Entscheidungsdatum
15.04.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L526 2205859-1/28E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra SCHREY, LL.M., über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.03.2020, GZ: XXXX , erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:
Der Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Mit Schriftsatz vom 12.04.2020 brachte die revisionswerbende Partei eine Revision gegen das im Spruch angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ein.
Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte die revisionswerbende Partei Folgendes an:
„Gemäß §30 Abs 2 VwGG hat der VwGH der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Es besteht kein zwingendes öffentliches Interesse, mir die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen. Ich weise insbesondere auf meine Unbescholtenheit und auf meinen bereits unterschriebenen Arbeitsvertrag hin. Die sofortige Durchsetzung würde mich von meinen zahlreichen Freunden und Bekannten in Österreich abrupt trennen und so eine Integration in den Arbeitsmarkt bei positiver Erledigung der Revision und des nachfolgenden Erkenntnisses nachhaltig erschweren. Dadurch würde mir ein unwiederbringlicher Schaden entstehen.
Abschließend weise ich auf die derzeitige Situation aufgrund COVID-19 hin, durch welche ich auf meinem Weg nach Georgien einer unverhältnismäßig großen Gefahr ausgesetzt wäre, mich zu infizieren. Selbst das Bundesministerium für Äußeres rät dringend davon ab, nicht unbedingte notwendige Reisen durchzuführen.
Die unbedingte Notwendigkeit einer Reise (im Rahmen der Abschiebung) liegt bei einer Person, die seit knapp 10 Jahren in Österreich legal und unbescholten aufhältig ist, in dieser Ausnahmephase jedenfalls nicht vor. Ich weise auch auf die derzeit schwierige wirtschaftliche Lage in Georgien aufgrund des Coronavirus hin. Die Wirtschaft ist kollabiert, und die medizinische Versorgung gestaltet sich sehr schwierig. Als Neuankömmlinge mit einem sechsjährigen Kind hätten wir keinerlei Chance, die nötige Verpflegung oder gar eine Arbeit zu erhalten. Uns würde wohl in der derzeitigen Situation der Hungertod drohen.
Das Zutreffen der Voraussetzung für die aufschiebende Wirkung wurde vom Verwaltungsgerichtshof - wegen des Verlustes der Rechtsstellung eines Asylwerbers durch den rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens - in den gemäß § 30 Abs 2 VwGG bei der Bekämpfung verfahrensbeendender Entscheidungen in Asylsachen zu fällenden Entscheidungen in der Regel als offenkundig angesehen. Hinzuweisen sei noch auf das aktuelle EuGH-Urteil „Gnandi", welches ebenfalls feststellt, dass die aufschiebende Wirkung grundsätzlich zu gewähren ist (EuGH, 19.6.2016, Rs 181/16).
Ich stelle sohin den Antrag derVwGH möge dieser Revision die aufschiebende Wirkung zuerkennen.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung:
§ 30 Abs. 2 VwGG lautet: "Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer
Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden."
Nach ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu überprüfen, sondern es ist - wenn das in der Beschwerde (nunmehr: Revision) selbst erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen ist - zunächst von den Annahmen in der angefochtenen Entscheidung auszugehen (vgl. etwa VwGH vom 30. September 2013, AW 2013/04/0036, mwN). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof auch bereits erkannt, dass eine aufschiebende Wirkung Zl. Ra 2014/04/0004-3 - zuzuerkennen ist, wenn der Fehler in der angefochtenen Entscheidung nicht bloß ein potentieller, sondern ein evidenter ist, mit anderen Worten die Partei mit den Folgen eines offenkundig vorliegenden Fehlers der belangten Behörde belastet würde (vgl. abermals den Beschluss vom 30. September 2013, AW 2013/04/0036, mit Verweis auf den Beschluss vom 10. Oktober 2002, AW 2002/08/0031).
Gegenständlich ist nach der Aktenlage von einem solchen offenkundig vorliegenden Fehler des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug auf die berührten öffentlichen Interessen im Falle eines weiteren Verbleibes der nunmehrigen Revisionswerberin im Bundesgebiet nicht auszugehen. Auch die fehlende Begründung für die Abweisung der Beschwerde gegen das von der Behörde verhängte Einreiseverbot vermag an der im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes getätigten Interessensabwägung nichts zu ändern. Daher ist im vorliegenden Provisorialverfahren von den Annahmen der angefochtenen Entscheidung auszugehen. Darin wurden die berührten öffentlichen Interessen im Falle eines weiteren Verbleibes der nunmehrigen Revisionswerberin im Bundesgebiet bereits klar dargestellt. Schon aus diesen Erwägungen war dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG nicht stattzugeben.
In Bezug auf die von der Revisionswerberin dargelegte wirtschaftliche Lage in Georgien wegen des Corona-Virus und der Lungenerkrankung Covid 19 ist noch anzumerken, dass weder dem vorliegenden Schriftsatz konkrete Angaben über den behaupteten Zusammenbruch der Wirtschaft Georgiens entnommen werden können, noch wird diese Annahme durch aktuelle Medienberichte gestützt. Die Annahme, die Revisionswerberin und ihre Familie würde der Hungertod ereilen, erweist sich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes vor diesem Hintergrund als ebenso substanzlos.
Ferner ist zu bemerken, dass die georgische Regierung den Ausnahmezustand über Georgien verhängt und geeignete Maßnahmen getroffen hat, um die Ausbreitung der Pandemie in Grenzen zu halten. Unter anderem sind Personen, die sich im Laufe der letzten 14 Tage im Ausland aufhielten, bei der Einreise nach Georgien verpflichtet, für eine intensive epidemologische Untersuchung bereitzustehen und im Anschluss eine 14-tägige Quarantäne anzutreten.
Dass die Revisionswerberin oder Mitglieder ihrer Familie der Gruppe der von einer Ansteckung durch das Corona-Virus und der von der Erkrankung Covid 19 besonders Gefährdeten angehört, wird weder vorgebracht, noch können aufgrund des Alters der Revisionswerberin und anderer Familienmitglieder, dem typischen Krankheitsverlauf bei Covid 19 und des im Verfahren festgestellten gesundheitlichen Zustandes derartige Rückschlüsse gezogen werden.
Aufgrund der aktuellen Zahlen zur Pandemie in Georgen (am 15.4.2020 gab es 306 bestätigte Infektionen, 69 Genesungen, 464 Personen sind unter Beobachtung im Krankenhaus, 4990 Personen sind in Quarantäne und 3 Personen verstarben) gibt es auch keine konkreten Anhaltpunkte dafür, dass das Gesundheitssystem im Kollabieren begriffen wäre oder die Revisionswerberin oder ein Mitglied ihrer Familie im Krankheitsfall völlig unversorgt bliebe.
Auch ist die freiwillige Ausreise nach der aus der medialen Berichtslage notorisch bekannten Dauer der in Österreich gesetzten Maßnahmen bis Ostermontag, den 13.4.2020, grundsätzlich wieder möglich. Sollte der Revisionswerberin eine freiwillige Ausreise de facto mangels angebotener Flüge oder wegen sonstiger Umstände, welche sie nicht zu vertreten hat, nicht möglich sein, so hätte sie durch eine entsprechende, auf diesen Umstand abzielende Antragstellung bei der belangten Behörde hierauf zu reagieren. Aus Umständen, die die Revisionswerberin nicht zu vertreten hat, wird auch keine Bestrafung wegen des illegalen Verharrens im Bundesgebiet resultieren.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung - Entfall Interessenabwägung öffentliche Interessen Pandemie Revision VerwaltungsgerichtshofEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L526.2205859.1.01Im RIS seit
30.11.2020Zuletzt aktualisiert am
30.11.2020