TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/2 W167 2158781-1

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Veröffentlicht am 02.10.2020
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Entscheidungsdatum

02.10.2020

Norm

ASVG §113 Abs1 Z1
ASVG §113 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W167 2158781-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom XXXX , wegen Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Absatz 1 Ziffer 1 ASVG (Betretung von XXXX , im Folgenden: PP), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom XXXX schrieb die belangte Behörde dem Beschwerdeführer einen Beitragszuschlag in Höhe von EUR 1.300,- vor, da die Anmeldung für PP zur Pflichtversicherung als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei.

Begründend wurde ausgeführt, dass im Rahmen einer am XXXX erfolgten Betretung durch die Finanzpolizei festgestellt worden sei, dass die Anmeldung des PP nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Er brachte vor, PP sei XXXX Staatsbürger und arbeite seit mehr als zehn Jahren laufend für verschiedene Firmen in Österreich als selbständiger Fliesenleger. PP sei auf selbständiger Basis eingestellt worden. Der Beschwerdeführer habe nicht gewusst, dass die Papiere des PP nicht in Ordnung waren, er habe sicher keine Schwarzarbeiter auf der Baustelle gewollt. PP habe am XXXX ca. 6 Stk Wandfliesen geklebt und sei nach der Finanzkontrolle nach Hause gefahren. Der Beschwerdeführer sei am darauf folgenden Tag in den Urlaub gefahren, weshalb keine Zeit geblieben sei, die Papiere in Ordnung zu bringen. Daher habe er den PP mit XXXX bei der NÖGKK angemeldet. Seine Firma habe bisher immer ordnungsgemäß und pünktlich die Mitarbeiter angemeldet sowie die Abgaben gezahlt.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom XXXX wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.

4. Der Beschwerdeführer stellte fristgerecht einen Vorlageantrag, in welchem er sein Vorbringen im Wesentlichen wiederholte. Ergänzend brachte der Beschwerdeführer vor, dass PP seine Unterlagen in der Zwischenzeit erneuert habe. Da die Beantragung der Papiere neu nicht so schnell hätte erledigt werden können, habe man PP am Tag nach der Betretung durch die Finanzpolizei als Arbeiter angemeldet. PP möchte aber laut Beschwerdeführer nicht als Arbeiter in Österreich beschäftigt sein, sondern nur als Selbständiger.

5. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der Beschwerdeführer persönlich teilnahm und durch die Richterin befragt wurde. Der als Zeuge geladene PP und die belangte Behörde nahmen an der Verhandlung nicht teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt der Betretung des PP als Einzelunternehmer im Handelsgewerbe und Platten/Fliesenverlegung tätig. Inhaberin des Betriebes ist nunmehr die Ehefrau des Beschwerdeführers. XXXX

1.2. Am XXXX wurde PP im Rahmen einer Kontrolle durch Erhebungsorgane der Finanzpolizei auf einer Baustelle des Beschwerdeführers betreten. PP war zum Zeitpunkt der Betretung nicht zur Sozialversicherung gemeldet, verrichtete jedoch Fliesenlegerarbeiten. PP verfügt über einen Bescheid gemäß § 373c Abs. 1 GewO 1994 des BMWA für ausführende Maurermeistertätigkeiten und das Handwerk der Platten- und Fliesenleger. Eine Dienstleistungsanzeige lag am Tag der Betretung nicht vor.

1.3. Der Beschwerdeführer und PP haben lediglich eine mündliche Vereinbarung getroffen, wonach die Verrechnung der geleisteten Arbeiten auf Quadratmeter-Basis erfolgen sollte. Sonstige fachliche Weisungen oder Weisungen, die das arbeitsbezogene Verhalten betreffen, hat PP nicht erhalten. Es wurde zwischen dem Beschwerdeführer und PP kein Vertretungsrecht vereinbart. Eigene Mitarbeiter hatte PP nicht. PP war auf der gegenständlichen Baustelle ein eigener – von den Mitarbeitern des Beschwerdeführers räumlich getrennter – Arbeitsbereich zugewiesen. Der Beschwerdeführer beabsichtigte ungefähr alle zwei Tage bei der Baustelle vorbeizuschauen. PP benutzte ausschließlich sein eigenes Werkzeug. Das verwendete Material (wie z.B. die Fliesen, Kleber, Fugenmasse, etc.) wurde vom Beschwerdeführer bereitgestellt und dem Auftraggeber in Rechnung gestellt. Hinsichtlich der Arbeitszeiten wurde vereinbart, dass PP sich an den Arbeitszeiten der Mitarbeiter des Beschwerdeführers orientiert, da andernfalls eine ergänzende Vereinbarung des Beschwerdeführers mit dem Auftraggeber erforderlich gewesen wäre. Es bestand für PP aber ein Spielraum für Abweichungen von diesen Rahmenvorgaben. Die Beauftragung war nur für die eine Baustelle geplant.

1.4. Das vereinbarte Entgelt des PP richtete sich nach den verlegten Fliesen bzw. verlegten Quadratmetern.

1.5. PP wurde nach der Kontrolle am XXXX mit Arbeitsbeginn XXXX beim Betrieb des Beschwerdeführers zur Sozialversicherung angemeldet.

1.6. Es handelte sich um den ersten Meldeverstoß des Beschwerdeführers.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Gewerbeberechtigung des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Auszug aus dem Firmenbuch zum Stichtag XXXX . Dass nunmehr die Ehefrau des Beschwerdeführers Inhaberin des Betriebes ist, ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Beschluss des XXXX

2.2. Dass PP bei einer Kontrolle der Finanzpolizei bei Fliesenlegerarbeiten betreten wurde, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt – insbesondere aus der Niederschrift der Finanzpolizei vom XXXX – und wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Die im Verwaltungsakt befindlichen S. 1 eines Bescheids des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit wurde vom Beschwerdeführer vorgelegt, weshalb auch die belangte Behörde diesbezügliche Feststellungen getroffen hat.

2.3. Dass zwischen Beschwerdeführer und PP lediglich eine mündliche „Arbeitsvereinbarung“ getroffen wurde, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Demnach sollte die Verrechnung auf Quadratmeter-Basis erfolgen. Dass zwischen PP und dem Beschwerdeführer kein Vertretungsrecht vereinbart wurde ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Demnach suchte dieser schon seit XXXX via AMS einen Fliesenleger, konnte jedoch keine geeignete Person finden. Es ist daher davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer bei der getroffenen „Arbeitsvereinbarung“ um die konkrete Befähigung des PP als Fliesenleger gegangen ist. PP verfügte laut Verwaltungsakt zudem über keine eigenen Mitarbeiter, die ihn hätten vertreten können.

2.4. Die getroffenen Feststellungen basieren auf den Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme vom XXXX , dem Aktenvermerk der Finanzpolizei vom XXXX sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

2.5. Dass PP mit XXXX vom Beschwerdeführer zur Sozialversicherung gemeldet wurde, ergibt sich aus dem vorliegenden Versicherungsdatenauszug.

2.6. Dass es sich um den ersten Meldeverstoß des Beschwerdeführers handelt, wurde von ihm in der Beschwerde vorgebracht. Aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

3.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen in den jeweils anzuwendenden Fassungen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

Gemäß § 33 Abs. 1a ASVG (idF BGBl. I Nr. 113/2015) kann der Dienstgeber die Anmeldeverpflichtung so erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben-Anmeldung) (Z1) und die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung) (Z2).

Gemäß § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.

Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG (idF BGBl. I Nr. 31/2007) können dem Dienstgeber Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde (Z 1).

Gemäß § 113 Abs. 2 leg.cit. setzt sich der Beitragszuschlag im Fall des Abs. 1 Z 1 nach einer unmittelbaren Betretung aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf EUR 500,- je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf EUR 800,-. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf EUR 400,- herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.

3.2. Maßgebliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH)

Für die Frage nach dem Bestehen eines Dienstverhältnisses kommt es im Einzelfall nicht auf die von den Vertragspartnern gewählte Bezeichnung wie Dienstvertrag oder Werkvertrag an. Vielmehr sind die tatsächlich verwirklichten vertraglichen Vereinbarungen entscheidend (VwGH 29.02.2012, 2008/13/0087).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Abgrenzung zwischen einem Werkvertrag und einem Dienstvertrag entscheidend darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liegt ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall läge ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, während es im Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf seine Bereitschaft zu Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit (in Eingliederung in den Betrieb des Leistungsempfängers sowie in persönlicher und regelmäßig damit verbundener wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihm) ankommt (VwGH 14.02.2013, 2011/08/0391).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es beim Werkvertrag auf das Ergebnis der Arbeitsleistung an, das ein Werk, somit eine geschlossene Einheit darstellen muss, welches bereits im Vertrag konkretisiert wurde. Der Werkvertrag begründet ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung - in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen. Mit der Erbringung endet das Vertragsverhältnis. Ein Werkvertrag muss auf einen bestimmten abgrenzbaren Erfolg abstellen, und einen Maßstab erkennen lassen, nach dem beurteilt werden kann, ob das Werk ordnungsgemäß erbracht wurde. Wird hingegen ein dauerndes Bemühen geschuldet, das bei der Erreichung des angestrebten "Zieles" kein Ende findet, spricht dies für eine Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen (vgl. VwGH 17.11.2004, 2001/08/0131; VwGH 25.04.2007, 2005/08/0082). Beim Dienstvertrag (und freien Dienstvertrag) kommt es anders als beim Werkvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf seine Bereitschaft zu Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit an (vgl. VwGH 03.07.2002, 2000/08/0161; VwGH 17.11.2004, 2001/08/0131).

Für die Beantwortung der Frage, ob ein auf einem Vertrag beruhendes Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit besteht, sind auch die „wahren Verhältnisse“ maßgeblich, d.h. ob bei der tatsächlichen und nicht bloß vereinbarten Art der Beschäftigung die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen. Dabei kann zunächst davon ausgegangen werden, dass der Vertrag seinem Wortlaut entsprechend durchgeführt wird. Soweit der Inhalt eines Vertrages von den tatsächlichen Gegebenheiten nicht abweicht, ist der Vertrag als Teilelement der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung (anhand der in der Judikatur herausgearbeiteten Kriterien) in diese einzubeziehen, weil er die von den Parteien in Aussicht genommenen Konturen des Beschäftigungsverhältnisses sichtbar werden lässt (VwGH 18.08.2015, 2013/08/0121).

2.3. Daraus folgt für den Beschwerdefall:

Im Beschwerdeverfahren betreffend die Vorschreibung eines Beitragszuschlags gemäß § 113 Absatz 1 Ziffer 1 ASVG ist als Vorfrage ist zu klären, ob eine gemäß § 33 ASVG meldepflichtige Beschäftigung der Betretenen vorlag und der Beschwerdeführer als Dienstgeber daher verpflichtet gewesen wäre, diese vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.

Festgehalten wird, dass es sich bei der Beurteilung, ob ein Werk- oder Dienstvertrag bzw. ob ein Dienstverhältnis vorliegt um eine Entscheidung im jeweiligen Einzelfall handelt, welche aufgrund der konkreten Feststellungen getroffen wird.

Das Verlegen von Fliesen ist als einfache manuelle Tätigkeit oder Hilfstätigkeit zu qualifizieren (vgl. VwGH 14.02.2013, 2010/08/0010). Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, kann bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (VwGH 24.04.2014, 2012/08/0081). Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, d.h. arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, ist die Behörde demnach berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen. Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte (VwGH 14.10.2015, 2013/08/0269 mwN).

Solche gegenläufigen Anhaltspunkte sind im vorliegenden Fall jedoch ersichtlich. PP war als qualifizierte Fachkraft auf einer mit dem Beschwerdeführer vereinbarten Baustelle eigenverantwortlich – ausschließlich alleine, in einem von den Mitarbeitern des Beschwerdeführers räumlich getrennter Arbeitsbereich und mit seinem eigenen Werkzeug – tätig. PP arbeitete nicht unter ständiger Aufsicht, sondern es wurde die entsprechende „Endqualität“ geschuldet. Mängel in der „Endqualität“ wären zulasten des PP gegangen, sodass Ausbesserungsarbeiten ohne weitere Vergütung durch PP vorzunehmen gewesen wären, was dem Wesen von Gewährleistungsansprüchen entspricht und nur bei Vorliegen eines Werkvertrages möglich ist. Eine Integration des PP in den Betrieb des Beschwerdeführers ist nicht ersichtlich. Es kann daher das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG im vorliegenden Fall nicht ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden.

Daher ist die konkrete Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und dem PP zu prüfen. Da PP am ersten Tag seiner Tätigkeit betreten wurde, waren die Angaben betreffend die geplante Ausgestaltung der Tätigkeit der Entscheidung zugrunde zu legen. Zwischen dem Beschwerdeführer und PP wurde lediglich eine mündliche Vereinbarung bezüglich der zu erbringenden Arbeitstätigkeiten abgeschlossen. Diesbezüglich ist zu prüfen, ob diese Vereinbarung im konkreten Einzelfall einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag darstellt.

Im Lichte der Judikatur ist darauf hinzuweisen, dass im Beschwerdefall zwar anhand der mündlich abgeschlossenen Vereinbarung offenbar ein Werkvertrag intendiert war, die damit einhergehenden Umstände allerdings im Hinblick auf ihre tatsächliche Realisierung – soweit dies in Anbetracht der Betretung kurz nach Aufnahme der Tätigkeit möglich ist – einer eingehenden Prüfung zu unterziehen sind.

Es liegen nämlich durchaus auch Anhaltspunkte dahingehend vor, welche für die Annahme eines Dienstvertrages sprechen könnten. Zunächst gilt der Umstand, dass die verwendeten Materialen (wie z.B. die Fliesen, Kleber, Fugenmasse, etc.) vom Beschwerdeführer bereitgestellt wurden, als Indiz für das Vorliegen eines Dienstvertrages, ist aber im Beschwerdefall insofern vernachlässigbar, da diese Materialen im konkreten Auftrag des Beschwerdeführers als eigene Position mit dem Auftraggeber vereinbart und vom Auftraggeber bezahlt wurden. Auch spricht der Umstand, dass zwischen dem Beschwerdeführer und PP kein Vertretungsrecht vereinbart wurde, für die Annahme eines Dienstvertrages, zumal die diesbezüglichen Umstände erkennen lassen, dass es dem Beschwerdeführer um die konkrete Befähigung des PP als Fliesenleger gegangen ist und PP zudem auch über keine eigenen Mitarbeiter verfügte, die ihn hätten vertreten können.

Allerdings hat kein Bindung an konkrete Arbeitszeiten bestanden, sondern es wurde lediglich vereinbart, dass sich PP an den Arbeitszeiten der Mitarbeiter des Beschwerdeführers orientiert. Dies hatte den Grund, dass der Beschwerdeführer mit dem Auftraggeber die Arbeitszeiten abgesprochen hatte und es einer zusätzlichen Vereinbarung bedurft hätte, wenn PP außerhalb dieser Rahmenzeiten seine Aufgaben erfüllt hätte. Auch wurden keine expliziten Weisungen betreffend das arbeitsbezogene Verhalten bzw. hinsichtlich des Arbeitsverfahrens erteilt, sondern lediglich jener Bereich bzw. jene Räumlichkeiten vorgegeben, in welchen PP seine Aufgabe verrichten sollte. Als Fliesenleger mit langjähriger Berufserfahrung war PP für die vereinbarten Arbeiten qualifiziert und in der Lage, diese eigenverantwortlich zu erledigen. Dies war dem Beschwerdeführer bekannt. Ausdrückliche Vereinbarungen über das Arbeitsverhalten des PP wurden nicht getroffen, es war auch nicht beabsichtigt, dass die Arbeiten unter Aufsicht des Beschwerdeführers ausgeführt werden.

Die Bindung an den Arbeitsort ist im Beschwerdefall kein unterscheidungskräftiges Kriterium, da sich dieser aus der Natur der Sache ergibt und ein selbständig Erwerbstätiger genauso an diesem Ort die Fliesenlegerarbeiten durchführen müsste wie ein unselbständig Beschäftigter (VwGH 18.01.2017, Ra 2014/08/0059). Ob PP ein Gewerbe angemeldet hatte, ist für die Beurteilung, ob ein Dienstverhältnis vorliegt, nicht maßgeblich, da es keineswegs ausgeschlossen ist, dass ein Dienstverhältnis vorliegt, wenn der Dienstnehmer zusätzlich über einen Gewerbeschein verfügt (vgl beispielsweise VwGH 02.04.2008, 2007/08/0038, und VwGH 13.11.2013, 2011/08/0153, sowie VwGH 28.03.2012, 2012/08/0032).

Es kommt im Ergebnis auf das Gesamtbild der Beschäftigung an, sodass einzelne – sonst für eine Beschäftigung im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG wesentliche – Merkmale im jeweiligen Fall in den Hintergrund treten können (vgl. VwGH 18.01.2012, 2008/08/0252). Daher ist trotz Vorliegens einiger Dienstvertragselemente von einem Werkvertrag auszugehen, da die dafürsprechenden Anhaltspunkte überwiegen bzw. mehr Gewicht haben:

So spricht etwa der Umstand, dass die von PP zu verrichtenden Fliesenlegeraufgaben grundsätzlich als ein Werk angesehen werden können, dafür, die getroffene mündliche Vereinbarung als Werkvertrag einzuordnen. Auch spricht die Art der Entlohnung, welche nicht nach geleisteten Stunden, sondern auf Quadratmeter-Basis (nach verlegten Fliesen) erfolgen sollte, für das Vorliegen eines Werkvertrages. Das Entgelt war daher – auch wenn kein Kostenvoranschlag vereinbart wurde – im Vorhinein bestimmbar. Auch ist der Umstand, dass dem PP keine konkrete Arbeitsmethode vorgeschrieben wurde, sondern dieser vielmehr in der Wahl seiner Arbeitstechnik frei war, für einen Dienstvertrag eher untypisch und spricht für die Annahme eines Werkvertrages. Zudem benutzte PP ausschließlich sein eigenes Werkzeug, was wiederum als deutliches Indiz gegen die Einbindung in die Unternehmensstruktur des Beschwerdeführers zu werten ist und ebenfalls gegen das Vorliegen eines Dienstvertrages spricht.

Ein Dienstvertrag zwischen dem Beschwerdeführer und PP kommt insbesondere auch deshalb nicht in Betracht, weil das Verhältnis bzw. die Arbeitsvereinbarung zwischen den Vertragsparteien auf einem Zielschuldverhältnis – und nicht auf einem Dauerschuldverhältnis – beruhte. Zwar gab es bei der gegenständlichen Baustelle keinen konkreten Fertigstellungstermin, doch war klar, dass PP die vereinbarte Leistung bis zum Baustellenende abgeschlossen haben musste. Die zwischen dem BF und PP geschlossene mündliche Vereinbarung war auf die Durchführung von Fliesenlegerarbeiten auf einer konkreten Baustelle und somit auf ein abgrenzbares Ziel gerichtet, mit dessen Erreichung das Vertragsverhältnis enden sollte. Eine weitergehende Beschäftigung darüber hinaus war nicht beabsichtigt. Nach Durchführung der beauftragten Fliesenlegerarbeiten hätte die vertragliche Verpflichtung des PP ohne weiteres Zutun geendet.

Unter Berücksichtigung der wiedergegebenen höchstgerichtlichen Judikatur ist somit im Beschwerdefall davon auszugehen, dass PP selbständig erwerbstätig war und die gegenständliche mündliche Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und PP als Werkvertrag zu qualifizieren ist.

Es war daher im Beschwerdefall zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht vom Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnisses iSd § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG auszugehen und PP unterlag aufgrund der festgestellten Arbeiten nicht der Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG.

Daraus ergibt sich für den Beschwerdefall, dass die Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG daher schon dem Grunde nach nicht zu Recht erfolgte.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter Punkt 3.2. angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Arbeitszeit Beitragszuschlag Betriebsmittel selbstständig Erwerbstätiger Versicherungspflicht Weisungsfreiheit Werkvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W167.2158781.1.00

Im RIS seit

30.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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