Entscheidungsdatum
15.09.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W119 2185107-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA: Afghanistan, vertreten durch ihre Mutter XXXX , vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. 12. 2017, ZL 1093006509/151665658/BMI-BFA_STM_AST, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005, der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die durch ihre Mutter vertretene minderjährige Beschwerdeführerin stellte gemeinsam mit ihren Eltern (Zlen W119 2185099 und W119 2185096) und ihrem minderjährigen Bruder (Zl W119 2185049) am 30. 10. 2015 jeweils Anträge auf internationalen Schutz. Für ihren in Österreich nachgeborenen Bruder wurde am 27. 12. 2016 ein solcher Antrag gestellt. Ihre mitgereiste Großmutter sowie ihre Tante stellten ebenso Anträge auf internationalen Schutz.
Anlässlich der am 1. 11. 2015 durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG führte die Mutter der Beschwerdeführerin zunächst aus, im Iran geboren zu sein und der tadschikischen Volksgruppe anzugehören. Sie habe fünf Jahre die Grundschule besucht. Zu ihrem Fluchtgrund führte sie aus, dass sie und ihre Familie im Iran keine Dokumente besessen hätten, sodass ihre Kinder keine reguläre Schule hätten besuchen können. Um ihren Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen, hätten sie und ihre Familie den Iran verlassen.
Die Mutter der Beschwerdeführerin wurde am 11. 10. 2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Dort gab sie eingangs an, dass ihr Vater in Afghanistan ein Mujahed gewesen sei und deshalb mit ihrer Mutter Afghanistan verlassen und sich im Iran niedergelassen habe. Sie habe nach ihrem fünfjährigen Schulbesuch im Haus gearbeitet, nach ihrer Eheschließung sei die Hausfrau gewesen. Auf die Frage, warum sie nicht nach Afghanistan zurückkehren könne, gab sie an, dass sie keine Kenntnis über dieses Land habe. Sie interessiere sich für das Christentum, sie wolle konvertieren. Konvertierte Personen könnten jedoch in Afghanistan nicht leben. Zudem habe sie gehört, dass in Afghanistan eine Frau ohne männliche Begleitung das Haus nicht verlassen dürfe. Es sei auch nicht vorgesehen, dass Frauen wählen und eine Ausbildung machen dürften.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 29. 12. 2017, ZL 1093006509/151665658/BMI-BFA_STM_AST, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.)
Mit Verfahrensanordnung vom 28. 12. 2017 wurde der Beschwerdeführerin die ARGE-Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberaterin zur Seite gestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsberater mit Schriftsatz vom 26. 1. 2018 Beschwerde.
Am 24. 8. 2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, an der sich die Eltern der Beschwerdeführerin beteiligten. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die minderjährige Beschwerdeführerin ist afghanische Staatsangehörige und am XXXX geboren. Sie stellte am 30. 10. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um die minderjährige Tochter der XXXX , der mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl W119 2185096, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und der damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Die Beschwerdeführerin gehört als ihre minderjährige Tochter der Familie an und liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den Angaben der Mutter der Beschwerdeführerin im Verfahren sowie aus den damit übereinstimmenden Akteninhalten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).
§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
A)
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 leg. cit. von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 normiert, dass die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen hat, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art 3 Z13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus anhängig ist (§ 7).
Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
Im vorliegenden Fall wurde der Mutter der Beschwerdeführerin gemäß § 3 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der minderjährigen Beschwerdeführerin ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, d.h. der Status der Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).
B)
Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Schlagworte
Asylgewährung von Familienangehörigen FamilienverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W119.2185107.1.00Im RIS seit
30.11.2020Zuletzt aktualisiert am
30.11.2020