht er in Abs. 2 Z 6 dieser Bestimmung die Wegweisung nur in jenen Fällen vor, in denen sich der Gefährder nach wie vor in der Wohnung aufhält.

Der Beschwerde war daher kein Erfolg beschieden.

V.         Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren nach Art. 130 Abs. 1 Z 2
B-VG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (Abs. 2). Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (Abs. 3).

Gemäß § 35 Abs. 6 VwGVG gelten die §§ 52 bis 54 VwGG auch für den Aufwandersatz nach Abs. 1.

Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als unterlegene Partei zu betrachten und zur Kostentragung zu verpflichten ist. Neben dem Vorlageaufwand (€ 57,40) war daher der Schriftsatz- (€ 368,80) sowie der Verhandlungsaufwand (€ 461,--) zuzuerkennen.

VI.           Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die durchgeführte rechtliche Beurteilung aufgrund der obzitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfolgte.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Betretungsverbot; Annäherungsverbot; Gefährlichkeitsprognose; Verhältnismäßigkeitsprinzip;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.M.7.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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