TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/24 W183 2209689-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

24.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W183 2209689-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den Verein ZEIGE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2018, Zl. 1098110107-151941051, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.07.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer verließ im Jahr 2015 Iran, stellte am 04.12.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 07.12.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 16.08.2018 wurde der Beschwerdeführer von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.

Im behördlichen Verfahren gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund einerseits den Tod des Vaters im Zuge einer versuchten Zwangsehe der Schwester des Beschwerdeführers sowie seine Hinwendung zum Christentum in Österreich an.

Vor dem BFA legte der Beschwerdeführer unter anderem seinen Taufschein der römisch-katholischen Kirche vom 08.12.2017, eine Bestätigung über den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft sowie diverse Integrationsunterlagen vor.

2.       Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 19.10.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Das BFA stellte dem Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3.       Mit Schriftsatz vom 13.11.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. Begründend wurde ausgeführt, dass die Unglaubwürdigkeitsunterstellung des Beschwerdeführers aufgrund unschlüssiger Beweiswürdigung, Begründungsmangel und mangels Erhebungstätigkeit, obwohl hierzu hinreichende Angaben gemacht wurden, nicht tragfähig sei. Der Beschwerdeführer sei zum Christentum konvertiert und werde somit verfolgt. Der belangten Behörde sei es auch frei gestanden, zur Ernsthaftigkeit der Konversion und zur christlichen Glaubenspraxis des Beschwerdeführers den Taufpfarrer zeugenschaftlich zu befragen.

4.       Mit Schriftsatz vom 16.11.2018 (eingelangt am 19.11.2018) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.05.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 02.06.2020).

Mit Fax vom 13.01.2020 legte der Beschwerdeführer Dokumente zu seinem Gesundheitszustand und einen Arbeitsvorvertrag für eine Teilzeitbeschäftigung vor (OZ 5).

5.       Mit Schreiben vom 04.06.2020 wurden der Beschwerdeführer, ein Zeuge sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.07.2020 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtige, die Länderberichte gemäß dem „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019“ sowie den „Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran – Situation der Christen, Stand 3/2019“ als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Das BFA entschuldigte sich für die Nichtteilnahme an der Verhandlung. Der Beschwerdeführer übermittelte eine Stellungnahme insbesondere zu den Länderinformationen (OZ 8).

Mit Schreiben vom 13.07.2020 (OZ 11) übermittelte der geladene Zeuge, weil er krankheitsbedingt nicht an einer Verhandlung teilnehmen kann, eine schriftliche Stellungnahme betreffend die Glaubensausübung des Beschwerdeführers.

6.        Das Bundesverwaltungsgericht führte am 15.07.2020 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen. Der Beschwerdeführer wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Fluchtgründen sowie religiösen Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen. Ergänzend brachte das Bundesverwaltungsgericht das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 19.06.2020 zum Parteiengehör. Das BFA nahm an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab.

In der Verhandlung legte der Beschwerdeführer weitere Dokumente betreffend seine ehrenamtliche Tätigkeit in Österreich sowie mehrere Unterstützungsschreiben vor.

Eine Strafregisterabfrage wurde am Tag der Verhandlung durchgeführt. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wurde dem BFA zur Kenntnis gebracht.

7.       Nach Schluss des Ermittlungsverfahrens mittels Verfahrensanordnung legte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung mit Schreiben vom 10.08.2020 jeweils in Kopie ein Empfehlungsschreiben und eine Anmeldebestätigung für die ÖIF Integrationsprüfung B1 vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer stammt aus Urumje (Provinz West-Aserbaidschan) und lebte dort bis zu seiner Ausreise, gehört der Volksgruppe der Kurden an, spricht Kurdisch (Muttersprache), Farsi, Türkisch und etwas Deutsch (Prüfung auf Niveau A2 positiv abgelegt), besuchte für neun Jahre die Schule und arbeitete in Iran als Koch und Verkäufer.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. In Iran leben eine Tante und ein Onkel, zu denen er Kontakt hat.

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung von Passkontrollen aus Iran aus, illegal nach Österreich ein und stellte am 04.12.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.

Der Beschwerdeführer leidet aktuell an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung, nimmt keine Medikamente ein und ist arbeitsfähig. Zu einem früheren Zeitpunkt litt der Beschwerdeführer an einer depressiven Symptomatik und Schlaflosigkeit.

In Österreich leben die Mutter, ein Bruder und zwei Schwestern des Beschwerdeführers, diese sind asylberechtigte iranische Staatsangehörige. Er lebt getrennt von seiner Familie in einer Wohngemeinschaft mit einem iranischen Freund und ist finanziell nicht von seinen restlichen Familienmitgliedern abhängig bzw. diese von ihm. In seiner Freizeit lernt er Deutsch, trifft sich mit seiner Familie oder auch mit seiner Patin. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht Mitglied in Vereinen oder anderen Organisationen. Zum Freundeskreis des Beschwerdeführers zählen unter anderem österreichische Staatsbürger, welche er vorwiegend von der Pfarre kennt. Die sozialen Kontakte entstanden zu einem Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer bereits seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Der Beschwerdeführer bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er leistete im Zeitraum von September 2016 bis Juni 2018 bei der damaligen Heimatgemeinde gemeinnützige Tätigkeiten und arbeitete zuletzt auch ehrenamtlich in einem Kindergarten.

Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf Niveau A2 und besucht weitere Deutschkurse für Niveau B1. Eine einfache Unterhaltung auf Deutsch ist möglich.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2.    Zum Fluchtvorbringen

Der Beschwerdeführer wuchs in Iran als schiitischer Muslim auf. Er wandte sich in Iran nicht dem Christentum zu und missionierte nicht. Dem Beschwerdeführer wird dies auch nicht von iranischen Behörden oder Privatpersonen unterstellt.

In Österreich kam der Beschwerdeführer durch seinen Bruder erstmals mit dem christlichen Glauben im Jahr 2016 in Kontakt und wurde nach einem Besuch eines ca. einjährigen Taufvorbereitungskurses am 08.12.2017 gemeinsam mit seiner Familie getauft (römisch-katholisch). Der Beschwerdeführer besuchte von 2016 bis 2019 regelmäßig die Gottesdienste in der Pfarre in XXXX und half freiwillig bei diversen Aufräum- und Reinigungstätigkeiten oder Festvorbereitungen mit. Zuletzt war er Ende November 2019 in einem Gottesdienst. Der Beschwerdeführer meldete seinen Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Der Beschwerdeführer verfügt über kein tiefergehendes Wissen zum Christentum und zum katholischen Glauben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht aus einem inneren Entschluss zum Christentum konvertiert ist und die christliche Glaubensüberzeugung aktuell nicht derart ernsthaft ist, sodass sie Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers wurde. Es wird davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen wird.

Die iranischen Behörden wissen von den oben festgestellten christlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich nicht Bescheid. Von den Verwandten des Beschwerdeführers, die davon wissen, geht keine Bedrohung aus.

Dem Beschwerdeführer droht in Iran keine Verfolgung aufgrund des Todes des Vaters bzw. der Verhaftung des Freundes der Schwester.

Dem Beschwerdeführer droht in Iran keine Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit.

Der Beschwerdeführer brachte keine weiteren Gründe, warum er eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.

1.3.     Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 19. Juni 2020 (LIB 2020) ergibt sich wie folgt:

Zur Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.

Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (4.5.2020b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 4.5.2020

?        EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 4.5.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 4.5.2020

Zu Apostasie und Konversion

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).

Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).

Zu Grundversorgung und Rückkehr:

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020). Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. (AA 26.2.2020)

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 20.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

?        AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020

?        BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

?        DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 20.4.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 20.4.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 20.4.2020

?        Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 20.4.2020

?        US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html, Zugriff 20.4.2020

Aus dem Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019) ergibt sich wie folgt:

Ein Mitglied einer Hauskirche, das Mission betreibt, an christlichen Konferenzen außerhalb Irans teilnimmt, sich möglicherweise auch im Besitz christlicher Materialen befindet und insofern in den Fokus der Ordnungskräfte oder Geheimdienste geraten kann, wird bestenfalls vernommen und verwarnt. Es kann aber auch zu einer Festnahme mit anschließendem Strafverfahren führen. Das Ziel der vorgenannten Sicherheitskräfte ist nicht die Privatperson, sondern die Hauskirche als Organisation und die aktiv missionierenden Führungspersonen. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall eines Konvertiten bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hat. Mitglieder von Hauskirchen, die nicht der Leitung der Gemeinschaft zugerechnet werden, werden oftmals nach einer zweitägigen Haft und verschiedenen Vernehmungen, in deren Verlauf sie zu der Organisation der Hauskirche und eventuellen noch nicht bekannten Mitgliedern befragt werden, wieder auf freien Fuß gesetzt. (S 8f.)

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet (S 11).

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (EV) sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VH), der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran vom 19. Juni 2020 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019), die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente (insb. Iranischer Personalausweis; Taufschein vom 08.12.2017; Bestätigung über den Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft vom 10.07.2018, Bestätigung über ehrenamtliches Engagement in der Gemeinde und im Kindergarten, Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs, bestandenes ÖSD-Deutschzertifikat A2 vom 17.11.2017), die schriftliche Stellungnahme des ehemals zuständigen Pfarrers vom 13.07.2020, der GVS-Auszug und die Strafregisterabfrage.

2.2.    Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1.  Zur Person des Beschwerdeführers

Aufgrund des beim BFA vorgelegten unbedenklichen Personendokuments (Iranischer Personalausweis) steht die Identität des Beschwerdeführers fest. Dies hat auch das BFA seiner Entscheidung unterstellt.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den Beschwerdeführer – betreffend weitere Personenmerkmale (Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) sowie seine Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, und war der Beschwerdeführer diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig.

Die Feststellung zur Ausreise und illegalen Einreise ergeben sich aus den Ausführungen des Beschwerdeführers (vgl. EV, S. 4 f).

Die Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich, seinen Deutschkenntnissen und seiner Integration ergeben sich aus den vorgelegten, unstrittigen Dokumenten (Deutschkursbestätigungen, Teilnahmebestätigung für einen Werte- und Orientierungskurs, Bestätigungen über ehrenamtliche Tätigkeiten) und der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung. Auch konnte sich das Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung ein aktuelles Bild von den in Grundzügen vorhandenen Deutschkenntnissen machen. Der Beschwerdeführer konnte die Frage über seinen Alltag in Österreich auf Deutsch mit mehreren Sätzen beantworten (vgl. VH, S. 14).

2.2.2.  Zum Fluchtvorbringen

2.2.2.1. Zu den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Vorfällen und seine Situation in Iran

Der Beschwerdeführer brachte insbesondere im Zuge des behördlichen Verfahrens als primär fluchtauslösenden Grund vor, dass sein Vater seine Schwester zu einer Heirat mit einem deutlich älteren Mann habe zwingen wollen und sein Vater im Zuge eines Streits vom Freund und „Verehrer“ der Schwester mit einem Messer getötet worden sei. Fortan sei der Beschwerdeführer von der Familie des Vaters und der Familie des angeblichen Täters bedroht worden, weil der Täter im Gefängnis sei und diesem die Todesstrafe drohe (vgl. EB, S. 9; EV, S. 6; VH, S. 10). Die belangte Behörde führte im Wesentlichen ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und kam bereits zu dem Schluss, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte sich die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens und ist dazu näher auszuführen wie folgt:

Einerseits war das Vorbringen zu vage, wenig detailreich und sehr allgemein gehalten. Details konnten erst auf konkrete Nachfragen erkundet werden, die wiederum auch Widersprüche aufzeigten. So besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen den zeitlichen Angaben zu dem geschilderten Vorfall. Der Beschwerdeführer gab bei der Einvernahme vor der belangten Behörde im Jahr 2018 an, dass sein Vater vor zehn Jahren getötet worden sei (vgl. EV, S. 8). Im Unterschied dazu antwortete er auf die Frage des erkennenden Gerichts, in welchem Jahr dieser vorhin geschilderte Vorfall der Ermordung gewesen sei, dass es ein Jahr bevor er nach Österreich gekommen ist, gewesen sei; das war vor ca. neun Jahren (vgl. VH, S. 11). Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2015 nach Österreich ein und sohin wäre der Vater nach diesen Angaben im Jahr 2014 getötet worden. Dies steht im Widerspruch zu dem Nachsatz, es sei vor neun Jahren gewesen, denn das wäre demnach das Jahr 2011 und stimmt wiederum nicht mit den in der Einvernahme angegebenen zehn Jahren überein (die Ermordung wäre demnach im Jahr 2008 gewesen). Vage ist etwa die Angabe, dass der Onkel öfter gedroht habe – sogar mit dem Tod, die Familie aber dennoch nicht ausgereist sei (AS 92).

Auffallend ist auch, dass alle Bedrohungen nach Angaben des Beschwerdeführers indirekt erfolgt seien – über Erzählungen der Mutter bzw. sei der Beschwerdeführer nicht anwesend gewesen – und deutet das darauf hin, dass es sich um ein konstruiertes Fluchtvorbringen handelt. Die mangelnden eigenständigen Wahrnehmungen erlauben letztendlich eine vage Erzählweise; Das Vorbringen gründet auf Vermutungen (vgl. VH, S. 11: „RI: Haben Sie noch Familie in Iran? BF: Ja. RI: Ist denen je etwas passiert? Wurde nach ihnen gefragt? BF: Ich bin noch mit einer Tante und einem Onkel ms in Kontakt. Sogar, wenn ich jetzt hier lebe, bin ich auch in Gefahr, weil die Onkel vs versuchen uns zu finden, weil sie böse sind, weil ihr Bruder gestorben ist. RI: Können Sie das konkretisieren? BF: Weil die Onkel versuchen zu recherchieren. Sie sagen, egal, wo wir sind, sie werden uns finden und uns töten.“). Eine konkrete Bedrohung – in Hinblick auf einen ca. 10 Jahre zurückliegenden Vorfall – konnte der Beschwerdeführer damit nicht erklären oder mit einem konkreten Erlebnis begründen, sondern gab er eine allgemein gehaltene Bedrohung an. Gleichfalls vage sind die Angaben betreffend eine Verfolgung durch die Verwandten des Verehrers der Schwester. In der mündlichen Verhandlung wurde diese angebliche Bedrohung lediglich behauptet und in keinster Weise konkreter ausgeführt (VH, S. 11).

Eine weitere Version des Vorfalls findet sich in der vorgelegten Beschwerde. Darin wird eine aktuelle Bedrohung damit begründet, dass es sechs Jahre nach der Tötung des Vaters zu einem Gerichtsurteil gekommen sei und eine Versöhnung zwischen Täter und Opfer die Vollstreckung des Todesurteils hintanhalten könnte (vgl. Beschwerde, S. 5). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer diese Verurteilung auch nach konkreter Nachfrage vor dem BFA nicht angegeben hat (vgl. EV, S. 8). In der mündlichen Verhandlung erwähnte der Beschwerdeführer eine mögliche Hinrichtung der zwei verurteilten Täter hingegen nicht und verneinte sogar ein Agieren der Polizei. (vgl. VH, S. 11: „RI: Haben Sie sich irgendwie an die Polizei gewandt wegen diesem Vorfall? BF: Ja, wir waren einige Male bei der Polizei und haben uns beschwert. Wir haben aber keine Ergebnisse erzielen können.“).

Der Frage, ob bei Verwandten in Iran nach ihm gefragt worden sei, wich der Beschwerdeführer aus; auch ist in der Verhandlung nicht hervorgekommen, dass diesen etwas passiert wäre (VH, S. 11). Der Beschwerdeführer schweifte vielmehr sofort ab, um in gesteigerter, aber trotz Nachfrage bloß vager Form festzuhalten, dass er hier in Gefahr sei.

Insgesamt war das Vorbringen zu den vorgebrachten Vorfällen in Iran sehr vage, allgemein, widersprüchlich, nicht nachvollziehbar und deshalb für das erkennende Gericht nicht glaubwürdig.

Eine Beschäftigung mit dem Christentum oder gar Hinwendung zu dieser Religion bereits in Iran wurde vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht und verneinte er auch, diesbezüglich Probleme in Iran gehabt zu haben (AS 89).

Auch eine Bedrohung und Verfolgung aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers ist zu verneinen. Zwar brachte er Diskriminierungen in der Schule und am Arbeitsmarkt vor, aber eine Verfolgung als Kurde verneinte der Beschwerdeführer ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung (VH, S. 12).

2.2.2.2. Zu den vom Beschwerdeführer in Österreich in Bezug auf das Christentum gesetzten Aktivitäten

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260 unter Bezugnahme auf VfGH 27.02.2018, E 2958/2017).

Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Feststellungen zu den christlich-religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich aus den von ihm vorgelegten Bestätigungen (Taufschein vom 08.12.2017; Bestätigung über den Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft und der schriftlichen Stellungnahme des Pfarrers) sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Der den Beschwerdeführer betreuende Pfarrer wurde vom Gericht geladen, krankheitsbedingt kann er aber nicht einvernommen werden und gab folglich eine schriftliche Stellungnahme ab. Aus dieser geht hervor, dass der Beschwerdeführer seit einiger Zeit in Linz sei.

Einleitend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer erst in Österreich mit dem Christentum – konkret mit der katholischen Kirche – in Kontakt kam (vgl. EV, S.10; VH, S. 5). Nach seiner Ankunft in Österreich habe er durch seinen Bruder das Christentum kennengelernt. Nachdem er die Bibel gelesen habe und in die Kirche gekommen sei, habe er sich komplett vom Islam abgewandt. (vgl. VH, S. 5). Zweifelsfrei ist, dass der Beschwerdeführer am 08.12.2017 getauft wurde.

Die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht diente insbesondere dazu, einen Eindruck vom persönlichen Empfinden des Beschwerdeführers zu seiner neuen Religion zu gewinnen. Gerade darin konnte der Beschwerdeführer aber keinen emotionalen Bezug glaubwürdig darlegen. Die Erzählweise war knapp, wenig lebendig in der Ausdrucksweise und erschöpfte sich in Stehsätzen, welche dem erkennenden Gericht aus vergleichbaren Verfahren nahezu wortgleich bekannt sind. Warum der Beschwerdeführer Christ werden wollte und nicht mehr dem Islam angehören wollte, konnte er weder in der mündlichen Verhandlung noch vor der belangten Behörde tiefergehend und nachvollziehbar erklären. Die Ausführungen, dass das Christentum der „beste Weg ist, um Gott zu finden, Christus die einzige Person war, die sich von Krieg und Gewalt distanzierte und weil im Islam Sünde, Blutvergießen und Mord vorhanden waren“ (vgl. VH, S. 5) waren allgemeiner Natur und bekannte Stehsätze. Stereotyp gab er auch etwa an, dass er jetzt die innere Ruhe habe und innerlich zufrieden geworden sei (vgl. EV, S. 10; VH, S. 5).

Eine eigeninitiative und persönliche Auseinandersetzung mit dem neuen Glauben wurde damit nicht nachvollziehbar und ist gerade nicht ein aus eigenem entstandenes Interesse an einem neuen Glauben dargelegt worden.

Auch die Ausführungen betreffend seine Wesensänderung waren weniger auf das Christentum zurückzuführen bzw. waren sie sehr floskelhaft, wenn er etwa angab, den richtigen Weg des Lebens gefunden zu haben bzw. dass er das Gefühl habe, dass seine Sünden alle gereinigt seien (VH, S. 10).

Ein schwerwiegendes Argument, welches gegen eine ernsthafte Hinwendung zum Christentum spricht, ist der Umstand, dass der Beschwerdeführer zuletzt im November 2019 einen Gottesdienst besuchte. Der Beschwerdeführer begründete dies mit der Übersiedlung nach Linz und den durch die COVID-19 Pandemie bedingten Ausgangsbeschränkungen. Seitdem warte er auf einen Anruf, wann es möglich wäre, dass er wieder in die Kirche gehen könne (VH, S. 9-10). Zum einen ist es keinesfalls nachvollziehbar – vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer angab, dass die christliche Religion in seinem Leben das Wichtigste sei –, dass der Beschwerdeführer seit November 2019 keinen Gottesdienst besuchte, obwohl im Dezember und Jänner viele katholische Feste und Feiertage stattfanden (insb. Weihnachten). Auch das COVID-19 Virus wurde erst Ende Februar / März in Österreich „bewusst“. Die Begründung, auf einen Anruf zu warten, ist lebensfern; auch kann man seit Juni 2020 grundsätzlich wieder Messen besuchen. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer nicht versucht, allenfalls andere Kirchen / Messen aufzusuchen, um seinen Glauben zu praktizieren.

Es ist insgesamt nicht hervorgekommen, dass das Praktizieren des Glaubens innerhalb einer Gemeinschaft, was auch eine christliche Lebensweise kennzeichnet, für den Beschwerdeführer zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Glaubensausübung wurde. Die Ausführungen zu seinem Gebetsverhalten waren sehr allgemein gehalten und nicht individuell oder detaillierter geschildert.

In Bezug auf die in der mündlichen Verhandlung gestellten Wissensfragen zum Christentum und zu der vom Beschwerdeführer gewählten Glaubensrichtung verlangt das Bundesverwaltungsgericht bewusst keine tiefgehenden, theologisch-wissenschaftlichen Kenntnisse und soll diesem Aspekt kein überzogenes Gewicht beigemessen werden. Von einer Person, welche sich im Erwachsenenalter und unter Kenntnis der grundsätzlichen Gefahrenlage, die eine Konversion für sie und ihre Familie mit sich bringen kann, bewusst für einen neuen Glauben entscheidet, kann aber verlangt werden, dass sie sich mit den Wesensmerkmalen dieses Glaubens auseinandergesetzt hat und über ein entsprechendes Grundwissen zum Christentum sowie der gewählten Glaubensrichtung verfügt. Schließlich handelt es sich bei einer Konversion um den Beitritt zu einer anderen Glaubensgemeinschaft, welche auf einer religiösen Lehre mit spezifischen Geboten bzw. Verboten und Praktiken basiert, und nicht lediglich um einen Lebenswandel hin zu einem „besseren“ Lebensgefühl, welches auch unabhängig vom Beitritt zu einer Religionsgemeinschaft erreicht werden kann. Folglich sollte ein Konvertit nachvollziehbar sowohl die persönlich-individuelle Ebene des Konversionsprozesses beschreiben als auch die Charakteristika der neuen Religion in objektiver Hinsicht anführen können. Das Bundesverwaltungsgericht hat bei den Wissensfragen als Maßstab die Glaubensinhalte jener Religionsgemeinschaft herangezogen, der der Beschwerdeführer angehört (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0350).

Von einem Konvertiten kann verlangt werden, dass er zumindest (und auch bloß oder gerade mit eigenen Worten) die wichtigsten Feiertage seiner neuen Religion beschreiben und erklären kann, andernfalls nicht nachvollziehbar ist, woran er nun glaubt. Der Beschwerdeführer reagierte auf die Frage, wie er Ostern gefeiert habe, ausweichend und konnte dieses Fest auch auf Nachfrage gar nicht beschreiben. Zumal Ostern mit der Auferstehung von Jesus Christus als wichtigstes Fest der Katholiken gilt und keine schwierige Frage ist, kann die Beantwortung zumindest in Grundzügen von einem Konvertiten verlangt werden (vgl. VH, S.9). Die Kenntnis von Ostern – auch in der Einvernahme vor dem BFA nicht beantwortet – gehört zum Grundwissen und sollte durch die Gottesdienstteilnahmen in den vergangenen Jahren zumindest praktisch miterlebt worden sein und sohin für den Beschwerdeführer keine schwierige Frage darstellen. Aufgrund des in der Verhandlung offenkundig gewordenen mangelnden Wissens zum Christentum ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer noch nicht tiefergehend mit dem Christentum auseinandergesetzt hat.

Im Ergebnis ist bei einer Gesamtbetrachtung aller Beweismittel und insbesondere aufgrund der Einvernahme des Beschwerdeführers eine ernsthafte und innere Glaubensüberzeugung in Bezug auf das Christentum nicht ableitbar. Der Beschwerdeführer hat sich im Zusammenhang mit der Ausübung seines Glaubens auf außenwirksame Akte (Taufe, Austrittserklärung und früher auch Gottesdienstbesuche) beschränkt, lässt aber eine tatsächliche, tiefergehende Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten im Sinne einer nachhaltigen, persönlichen Hinwendung vermissen, sodass in weiterer Folge auch nicht von der Weitergabe von Glaubensinhalten und dem Verbreiten der christlichen Glaubenslehre ausgegangen werden kann. Dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Iran missionieren würde erscheint aber auch aufgrund des erst in Ansätzen vorhandenen Wissens und mangels persönlicher Identifikation mit dem christlichen Glauben ausgeschlossen. Zu den in der mündlichen Verhandlung bloß vage und ansatzweise vorgebrachten social media Aktivitäten liegen dem Bundesverwaltungsgericht keine hinreichenden Unterlagen vor, welche ein tatsächlich aktives, christlich missionarisches Verhalten des Beschwerdeführers nahelegen würden.

Dass Privatpersonen in Iran mit den christlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich ein ernsthaftes Problem haben, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer keine weiteren Fluchtgründe vorbrachte, ergibt sich aus seiner Einvernahme, wo er von sich aus keine weiteren Gründe nannte, welche asylrelevant wären. Die Fragen, ob er Probleme wegen seiner politischen Gesinnung, Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion in Iran gehabt habe, verneinte er (EV, S. 6).

2.2.3.  Zur Situation in Iran

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den unter Punkt 1.3. genannten Länderberichten samt den darin zitierten Quellen. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Verfahrensparteien im Rahmen der Ladung und in der mündlichen Verhandlung mit, welche Berichte es beabsichtigt, der Entscheidung zugrunde zu legen, und bot die Möglichkeit zur Einsicht- und Stellungnahme an. Den Länderberichten wurde nicht entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten)

3.1.1.  Rechtsgrundlagen

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen;“

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. etwa VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274). Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230; 23.01.2019, Ra 2018/19/0453 und Ra 2018/19/0260). Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob der Fremde schon im Iran mit dem Christentum in Berührung gekommen ist (vgl. VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675); ebenso wenig, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist (VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230). Die Behauptung eines „Interesses am Christentum“ reicht zur Darlegung einer inneren Glaubensüberzeugung nicht aus (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0453).

In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230; 07.05.2018, Ra 2018/20/0186). Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergehende Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0455).

Aus Art. 10 Abs. 1 lit. b RL 2011/95/EU (Statusrichtlinie) folgt, dass die Ausübung einer Glaubensüberzeugung nicht auf das sog. „forum internum“ beschränkt werden darf, sondern vielmehr auch der öffentliche Bereich umfasst ist.

3.1.2.  Im gegenständlichen Fall wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht aus einem inneren Entschluss zum Christentum konvertiert ist. Weder kam der Beschwerdeführer bereits in Iran mit dem Christentum in Kontakt, noch führt er in Österreich aus innerer Glaubensüberzeugung ein Leben als Christ oder ist ernsthaft missionarisch tätig. Auch das ursprüngliche Fluchtvorbringen im Zusammenhang mit dem Tod des Vaters war nicht glaubwürdig.

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, war der Beschwerdeführer in Bezug auf den vorgebrachten (Nach-)fluchtgrund persönlich unglaubwürdig. Mangels hinreichenden Wissens über die neue Religion sowie schlüssiger Darlegung der Motivation für den Glaubenswechsel kann eine ernsthafte und innere Glaubensüberzeugung nicht angenommen werden. Hinzu kommt, dass die vorgebrachte Verfolgungsgefahr aktuell auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht objektivierbar ist, weil die vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten christlichen Aktivitäten nicht mit der erforderlich maßgeblichen Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung in Iran auslösen. Verfolgungsgefahr setzt in der Regel voraus, dass zur Apostasie weitere Umstände hinzutreten, z. B. missionarische Aktivitäten oder Organisation von Hauskirchen. Derartige exponierte Tätigkeiten hatte der Beschwerdeführer jedoch nicht verrichtet und kann aus dem mangelnden Wissen über das Christentum auch keine missionarische Tätigkeit angenommen werden. Die Rückkehr nach Iran ist außerdem kein Problem, wenn der (konvertierte) Rückkehrer den Behörden bei seiner Ausreise noch nicht bekannt war. Ein Rückkehrer, der vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgt werden. Selbst eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook würde allein nicht zu einer Verfolgung führen. Außerdem können Konvertiten problemlos zum Islam zurückkehren. Dazu genügt es, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen.

Im gegenständlichen Fall ist das christliche Interesse des Beschwerdeführers innerhalb dessen Familie bekannt und wurde auch auf „Instagram“ publik. Doch ist vor dem Hintergrund der festgestellten Situation in Iran eine asylrelevante Verfolgung durch staatliche Akteure nicht plausibel, weil keine weiteren Umstände oder exponierte Tätigkeiten bezüglich der Konversion hinzutraten. Selbst für den Fall, dass Behörden in Iran von den bislang gesetzten Aktivitäten Kenntnis erlangen, ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer daraus asylrelevante Verfolgung durch staatliche Akteure droht, weil es sich bei dem Beschwerdeführer nicht um eine Person handelt, die eine gehobene Position in der christlichen Gemeinde einnimmt oder missionarische Akti

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten