TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/16 94/05/0043

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Veröffentlicht am 16.09.1997
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Index

L85002 Straßen Kärnten;
10/10 Grundrechte;

Norm

LStG Krnt 1991 §2 Abs1;
LStG Krnt 1991 §2 Abs2;
LStG Krnt 1991 §3 Abs2;
LStG Krnt 1991 §58;
StGG Art5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Agostino Scarpa fu Giuseppe in Villach, vertreten durch Dr. Johann Quendler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Bahnhofstraße 5, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 12. Jänner 1994, Zl. 3-Gem-76/6/93, betreffend Feststellung der Öffentlichkeit eines Weges (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Trebesing, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der Gemeinde Trebesing in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 10. September 1992 stellte die Straßenverwaltung der mitbeteiligten Gemeinde an den Bürgermeister den Antrag, den Verbindungsweg "Radlgrabenweg", der über das der beschwerdeführenden OHG gehörige Grundstück Nr. 1158 führt, in diesem Bereich für öffentlich zu erklären. Jener Weg, der durch eine Verordnung des Gemeinderates (aus 1954) zu einem Verbindungsweg (damals: Einschichtweg) erklärt worden sei, verlaufe seit Jahrzehnten über dieselbe Trasse, werde von einer Vielzahl von Personen genützt und es sei diese Benützung keinerlei Beschränkungen unterworfen. Es liege daher eine stillschweigende Widmung gemäß § 2 lit. b Kärntner Straßengesetz vor.

Im (offenbar mit dem Antrag vorgelegten) Wegeverzeichnis der Ortsgemeinde Trebesing, welches auf einem Beschluß des Gemeinderates vom 18. September 1954 über die Kategorisierung der Gemeinde, Ortschafts- und Einschichtwege beruht, wird der Radlgraben wie folgt beschrieben:

"Wegparzelle 1074, führt ab Schmölz (Wirnsberger) linksufrig bis zur Eveleitenbrücke, dann rechtsufrig bis zur Steinerkendelbrücke, weiter bis zur Großaubrücke linksufrig, dann bis zu den Trebesinger Hütten (Jagdhaus) rechtsufrig und im weiteren Verlauf linksufrig zur Woger Hütte und Ruthaler Hütte."

Zur daraufhin anberaumten Verhandlung wurde die Beschwerdeführerin geladen; die Zustellung erfolgte durch Hinterlegung.

Die Verhandlung vom 9. Oktober 1992, bei der die Beschwerdeführerin nicht vertreten war, fand an Ort und Stelle statt. Die Zeugen B.W., W.K., J.B., W.W. und S.W. wurden befragt, wie lange die derzeit in der Natur vorhandene Trasse auf der Parzelle 1158 bestehe und ob irgendwelche Beschränkungen durch den Grundeigentümer (auch insoferne, daß nur eine Duldung gegen jederzeitigen Widerruf gegeben sei) bekannt seien. Die Zeugen gaben an, daß seit einem Hochwasser im Jahre 1946 und der dadurch erforderlichen Neuerrichtung einer Brücke im Jahre 1947 keine Trassenänderung erfolgt und die Wegbenützung niemals in irgendeiner Weise beschränkt worden sei.

Der Vertreter der Antragstellerin führte aus, das Wegstück diene ca. 120 Mitgliedern von juristischen Personen sowie ca. 40 weiteren Grundstückseigentümern als einziger befahrbarer Zuweg zu ihren Wald- und Almparzellen.

Im sodann erlassenen Bescheid des Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Oktober 1992 wurde antragsgemäß festgestellt:

"Jenes Teilstück des in der Natur bereits bestehenden Radlgrabenweges, welches über die Parzelle Nr. 1158 KG Trebesing verläuft, wird auf seine gesamte Länge von 260 lfm und in der Breite von vier Metern als öffentliche Straße festgestellt. Der Verlauf dieser öffentlichen Straße ist der beigelegten Lageplanskizze der Gemeinde Trebesing, vom 20. Oktober 1992, zu entnehmen. Diese Lageplanskizze bildet einen integrierenden Bestandteil des Bescheides."

Die dagegen erstattete Berufung der Beschwerdeführerin wies der Gemeindevorstand als unbegründet ab. Die belangte Behörde gab der dagegen erhobenen Vorstellung Folge und hob den Berufungsbescheid auf, weil die Hinterlegung der Ladung zur Verhandlung vom 9. Oktober 1992 nicht dem § 17 Abs. 3 Zustellgesetz entsprochen habe (Ortsabwesenheit des Empfängers).

In der Ladung zu der daraufhin vom Gemeindevorstand anberaumten Verhandlung findet sich folgender Hinweis: "Sie können in folgende Pläne und sonstige Behelfe Einsicht nehmen:

Antrag auf Öffentlicherklärung, Verhandlungsniederschrift vom 9. Oktober 1992."

Bei der Verhandlung vom 29. Juli 1993 war die Beschwerdeführerin vertreten. Eingangs des Protokolles heißt es:

"Nach Vornahme des Ortsaugenscheines an Ort und Stelle (Parzelle Nr. 1158 KG Trebesing) unter Anwesenheit aller Beteiligten und kurzer Erläuterung des Gegenstandes der mündlichen Verhandlung durch den Verhandlungsleiter unter Hinweis auf die am 9. Oktober 1992 stattgefundene mündliche Verhandlung werden im Gemeindeamt Trebesing folgende

Erklärungen abgegeben:

Verhandlungsleiter:

Das Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 9. Oktober 1992 wurde allen Beteiligten gleichzeitig mit der Ladung zu dieser Verhandlung bereits zur Kenntnis gebracht. Die Straßenverwaltung hat als Antragsteller des Verfahrens auf die Rechtsbelehrung nach § 13a AVG verzichtet. Die Firma Scarpa ist durch einen Rechtsanwalt vertreten. An den Grundstücksgrenzen stehen seit 29. Juni 1993 (Parz. 1158 KG Trebesing) Fahrverbotstafeln mit der Aufschrift "Forststraße"."

Die Beschwerdeführerin brachte bei dieser Verhandlung vor, es liege von ihrer Seite keine Bewilligung zur unabhängigen Benützung des gegenständlichen Wegstückes vor, sondern sie habe bloß prekaristisch einem klar begrenzten Personenkreis, nämlich bestimmten Anrainern, die Wegbenutzung bis auf Widerruf gestattet. Ein Recht zur Benützung stehe und stand diesen rund 60 Personen nicht zu. Es bestehe auch kein allgemeines dringendes Verkehrsbedürfnis, weil nur zu einigen wenigen Parzellen über das gegenständliche Wegstück zugefahren werden könne. Insbesondere stelle das Wegstück keine Zufahrt zu einer bewohnten Siedlung dar, sondern erschließe lediglich eine Reihe von Wald- und Almgrundstücken. Von den Berechtigten werde der Weg bloß fallweise für Bringungs- und ähnliche Fahrten benützt. Die Benützung als Wanderweg sei (nur) nach den Bestimmungen des Forstgesetzes zulässig. Dies könne und wolle die Beschwerdeführerin nicht verhindern, weshalb eine Öffentlicherklärung zur Ermöglichung des Wanderns nicht erforderlich sei. Allenfalls liege eine Forststraße im Sinne des Forstgesetzes vor und dürfe nur eine Benützung unter den Prämissen des Forstgesetzes erfolgen. Eine Forststraße sei jedoch stets nichtöffentlich, sodaß eine stillweigende Widmung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des Kärntner Straßengesetzes ausgeschlossen sei. Der ursprüngliche Weg sei auf einer anderen als der heute in der Natur ersichtlichen Trasse verlaufen. Anläßlich der Hochwässer 1967, 1974, 1978 und 1990 sei der Weg beschädigt und teilweise weggeschwemmt worden und sei die Neuerrichtung jeweils auf einer anderen Trasse erfolgt. Im westlichen Bereich der Parzelle 1158 sei der Weg wesentlich weiter nördlich verlaufen. Aufgrund dieser ständigen Veränderungen liege keine Identität innerhalb der Dreißigjahresfrist vor. Das Wegstück stehe im Eigentum der Beschwerdeführerin; durch die Öffentlicherklärung eines in der Natur bereits bestehenden privaten Weges werde in gesetzwidriger Weise Gemeingebrauch begründet.

Der bei der Verhandlung von der Beschwerdeführerin stellig gemachte Zeuge Ing. F.K. bestätigte dieses Vorbringen vollinhaltlich. F.K. war seit 1973 im Auftrag der Beschwerdeführerin als Forstschutzorgan bzw. Revierleiter tätig.

Der Vertreter der Antragstellerin verwies auf die Kategorisierungsverordnung des Jahres 1954, welche öffentlich kundgemacht und der Beschwerdeführerin nachweislich zugestellt worden sei. Seit damals habe die Beschwerdeführerin niemals einen Einwand erhoben, wonach das ihr gehörige Wegstück als Teil des Einschichtweges kategorisiert und ausgewiesen wurde. Durch die Zeugenaussagen bei der Verhandlung vom 9. Oktober 1992 sei die Darstellung, daß die Benützung nur gegen jederzeitigen Widerruf erfolge, widerlegt. Nur durch den gegenständlichen Weg könne eine Fläche von ca. 20 km2 erschlossen werden. Einzelne Hütten seien im Sommer bewirtschaftet; weiters diene der Weg den Mitgliedern zweier Jagdgesellschaften als Zufahrtsweg zu ihren Revieren und den Ausgangspunkten zu Jägernotwegen. Wegen der Kategorisierung im Jahre 1954 sei die Anwendung forstrechtlicher Bestimmungen auf dieses Wegstück ausgeschlossen. Der Zeuge K gab demgegenüber an, daß es nicht 120, sondern nur 67 Nachbarschaftsmitglieder gäbe. Die Bewirtschaftung der beiden Hütten werde in der Zeit von Juli bis Mitte September durchgeführt. Es gäbe keine Jägernotwege.

Mit Bescheid vom 16. August 1993 wies der Gemeinderat die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 21. Oktober 1992 als unbegründet ab. Durch die neuerliche mündliche Verhandlung, bei der die Beschwerdeführerin vertreten gewesen sei, seien die Mängel des Verfahrens erster Instanz saniert worden.

Festgestellt wurde in diesem Bescheid, daß 42 natürliche Personen Besitzungen im hinteren Radlgraben haben und daß der Weg für sie der einzige Zufahrtsweg zu ihren Grundstücken sei. Weiters hätten sechs juristische Personen (Gemeinschaftsbesitzungen und Agrargemeinschaften) Besitz im hinteren Radlgraben und auch deren einzige Zufahrtsmöglichkeit führe über jene Wegparzelle. Die Agrargemeinschaftnachbarschaft Trebesing habe laut Grundbuchsbeschluß vom 20. September 1991 60 Mitglieder, die Agrargemeinschaftnachbarschaft Radl 64 Mitglieder, die Agrargemeinschaft W.B. 18 Mitglieder, die kleineren Agrargemeinschaften hätten je zwei bis vier Mitglieder. Daraus ergebe sich ein Gesamtmitgliederstand von weit über 140 Personen, deren einziger Zufahrtsweg zu ihren Grundstücken über das Wegstück auf der Parzelle Nr. 1158 verlaufe. Auch diene der Radlgrabenweg als Zufahrt zu den Jagdrevieren der Jagdgesellschaften, die einen Gesamtmitgliederstand von 37 Personen aufgrund vorgelegter Mitgliederlisten aufwiesen. Weiters hätten Personen auf den Almen des Radlgrabens ein Weiderecht, für dessen Ausübung sie den gegenständlichen Weg benützten. Schließlich fänden im hinteren Radlgraben periodisch Sport- und sonstige Veranstaltungen statt. Der Radlgrabenweg und somit auch das gegenständliche Wegstück würde seit Jahrzehnten als Teil eines Wanderweges von Touristen genützt werden. Es würden mindestens 20 km2 Almen und Waldgrundstücke erschlossen; auch wenn keine ständig bewohnten Siedlungen erschlossen würden, ergebe sich daraus, daß der Radlgrabenweg der einzige Zufahrtsweg zu diesen Besitzungen sei, ein dringendes Verkehrsbedürfnis. Wegen der im Sommer bewirtschafteten Almhütten müsse das Wegstück täglich befahren werden.

In ihrer Beweiswürdigung führte die Berufungsbehörde aus, daß der Zeuge K erst seit 1973 Mitarbeiter der Beschwerdeführerin sei, daher seine Ausführungen über Hochwässer bzw. Trassenänderungen vor dem Jahre 1973 nicht beweiskräftig seien. Auch der Lokalaugenschein habe ergeben, daß das Gelände auf der gegenständlichen Parzelle sehr steil ansteige und daß Fixpunkte für die Weganbindung vorlägen, weshalb es keine großräumigen Trassenänderungen auf dem betreffenden, 260 m langen Wegstück geben könne. Vielmehr wurde festgestellt, daß der bachseitige Wegrand durchgehend mit dichtem Baumwuchs gesäumt sei, wobei viele Bäume aufgrund ihrer Größe ein Alter von weit über 30 Jahren aufwiesen.

Die Beschwerdeführerin könne sich auf keine Herstellungsbewilligung der Forstbehörde berufen. Das Straßengesetz biete keinen Platz für die Anwendung forstrechtlicher Bestimmungen. Auch eine Forststraße könne Gegenstand einer stillschweigenden Widmung sein. Erst durch das am 29. Juni 1993 aufgestellte Verkehrszeichen habe die Beschwerdeführerin zu erkennen gegeben, daß sie den Weg als Forstweg behandeln möchte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen den Berufungsbescheid erstattete Vorstellung als unbegründet ab. Sie sah sämtliche Voraussetzungen der sogenannten stillschweigenden Widmung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Kärntner Straßengesetz 1991 als gegeben an, sodaß zu Recht der bloß "deklarative Feststellungsbescheid" ergangen sei. Die Beschwerdeführerin habe auch nicht den Nachweis erbringen können, daß die Gestattung der Wegbenützung ausschließlich für einen nur beschränkten Personenkreis erfolgt sei. Es "könne außer Streit gestellt werden", daß jährlich in den Sommermonaten einige Almhütten im Bereich der Trebesinger Hütte bewirtschaftet seien und die verfahrensgegenständliche Wegparzelle täglich befahren werde. Schließlich diene das gegenständliche Weggrundstück der Zufahrt zu den Jagdrevieren der Jagdgesellschaften Radl-Hattenberg und Trebesing. Weiters umfasse der Benützerkreis jene Personen, die auf den Almen des Radlgrabens aufgrund von Servituten und sonstigen Vereinbarungen ein Weiderecht in Anspruch nähmen. Die Feststellung im Berufungsbescheid, daß nach dem Hochwasser 1946 keine Trassenänderung mehr erfolgt sei, stehe im Einklang mit dem Umstand, daß der bachseitige Wegrand durchgehend mit dichtem Baumwuchs gesäumt sei und daß es feststellbar sei, daß sehr viele Bäume aufgrund ihrer Größe auf ein Alter von weit über 30 Jahren schließen ließen.

Schließlich habe die Beschwerdeführerin keine Beweise für ihre Behauptung erbracht, daß die verfahrensgegenständliche Wegparzelle den Charakter einer Forststraße aufweise. Vielmehr habe der Gemeinderat am 18. September 1954 eine Kategorisierung durchgeführt und den Radlgrabenweg als Einschichtweg verzeichnet. Demnach sei dieser Weg auch seit 1954 als öffentliche Straße im Sinne des Kärntner Straßengesetzes 1991 zu betrachten. Dagegen habe die Beschwerdeführerin (seinerzeit) keinen Einwand erhoben.

Der Hinweis auf das Privateigentum der Beschwerdeführerin an der Wegparzelle gehe fehl, weil hier nur ein Verfahren nach § 58 Kärntner Straßengesetz 1991 (Feststellung der Öffentlichkeit der in § 2 Abs. 1 lit. b angeführten Straßen) durchgeführt worden sei. Durch eine solche Feststellung bleibe, abgesehen davon, daß der Eigentümer keine Handlungen setzen dürfe, die geeignet wären, den öffentlichen Verkehr zu behindern, das Eigentum unangetastet.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Öffentliche Straßen entstehen (rechtlich) nicht schon durch deren Herstellung, sondern nach den meisten Straßengesetzen durch ausdrückliche oder stillschweigende Widmung (Krzizek, Das öffentliche Wegerecht, 96 ff). Dementsprechend sieht auch § 2 Abs. 1 lit. a Kärntner Straßengesetz 1991 (im folgenden: Krnt StrG) die ausdrückliche, lit. b die stillschweigende Widmung vor. § 2 Krnt StrG lautet wie folgt:

"Öffentlichkeit der Straßen

(1) Öffentliche Straßen im Sinne des § 1 Abs. 1 sind alle dem Verkehr von Menschen und Fahrzeugen gewidmeten Grundflächen, die entweder

a)

dem allgemeinen Verkehre nach den Bestimmungen des § 3 ausdrücklich gewidmet worden sind (ausdrückliche Widmung durch Erklärung) oder

b)

in langjähriger Übung seit mindestens dreißig Jahren allgemein ohne Einschränkung auf einen bestimmten Kreis von Benützungsberechtigten und unabhängig von einer ausdrücklichen Bewilligung des über die Straßengrundfläche Verfügungsberechtigten zum Verkehr benützt werden, wenn sie einem allgemeinen dringenden Verkehrsbedürfnis dienen (stillschweigende Widmung).

(2) Allgemeiner Verkehr ist die Benützung durch jedermann (Gemeingebrauch). Die Art der Benützung (Fahren, Radfahren, Reiten, Gehen usw.) ergibt sich aus der Widmung. Die öffentlichen Straßen dürfen für den durch die Widmung bestimmten Zweck von jedermann nur im Rahmen der Straßenverkehrsvorschriften benützt werden.

(3) Die Widmung einer Grundfläche als öffentliche Straße ist von ihrer Bezeichnung im Grundbuche und in den Grundstückverzeichnissen unabhängig.

(4) Privatrechte, welche den Gemeingebrauch beeinträchtigen, können an öffentlichen Straßen nicht begründet werden. An Straßengrundflächen öffentlicher Straßen der im Abs. 1 lit. a angeführten Art kann Eigentum im Wege der Ersitzung nicht erworben werden.

(5) Jede Benützung einer öffentlichen Straße der im Abs. 1 lit. a angeführten Art aus einem anderen als dem durch die Widmung bestimmten Zwecke (Sonderbenützung) bedarf

- unbeschadet der Bestimmungen der Straßenverkehrsvorschriften - der Zustimmung der Straßenverwaltung (§ 61), die nur soweit erteilt werden darf, als hiedurch der bestimmungsgemäße Verkehr auf der Straße nicht beeinträchtigt wird (§ 55).

(6) Die Öffentlichkeit einer Straße endet

a)

bei Straßen im Sinne des Abs. 1 lit. a mit der Auflassung als öffentliche Straße,

b)

bei Straßen im Sinne des Abs. 1 lit. b, wenn ein allgemeines dringendes Verkehrsbedürfnis für die Straße nicht mehr besteht.

(7) Über die Öffentlichkeit der Straßen entscheidet die Straßenbehörde (§§ 57 und 58)."

Gemäß § 3 Abs. 1 Krnt StrG sind öffentliche Straßen im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. a die dort in einer bestimmten Reihung aufgezählten Straßengruppen; Z. 6 dieser Bestimmung nennt Verbindungswege, das sind jene Wege, die überwiegend einem durch den Verlauf des Weges vorausbestimmten Personenkreis dienen oder in dessen Interesse die Verbindung mit Straßen höherer Straßengruppen herstellen und mit Beschluß des Gemeinderates zu Verbindungswegen erklärt werden.

Der Abs. 2 des § 3 Krnt StrG (in dieser Fassung seit dem LGBl. Nr. 25/1981) lautet wie folgt:

"(2) Betreffen Verordnungen nach Abs. 1 Z. 4 bis 6 in der Natur bereits bestehende Straßen oder Wege, an denen kein Gemeingebrauch besteht, so dürfen diese Verordnungen frühestens mit dem Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden, in dem die Gemeinde auf Grund von Verträgen oder von Verfahren nach dem III. Teil dieses Gesetzes Eigentum an den in Betracht kommenden Straßengrundstücken erworben hat. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens ist vom Gemeinderat in einer Kundmachung festzustellen. Die Beschlußfassung im Sinne des Abs. 1 Z. 4 bis 6 ist Voraussetzung für die Stellung von Anträgen durch den Gemeinderat nach § 11 und im Sinne des III. Teiles dieses Gesetzes."

Der Verfassungsgerichtshof hat in einer Reihe von Erkenntnissen klargelegt, daß durch die Öffentlicherklärung eines in der Natur schon bestehenden privaten Weges in gesetzwidriger Weise Gemeingebrauch begründet werde, solange die Gemeinde nicht das Eigentum an den in Betracht kommenden Straßengrundstücken erworben hat (siehe beispielsweise VfSlg. Nr. 9.377, 9.877). Dies wurde ausdrücklich auch für die Rechtslage vor der Novelle LGBl. Nr. 25/1981 ausgesprochen (VfSlg. Nr. 13.198).

Im Beschwerdefall geht es aber allein um die Feststellung der Öffentlichkeit eines bestimmten Wegstückes nach § 2 Abs. 1 lit. b Krnt StrG; es ist daher ohne Belang, ob durch die Verordnung aus dem Jahre 1954, in der dieser Weg zum Einschichtweg (nunmehr: Verbindungsweg; siehe VfSlg. Nr. 9.351) erklärt wurde, (in gesetzwidriger Weise) Gemeingebrauch begründet wurde oder nicht.

Das Verfahren zur Feststellung der Öffentlichkeit aufgrund langjähriger Übung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b Krnt StrG wird in dessen § 58 geregelt. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

"(1) Über die Feststellung der Öffentlichkeit der im § 2 Abs. 1 lit. b angeführten Straßen entscheidet der Bürgermeister. Der Entscheidung hat eine mündliche, mit einem Augenschein verbundene Verhandlung vorauszugehen. Über den Antrag eines Beteiligten auf Feststellung der Öffentlichkeit einer Straße hat der Bürgermeister ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden und den Bescheid über die Öffentlichkeit der Straße längstens binnen sechs Monaten nach Einlangen des Antrages beim Gemeindeamte zu erlassen.

(2) Durch die Entscheidung, womit die Öffentlichkeit einer Straße festgestellt wird, wird das Privateigentum an der Straßengrundfläche nicht berührt. Der Privateigentümer kann die Ablösung des Grundes verlangen. Ist das Eigentum an der Grundfläche einer als öffentlich festgestellten Straße strittig, entscheidet das Gericht.

(3) Die Grundablöse gehört zu den Kosten der Herstellung einer Straße und ist von den jeweiligen Erhaltungspflichtigen zu tragen."

Die Straßenbehörde hatte somit in mündlicher Verhandlung zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Abs. 2 Krnt StrG vorliegen. Die zur Begründung dieser Voraussetzung getroffenen Feststellungen wurden nach Auffassung der Beschwerdeführerin in einem mangelhaften Verfahren getroffen. Zunächst bekämpft sie die Feststellung, es sei die Trasse auf ihrem Grundstück seit 1947 unverändert.

Diesbezüglich konnte sich die belangte Behörde auf die in der Verhandlung vom 9. Oktober 1992 vernommenen Zeugen berufen. Ob das Protokoll über diese Verhandlung der Beschwerdeführerin bzw. ihrem Vertreter zugestellt wurde, ist dem Akt nicht eindeutig entnehmbar; allerdings wurde in der Ladung zur Verhandlung vom 29. Juli 1993 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß in diese Niederschrift Einsicht genommen werden könne. In jener Verhandlung wurde das Ergebnis der Verhandlung vom 9. Oktober 1992 allen Beteiligten zur Kenntnis gebracht; die Beschwerdeführerin hat nicht beantragt, daß die Zeugen neuerlich in ihrer Anwesenheit befragt werden. Es besteht daher kein Mangel in der Beweisaufnahme dadurch, daß auch die Beweisergebnisse der Verhandlung vom 9. Oktober 1992 verwertet worden sind.

Dem erstinstanzlichen Bescheid war ein Lageplan über den Wegverlauf auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin angeschlossen. Es wäre Sache der Beschwerdeführerin gewesen, konkret jene Trassenänderungen darzutun, die in den letzten 30 Jahren nach ihrer Behauptung eingetreten seien.

Widersprüchliche Beweisergebnisse liegen hinsichtlich des auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin verlaufenden Weges nur insofern vor, als der Zeuge F.K. behauptete, der Weg sei im westlichen Bereich jener Parzelle "wesentlich weiter nördlich" verlaufen. Die Beschwerdeführerin hat es aber unterlassen, beim Lokalaugenschein anhand des Planes eine Präzisierung vorzunehmen. In Anbetracht der übereinstimmenden übrigen Zeugenaussagen und der Fixierung des Wegverlaufes durch eine im Jahre 1947 neuerrichtete Brücke bestehen keine Bedenken gegen die Annahme, daß der im erstinstanzlichen Bescheid planmäßig dokumentierte Weg jener ist, der seit 30 Jahren - von wem auch immer - benützt wird. Einer Heranziehung der erst nach der Verhandlung aufgenommenen Fotos, die der Beschwerdeführerin nicht vorgehalten wurden, bedarf es daher nicht.

Hinsichtlich des vom Gesetz geforderten allgemeinen dringenden Verkehrsbedürfnisses liegen insofern übereinstimmende Beweisergebnisse vor, als auch vom Zeugen K. bestätigt wurde, daß das (mindestens) 20 km2 große Einzugsgebiet von jedenfalls 60 Personen (nach Darstellung der Straßenverwaltung: 40 Eigentümer, 120 Mitglieder von Agrargemeinschaften) benützt wird, daß zwei Hütten über diesen Weg von Juli bis September bewirtschaftet werden und daß der Weg den Mitgliedern von zwei Jagdgesellschaften als Zufahrtsweg dient.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wohl im Erkenntnis vom 14. Oktober 1975, Zl. 1113/74, erkannt, daß die vom Gesetz geforderte Allgemeinheit des Bedürfnisses nicht so verstanden werden könne, daß der öffentliche Zugang zu jedermann, grundsätzlich also auch nur zu einem einzelnen, schon ein allgemeines dringendes Verkehrsbedürfnis zu begründen vermöchte. In jenem Fall, in dem es um eine Zufahrtsmöglichkeit von nur drei Liegenschaftseigentümern ging, lag somit ein allgemeines dringendes Verkehrsbedürfnis nicht vor.

Davon kann aber hier, allein unter Heranziehung des vom Zeugen K. bestätigten Personenkreises, keine Rede sein.

Der Umstand, daß jener Weg lediglich eine Zufahrtsstraße darstellt, schadet nicht; der Verwaltungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, daß die Funktion als Zufahrtsstraße der Feststellung der Öffentlichkeit nicht entgegensteht (Erkenntnisse vom 24. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.923/A, und vom 10. Oktober 1991, Zl. 90/06/0180). Im Erkenntnis vom 11. Oktober 1990, Zl. 89/06/0099, wurde ausgesprochen, daß es für die Annahme eines dringenden Verkehrsbedürfnisses nicht erforderlich sei, daß das Interesse an einer Zufahrt über ein Anrainerinteresse hinausgehen müsse.

Entscheidend ist im vorliegenden Fall, daß nur durch diesen Weg ein Grundbesitz von mindestens 20 km2 Größe (Almen und Waldgrundstücke) erschlossen wird und daß der Weg von einer keineswegs geringen Anzahl von Personen benützt wird.

Zwar wurde keine ausdrückliche Feststellung getroffen, daß die Benützung durch den genannten Personenkreis seit 30 Jahren erfolgt sei. Allein die Kategorisierung als Einschichtweg schon im Jahre 1954 und der Umstand, daß auch die Beschwerdeführerin eine wesentliche Veränderung in den Besitzverhältnissen und damit der Anzahl der Benützer seit damals nie behauptet hat, läßt den Schluß zu, daß diese Benützung jedenfalls seit 30 Jahren erfolgt.

Die Beschwerdeführerin hat sich im Verwaltungsverfahren stets auf den Standpunkt gestellt, die Benützung erfolge prekaristisch durch einen klar umschriebenen Personenkreis. Schon im Hinblick darauf, daß auch die Bittleihe durch Vertrag begründet wird (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I10, 358), wäre es wohl ein Leichtes gewesen, für diese Behauptung irgendwelche Beweise zu liefern. Die Verwaltungsbehörden konnten daher ohne weiteres auf Grund der Aussagen der in der Verhandlung vom 9. Oktober 1992 vernommenen Zeugen davon ausgehen, daß die Benützung des Weges keinerlei Beschränkung unterworfen war.

Ausgehend von einem seit dem Jahre 1947 bestehenden Weg, der im Jahre 1954 als Einschichtweg kategorisiert wurde und von den Grundeigentümern und Mitgliedern von Agrargemeinschaften (mindestens 60 Personen), den Mitgliedern zweier Jagdgesellschaften und zur Bewirtschaftung zweier Almhütten ständig ohne Beschränkung benützt wurde, konnten die Behörden zu Recht die von der Straßenverwaltung begehrte Feststellung treffen. Allein hinsichtlich dieser Feststellung erwies sich das Verwaltungsverfahren als mängelfrei und die vorgenommene Beweiswürdigung als unbedenklich.

Da darauf aufbauend zu Recht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. b Krnt StrG als gegeben angesehen wurden, erwies sich die Beschwerde zur Gänze als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994050043.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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