Entscheidungsdatum
29.09.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W172 2196000-1/12E
Schriftliche Ausfertigung des am 21.03.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Martin MORITZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX .1990, StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH-ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48, 3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.04.2018, Zl. 1097378001-151909085, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX .2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbefragung fand am XXXX 2015 statt, die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) fand am 13.04.2018 statt.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und es wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (im Folgenden auch: „BFA-VG“) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (im Folgenden auch: „FPG“) erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde.
4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21.03.2019 eine mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der Verhandlung.
Am Schluss dieser Verhandlung wurde die gegenständliche Entscheidung mündlich verkündet.
Als Zeugen wurden in dieser Verhandlung Frau DI XXXX , Herr XXXX , Frau XXXX und Frau XXXX einvernommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX 1990. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Er ist ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Kunduz, im Distrikt Archi, im Dorf XXXX geboren. In Afghanistan leben an Familienangehörigen seine Mutter, seine beiden Brüder, seine beiden Schwestern, vier Tanten sowie zwei Onkel. Der Beschwerdeführer besuchte zwölf Jahre lang die Schule und studierte vier Jahre lang islamische Gesetzgebung. Der Beschwerdeführer erlernte keinen Beruf. Seit dem XXXX .2015 hält sich der Beschwerdeführer in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer ist gesund.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Flucht- und Verfolgungsgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hält sich nicht an islamische Vorschriften und hat eine säkular-liberale Weltanschauung. Der Beschwerdeführer führt in Österreich eine westlich-geprägte Lebensweise. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan läuft der Beschwerdeführer Gefahr, dass ihm dort aufgrund seiner westlich-geprägten Lebensweise sowie seiner säkular-liberalen bzw. nicht-konfessionellen Einstellung Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität droht.
1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat
Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 31.1.2019);
UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018.
„Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan
„Religionsfreiheit
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 – 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung – die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).
Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung „religionsbeleidigende Verbrechen“ verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).
Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).
Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).
Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).
Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).
Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (5.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434081/4598_1528111899_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-afghanistan-stand-mai-2018-31-05-2018.pdf, Zugriff 6.6.2018
? BTI – Bertelsmann Stiftung (2018): Afghanistan Country Report, https://www.bti-project.org/de/berichte/laenderberichte/detail/itc/AFG/, Zugriff 6.4.2018
? MoJ - Ministry of Justice (15.5.2017): Strafgesetz: http://moj.gov.af/content/files/OfficialGazette/01201/OG_01260.pdf, Zugriff 12.2.2018
? CIA – Central Intelligence Agency (2017): The World Factbook - Afghanistan, https://www.cia.gov/library/publications/resources/the-world-factbook/geos/af.html, Zugriff 12.2.2018
? CRS – Congressional Research Service (13.12.2017): Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 12.2.2018
? FH - Freedom House (11.4.2018): Freedom in the World 2018 – Afghanistan https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/afghanistan, Zugriff 25.5.2018
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? USCIRF - U.S. Commission on International Religious Freedom (2017): 2017 Annual Report: Afghanistan Chapter, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/Afghanistan.2017.pdf, Zugriff 12.2.2018
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Rechtsschutz / Justizwesen
Gemäß Artikel 116 der Verfassung ist die Justiz ein unabhängiges Organ der Islamischen Republik Afghanistan. Die Judikative besteht aus dem Obersten Gerichtshof (Stera Mahkama, Anm.), den Berufungsgerichten und den Hauptgerichten, deren Gewalten gesetzlich geregelt sind. (Casolino 2011). Die wichtigste religiöse Institution des Landes ist der Ulema-Rat (Afghan Ulama Council – AUC, Shura-e ulama-e afghanistan, Anm.), eine nationale Versammlung von Religionsgelehrten, die u.a. den Präsidenten in islamrechtlichen Angelegenheiten berät und Einfluss auf die Rechtsformulierung und die Auslegung des existierenden Rechts hat (USDOS 15.8.2017; vgl. AB 7.6.2017, AP o.D.).
Das afghanische Justizwesen beruht sowohl auf dem islamischen [Anm.: Scharia] als auch auf dem nationalen Recht; letzteres wurzelt in den deutschen und ägyptischen Systemen (NYT 26.12.2015; vgl. AP o.D.). Die rechtliche Praxis in Afghanistan ist komplex: Einerseits sieht die Verfassung das Gesetzlichkeitsprinzip und die Wahrung der völkerrechtlichen Abkommen, einschließlich Menschenrechtsverträge, vor, andererseits formuliert sie einen unwiderruflichen Scharia-Vorbehalt. Ein Beispiel dieser Komplexität ist das neue Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist (AP o.D.; vgl. vertrauliche Quelle 10.4.2018). Die Organe der afghanischen Rechtsprechung sind durch die Verfassung dazu ermächtigt, sowohl das formelle als auch das islamische Recht anzuwenden (AP o.D.).
Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist in der Verfassung verankert, wird aber in der Praxis selten umgesetzt. Die Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen ist innerhalb des Landes uneinheitlich. Dem Gesetz nach gilt für alle Bürger/innen die Unschuldsvermutung und Angeklagte haben das Recht, beim Prozess anwesend zu sein und Rechtsmittel einzulegen; jedoch werden diese Rechte nicht immer respektiert. Bürger/innen sind bzgl. ihrer Verfassungsrechte oft im Unklaren und es ist selten, dass Staatsanwälte die Beschuldigten über die gegen sie erhobenen Anklagen genau informieren. Die Beschuldigten sind dazu berechtigt, sich von einem Pflichtverteidiger vertreten und beraten zu lassen; jedoch wird dieses Recht aufgrund eines Mangels an Strafverteidigern uneinheitlich umgesetzt (USDOS 20.4.2018). In Afghanistan existieren keine Strafverteidiger nach dem westlichen Modell; traditionell dienten diese nur als Mittelsmänner zwischen der anklagenden Behörde, dem Angeklagten und dem Gericht. Seit 2008 ändert sich diese Tendenz und es existieren Strafverteidiger, die innerhalb des Justizministeriums und auch außerhalb tätig sind (NYT 26.12.2015). Der Zugriff der Anwälte auf Verfahrensdokumente ist oft beschränkt (USDOS 3.3.2017) und ihre Stellungnahmen werden während der Verfahren kaum beachtet (NYT 26.12.2015). Berichten zufolge zeigt sich die Richterschaft jedoch langsam respektvoller und toleranter gegenüber Strafverteidigern (USDOS 20.4.2018).
Gemäß einem Bericht der New York Times über die Entwicklung des afghanischen Justizwesens wurden im Land zahlreiche Fortbildungskurse für Rechtsgelehrte durch verschiedene westliche Institutionen durchgeführt. Die Fortbildenden wurden in einigen Fällen mit bedeutenden Aspekten der afghanischen Kultur (z. B. Respekt vor älteren Menschen), welche manchmal mit der westlichen Orientierung der Fortbildenden kollidierten, konfrontiert. Auch haben Strafverteidiger und Richter verschiedene Ausbildungshintergründe: Während Strafverteidiger rechts- und politikwissenschaftliche Fakultäten besuchen, studiert der Großteil der Richter Theologie und islamisches Recht (NYT 26.12.2015).
Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan üblicherweise akzeptiert wird, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang; oft werden die Bestimmungen des islamischen Rechts zugunsten des Gewohnheitsrechts missachtet, welches den Konsens innerhalb der Gemeinschaft aufrechterhalten soll (USIP 3.2015; vgl. USIP o.D.). Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem das Frauenrecht, Strafrecht und –verfahren, die Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o.D.).
Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia, Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9.2016; vgl. USIP o.D., NYT 26.12.2015, WP 31.5.2015, AA 5.2018). Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz im Fall eines Konflikts zwischen dem traditionellen islamischen Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 5.2018).
Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten. Bei Angelegenheiten, wo keine klar definierte Rechtssetzung angewendet werden kann, setzen Richter und lokale Schuras das Gewohnheitsrecht (welches auch nicht einheitlich ist, Anm.) durch (USDOS 20.4.2018).
Gemäß dem „Survey of the Afghan People“ der Asia Foundation (AF) nutzten in den Jahren 2016 und 2017 ca. 20.4% der befragten Afghan/innen nationale und lokale Rechtsinstitutionen als Schlichtungsmechanismen. 43.2% benutzten Schuras und Jirgas, währed 21.4% sich an die Huquq-Abteilung [Anm.: „Rechte“-Abteilung] des Justizministeriums wandten. Im Vergleich zur städtischen Bevölkerung bevorzugten Bewohner ruraler Zentren lokale Rechtsschlichtungsmechanismen wie Schuras und Jirgas (AF 11.2017; vgl. USIP o.D., USDOS 20.4.2018). Die mangelnde Präsenz eines formellen Rechtssystems in ruralen Gebieten führt zur Nutzung lokaler Schlichtungsmechanismen. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 3.3.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles auf der Scharia basierendes Rechtssystem um (USDOS 20.4.2018).
Die Unabhängigkeit des Justizwesens ist gesetzlich festgelegt; jedoch wird die afghanische Judikative durch Unterfinanzierung, Unterbesetzung, inadäquate Ausbildung, Unwirksamkeit und Korruption unterminiert (USDOS 20.4.2018). Rechtsstaatliche (Verfahrens-)Prinzipien werden nicht konsequent angewandt (AA 9.2016). Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Fähigkeit die hohe Anzahl an neuen und novellierten Gesetzen einzugliedern und durchzuführen. Der Zugang zu Gesetzestexten wird zwar besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt aber für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben, erhöht sich weiterhin (USDOS 3.3.2017). Im Jahr 2017 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit auf 1.000 geschätzt (CRS 13.12.2017), davon waren rund 260 Richterinnen (CRS 13.12.2017; vgl. AT 29.3.2017). Hauptsächlich in unsicheren Gebieten herrscht ein verbreiteter Mangel an Richtern und Richterinnen. Nachdem das Justizministerium neue Richterinnen ohne angemessene Sicherheitsmaßnahmen in unsichere Provinzen versetzen wollte und diese protestierten, beschloss die Behörde, die Richterinnen in sicherere Provinzen zu schicken (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin, Anisa Rasooli, als erste Frau zur Richterin des Obersten Gerichtshofs ernannt, jedoch wurde ihr Amtsantritt durch das Unterhaus [Anm.: „wolesi jirga“] verhindert (AB 12.11.2017; vgl. AT 29.3.2017). Auch existiert in Afghanistan die „Afghan Women Judges Association“, ein von Richterinnen geführter Verband, wodurch die Rechte der Bevölkerung, hauptsächlich der Frauen, vertreten werden sollen (TSC o.D.).
Korruption stellt weiterhin ein Problem innerhalb des Gerichtswesens dar (USDOS 20.4.2017; vgl. FH 11.4.2018); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffnete Gruppen (FH 11.4.2018), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 20.4.2017). Wegen der Langsamkeit, der Korruption, der Ineffizienz und der politischen Prägung des afghanischen Justizwesens hat die Bevölkerung wenig Vertrauen in die Judikative (BTI 2018). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das „Anti-Corruption Justice Center“ (ACJC), um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (AB 17.11.2017; vgl. Reuters 12.11.2016). Der afghanische Generalprokurator Farid Hamidi engagiert sich landesweit für den Aufbau des gesellschaftlichen Vertrauens in das öffentliche Justizwesen (BTI 2018). Seit 1.1.2018 ist Afghanistan für drei Jahre Mitglied des Human Rights Council (HRC) der Vereinten Nationen. Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Zuschreibung von Verantwortlichkeit (HRC 21.2.2018).
Quellen:
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? AB – Afghan Bios (17.11.2017): Anti-corruption Judicial Center (ACJC), http://www.afghan-bios.info/index.php?option=com_afghanbios&id=3573&task=view&total=3355&start=339&Itemid=2, Zugriff 11.4.2018
? AB – Afghan Bios (12.11.2017): Rasooli, Anisa Mrs, http://www.afghan-bios.info/index.php?option=com_afghanbios&id=3353&task=view&total=1&start=0&Itemid=2, Zugriff 11.4.2018
? AB – Afghan Bios (7.6.2017): National Ulema Council Afghanistan AUC, http://www.afghan-bios.info/index.php?option=com_afghanbios&id=1218&task=view&total=47&start=19&Itemid=2, Zugriff 11.4.2018
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? Vetrauliche Quelle – in Kabul ansässiger Rechtsanwalt (10.4.2018): Antwortschreiben, per E-Mail, liegt bei der Staatendokumentation auf
? USDOS – U.S. Department of State (15.8.2017): International Religious Freedom Report 2017 Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/irf/religiousfreedom/index.htm?year=2017&dlid=281016, Zugriff 5.6.2018
? WP – Washington Post (31.5.2015): Afghanistan’s justice system is moving faster — maybe too fast, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistans-justice-system-is-moving-faster--maybe-too-fast/2015/05/28/38e99638-fe70-11e4-8c77-bf274685e1df_story.html?utm_term=.907b60e1b1d9, Zugriff 13.4.2018
Todesstrafe
Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte vorgesehen (AA 5.2018). Das neue Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, sieht die Todesstrafe für Delikte wie Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Angriff gegen den Staat, Mord und Zündung von Sprengladungen, Entführungen bzw. Straßenraub mit tödlicher Folge, Gruppenvergewaltigung von Frauen usw. vor (MoJ 15.5.2017: Art. 170). Die Todesstrafe wird vom zuständigen Gericht ausgesprochen und vom Präsidenten genehmigt (MoJ 15.5.2017: Art. 169). Sie wird durch Erhängen ausgeführt (AA 5.2018).
Die Anzahl der mit Todesstrafe bedrohten Verbrechen wurde durch den neuen Kodex signifikant reduziert (HRC 21.2.2018). So ist bei einigen Straftaten statt der Todesstrafe nunmehr lebenslange Haft vorgesehen (AI 22.2.2018).
Unter dem Einfluss der Scharia hingegen droht die Todesstrafe auch bei anderen Delikten (z.B. Blasphemie, Apostasie, Ehebruch). Berichten zufolge wurden im Jahr 2017 elf Menschen zu Tode verurteilt (AA 5.2018). Im November 2017 wurden fünf Männer im Pul-e-Charki-Gefängnis hingerichtet (AI 22.2.2018; vgl. HRC 21.2.2018). Des Weiteren fand am 28.1.2018 die Hinrichtung von drei Menschen statt. Alle wurden aufgrund von Entführungen und Mord zum Tode verurteilt. Zuvor wurden 2016 sechs Terroristen hingerichtet (AA 5.2018). Im Zeitraum 1.1 – 30.11.2017 befanden sich weiterhin 720 Person im Todestrakt (HRC 21.2.2018).
In der afghanischen Bevölkerung trifft diese Form der Bestrafung und Abschreckung auf eine tief verwurzelte Unterstützung. Dies liegt nicht zuletzt auch an einem als korrupt und unzuverlässig geltenden Gefängnissystem und der Tatsache, dass Verurteilte durch Zahlungen freikommen können. Obwohl Präsident Ghani sich zwischenzeitlich positiv zu einem möglichen Moratorium zur Todesstrafe geäußert hat und Gesetzesvorhaben auf dem Weg sind, die die Umwandlung der Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsehen, ist davon auszugehen, dass weiter Todesurteile vollstreckt werden (AA 5.2018).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (5.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434081/4598_1528111899_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-afghanistan-stand-mai-2018-31-05-2018.pdf, Zugriff 5.6.2018
? AI – Amnesty International (22.2.2018): Afghanistan 2017/2018, Todesstrafe, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/afghanistan#section-1719611, Zugriff 3.4.2018
? HRC – UN Human Rights Council (21.2.2018): Situation of human rights in Afghanistan and technical assistance achievements in the field of human rights; Report of the United Nations High Commission on Human Rights, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427314/1930_1521636767_a-hrc-37-45.doc, Zugriff 3.4.2018
? MoJ - Ministry of Justice (15.5.2017): Strafgesetz: http://moj.gov.af/content/files/OfficialGazette/01201/OG_01260.pdf, Zugriff 4.4.2018
? USDOS – U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Afghanistan, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/2016/sca/265530.htm, Zugriff 4.4.2018”
Resümee
Aus dem oben angeführten Länderberichtsmaterial, insbesondere auch zur Situation von Rückkehrern in den afghanischen Großstädten wie Kabul, Herat oder Mazar-i Sharif, geht im Wesentlichen zusammengefasst Folgendes hervor:
Vor dem Hintergrund eines in den vergangenen fünf Jahren aus verschiedenen Gründen erfolgten massiven Einbruchs der afghanischen Wirtschaft stellt sich auch in der Stadt Kabul - neben einer prekären Sicherheitslage - die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wohnraum insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären oder sonstigen sozialen Rückhalt und ohne finanzielle Unterstützung nur unzureichend dar, weshalb diese mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert und bei fehlender Bildung bzw. Fachausbildung in ernste Versorgungsschwierigkeiten und eine akute Gefährdung ihres Überlebens geraten werden. Der Zugang zu Arbeit, Wohnraum und sonstigen überlebenswichtigen Ressourcen erfolgt in Afghanistan in der Regel über bestehende Kontakte und Netzwerke.
Näher ausgeführt bedeutet dies, dass die für die Grundversorgung benötigten Waren auch für die breite Schicht der Bevölkerung in der Stadt Kabul so teuer geworden sind, dass Hilfsarbeiter in der Regel am Rande der Stadt in Slums unter schwierigen und menschenunwürdigen (hierbei u.a.: hygienischen) Bedingungen ohne Wasch-, Koch- oder Heizgelegenheit unter ständiger Gefahr des Verlusts ihrer Behausung leben. Die Situation ist von einer hohen Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Der weitgehende Abzug internationaler Truppen, der Einbruch von Investitionen und die Verringerung der Entwicklungshilfe führten dabei in jüngster Vergangenheit zu Problemen v.a. innerhalb des Baugewerbes und des Dienstleistungssektors.
Schätzungen zufolge leben ca. drei Millionen Afghanen in Pakistan und ca. 2,5 Millionen Afghanen in Iran, worunter sich auch viele im Exil geborene Afghanen befinden. Die Stadt Kabul als Hauptzielort von Rückkehrbewegungen ist massiv vom starken Anstieg der Zahl der (auch unfreiwilligen) Rückkehrer aus Pakistan, der im Jahresvergleich gleichbleibend großen Zahl an (auch unfreiwilligen) Rückkehrern aus Iran und von den vom Konflikt (sowie auch von Naturkatastrophen) betroffenen Binnenvertriebenen (v.a. aus der Zentralregion) betroffen, weshalb sich die Wohnraumsituation sowie die Lage im Dienstleistungsbereich als extrem schwierig darstellen.
Angesichts der aus den o.a. Länderberichten ersichtlichen aktuellen politischen Lage in Afghanistan ist zudem eine längerfristige und ausreichende Unterstützung von staatlicher Seite sehr unwahrscheinlich; aus den o.a. Länderberichten zum Herkunftsstaat geht auch nicht hervor, dass Rückkehrern automatisch z.B. eine dauerhafte Wohngelegenheit zur Verfügung gestellt werden würde.
Bei der vorliegenden Beurteilung sind auch Richtlinien bzw. Berichte des UNHCR von Bedeutung, denen nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Indizwirkung zukommt (s. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103; vgl. auch VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118). Laut den o.a. Richtlinien des UNHCR vom 19.04.2016 müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist. Weiters hält UNHCR in seinen Richtlinien fest, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten nicht gegeben ist. Generell ist nach UNHCR eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar, wenn die betroffene Person im Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe hat und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Betroffenen auch tatsächlich zu unterstützen. Auch in seinen Anmerkungen von Dezember 2016 bleibt UNHCR bei seiner Empfehlung, dass es ein starkes soziales Netzwerk im vorgeschlagenen Gebiet der Neuansiedlung geben muss, wenn die Zumutbarkeit einer Neuansiedlung bewertet werden soll. Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar; diese Personen können „unter bestimmten Umständen" ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen Auch nach den Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender in der aktuellsten Fassung vom 30.08.2018 steht eine interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative in Kabul allgemein nicht zur Verfügung. Unter bestimmten Umständen könnten aber alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne familiäre und soziale Unterstützung in urbaner und semi-urbaner Umgebung leben, soweit diese Umgebung über die notwendige Infrastruktur und Lebensgrundlagen verfüge, um die Grundbedürfnisse des Lebens zu decken und soweit diese einer wirksamen staatlichen Kontrolle unterliegen würden.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt und durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einvernahme von DI XXXX , XXXX , XXXX und XXXX als Zeugen.
Folgende Beweismittel brachte der Beschwerdeführer in das Verfahren ein, nämlich zu:
- Deutschsprachkursen (Zeugnis der Integrationsprüfung B1 und diverse Kursbesuchsbestätigungen sowie Zertifikate);
- gemeinnützigen bzw. ehrenamtlichen Tätigkeiten (Bestätigung der XXXX );
- Teilnahme an gesellschaftlichen Aktivitäten (Teilnahme am XXXX );
- sonstigen Integrationsmaßnahmen und –bemühungen (Vielzahl an Unterstützungsschreiben sowie diverse Bestätigungen bezüglich der Teilnahme an Kursen und Workshops).
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seiner Schul- und fehlenden Berufsausbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung bzw. auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.
2.2. Zu den Feststellungen zum Vorbringen zu den Flucht- und Verfolgungsgründen des Beschwerdeführers:
Den Angaben des Beschwerdeführers zu den Verfolgungsgründen konnte im Ergebnis gefolgt werden, da diese zu den wesentlichen Umständen, Umständen, so zu Ablauf der Ereignisse, Namen von Beteiligten und Ortsbezeichnungen oder zu Gründen und Herausbildung seiner Einstellungen konkret, detailliert und stimmig waren. Der Beschwerdeführer kam auch seiner Mitwirkungsverpflichtung im Ermittlungsverfahren nach, indem er umgehend antwortete und flüssig sprach sowie etwaige Umstimmigkeiten wie seinen bislang nicht erfolgten Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft nachvollziehbar aufklären konnte. Der Beschwerdeführer gab reflektierte und begründete sowie auf einen größeren, akademischen Bildungshintergrund hinweisende Stellungnahmen zu Fragen, die sich auf seine angeführte liberal-säkulare Weltanschauung und Lebensweise bezogen haben. Sein universitäres Umfeld mit der TU Wien, die zahlreich als sein Freundeskreis auch bei der Verhandlung anwesend waren, bestärkten den Eindruck, dass er durchaus als Angehöriger einer demokratischen modern und säkularen eingestellten Zivilgesellschaft eingeschätzt werden kann. Er wirkte mit seinem authentischen Auftreten in der mündlichen Verhandlung (zur besonderen Bedeutung der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung s. für viele VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316) sehr überzeugend auf das erkennende Gericht (vgl. allgemein zu den Grundanforderungen an einem Vorbringen des Asylwerbers, wonach dieses substantiiert, schlüssig und plausibel und der Asylwerber persönlich glaubwürdig sein muss, sodass eine Flüchtlingseigenschaft glaubwürdig bzw. darüber hinaus glaubhaft ist: Materialien zum Asylgesetz 1991, RV 270 BlgNR 18. GP, zu § 3). Zudem konnte der Beschwerdeführer zum Beweis seines Vorbringens Dokumente, die sein Engagement in einem wissenschaftlich-künstlerischen Milieu in Wien aufzeigen, vorlegen. Der in der Verhandlung einvernommene Zeuge unterstützte das Vorbringen des Beschwerdeführers. Dessen Aussagen konnte gefolgt werden, da aufgrund seines seriösen und ernsthaften Auftretens sowie seines persönlichen vertrauensbildenden Gesamtbildes keine seiner Glaubwürdigkeit entgegensprechende Anhaltspunkte hervorkamen.
In Würdigung aller Umstände überwiegen daher im Ergebnis jedenfalls diejenigen, die für eine Beurteilung des Vorbringens des Asylwerbers als glaubwürdig sprechen (vgl. UNHCR, Handbuch und Richtlinien über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2011, Rz. 196, 203 f. mit dem Hinweis, nach dem Grundsatz „im Zweifel für den Antragsteller“ zu verfahren).
2.3. Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere zur Aufenthaltsdauer, zu seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich, stützen sich auf die Aktenlage, auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (siehe oben).
Die Feststellungen beruhen zudem auch auf die in dieser Verhandlung einvernommenen Zeugen deren Aussagen gefolgt werden konnte, da aufgrund ihres seriösen und ernsthaften Auftretens sowie ihrer persönlichen vertrauensbildenden Gesamtbilder keine ihrer Glaubwürdigkeit entgegensprechenden Anhaltspunkte hervorkamen.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
2.4. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:
„Status des Asylberechtigten
§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
…“
3.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.1.3. Wie festgestellt, konnte der Beschwerdeführer glaubwürdig vor dem erkennenden Gericht eine Verfolgungsgefahr im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen seiner „westlich“ orientierten Werthaltungen und seines diesbezüglichen Lebensstils darlegen.
Nach der Rechtsprechung des VwGH können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten „westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden (vgl. etwa VwGH vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017-0018, mwN). Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese Verfolgung vom Heimatstaat ausgeht. Auch eine private Verfolgung kann insoweit maßgeblich sein, als der Heimatstaat nicht gewillt oder in der Lage ist, Schutz vor solcher Verfolgung zu gewähren (VwGH 22.03.2017, Ra 2016/18/0388).
Diese Rechtsprechung gilt sinngemäß auch für Männer, die aufgrund eines gelebten „westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt werden würden.
Die Abkehr des Beschwerdeführers vom Islam ist durch die Nichtbefolgung religiöser (islamischer) Vorschriften seiner Hinwendung zu einer säkular-liberalen bzw. nicht-konfessionellen Einstellung, insbesondere auch nach außen hin erkennbar, womit er im völligen Gegensatz zu den in Afghanistan vorherrschenden religiösen Zwängen und Dogmen steht. Es kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan seine nicht-islamische Überzeugung und daran orientierte Lebensführung nach außen trägt bzw. es kann ihm auch nicht im Sinne der obigen Judikatur zugesonnen werden, diese immer für sich zu behalten und seine innere Einstellung dauerhaft zu verleugnen.
Wie sich aus obigen Länderfeststellungen ergibt, ist nach der Scharia der Abfall vom Glauben grundsätzlich ein todeswürdiges Verbrechen. So ist den Länderfeststellungen zusammengefasst etwa zu entnehmen, dass unter dem Einfluss der Scharia die Todesstrafe auch bei Delikten wie z.B. Konversion, Blasphemie oder Apostasie droht. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge, Konventionen sowie die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts zu verstehen. Die in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit gilt ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Konversion und Apostasie) nach Scharia-Recht eben auch strafbewehrt. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Die afghanische Verfassung verabsäumt es explizit, die individuellen Rechte in Bezug auf Religionsfreiheit zu schützen und einfachgesetzliche Bestimmungen werden in einer Weise angewendet, die internationale Menschenrechtsstandards verletzt. Staatliche und nicht-staatliche Akteure führen Aktionen gegen Personen aus, die ihrer Ansicht nach „unislamische" Aktivitäten setzen.
Die Gefahr einer Verfolgung des Beschwerdeführers ist daher im vorliegenden Fall auf mehrfache Weise - wie sich vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen zeigt - gegeben. Einerseits durch den afghanischen Staat und andererseits auch durch die einfache Bevölkerung, die von traditionell islamischen Vorstellungen geprägt ist; wobei insgesamt angesichts der Länderfeststellungen davon ausgegangen werden kann, dass der afghanische Staat nicht willens und in der Lage ist, den Beschwerdeführer entsprechend zu schützen. Ferner ist auch eine Verfolgung durch islamistische Gruppierungen oder fundamentalistische Einzelpersonen nicht unwahrscheinlich, weil sich der Beschwerdeführer durch seine nachhaltige Sozialisierung in der westlich-säkularen Gesellschaft Österreichs in den letzten Jahren und dem damit sich äußernden auffälligen Auftreten und Lebensstil die Aufmerksamkeit erregen und viele Fragen würde beantworten müssen, die die Gefahr bergen, dass er sich aufgrund seiner inneren Einstellung äußert oder ein unislamisches Verhalten an den Tag legt.
In Anbetracht der dargestellten Umstände ist im Beschwerdefall insgesamt davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan den Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus der befürchteten Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat; sich sohin aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK außerhalb Afghanistans befindet (auch wenn im konkreten Fall ein Nachfluchtgrund vorliegt, vgl. § 3 Abs. 2 AsylG 2005) und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, nach Afghanistan zurückzukehren.
Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist im Fall des Beschwerdeführers nicht gegeben. Im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan ist von einer Situation auszugehen, in der der Beschwerdeführer aufgrund seiner Apostasie bzw. säkular-liberalen Haltung einem erhöhten Sicherheitsrisiko ausgesetzt ist. Aufgrund der Tatsache, dass es sich beim Islam in Afghanistan um die Staatsreligion handelt und über 99 % der Einwohner Afghanistans sich zum Islam, noch dazu in einer sehr konservativen Auslegung, bekennen, sind sowohl in Großstädten als umso mehr auch in ländlich geprägten Provinzen mit Verfolgungen beim Beschwerdeführer auszugehen.
Der Beschwerdeführer konnte somit glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat mit hoher Wahrscheinlichkeit Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK droht.
Da auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, ist dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Apostasie asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung gesamtes Staatsgebiet Nachfluchtgründe Religion staatliche Verfolgung westliche Orientierung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W172.2196000.1.00Im RIS seit
30.11.2020Zuletzt aktualisiert am
30.11.2020