Entscheidungsdatum
30.07.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W279 2207899-1/12E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 24.06.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX .1997, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2018, Zl. XXXX , zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1.Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 31.08.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016BF.
2. Bei der mit einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung des Beschwerdeführers am 31.08.2015 führte dieser zu seinem Fluchtgrund befragt zusammenfassend aus, dass er den Iran verlassen habe, weil im Iran Afghanen benachteiligt werden würden. Er habe dort keine Zukunftsaussichten, weil Beamte Afghanen schlagen und misshandeln würden. Der Beschwerdeführer könne sich im Iran keine Existenz aufbauen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan fürchte er den Tod, da es dort keine Sicherheit gebe. Im Iran könne er keine Ausbildung machen und habe keine Zukunftsaussichten.
In einem von der Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten wurde auf Grundlage einer durchgeführten multifaktoriellen Untersuchung zur Altersdiagnose festgehalten, dass sich in Zusammenschau der Ergebnisse der radiologischen Untersuchungen der Hand, Schlüsselbeine und des Gebisses zum Zeitpunkt der Untersuchungen am 20.05.2016 ein Mindestalter von 18 Jahren ergebe.
In einer Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters vom 25.10.2016, am 28.10.10.2016 beim Bundesamt eingelangt, wurde ausgeführt, dass im Asylverfahren der Grundsatz festgelegt sei, dass im Zweifel von einer Minderjährigkeit auszugehen sei. Eine mangelhafte oder unrichtige Altersfeststellung könne für einen minderjährigen Asylwerber gravierende negative Folgen haben. Daher müssten Inhalte des Altersfestellungsgutachtens der asylwerbenden Partei im Sinne der Ermöglichung des Parteiengehörs unbedingt zur Kenntnis gebracht werden und ihr eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt werden.
3. Am 04.07.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" genannt), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er zusammenfassend aus, dass er afghanischer Staatsbürger sei, aber im Iran geboren worden sei. Er gehöre der Religionszugehörigkeit der Schiiten und der Volksgruppe der Hazara an. Der Beschwerdeführer habe im Iran einen Aufenthaltstitel gehabt, den er jedes Jahr gegen Bezahlung verlängern habe müssen. Er sei im Iran geboren und müsse aufgrund psychischer Probleme Schlaftabletten und Beruhigungsmittel einnehmen. In Österreich habe der Beschwerdeführer keine familiären Anknüpfungspunkte und habe im bisherigen Verfahren die Wahrheit angegeben. Die Fragen, ob er in Afghanistan strafbare Handlungen begangen habe, von heimatlichen Behörden, Polizei, Gericht oder Staatsanwaltschaft gesucht werde oder ob gegen seine Person ein Haftbefehl bestehe, wurde vom Beschwerdeführer verneint. Er habe in Afghanistan nie Probleme mit den Behörden gehabt oder sei politisch oder religiös tätig gewesen. Seine Familienmitglieder hätten sich ebenfalls weder politisch noch religiös betätigt. Da der Beschwerdeführer im Iran geboren und aufgewachsen sei und selbst nie in Afghanistan gewesen sei, sei er auch keinen konkreten Verfolgungshandlungen durch private Dritte oder heimatlichen Behörden ausgesetzt gewesen. Er habe nie eine Schulbildung erfahren und habe seinen Lebensunterhalt als Bauarbeiter sowie Verkäufer von Flaschen erwirtschaftet. Da er keine Miete bezahlen habe müssen, habe er seiner Familie Geld zukommen lassen können. Befragt, wie seine Familie im Heimatland bzw. Iran Geld erwirtschaftet habe, entgegnete der Beschwerdeführer, dass sein Vater Landwirt gewesen sei und in der Nähe von Teheran ein Grundstück gemietet habe. Seine Mutter habe von Zuhause Handarbeiten erledigt. Der Beschwerdeführer stehe mit seiner Familie nach wie vor in regelmäßigen Kontakt. Zur Frage, weshalb seine Familie aus Afghanistan geflohen sei, erwiderte der Beschwerdeführer, dass zwei seiner Brüder krank geworden seien und ein Spital benötigt hätten, auf dem Weg nach Pakistan jedoch gestorben seien. Zudem seien zwei seiner Onkel auf der Reiseroute von Taliban getötet worden. Der Vater habe nach einem Aufenthalt in Pakistan entschieden, dass sich die Familie in Iran zu begeben habe, damit die Mutter des Beschwerdeführers in eine Pilgerstadt gehen könne. Zum Vorhalt, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung angegeben habe, dass er als Schneidergehilfe gearbeitet habe, erwiderte der Beschwerdeführer, dass dies korrekt sei und er im Iran sowohl als Schneidergehilfe als auch als Bauarbeiter gearbeitet habe.
Zur Reiseroute befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er vom Iran in die Türkei und anschließend nach Griechenland gereist sei. Die übrige Reiseroute könne er mangels Kenntnis der Länder der Durchreise nicht angeben. Zur Frage, wie die Ausreise finanziert worden sei, erklärte der Beschwerdeführer, dass sich sein Vater Geld ausgeborgt und Kontakt zum Schlepper hergestellt habe. Der Beschwerdeführer habe kein bestimmtes Zielland gehabt, da er jedoch nur Finnland und Deutschland gekannt habe, sei von ihm Finnland als Zielland genannt worden.
Zum Fluchtgrund befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er nicht in Syrien kämpfen habe wollen und Angst gehabt habe, dass ihm dasselbe passiere wie seinem Bruder. Er habe sich auch nicht nach Afghanistan begeben wollen, da er dort keine Anknüpfungspunkte habe. Da ihm keine Dokumente ausgestellt worden seien, habe er im Iran keine Zukunftsperspektive gesehen. Österreich dagegen sei ein Land, in dem der Beschwerdeführer ruhig leben könne und nicht grundlos geschlagen oder beschimpft werde. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan hätte er keine Sicherheit, da er dieses Land nicht kenne. In Österreich dagegen fühle er sich gut und sein Gesundheitszustand verbessere sich. Zur Frage, wieso es seinen Angehörigen nach wie vor möglich sei, im Iran zu leben, erwiderte der Beschwerdeführer, dass sie diesen Wohnort in Kauf nehmen würden, da seine Eltern alt seien und sein Bruder behindert sei. Sein Bruder sei kurze Zeit für das afghanische Militär tätig gewesen und sei im Zuge eines Kampfes angeschossen worden, woraufhin er wieder in den Iran zurückgekehrt sei.
Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er zwar einen Deutschkurs besuche, wegen seiner gesundheitlichen Probleme jedoch wenige soziale Kontakte habe. Er lebe von der Grundversorgung und könne sich vorstellen, in Zukunft für die MA 48 zu arbeiten.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF ambulanter Patientenbriefe vom 19.06.2017 sowie vom 29.03.2017 mit den Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung, sonstige dissoziative Störungen sowie schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen vorgelegt. Eine medikamentöse Therapie wurde angeordnet. Zudem wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit 04.11.2016 in regelmäßiger ambulanter Betreuung und Behandlung stehe und ihm die notwendigen medizinischen und psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten in Afghanistan fehlen würden. Weiters wurden vom Beschwerdeführer ein Zertifikat über die Absolvierung eines vierwöchigen Deutschkurses vom 01.03-29.03.2017, zwei Teilnahmebestätigungen über die Teilnahme an einem Infomodul am 05.04.2017 sowie am 15.02.2017, eine Teilnahmebestätigung vom 25.11.2016 über die Absolvierung des Workshops „Hilfe im Notfall“, eine Auszeichnung für die erfolgreiche Absolvierung eines Integrationskurses vom 16.06.2017, ein sozialpädagogischer Bericht vom 16.06.2017, eine Anmeldebestätigung über einen Deutsch-Alphabetisierung Brückenkurs vom 01.06.2017-29.06.2017, eine Kursbesuchsbestätigung über die Absolvierung eines Intensivkurses Alphabetisierung vom 03.05-30.05.2017, ein Dekurs des AKH vom 04.11.2016 sowie vom 15.11.2016, wonach eine medikamentöse Therapie angeordnet und ein Kontrolltermin vereinbart wurde, ein psychotherapeutischer Befundbericht einer Psychologin vom 24.04.2017, wonach der Beschwerdeführer an einer depressiven Verstimmung, dysphorischen Zustandsbild, massiven dissoziativen Zustände, Flashbacks, Konzentrationsschwierigkeiten, Störungen in der Informationsspeicherung und Informationsverarbeitung, gesteigerte Müdigkeit, Appetitverlust, Trennungsschmerz und Besorgnisgefühl leide sowie ein Dekurs komplex vom 02.12.2016, ein Kurzbefund nach ambulanter Begutachtung der Medizinischen Universität Wien zur Vorlage gebracht.
Mit Schriftsatz vom 11.12.2017 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers ein psychotherapeutischer Befundbericht vom 28.11.2017 mit den Diagnosen „posttraumatische Belastungsstörung, „sonstige dissoziative Störung“, „schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen“ zur Vorlage gebracht.
In einer Stellungnahme vom 12.02.2018 wurde vom Beschwerdeführer ausgeführt, dass seine Eltern aus der Provinz Daikundi stammen würden und er selbst bereits im Iran geboren sei. Er habe in Afghanistan keine Familienangehörigen mehr, da seine Eltern und Geschwister im Iran wohnhaft seien. Im Zuge der Stellungnahme wurden erneut die Patientenbriefe des AKH Wien vom 29.03.2017 sowie vom 19.06.2017 und psychotherapeutische Befundberichte vom 24.04.2017 sowie vom 28.11.2017 zur Vorlage gebracht.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
5. Zusammenfassend führte das BFA aus, dass die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit zu begründen sei, dass sich aus den Angaben des Beschwerdeführers-sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme beim BFA- ableiten lasse, dass er den Iran aus rein wirtschaftlichen Gründen verlassen habe. So habe er in der Einvernahme vom 04.07.2017 angegeben, dass er sich wünschen würde, dass seine Kinder nicht bloß Hilfsarbeiten ausführen könnten, wie er es selbst getan habe. Dieser Wunsch sei nachvollziehbar und legitim, stelle jedoch keinen Grund für die Gewährung von internationalen bzw. subsidiärem Schutz dar, zumal im Fall des Beschwerdeführers eine allfällige Gefährdung in seinem Heimatland Afghanistan zu prüfen sei. Zu Afghanistan habe der Beschwerdeführer selbst angegeben, dass er in seiner Heimat nicht verfolgt werde bzw. keine Probleme habe, auch wenn er eigenen Angaben zufolge niemals in Afghanistan gewesen sei. Aus keiner weiteren Angabe lasse sich eine mögliche Gefahr für den Beschwerdeführer ableiten. Er habe in Afghanistan seinen Angaben zufolge keine Probleme und auch nichts zu befürchten. Der Beschwerdeführer habe sein bisheriges Leben im Iran verbracht, wo auch seine Eltern und Geschwister leben würden. Bezüglich der von ihm angegebenen gesundheitlichen Probleme und dem Umstand, dass er Schlaftabletten und Beruhigungsmittel einnehme, sei anzumerken, dass eine etwaige medizinische Behandlung auch in Afghanistan möglich sei. Außerdem werde vollständigkeitshalber angemerkt, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofes kein Fremder ein Recht habe, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden und selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet sei. Es sei somit nochmals festzuhalten, dass er keine Furcht vor Verfolgung vorgebracht habe, zumal er nie persönlich verfolgt worden sei. Der Beschwerdeführer sei ausschließlich aus persönlichen Motiven und wirtschaftlichen Gründen nach Europa gekommen. Auch habe er angegeben, Afghanistan ausschließlich wegen besserer medizinischer Versorgung für seine beiden älteren Brüder verlassen zu haben. Den Angaben in seiner Einvernahme vor dem BFA sei zu entnehmen gewesen, dass er nie in die Schule gegangen sei, seine Muttersprache Dari sei und er diese fließend spreche. Außerdem verfüge er über umfangreiche Berufserfahrung. Jedoch sei anzuführen, dass er im Zuge eines Gutachtens zur Altersfeststellung jedoch angegeben habe, sehr wohl-nämlich sechs Jahre-die Schule besucht zu haben, weshalb davon ausgegangen werden könne, dass er entgegen seinen eigenen Angaben kein Analphabet und deshalb auch durchaus in der Lage sei, in seiner Heimat Afghanistan seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zu einer möglichen freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan informiert, habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er nichts zu befürchten habe. Dass er angeblich noch nie in Afghanistan gewesen sei, könne bei einer Rückkehr nicht zum Problem werden, da er nach wie vor mit der afghanischen Kultur vertraut sei und seine Muttersprache Dari sei. Im Übrigen könne ihm bei einer Wiederansiedelung auch durch diverse Programme bzw. Projekte geholfen werden. Ebenso sei eine finanzielle Unterstützung durch seine Familie möglich. Bezüglich seiner Posttraumatischen Belastungsstörung sei auszuführen, dass er sich noch in Therapie befinde, ihm diesbezüglich jedoch auch in Afghanistan geholfen werden könne. Aus den Länderfeststellungen der Staatendokumentation sei zu entnehmen, dass in Afghanistan eine Behandlung von Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung durchaus gegeben sei, wenngleich nicht auf demselben hohen Standard wie in Österreich. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Familie oder Bekannte. Es könne nicht von einer Verfestigung seines Aufenthalts gesprochen werden. Der Beschwerdeführer habe sich als selbstständige Person gezeigt, die für sich alleine sorgen könne, selbst in einem Land, dessen Sprache er nicht beherrsche. Der Kontakt zu seiner Familie sei darüber hinaus sehr gut. Auch sei nicht ersichtlich, weshalb eine räumliche Trennung seine Angehörigen außer Stande setzen sollte, ihn gegebenenfalls finanziell zu unterstützen. Ein Verbleib in der Hauptstadt Kabul sei für ihn durchaus möglich.
6. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die erhobene Beschwerde, welche fristgerecht beim BFA einlangte. In dieser wird zusammenfassend insbesondere ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Aussagen zu seinen Fluchtgründen, die er in der Einvernahme vor der belangten Behörde gemacht habe, aufrecht halte. Auf sämtliche Fragen, die ihm seitens der belangten Behörde gestellt worden seien, habe der Beschwerdeführer wahrheitsgemäß und glaubwürdig geantwortet. Eine Ansiedelung für mittellose Männer ohne persönliche Anknüpfungspunkte in Afghanistan sei nur unter großen Schwierigkeiten möglich. Die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln-insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt-sei in Afghanistan aber meistens nur unzureichend gewährleistet. Zudem sei angesichts der derzeitigen politischen Lage in Afghanistan sehr unwahrscheinlich, dass eine ausreichende staatliche Unterstützung zur Verfügung stehe. Dazu werde auch auf die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 zu Afghanistan verwiesen. Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Kabul als mögliche Flucht-oder Neuansiedelungsalternative werde besonders auf die Grenzen der Aufnahmefähigkeit der Stadt hingewiesen. Vor diesem Hintergrund komme UNHCR nun zu dem Ergebnis, dass in Kabul keine interne Flucht-oder Neuansiedlungsalternative zur Verfügung stehe. Der Beschwerdeführer sei afghanischer Staatsbürger, sei im Iran geboren und aufgewachsen, im Falle der Rückkehr würde er als Iraner angesehen werden. Seine Aussprache würde ihn verraten und er würde in Folge als „Nicht-Afghane“ behandelt werden. Der Beschwerdeführer sei seit drei Jahren in Österreich, er habe verschiedene Deutschkurse besucht, jedoch nicht abgeschlossen, weil er lange Zeit nach seiner Ankunft in Wien im Zulassungsverfahren verbringen habe müssen. Er habe seine Schule abbrechen müssen, da er nicht an einem Ort leben habe können. Die belangte Behörde habe völlig unterlassen, auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen und habe unrichtigerweise auch seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen abgewiesen. Beantragt wurde, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
7. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.06.2020 brachte der Beschwerdeführer nach Erläuterung des bisherigen Akteninhaltes im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari auf richterliche Befragung im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass er im Iran geboren worden sei und keine Schulbildung erfahren habe. Er habe im Iran seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsjobs wie der Sammlung von Müll verdient. Seine Eltern und Geschwister würden nach wie vor im Iran wohnen und der Beschwerdeführer stehe mit seiner Familie über eine Handyapp in regelmäßigen Kontakt. Sein Vater sei als Gärtner tätig und seine Mutter sei Hausfrau. Befragt, wieso er den Iran verlassen habe, erklärte der Beschwerdeführer, dass er nicht mehr im Iran leben habe können, da es keine Reisefreiheit gegeben habe. Die Fragen, ob er politisch aktiv oder in Europa oder im Iran straffällig geworden sei, wurden vom Beschwerdeführer verneint.
Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er im Bundesgebiet in ein Fitnesscenter gehe und Fußball spiele. Er habe 11 Monate lang für Uber gearbeitet, sei derzeit jedoch arbeitslos und beziehe Leistungen aus der Grundversorgung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger von Afghanistan, ist im Iran geboren und aufgewachsen und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Seine Identität steht nicht fest. Seine gesamte Familie (Eltern, drei Brüder, eine Schwester) lebt im Iran. Der Beschwerdeführer hat im Iran als Schneidergehilfe und in der Baubranche gearbeitet.
Der Beschwerdeführer hält sich seit August 2015 im Bundesgebiet auf. Den Iran verließ er im Jahr 2015 aufgrund seines dortigen illegalen Aufenthaltes und der damit einhergehenden Probleme.
Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen Mann im arbeitsfähigen Alter. Dem Beschwerdeführer ist eine Teilnahme am Erwerbsleben im Herkunftsstaat zumutbar.
Der Beschwerdeführer lebt in Österreich zum überwiegenden Teil aus den Mitteln der Grundversorgung. In Österreich hat er Arbeitserfahrung bei einem Fahrrad-Lieferdienst gesammelt.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen. Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung, sonstige dissoziative Störung und einer schweren Depression mit psychotischen Symptomen und ihm wurden gegen die psychischen Beschwerden eine medikamentöse Therapie sowie eine Psychotherapie empfohlen. In der Verhandlung bezeichnet sich der BF als gestresst aber gesund.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keinen Personen, zu denen ein besonders zu berücksichtigendes Nahe – bzw. Abhängigkeitsverhältnis besteht. Mit einer Freundin in Deutschland pflegt er seit Kurzem Kontakt per Handy, getroffen hat er sie noch nicht.
Der strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer verfügt über sehr geringe Deutschkenntnisse; er hat in Österreich Deutschkurse, einen Alphabetisierungskurs sowie Integrationsmodule und einen Erste-Hilfe Workshop absolviert. Der BF beherrscht die Grundrechnungsarten mit arabischen Zahlen und das lateinische Alphabet.
Das Bestehen von besonderen Gründen, die für ein Verbleiben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechen, sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen und in der mündlichen Verhandlung nicht hervorgekommen.
Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann in casu nicht festgestellt werden. Im Gegenteil muss festgestellt werden, dass die Deutschkenntnisse des BF gemessen an seiner beinahe fünfjährigen Aufenthaltsdauer und seinem Alter sehr stark unterdurchschnittlich sind.
Der BF ist mit der iranischen und der afghanischen Kultur vertraut. So hatte er im Iran iranische und afghanische Freunde, ist in einer afghanischen Familie im Iran aufgewachsen und hat auch in Österreich Kontakt zu Afghanen.
1.2. Zu den angegebenen Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
a.) Betreffend der Gründe für das Verlassen des Irans:
Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten, ihn persönlich unmittelbar betreffenden asylrechtlich relevanten individuellen Verfolgung ausgesetzt und vom BF auch nicht behauptet.
Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara konkret und individuell physische oder psychische Gewalt in Afghanistan droht. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan allein aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind.
Es ist nicht glaubhaft, bzw. wurde von diesem glaubhaft und nachvollziehbar nicht dargelegt, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung zukünftig Verfolgung droht.
Den Iran verließ der BF im Jahr 2015 aufgrund seines dortigen illegalen Aufenthaltes und damit einhergehenden Probleme und stellte wegen dieser Gründe in Österreich gegenständlichen Asylantrag. Diesen Problemen im Iran kommt im gegenständlichen Verfahren keine asylrechtliche Entscheidungsrelevanz zu.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass er im Iran und nunmehr in Europa gelebt hat, konkret und individuell bzw. dass jedem afghanischen Rückkehrer aus dem Iran oder aus Europa physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.
Das Vorliegen einer den Beschwerdeführer unmittelbar und konkret betreffenden asylrechtlich relevanten Gefährdung in Afghanistan konnte dieser insgesamt glaubhaft und nachvollziehbar nicht darlegen, bzw. wurde das Vorliegen einer solchen insgesamt nicht dargelegt.
1.3 Zur Rückkehrsituation
Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keinen unmittelbar individuell gegen ihn gerichteten physischen und/oder psychischen Gewalthandlungen ausgesetzt.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung insbesondere in der Stadt Mazar-e Sharif oder Herat, besteht für den Beschwerdeführer als jungen, arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Das BFA hat ein insgesamt mängelfreies Verfahren durchgeführt. Die belangte Behörde ist im gegenständlichen Verfahren ihrer Ermittlungspflicht durch die Vornahme einer detaillierten Befragung nachgekommen und dem angefochtenen Bescheid ist ein im vorliegenden Verwaltungsakt dokumentiert umfassendes Ermittlungsverfahren vorangegangen. Der Sachverhalt wurde unter schlüssiger Beweiswürdigung des Bundesamtes festgestellt und rechtlich korrekt durch das BFA gewürdigt.
In der Beschwerde und in der Verhandlung konnten glaubhaft keine wesentlichen, bzw. verfahrensrelevant neuen Sachverhaltselemente glaubhaft bzw. substantiiert begründet dargelegt werden, welche geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffenen Entscheidungen grundlegend in Frage zu stellen.
1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Länderspezifische Anmerkungen
COVID-19:
Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.
Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).
In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).
In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).
Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).
Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen
In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).
Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm; bei dem bedürftige Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).
Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung
Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum Einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum Anderem schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).
Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen(RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wiederaufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).
Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).
Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan
Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Handel angewandt (XI 23.6.2020). Der bilaterale Handel soll an sechs Tagen der Woche betrieben werden, während an Samstagen diese Grenzübergänge für Fußgänger reserviert sind (XI 23.6.2020; vgl. UNHCR 20.6.2020); in der Praxis wurde der Fußgängerverkehr jedoch häufiger zugelassen (UNHCR 20.6.2020).
Pakistanischen Behörden zufolge waren die zwei Grenzübergänge Torkham und Chaman auf Ansuchen Afghanistans und aus humanitären Gründen bereits früher für den Transithandel sowie Exporte nach Afghanistan geöffnet worden (XI 23.6.2020).
Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus dem Iran
Die Anzahl aus dem Iran abgeschobener Afghanen ist im Vergleich zum Monat Mai stark gestiegen. Berichten zufolge haben die Lockerungen der Mobilitätsmaßnahmen dazu geführt, dass viele Afghanen mithilfe von Schmugglern in den Iran ausreisen. UNHCR zufolge, gaben Interviewpartner/innen an, kürzlich in den Iran eingereist zu sein, aber von der Polizei verhaftet und sofort nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein (UNHCR 20.6.2020).
Quellen:
AF - Asia Foundation (24.6.2020): Afghanistan’s Covid-19 Bargain, https://asiafoundation.org/2020/06/24/afghanistans-covid-19-bargain/, Zugriff 26.6.2020
AJ - al-Jazeera (8.6.2020): Afghan schools, universities to remain closed until September, https://www.aljazeera.com/news/2020/06/afghan-schools-universities-remain-closed-september-200608062711582.html, Zugriff 26.6.2020
AnA – Andolu Agency (24.6.2020): Afghanistan resumes international flights amid COVID-19, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-resumes-international-flights-amid-covid-19/1888176, Zugriff 26.6.2020
GN – Gulf News (9.6.2020): COVID-19: Emirates to resume regular passenger flights to Kabul from June 25, https://gulfnews.com/uae/covid-19-emirates-to-resume-regular-passenger-flights-to-kabul-from-june-25-1.71950323, Zugriff 26.6.2020
HRW - Human Rights Watch (18.6.2020): School Closures Hurt Even More in Afghanistan, https://www.hrw.org/news/2020/06/18/school-closures-hurt-even-more-afghanistan, Zugriff 26.6.2020
JHU -John Hopkins Universität (26.6.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 26.6.2020
RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (19.6.2020): Antwortschreiben per Mail, liegt bei der Staatendokumentation auf.
TN – Tolonews (15.6.2020): Govt Will Resume Bread Distribution: Palace, https://tolonews.com/afghanistan/govt-will-resume-bread-distribution-palace, Zugriff 29.6.2020
TN – Tolonews (15.6.2020): Poor Claim ‘Unjust’ Bread Distribution in Jawzjan, https://tolonews.com/afghanistan/poor-claim-%E2%80%98unjust%E2%80%99-bread-distribution-jawzjan, Zugriff 29.6.2020
UNHCR – (20.6.2020): Border Monitoring Update COVID-19 Response 14-20 June 2020, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/77302, Zugriff 26.6.2020
WHO – World Health Organization (25.3.2020): Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report –65, https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/situation-reports/20200325-sitrep-65-covid-19.pdf?sfvrsn=2b74edd8_2, Zugriff 16.4.2020
WP - Washington Post (25.6.2020): Coronavirus sweeps through Afghanistan’s security forces, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-security-forces-military/2020/06/24/0063c828-b4e2-11ea-9a1d-d3db1cbe07ce_story.html, Zugriff 26.6.2020
XI – Xinhua (23.6.2020): Pakistan receives 1st Afghan export since COVID-19 pandemic, http://www.xinhuanet.com/english/2020-06/23/c_139159139.htm, Zugriff 26.6.2020
Stand: 18.5.2020
Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.
In 30 der 34 Provinzen Afghanistans wurden mittlerweile COVID-19-Fälle registriert (NYT 22.4.2020). Nachbarländer von Afghanistan, wie China, Iran und Pakistan, zählen zu jenen Ländern, die von COVID-19 besonders betroffen waren bzw. nach wie vor sind. Dennoch ist die Anzahl, der mit COVID-19 infizierten Personen relativ niedrig (AnA 21.4.2020). COVID-19 Verdachtsfälle können in Afghanistan aufgrund von Kapazitätsproblem bei Tests nicht überprüft werden – was von afghanischer Seite bestätigt wird (DW 22.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; NYT 22.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Auch wird die Dunkelziffer von afghanischen Beamten höher geschätzt (WP 20.4.2020). In Afghanistan können derzeit täglich 500 bis 700 Personen getestet werden. Diese Kapazitäten sollen in den kommenden Wochen auf 2.000 Personen täglich erhöht werden (WP 20.4.2020). Die Regierung bemüht sich noch weitere Testkits zu besorgen – was Angesicht der derzeitigen Nachfrage weltweit, eine Herausforderung ist (DW 22.4.2020).
Landesweit können – mit Hilfe der Vereinten Nationen – in acht Einrichtungen COVID-19-Testungen durchgeführt werden (WP 20.4.2020). Auch haben begrenzte Laborkapazitäten und -ausrüstung einige Einrichtungen dazu gezwungen Testungen vorübergehend einzustellen (WP 20.4.2020). Unter anderem können COVID-19-Verdachtsfälle in Einrichtungen folgender Provinzen überprüft werden: Kabul, Herat, Nangarhar (TN 30.3.2020) und Kandahar. COVID-19 Proben aus angrenzenden Provinzen wie Helmand, Uruzgan und Zabul werden ebenso an die Einrichtung in Kandahar übermittelt (TN 7.4.2020a).
Jahrzehntelange Konflikte in Afghanistan machen das Land anfällig für den Ausbruch von Krankheiten: nach wie vor ist Polio dort endemisch (als eines von drei Ländern weltweit) (WP 20.4.2020) außerdem ist das Gesundheitssystem fragil (AnA 21.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Beispielsweise mangelt es an adäquaten Medikamenten für Patient/innen, die an COVID-19 erkrankt sind. Jedoch sind die wenigen Medikamente, die hierfür zur Verfügung stehen, kostenfrei (ARZ KBL 7.5.2020). Der landesweite Mangel an COVID-19-Testkits sowie an Isolations- und Behandlungseinrichtungen verdeutlichen diese Herausforderung (AnA 21.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten (BBC 9.4.2020) und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung (TN 8.4.2020; vgl. DW 22.4.2020; QA 16.4.2020). 300 weitere Beatmungsgeräte plant die afghanische Regierung zu besorgen. Weiters mangelt es an geschultem Personal, um diese medizinischen Geräte in Afghanistan zu bedienen und zu warten (DW 22.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Engpässe bestehen bei den PPE (personal protective equipment), persönlichen Schutzausrüstungen für medizinisches Personal; außerdem wird mehr fachliches Personal benötigt, um Patient/innen auf den Intensivstationen zu betreuen (ARZ KBL 7.5.2020).
Aufgrund der Nähe zum Iran gilt die Stadt Herat als der COVID-19-Hotspot Afghanistans (DW 22.4.2020; vgl. NYT 22.4.2020); dort wurde nämlich die höchste Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle registriert (TN 7.4.2020b; vgl. DW 22.4.2020). Auch hat sich dort die Anzahl positiver Fälle unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung – die Provinzdirektion bestätigte dies und erklärtes mit langwierigen Beschaffungsprozessen (TN 7.4.2020b). Betten, Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte und Medikamente wurden bereits bestellt – jedoch ist unklar, wann die Krankenhäuser diese Dinge tatsächlich erhalten werden (NYT 22.4.2020). Die Provinz Herat verfügt über drei Gesundheitseinrichtungen für COVID-19-Patient/innen. Zwei davon wurden erst vor kurzem errichtet; diese sind für Patient/innen mit leichten Symptomen bzw. Verdachtsfällen des COVID-19 bestimmt. Patient/innen mit schweren Symptomen hingegen, werden in das Regionalkrankenhaus von Herat, welches einige Kilometer vom Zentrum der Provinz entfernt liegt, eingeliefert (TN 7.4.2020b). In Hokerat wird die Anzahl der Beatmungsgeräte auf nur 10 bis 12 Stück geschätzt (BBC 9.4.2020; vgl. TN 8.4.2020).
Beispiele für Maßnahmen der afghanischen Regierung
Eine Reihe afghanischer Städte wurde abgesperrt (WP 20.4.2020), wie z.B. Kabul, Herat und Kandahar (TG 1.4.2020a). Zusätzlich wurde der öffentliche und kommerzielle Verkehr zwischen den Provinzen gestoppt (WP 20.4.2020). Beispielsweise dürfen sich in der Stadt Kabul nur noch medizinisches Personal, Bäcker, Journalist/innen, (Nahrungsmittel)Verkäufer/innen und Beschäftigte im Telekommunikationsbereich bewegen. Der Kabuler Bürgermeister warnte vor "harten Maßnahmen" der Regierung, die ergriffen werden, sollten sich die Einwohner/innen in Kabul nicht an die Anordnungen halten, unnötige Bewegungen innerhalb der Stadt zu stoppen. Die Sicherheitskräfte sind beauftragt zu handeln, um die Beschränkung umzusetzen (TN 9.4.2020a).
Mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (WP 22.4.2020): Aufgrund der Maßnahmen sorgen sich zehntausende Tagelöhner in Kabul und Herat um ihre Existenz. UNICEF zufolge, arbeiten allein in Kabul mindestens 60.000 Kinder, um das Familieneinkommen zu ersetzen (TG 1.4.2020). Offiziellen Schätzungen zufolge können z.B. in Herat-Stadt 150.000 Tagelöhner aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten und haben somit kein Einkommen. Weil es in Herat an Ressourcen mangelt, um Hunderttausende zu ernähren, nimmt die Bevölkerung die Bedrohung durch das Virus nicht ernst. Zwar hat die Bevölkerung anfangs großzügig gespendet, aber auch diese Spenden werden weniger, nachdem die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Unternehmen sichtbar werden (NYT 22.4.2020).
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die International Organization for Migration (IOM) unterstützen das afghanische Ministerium für öffentliche Gesundheit (MOPH) (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020); die WHO übt eine beratende Funktion aus und unterstützt die afghanische Regierung in vier unterschiedlichen Bereichen während der COVID-19-Krise (WHO MIT 10.5.2020): 1. Koordination; 2. Kommunikation innerhalb der Gemeinschaften 3. Monitoring (durch eigens dafür eingerichtete Einheiten – speziell was die Situation von Rückkehrer/innen an den Grenzübergängen und deren weitere Bewegungen betrifft) und 4. Kontrollen an Einreisepunkten – an den 4 internationalen Flughäfen sowie 13 Grenzübergängen werden medizinische Kontroll- und Überwachungsaktivitäten durchgeführt (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020).
Taliban und COVID-19
Ein Talibansprecher verlautbarte, dass die Taliban den Konflikt pausieren könnten, um Gesundheitsbehörden zu erlauben, in einem von ihnen kontrollierten Gebiet zu arbeiten, wenn COVID-19 dort ausbrechen sollte (TN 2.4.2020; vgl. TD 2.4.2020). In der nördlichen Provinz Kunduz, hätten die Taliban eine Gesundheitskommision gegründet, die direkt in den Gemeinden das öffentliche Bewusstsein hinsichtlich des Virus stärkt. Auch sollen Quarantänezentren eingerichtet worden sein, in denen COVID-19-Verdachtsfälle untergebracht wurden. Die Taliban hätten sowohl Schutzhandschuhe, als auch Masken und Broschüren verteilt; auch würden sie jene, die aus anderen Gebieten kommen, auf COVID-19 testen (TD 2.4.2020). Auch in anderen Gebieten des Landes, wie in Baghlan, wird die Bevölkerung im Rahmen einer Informationsveranstaltung in der Moschee über COVID-19 informiert. Wie in der Provinz Kunduz, versorgen die Taliban die Menschen mit (Schutz)material, helfen Entwicklungshelfern dabei zu jenen zu gelangen, die in Taliban kontrollierten Gebieten leben und bieten sichere Wege zu Hilfsorganisationen, an (UD 13.3.2020).
Der Umgang der Taliban mit der jetzigen Ausnahmesituation wirft ein Schlaglicht auf den Modus Operandi der Truppe. Um sich die Afghanen in den von ihnen kontrollierten Gebieten gewogen zu halten, setzen die Taliban auf Volksnähe. Durch die Präsenz vor Ort machten die Islamisten das Manko wett, dass sie kein Geld hätten, um COVID-19 medizinisch viel entgegenzusetzen: Die Taliban können Prävention betreiben, behandeln können sie Erkrankte nicht (NZZ 7.4.2020).
Aktuelle Informationen zu Rückkehrprojekten
IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer/innen im Rahmen der freiwilligen Rückkehr. Aufgrund des stark reduzierten Flugbetriebs ist die Rückkehr seit April 2020 nur in sehr wenige Länder tatsächlich möglich. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei, wie bekannt, Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (IOM AUT 18.5.2020).
IOM Österreich bietet derzeit, aufgrund der COVID-19-Lage, folgende Aktivitäten an:
? Qualitätssicherung in der Rückkehrberatung (Erarbeitung von Leitfäden und Trainings)
? Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr und Reintegration im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten (Virtuelle Beratung, Austausch mit Rückkehrberatungseinrichtungen und Behörden, Monitoring der Reisemöglichkeiten) (IOM AUT 18.5.2020).
Das Projekt RESTART III – Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems und der Reintegration freiwilliger Rückkehrer/innen in Afghanistan“ wird bereits umgesetzt. Derzeit arbeiten die österreichischen IOM-Mitarbeiter/innen vorwiegend an der ersten Komponente (Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems) und erarbeiten Leitfäden und Trainingsinhalte. Die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan ist derzeit aufgrund fehlender Flugverbindungen nicht möglich. IOM beobachtet die Situation und steht diesbezüglich in engem Austausch mit den zuständigen Rückkehrberatungseinrichtungen und den österreichischen Behörden (IOM AUT 18.5.2020)
Mit Stand 18.5.2020, sind im laufenden Jahr bereits 19 Projektteilnehmer/innen nach Afghanistan zurückgekehrt. Mit ihnen, als auch mit potenziellen Projektteilnehmer/innen, welche sich noch in Österreich befinden, steht IOM Österreich in Kontakt und bietet Beratung/Information über virtuelle Kommunikationswege an (IOM AUT 18.5.2020).
Informationen von IOM Kabul zufolge, sind IOM-Rückkehrprojekte mit Stand 13.5.2020 auch weiterhin in Afghanistan operativ (IOM KBL 13.5.2020).
Quellen:
? AnA – Andalous (21.4.2020): COVID-19 rips through fragile Afghan health system, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/covid-19-rips-through-fragile-afghan-health-system-/1812821, Zugriff 23.4.2020
? ARZ KBL – Arzt in Kabul (7.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.
? BBC (9.4.2020): Coronavirus: The porous borders where the virus cannot be controlled, https://www.bbc.com/news/world-asia-52210479, Zugriff 9.4.2020
? DW – Deutsche Welle (22.4.2020): Coronavirus: Tough times ahead as Afghanistan struggles to manage pandemic, https://www.dw.com/en/coronavirus-tough-times-ahead-as-afghanistan-struggles-to-manage-pandemic/a-53207173, Zugriff 23.4.2020
? IOM AUT – International Organization for Migration in Austria (27.3.2020): Antwortschreiben per E-Mail.
? IOM KBL – International Organization for Migration Kabul Chapter (13.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail.
? IOM – International Organization for Migration (11.5.2020): Return of Undocumented Afghans - Weekly Situation Report (03-09 May 2020), https://afghanistan.iom.int/sites/default/files/Reports/iom_afghanistan-return_of_undocumented_afghans-_situation_report_03-09_may_2020.pdf, Zugriff 13.5.2020
? NYT – New York Times (22.4.2020): Afghanistan’s Next War, https://www.nytimes.com/interactive/2020/04/22/magazine/afghanistan-coronavirus.html?searchResultPosition=3, Zugriff 24.4.2020
? NZZ – Neue Züricher Zeitung (7.4.2020): Die Taliban, dein Freund und Helfer, https://www.nzz.ch/international/afghanistan-die-taliban-betreiben-corona-praevention-ld.1550115, Zugriff 9.4.2020
? TG – The Guardian (1.4.2020): 'No profit, no food': lockdown in Kabul prompts hunger fears, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/no-profit-no-food-lockdown-in-kabul-prompts-hunger-fears, Zugriff 2.4.2020
? TG – The Guardian (1.4.2020a): Afghanistan braces for coronavirus surge as migrants pour back from Iran, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/afghanistan-braces-for-coronavirus-surge-as-migrants-pour-back-from-iran, Zugriff 2.4.2020
? TN – Tolonews (9.4.2020): 40 New COVID-19 Cases in Afghanistan, Total 484, https://tolonews.com/health/40-new-covid-19-cases-afghanistan-total-484, Zugriff 9.4.2020
? TN – Tolonews (9.4.2020a): Andarabi: All Kabul Roads Will be Blocked, https://tolonews.com/afghanistan/andarabi-all-kabul-roads-will-be-blocked, Zugriff 9.4.2020
? TN – Tolonews (8.4.2020): Only '300' Ventilators in Afghanistan to Treat COVID-19: MoPH, https://tolonews.com/index.php/afghanistan/only-300-ventilators-afghanistan-treat-covid-19-moph, Zugriff 9.4.2020
? TN – Tolonews (8.4.2020a): Kabul Clinic Shut Down After Doctor Dies from COVID-19, https://tolonews.com/index.php/health/amiri-medical-complex%E2%80%99s-activities-suspended-health-ministry, Zugriff 9.4.2020
? TN – Tolonews (7.4.2020): Number of COVID-19 Cases in Afghanistan: 367, https://tolonews.com/health/number-covid-19-cases-afghanistan-367, Zugriff 8.4.2020
? TN – Tolonews (7.4.2020a): Coronavirus Testing Lab Opens in Kandahar: Officials, https://tolonews.com/health/coronavirus-testing-lab-opens-kandahar-officials, Zugriff 8.4.2020
? TN – Tolonews (7.4.2020b): 41 Health Workers Test Positive for Coronavirus in Herat, https://tolonews.com/afghanistan/41-health-workers-test-positive-coronavirus-herat, Zugriff 8.4.2020
? UD – Undark (2.4.2020): With Taliban Help, Afghanistan Girds for a Virus, https://undark.org/2020/04/02/afghanistan-covid-19/, Zugriff 8.4.2020
? WHO MIT – Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Mazar-e Sharif (10.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.
? WP – Washington Post (20.4.2020): More than a dozen staff members in Afghanistan’s presidential palace test positive for coronavirus, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-presidential-palace/2020/04/20/5836a856-8308-11ea-81a3-9690c9881111_story.html, Zugriff 24.4.2020
Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Politische Ereignisse: Friedensgespräche. Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung. Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban. Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer „inklusiven“ zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi. die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments. Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete. die Taliban hätten kein Interesse daran. Teil der aktuellen Regierung zu sein. und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).
Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die „große Ratsversammlung“ (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel. einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an. betonte aber dennoch. dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen. um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil. was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen. das für Mitte April 2019 in Katar geplant war. zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban
beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).
Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere „wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).
Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als „Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als „ineffizient" (AAN 17.5.2019).
Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).
Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der
Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019). Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).
Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).
Anschläge in Kabul-Stadt
Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).
Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).
Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).
Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).
Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von „mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte“ für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich „Sicherheitselemente“ um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als „Polytheisten“ bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).
Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)
US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom „zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern“. Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es „seh