Entscheidungsdatum
06.10.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W208 2207809-1/51E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2018, Zl. 1088904007-151436519, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) verließ im Jahr 2015 den Iran, stellte am 26.09.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.
Der BF gab als Fluchtgrund bei der Erstbefragung (EB) an, dass er schiitischer Moslem, Fußballer, Tischler (AS 1, 2) und homosexuell (AS 11) sei. Die Polizei habe ihn beim Geschlechtsverkehr mit einem Freund erwischt und festgenommen. Er habe deshalb nicht nur Angst vor der Polizei, sondern auch vor seiner Familie. Das seien alle seine Fluchtgründe. Er bestätigte, dass die Niederschrift rückübersetzt wurde und es keine Verständigungsprobleme gab.
Am 07.08.2018 wurde der BF von einem weiblichen Organ der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), im Beisein einer weiblichen Dolmetscherin zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen, nachdem er erklärte keine Einwände zu haben (AS 162). Er gab dabei an, dass die Dolmetscherin bei der EB in ausgelacht habe und er nicht die ganze Geschichte erzählt, aber im Kern das Richtige und die Wahrheit erzählt habe. Die EB sei auch nicht rückübersetzt worden (AS 163). Er sei am 15.08.2017 getauft worden, Christ und Protestant (AS 164). Er habe auch zwei christliche Tattoos am Arm (AS 177). Er führte weiters im Wesentlichen aus bisexuell (AS 171) zu sein, eine Freundin in Österreich zu haben, mit der er eine Tochter habe (AS 166) und einen Freund in Deutschland namens XXXX (im Folgenden: R), mit dem er gemeinsam aus dem Iran geflüchtet sei, weil er schon dort mit ihm eine sexuelle Beziehung gehabt habe (AS 170). Er sei mit 15 Jahren im Iran auch von Jugendlichen vergewaltigt worden und mit 21 Jahren wegen der Teilnahme an einer Party mit Homosexuellen und Mädchen im Gefängnis gewesen (AS 175). Er bestätigte, dass die Niederschrift rückübersetzt und alles richtig und vollständig protokolliert wurde (AS 183).
2. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 07.09.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig sei (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Das BFA stellte dem BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
3. Mit Schriftsatz vom 04.10.2018 erhob der BF durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang.
4. Mit Schriftsatz vom 15.10.2018 (eingelangt am 17.10.2018) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem BVwG vor. In der Folge wurden vom BF noch folgende Unterlagen nachgereicht:
- A2-Integrationsprüfung vom 25.06.2019 (ON 19)
- Erklärung zur gemeinsamen Obsorge der Tochter des BF vom 31.07.2019 (ON 20)
- ein iranischer Personalausweis, eine Geburtsurkunde, ein Schreiben der Bezirksverwaltungsbehörde vom 26.09.2019 wonach der BF und seiner Freundin eine Eheschließung beabsichtigen (ON 21)
Weiters wurden von der belangten Behörde folgende Polizeiberichte und ein Urteil vorgelegt:
- Abschlussbericht LPD OBERÖSTERREICH (PI XXXX ) vom 10.09.2019, wonach der BF am 06.09.2019 gegen 04:30 Uhr vor einem Lokal in XXXX mit einer Gaspistole (Schreckschusspistole) hantiert habe. Er sei wegen Verstoß gegen das Waffengesetz angezeigt und wegen seines aggressiven Verhaltens vorübergehend festgenommen worden (ON 26).
- Anzeige LPD STEIERMARK (PI XXXX ) vom 05.01.2020, wonach der BF vom 02.12.2019 – 05.01.2020 seine Wohnsitzbeschränkung auf das Bundesland Oberösterreich (§ 15c AsylG) missachtet habe, indem er bei seiner Freundin in XXXX aufhältig gewesen sei (ON 27).
- Rechtskräftiges Urteil LG XXXX , ( XXXX ) vom 08.01.2020, wegen Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer auf drei Jahre bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 2 Monaten, weil der BF seine Lebensgefährtin und Mutter seiner Tochter XXXX (im Folgenden: A):
1) am 03.11.2019 am Körper verletzt hat, indem er ihr mit der flachen Hand gegen das Gesicht, mit Fußtritten gegen den Unterleib und rechten Oberschenkel sowie Versetzen von Schlägen mit zumindest der flachen Hand gegen das Gesicht und den Oberkörper (Schulter, Rücken) sowie den linken Rippenbereich Hämatome und Prellungen der Nase, des linken Unterarms, im Bereich des linken Thorax und des linken Auges;
2) im März 2019 durch Versetzen von Schlägen mit der flachen Hand sowie der Faust in das Gesicht einer Verletzung an der Oberlippe und dem Auge (ON 29)
zugefügt hat.
5. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.05.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 05.06.2020).
6. Mit Schreiben vom 23.07.2020 wurden der BF sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 15.09.2020 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das BVwG beabsichtigt die Länderberichte gemäß dem „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 19.06.2020“ sowie den „Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran – Situation der Christen, Stand 3/2019“ als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben.
Da sich der BF, wie sie später herausstellte, zwischenzeitlich nach NORWEGEN abgesetzt hatte und nicht erreichbar war, legte die Rechtsberatung ihre Vollmacht zurück.
Nachdem der BF nach dem Dublin-Regime nach Österreich zurücküberstellt wurde, wurde die Verhandlung auf 28.09.2020 vertagt und die Ladung dem BF am 07.09.2020 am Flughafen – noch vor dem Antritt seiner verpflichtenden zweiwöchigen Covid-19-Quarantäne – zugestellt. Er erteilte daraufhin am 15.09.2020 der im Spruch angeführten Rechtsberatungsorganisation neuerlich Vollmacht ihn zu vertreten (ON 47).
7. Bereits davor übermittelte das BFA die unten angeführten Mitteilungen zu strafrechtlichen Verdachtsgründen gegen den BF, und entschuldigte sich für die Nichtteilnahme an der Verhandlung:
- Anklageerhebung der StA XXXX vom 13.07.2020 wegen § 127 StGB (Diebstahl) aufgrund eines Abschlussberichts der LPD OBERÖSTERREICH (PI XXXX ), wonach der BF am 01.07.2020 einen Kopfhörer aus einem Mediamarkt in XXXX im Wert von € 155,-- gestohlen habe (ON 34, 35).
- Abschlussbericht der LPD OBERÖSTERREICH (PI XXXX ) wonach der BF beschuldigt werde, am 13.07.2020 einen Schrank in der Asylunterkunft in XXXX aufgebrochen und Bargeld eines Bewohners (€ 110,--) gestohlen zu haben (ON 37).
- Abtretungsbericht der LPD OBERÖSTERREICH (PI XXXX ), wonach der BF im Verdacht stehe, in XXXX seit Mai 2020 Suchtgift zu konsumieren und am 15.07.2020 Marihuana zum Eigenbedarf gekauft haben Er sei auch nicht wie ihm angeordnet wurde in die Flüchtlingsunterkunft nach XXXX gezogen und sein Aufenthaltsort nicht feststellbar (ON 40).
- Anklageerhebung der StA XXXX vom 14.09.2020, weil der BF nach einem Abschlussbericht der LPD OBERÖSTERREICH (PI XXXX ) vom 27.08.2020 im Verdacht stehe, am 17.07.2020 der Pfarrersköchin Fr. XXXX in der Pfarrkirche in XXXX , zwei Geldbörsen mit Bankomatkarte, e-Card sowie € 210,-- und ein Mobiltelefon aus der im Altarbereich abgestellten Handtasche sowie einem Mitbewohner in der Asylunterkunft XXXX einen Rasierapparat gestohlen zu haben (ON 42 und ON 48).
8. Das BVwG führte am 29.09.2020 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF sowie dessen Rechtsvertretung (diese verspätet) teilnahmen und eine Zeugin (die Ex-Lebensgefährtin per Video, weil sie angab Angst vor dem BF zu haben) befragt wurde. Der BF wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Fluchtgründen sowie Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen und zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten und zur Zeugenaussage Stellung zu nehmen.
Das BFA nahm – wie angekündigt – an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab.
Eine Strafregisterabfrage wurde am 24.09.2020 durchgeführt und scheint dort die oben angeführte Verurteilung wegen Körperverletzung (der A) auf.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF
Der BF ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest.
Der BF stammt aus der Stadt XXXX , Provinz CHUZESTAN im IRAN und lebte dort bis zu seiner Ausreise, gehört der Volksgruppe der Araber an, spricht Farsi (Muttersprache), Arabisch, Englisch und Deutsch (Prüfung auf Niveau A2 positiv abgelegt), verfügt über eine 12-jährige Schulausbildung (mit Schulvorbereitungsklasse) ohne Maturaabschluss, weil er ein schwacher Schüler war. Danach war er zwei Jahre als Tischler und Dekorateur arbeiten und war dann zwei Jahre bei der Armee. Dann hat er eine dreijährige Ausbildung als Computergrafiker gemacht aber nicht abgeschlossen (AS 165). Nebenbei hat er 13 Jahre lang für zwei Vereine im Iran Fußball gespielt, womit er auch Geld (ca 10.000 Euro im Jahr) verdient hat. Auch in Österreich hat er Fußball gespielt bis er sich am Knie verletzt hat und aufhören musste (VHS 5).
Der BF ist ledig und hat eine uneheliche am XXXX .2017 geborene Tochter mit seiner Ex-Freundin XXXX , die seinen Namen XXXX angenommen hatte und nun wieder ihren Mädchennahmen XXXX führt (im Folgenden A). A hat den BF im November 2019 verlassen, weil er sie immer wieder geschlagen hat, weshalb er auch gerichtlich verurteilt wurde (vgl vorne I.4.). In der seit Februar 2016 dauernden Beziehung gab es immer wieder lautstarken Streit bzw Gewaltausübung. Es wurden Betretungsverbote gegen den BF ausgesprochen und musste das Paar immer wieder umziehen, weil wegen des Lärms die Mietverträge gekündigt wurden. Der BF lebt seit seinem Auszug im November 2019 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt, hat kein Besuchsrecht beantragt und keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter und seiner Ex-Lebensgefährtin. Diese ist auch wieder umgezogen und hat eine Auskunftssperre bezüglich ihrer Meldeadresse verhängen lassen (AS 93, AS 71, VHS 8, 11).
Der BF verfügt über keine sonstigen familiären, verwandtschaftlichen bzw familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. Der BF lebt hier in keiner Lebensgemeinschaft. Der BF ist in Österreich nicht Mitglied in Vereinen oder anderen Organisationen. Der BF besucht keine Schule und absolviert keine Ausbildung. Die sozialen Kontakte beschränken sich auf Bar- und Discobesuche.
Der BF bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und hat in Österreich zu keinem Zeitpunkt gearbeitet. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Das Verhältnis zur Familie des BF ist gut und steht er ihn regelmäßigem Kontakt, nicht nur zu seiner Schwester – wie er behauptet – sondern auch zu seinen Eltern. Die wirtschaftliche Situation der Familie in Iran ist gut, der Vater war Architekt.
Der BF leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung und ist arbeitsfähig.
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich nicht unbescholten und sind mehre Anklagen der Staatsanwaltschaft und Anzeigen gegen ihn anhängig (vgl oben I.4. und I.7.).
Für die mit gegenständlichem Urteil bestraften Tathandlungen übernimmt der BF nicht die Verantwortung. Er spricht davon, dass es „kein großes Verbrechen“ war, nur eine Ohrfeige gewesen sei und er sich „verteidigt“ habe (VHS 20). Das Gericht hat demgegenüber Schläge auch mit der Faust und Fußtritte gegen seine Ex-Lebensgefährtin festgestellt. Diese hatte auch bereits 2016 Anzeige gegen ihn wegen fortgesetzter Gewaltausübung eingebracht und wurde ein Betretungsverbot verhängt (AS 93).
Zum Diebstahlsverdacht betreffend Kopfhörer hat er eingestanden, dass er diesen an sich genommen und das Geschäft verlassen hat, weil er kein Geld gehabt habe und diese bereue (VHS 20).
Zum Vorwurf den Schrank eines anderen Asylwerbers aufgebrochen zu haben, äußerte er sich mit der Gegenfrage, wie ein Flüchtling mit 100 Euro im Monat auskommen solle und dass die Anschuldigung des irakischen Opfers, der eine „Anti-Iraner-Einstellung“ habe, falsch seien (VHS 20).
Das Marihuana habe nicht ihm, sondern einem Freund gehört, der Rasierapparat, sei schon in seinem Schrank gewesen und sei auch die Anschuldigung der Pfarrersköchin falsch, er habe nur in der Kirche gebetet (VHS 21).
Die Anschuldigungen hätten ihn Kraft gekostet, so habe er seine Klamotten genommen und sei ohne Bezahlung in einem Schlafwagen versteckt nach NORWEGEN gefahren (VHS 21).
1.2. Zum Fluchtvorbringen
1.2.1. Zur behaupteten Homosexualität bzw Bisexualität
Es ist nicht glaubhaft, dass der BF homo- oder bisexuell ist. Er ist heterosexuell und hat immer wieder Beziehungen zu Frauen. Deswegen droht ihm aus diesem Grund auch keine Verfolgung im Iran. Die Schilderung des fluchtauslösenden Ereignisses – der behauptete homosexuelle Kontakt bzw Geschlechtsverkehr mit XXXX (R) – war ebenfalls nicht glaubhaft.
1.2.2. Zum behaupteten Nachfluchtgrund der Konversion zum Christentum
Der BF wuchs in Iran als schiitischer Moslem auf und entstammt einer eher liberalen Familie.
In Iran wandte sich der BF nicht tiefergehend dem Christentum zu und missionierte nicht. Dem BF wird dies auch nicht von iranischen Behörden oder Privatpersonen unterstellt.
In Österreich besuchte der BF seit seiner Taufe am 15.08.2017 in der evangelischen freien Kirchengemeinde in XXXX (AS 195), nicht mehr regelmäßig die Kirche, sondern vertritt die Meinung, dass „man überall mit Gott sprechen kann“ (VHS 17). Er engagiert sich nicht in der Kirche. Der BF meldete seinen Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich erst Monate nach der Taufe am 14.05.2018 (AS 157).
Der BF verfügt über kein tiefergehendes Wissen zum Christentum und zum evangelischen Glauben. Er hat keine Verhaltensweisen verinnerlicht, die bei einer Rückkehr nach Iran als Glaubensabfall gewertet werden würden. Der BF hat bereits in Iran die muslimischen Riten nicht praktiziert und hatte er aus diesem Grund bisher keine Probleme in Iran. Obwohl er einen Onkel in den USA hat, der zum Christentum konvertiert ist, hat er sich im Iran nicht mit dem Christentum beschäftigt. Wo seine beiden Tattoos, einen großen Rosenkranz mit Kreuz am linken Unterarm und eine mit üppigen Dekolletee ausgestattete Frau mit Flügeln (ein Engel) entstanden sind, steht nicht fest. Es ist nicht glaubhaft, dass diese bereits vor seiner illegalen Einreise in Österreich in der Türkei entstanden und durch seinen tiefen christlichen Glauben motiviert sind. Die Tattoos können mit Kleidung verdeckt bzw so verändert werden, dass Sie keinen Bezug zum Christentum mehr aufweisen.
Der BF ist in Österreich zwar zum Christentum konvertiert, seine christliche Glaubensüberzeugung ist aktuell aber nicht derart ernsthaft, sodass sie Bestandteil der Identität des BF wurde. Es wird davon ausgegangen, dass sich der BF im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen wird.
Der BF ist in Österreich nicht missionarisch tätig und beabsichtigt nicht ernsthaft dies in Zukunft zu tun. Von den Verwandten und Freunden des BF, die davon wissen, geht keine Bedrohung aus. Dasselbe gilt für jene Personen die dem BF in sozialen Medien (Instagram) folgen. Dem BF droht im Iran daher keine Verfolgung aufgrund der dort gemachten Kritik am Islam.
Der BF brachte keine weiteren Gründe, warum er eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
1.3.1. Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 19. Juni 2020 (LIB 2020) ergibt sich:
Zur Sicherheitslage
Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.
Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).
In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).
Zu Apostasie und Konversion
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).
Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).
In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).
Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).
Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).
Zu Sexuelle Minderheiten
Angehörige sexueller Minderheiten können Belästigungen und Diskriminierungen ausgesetzt sein, obwohl über das Problem aufgrund der Kriminalisierung und Verborgenheit dieser Gruppen nicht ausreichend berichtet wird (FH 4.3.2020). Verboten ist in Iran jede sexuelle Beziehung, die außerhalb der heterosexuellen Ehe stattfindet, also auch homosexuelle Beziehungen, unabhängig von der Religionsangehörigkeit (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020, GIZ 12.2019c). Auf homosexuelle Handlungen, welche auch als „Verbrechen gegen Gott“ gelten, stehen offiziell Auspeitschung und sie können mit der Todesstrafe bestraft werden (dies besagen diverse Fatwas, die von beinahe allen iranischen Klerikern ausgesprochen wurden) (ÖB Teheran 10.2019; vgl. HRW 14.1.2020, GIZ 12.2019c). Die Beweisanforderungen sind allerdings sehr hoch, man braucht vier männliche Zeugen, es gibt ein Ermittlungsverbot bei Fällen, in denen zu wenige Zeugenaussagen vorliegen und hohe Strafen für Falschbeschuldigungen. Bei Minderjährigen und in weniger schwerwiegenden Fällen sind Peitschenhiebe vorgesehen. Auch hierfür sind zwei männliche Zeugen erforderlich (AA 26.2.2020). Im Falle von „Lavat“ (Sodomie unter Männern) ist die vorgesehene Bestrafung die Todesstrafe für den „passiven“ Partner, falls der Geschlechtsverkehr einvernehmlich stattfand, ansonsten für den Vergewaltiger (ÖB Teheran 10.2019). Auf „Mosahegheh“ („Lesbianismus“) stehen 100 Peitschenhiebe. Nach vier Wiederholungen kann aber auch hier die Todesstrafe verhängt werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020). Die Bestrafung von gleichgeschlechtlichen Handlungen zwischen Männern ist meist schwerwiegender als die für Frauen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). Gleichfalls ist Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung nicht verboten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. HRW 14.1.2020). Die Todesstrafe für Homosexualität wurde in den letzten Jahren nur punktuell und meist in Verbindung mit anderen Verbrechen verhängt. Da Homosexualität offiziell als Krankheit gilt, werden Homosexuelle vom Militärdienst befreit und können keine Beamtenfunktionen ausüben (ÖB Teheran 10.2019).
Aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und sozialer Ausgrenzung ist ein öffentliches „Coming out“ grundsätzlich nicht möglich (AA 26.2.2020). Auch werden Missbräuche durch die Gesellschaft oft nicht angezeigt, was Mitglieder von sexuellen Minderheiten noch anfälliger für Menschenrechtsverletzungen macht (ÖB Teheran 10.2019).
Zu Grundversorgung und Rückkehr:
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020). Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. (AA 26.2.2020)
1.3.2. Aus dem Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019) ergibt sich:
Ein Mitglied einer Hauskirche, das Mission betreibt, an christlichen Konferenzen außerhalb Irans teilnimmt, sich möglicherweise auch im Besitz christlicher Materialen befindet und insofern in den Fokus der Ordnungskräfte oder Geheimdienste geraten kann, wird bestenfalls vernommen und verwarnt. Es kann aber auch zu einer Festnahme mit anschließendem Strafverfahren führen. Das Ziel der vorgenannten Sicherheitskräfte ist nicht die Privatperson, sondern die Hauskirche als Organisation und die aktiv missionierenden Führungspersonen. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall eines Konvertiten bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hat. Mitglieder von Hauskirchen, die nicht der Leitung der Gemeinschaft zugerechnet werden, werden oftmals nach einer zweitägigen Haft und verschiedenen Vernehmungen, in deren Verlauf sie zu der Organisation der Hauskirche und eventuellen noch nicht bekannten Mitgliedern befragt werden, wieder auf freien Fuß gesetzt. (S 8f.)
Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet. […]
Konvertiten, die aus einer Gefährdungs- oder Konfliktsituation heraus die Ausreise betrieben haben, werden als gefährdet betrachtet, da möglicherweise seitens der Behörden eine Akte über sie angelegt wurde und dies bei der Einreise über das Informationssystem angezeigt wird. Auch Konvertiten, die im Ausland in der Öffentlichkeit für ihr christliches neues Leben bekannt wurden, laufen Gefahr, dass die iranischen Sicherheitskräfte eine solche Ermittlungsakte angelegt haben. Dabei genügt es nicht, über die sozialen Medien den Glaubenswechsel zu verbreiten; vielmehr wird angenommen, dass bei entsprechender Aufmerksamkeit für die iranischen Dienste entscheidend ist, ob der Glaubenswechsel nachvollziehbar ist oder lediglich eine „copy/paste“- Entscheidung getroffen wurde, um eine Annäherung zum westlichen Leben zu erreichen (S 11).
Die zu Apostasie, Konversion und Homosexualität festgestellte Situation stellt sich im gesamten iranischen Staatsgebiet gleichermaßen dar.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (bezeichnet mit Aktenseite [AS]). Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (Niederschrift vom 07.08.2018) sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (VHS), der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran vom 19. Juni 2020 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019), die vom BF vorgelegten Dokumente (vgl vorne I.4. ), die Zeugenaussage der langjährigen Lebensgefährtin (Februar 2016 – November 2019) des BF, Frau A, in der mündlichen Verhandlung, das Strafurteil vom 08.01.2020 und die Strafregisterabfrage vom 24.09.2020.
2.2. Die Feststellungen werden wie folgt begründet:
2.2.1. Zur Person des BF
Aufgrund der beim BFA vorgelegten unbedenklichen Personendokumente (Personalausweis, Geburtsurkunde – AS 217-225 und 265) steht die Identität des BF fest. Dies hat auch das BFA in seiner Entscheidung festgestellt.
Das BVwG erachtet die Aussagen des BF – betreffend Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand - sowie seine Situation in Österreich für glaubhaft, weil er im Verfahren im Wesentlichen dazu gleichbleibende Angaben machte.
Die Richtigkeit seiner Angaben zu seiner Schulzeit und Berufstätigkeit waren hingegen widersprüchlich. So gab er in der Erstbefragung an 8 Jahre Grundschule von 1998 bis 2006 absolviert zu haben Fußballspieler und Tischler gewesen zu sein (AS 1,3). In der NS mit dem BFA sprach er hingegen von 12 Jahren Schulbesuch (inkl Schulvorbereitungsjahr) und viel Fußballspiel und danach von zwei Jahren Arbeit als Tischler und Dekorateur (von 16-18 Jahren) und weiteren 3 Jahren Ausbildung als Computergrafiker. Beim BVwG gab er hingegen an 9 Jahre in die Schule gegangen, diese mit 17 Jahren verlassen zu haben und bis zu seiner Ausreise als Fußballspieler sein Geld verdient zu haben. Die Arbeit als Tischler und Dekorateur verschwieg er und gab an gleich nach der Schule für zwei Jahre zum Militär gegangen zu sein (VHS 5). Das BVwG geht aufgrund der zweimaligen Erwähnung der Arbeit als Tischler und das der BF eingeräumt hat ein schlechter Schüler gewesen zu sein, von der Glaubhaftigkeit der Angaben in der NS beim BFA aus.
Nicht glaubhaft ist, dass er nur mehr zu seiner Schwester Kontakt hat und seine Eltern (insbesondere sein Vater) den Kontakt zu ihm seit der Ausreise abgebrochen haben, weil sie wissen, dass er homosexuell ist. Die Zeugin – die, trotz der üblen Behandlung durch den BF während ihrer Lebensgemeinschaft, auch diesen unterstützende Aussagen getätigt hat – hat glaubhaft ausgesagt, dass er eine zwar oberflächliche aber gute Beziehung zu seiner Familie gehabt habe, sie hätte ihn sogar verteidigt, wenn sie ihre blauen Flecken (von den Schlägen) beim Videotelefonieren gesehen hätten, es sei immer ums Geld gegangen (VHS 9).
Die Familie muss auch – entgegen der Aussagen des BF – eher liberal eingestellt sein, weil der BF im Iran nicht in die Moschee gehen musste (VHS 17), der Vater als Architekt über einen hohen Bildungsgrad verfügt sowie seine Schwester geschieden ist und an der Universität (AS 174) war und mit ihm in der Freizeit weggegangen ist (AS 168, VHS 6). Dass der Vater ein strenggläubiger Basij ist und Vizebürgermeister war, ist daher nicht glaubhaft, handelt es sich bei den Basij um eine paramilitärische Freiwilligengruppe die den Revolutionsgarden untersteht und sich hauptsächlich aus Jugendlichen rekrutiert (ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: a-6026 (ACC-IRN-6026), 11. April 2008 https://www.ecoi.net/de/dokument/1106608.html [Zugriff am 30. September 2020]). Der BF hat diese Tätigkeit als Basij und Vizebürgermeister erstmals beim BVwG erwähnt und niemals zuvor. Das BVwG sieht darin einen Versuch eine besondere Gefährdung durch seinen Vater zu konstruieren, die aber in Wirklichkeit nicht vorliegt.
Die gerichtliche Verurteilung ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Urteil des LG (ON 29 und vorne I.4.) indem als Milderungsgründe das teilweise Geständnis und die Unbescholtenheit, sowie als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Handlungen angeführt ist. Die übrigen Anschuldigungen und Aussagen des BF ergeben sich aus den zitierten Berichten (I.7.) und den dazu getätigten Aussagen des BF in der Verhandlung vor dem BVwG (VHS 20).
Die Feststellungen zur Situation des BF in Österreich ergeben sich aus den vorgelegten, unstrittigen Dokumenten und der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung. Zudem konnte sich das BVwG in der mündlichen Verhandlung ein aktuelles Bild von der Persönlichkeit und den vorhandenen Deutschkenntnissen des BF machen.
2.2.2. Zum Fluchtvorbringen
2.2.2.1. Zu den vom BF vorgebrachten Vorfällen im Iran bzw seiner Homo-/Bisexualität
Zur Schilderung des fluchtauslösenden Ereignisses hat der BF in den drei Einvernahmen unterschiedliche Angaben gemacht. So hat er in der EB noch angeführt „homosexuell“ zu sein und beim „Geschlechtsverkehr“ mit einem Freund von der „Polizei“ erwischt worden zu sein (AS 11). Übersetzungsfehler sind diesbezüglich auszuschließen, weil der BF selbst angab im Kern habe alles gestimmt und die Wörter sich im Farsi auch nicht ähnlich sind.
Demgegenüber brachte er in der Einvernahme beim BFA vor, nach dem Genuss von Alkohol (Whiskey) habe sich sein Freund R, als er ihn ein seinem Büro besucht habe, zu ihm gesetzt, sie hätten sich „geküsst“, er und R hätten das „Oberteil schon ausgezogen“ gehabt und seien dann von einem „Mitarbeiter“ erwischt worden. R habe sich mit diesem unterhalten und habe versucht ihn zu beruhigen, während er ihm (dem BF) mit Handzeichen zu verstehen gegeben habe, dass er verschwinden solle. Er habe dann das Gebäude verlassen und eine halbe Stunde später R angerufen. R habe ihm dann gesagt, dass der Kollege Geld verlangt habe und dass er (R) auch mit ihm schlafe. Nach ca 1,5 Stunden sei der BF wieder ins Büro zu R gegangen und er habe zu R gesagt, dass sie das Land verlassen sollten (AS 170, 172, 173). Sie hätten dann ausgemacht in die Türkei zu gehen und wenn sich die Sache wieder beruhigt hätte nach Hause zurückzukehren. Nach 5 Tagen habe ihn seine Schwester angerufen, ihm gesagt, dass seine Familie Bescheid wüsste, weil die Polizei bei R den Computer mit den Fotos des BF gefunden habe (AS 174). Bereits hier ist auffällig, dass von Geschlechtsverkehr und Polizei keine Rede mehr ist.
Beim BVwG schilderte der BF dazu wieder widersprüchlich, er habe mit R „Tee“ getrunken, sie hätten sich geküsst und R habe begonnen ihm das Hemd auszuziehen, da sei ein „Wachmann“ ein „Basij“ der Firma hereingekommen und sie hätten angefangen zu streiten. Er habe sie beschimpft und sei gegangen den Chef zu benachrichtigen. Bevor das weitere Wachpersonal gekommen sei, habe er (der BF) R aus dem Zimmer genommen und ihm gesagt, dass sie sich verstecken müssten. Sie seien dann in eine Grenzstadt gegangen und hätten dann abgewartet was passiert. Dort habe er dann von seiner Schwester erfahren, dass sein Vater sehr böse sei und ihn umbringen wolle, weil die Polizei von der Familie des R von ihrer Beziehung erfahren habe. Dan seien sie in die Türkei gegangen (VHS 19). Abgesehen davon, dass von Alkohol keine Rede mehr war, wurde auch der Ablauf nach dem erwischt werden anders dargestellt, nicht R hat ihn weggeschickt, sondern umgekehrt.
Wenn der BF derartige Fakten, welche eine besondere persönliche Betroffenheit ausgelöst haben müssen (hier: das erwischt werden im Büro mit dem homosexuellen Freund), derart unterschiedlich und sogar widersprüchlich darstellt, so ist davon auszugehen, dass diese nicht den (erlebten) Tatsachen entsprechen. Selbst nach Vergehen eines Zeitraumes von über fünf Jahren seit der Ereignisse, müsste diesbezüglich eine konstante Schilderung möglich sein.
Dass hier Missverständnisse der Dolmetscher vorgelegen sind, ist bei diesen gravierenden Abweichungen nicht anzunehmen und zeigen diese Widersprüche in den emotionalen behafteten Teilen der Geschichte, dass die Ereignisse nicht erlebt, sondern die Schilderung auswendig gelernt wurde und dann selbst in den wenigen Details nicht richtig wiedergegeben werden konnte.
Es mag sein, dass es sich bei R um einen homosexuellen Freund des BF handelt, der mit ihm auch geflirtet hat, das bedeutet aber nicht, dass der BF ebenfalls homosexuell ist und dies auslebt. So konnte der BF - trotz der langeandauernden Freundschaft – und dass sich der R seit langer Zeit in Deutschland mit Asylstatus befindet - keine gemeinsamen Bilder vorlegen und hat auch seine Lebensgefährtin ausgesagt, dass der BF zwar immer wieder mit ihm telefoniert habe, sie aber nichts von Besuchen wisse (VHS 10). Die Aussagen des BF und der Zeugin dazu, dass der BF mit dem R eine Beziehung gehabt habe (was die Z nur vom Hörensagen annimmt) bedeuten nicht, dass der BF tatsächlich homosexuell ist. Der 2018 beim BFA vorgelegte WhatsApp-Verkehr sagt über eine homosexuelle Beziehung ebenso wenig aus, wie dass es kurz vor der Verhandlung beim BVwG einen wechselseitigen Telefonanruf gab.
Das tatsächliche Verhalten des BF in Österreich ist hingegen weitaus aussagekräftiger und spricht gegen seine Homosexualität:
Der BF hatte vor der Beziehung zu seiner Lebensgefährtin A mindestens eine Beziehung zu einer Frau in Österreich und hat eine große Tätowierung einer mit üppigen Busen ausgestatteten Frau am linken Oberarm, wo erst auf den zweiten Blick (Engels-)Flügel erkennbar sind. Er hatte auch in einer Beziehungspause mit der A eine Beziehung zu einer Frau und kurz nach Beziehungsende mit A wiederum. Es liegen auch ein Bericht im Akt, wonach er eine Mitarbeiterin der Diakonie im Jänner 2016 auf einem Parkplatz mittels eindeutiger Gesten sexuell belästigt hat (AS 95). Die Zeugin A hat glaubhaft ausgesagt, dass er zwar auch schwule Freunde hat, aber ein hohes Interesse an Frauen (VHS 9). Demgegenüber konnte der BF bis auf drei Vornamen von Männern mit denen er angeblich eine rein sexuelle Beziehung hatte, nichts vorweisen (VHS 16). Er hat auch beim BFA ausgesagt, dass es außer R niemanden gab und er nicht versucht habe mit anderen Männern Kontakt aufzunehmen (AS 172). Schließlich ist noch anzuführen, dass er eine über dreieinhalbjährige Beziehung mit seiner Lebensgefährtin A hatte, mit der er ein Kind gezeugt hat und die er auch heiraten wollte (AS 47), wobei er keinen sozialen Druck behauptet hat und dass BVwG nicht verkennt, dass auch homosexuelle Männer heterosexuelle Beziehungen und leibliche Kinder haben können. Das gilt aber auch umgekehrt. Der BF hat einschlägige Fragen zu seiner Homosexualität nur vage und oberflächlich und farblos beantwortet. Er hat sich vor seiner Flucht nicht zur Lage der Homosexuellen in Österreich oder Europa erkundigt (VHS 13) und kennt die Szene nicht. Er hat nur den Namen einer einzigen Bar genannt (VHS 16) und offenbar keinen Kontakt zu einschlägigen homosexuellen Vereinigungen. Er hat zusammengefasst in Österreich ausschließlich eine heterosexuelle Gesinnung gelebt.
Schließlich hat er auch keine Zeugen namhaft gemacht die über seine sexuelle Orientierung Auskunft geben könnten und seine Behauptungen stützen.
Dass die Angaben des BF, er sei homosexuell, nicht der Wahrheit entsprechen, ergibt sich auch daraus, dass er auf Nachfrage beim BVwG zuerst angeführt hat, dass R seine erste sexuelle Beziehung zu einem Burschen gewesen ist und er damals ca 22 Jahre alt gewesen sei (VHS 7). Wenige Minuten später führte er dann widersprüchlich dazu aus, er hätte ein Jahr nachdem er mit 15 oder 16 Jahren herausgefunden habe, dass er mehr auf Jungs stehe, zwei sexuelle Beziehungen mit einem Mohammed und einem Elias gehabt habe (VHS 15). Das hatte er beim BFA nicht erwähnt. Er gab beim BVwG so wie auch schon beim BFA (AS 171) an, im selben Zeitraum, mit 16, 17 Jahren, im Iran drei- bis viermal mit einem Mädchen geschlafen zu haben (VHS 6).
Er sei auch einmal mit 21 Jahren bei einer Party mit Homosexuellen und Mädchen verhaftet worden, die Polizei habe gegen ihn wegen Homosexualität ermittelt und sein Vater habe ihn aus dem Gefängnis freikaufen können (VHS 16, AS 175). Dieser Vorfall muss sich also 2012 zugetragen haben und ist der BF danach unbehelligt im Iran verblieben.
Dass er im Iran mehrfach vergewaltigt worden sein soll, ist ebenfalls nicht glaubhaft. Zum einen hat der BF diesen Vorfall völlig emotionslos erst auf Vorhalt vorgetragen nachdem er verneint hatte, dass er in der Vergangenheit – außer einer Knieverletzung - gröber verletzt worden sei (VHS 12). Zum anderen hat er diesen Vorfall oberflächlich und unterschiedlich zu seiner Einvernahme beim BFA (AS 175) geschildert, dort sprach er noch von Fesselung und dass ihm die Zähne eingeschlagen worden seien. Er sei 15 Jahre alt gewesen. Beim BVwG gab er an circa 16 Jahre alt gewesen und mit einem Messer am Arm verletzt worden zu sein und sei ihm mit der Faust auf die Zähne geschlagen worden. Eine Fesselung erwähnte er nicht. Fünf Personen hätten ihn der Reihe nach vergewaltigt nachdem sie ihn in ein Auto gezerrt und in eine abgelegene Gegend gebracht hätten. Auch hier gilt, dass ein derart gravierendes und emotional stark berührendes Ereignis, nicht derart vage und unterschiedlich geschildert werden können muss, wenn es sich tatsächlich so zugetragen hätte. Im Übrigen hat er dieses Ereignis bei der Ersteinvernahme ebenfalls nicht erwähnt. Der BF hat dieses Ereignis erst beim BFA geschildert und es als sexuellen Kontakt mit Männern im Iran dargestellt, um seine Homosexualität bereits im Iran darzustellen.
2.2.2.2. Zur behaupteten Konversion zum Christentum
Seine Abkehr vom Islam und seine Zuwendung zum Christentum hat der BF erst bei der Einvernahme beim BFA, drei Jahre nach seinem Erstantrag, erwähnt, wo er noch angab schiitischen Glaubens zu sein. Er hat erst beim BFA explizit auf seine „christlichen Tätowierungen“ hingewiesen (AS 177): den bereits oben beschriebenen tief dekolletierten Frauenengel auf dem linken Oberarm und einen großen Rosenkranz mit Kreuz (das fast aussieht wie ein Schwert) auf seinem linken Unterarm.
Beim BVwG gab er an, sich die Tätowierungen in der Türkei, nach seiner erfolgreichen illegalen Ausreise aus dem Iran machen habe lassen, weil er dem christlichen Gott nach einem Kirchenbesuch danken wollte, dass er ihm geholfen habe, nachdem er schon im Iran viel über das Christentum nachgedacht habe (VHS 14). Das ist nicht glaubhaft, weil, wenn der BF bereits vor seiner Einreise nach Österreich vom christlichen Glauben so begeistert gewesen wäre, dass er sich in der islamischen Türkei zwei große christliche Tätowierung hat machen lassen, hätte er dies bei seiner Ersteinvernahme zweifellos erwähnt. Die Zeugin A hat zwar ausgesagt, dass der BF die Tätowierungen schon hatte bevor er nach Österreich gekommen ist, das kann sie aber gar nicht wissen, weil sie den BF erst nach seiner Einreise (26.09.2015) und Verlegung nach Oberösterreich (lt ZMR am 22.10.2015 und damit im Herbst/Winter wo man lange Ärmel trägt) kennengelernt hat und erst im Februar 2016 mit ihm zusammengezogen ist. Das BVwG geht daher davon aus, dass sich der BF die Tätowierung erst in Österreich hat machen lassen.
Aus der Judikatur des VwGH folgt, dass sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260 unter Bezugnahme auf VfGH 27.02.2018, E 2958/2017).
Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl auch dazu etwa jüngst VwGH 12.6.2020, Ra 2019/18/0440, Rn. 28 bis 32, mwN; VwGH 06.08.2020, Ra 2020/18/0017).
Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Feststellungen zu den christlich-religiösen Aktivitäten des BF in Österreich aus der von ihm vorgelegten Taufurkunde der persischen evangelischen Freikirche XXXX (AS 195) sowie der Einvernahme des BF und der Zeugin A in der mündlichen Verhandlung. Der Austrittserklärung aus der islamischen Glaubensgemeinschaft vom 14.05.2018 (AS 157) kommt hingegen nur eingeschränkter Beweiswert zu, weil dafür die bloße Behauptung des BF ausreicht und dieser keinerlei Ermittlungstätigkeit der Behörde vorangehen. Im Übrigen vertritt die islamische Glaubensgemeinschaft nur einen Bruchteil der Muslime in Österreich, sodass ein Outing ihr gegenüber im Iran keine Konsequenzen hat.
Trotz konkreter Aufforderung in der Ladung zur mündlichen Verhandlung, alle verfügbaren Beweismittel mitzubringen, legte der BF keine weiteren Beweismittel vor, beantragte keine Zeugeneinvernahme und machte bei der Verhandlung auch keine Zeugen, welche die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung belegen hätten können, stellig (vgl VwGH 25.02.2019, Ra 2019/19/0017, 23.01.2019, Ra 2018/19/0453 mwN). In der Verhandlung wurde kein Beweisantrag gestellt. Es ist vor dem Hintergrund dieser Judikatur nicht Aufgabe des BVwG, Nachforschungen zu tätigen, um die Kirchengemeinde des BF ausfindig zu machen und den Pastor einzuvernehmen.
Die aktuelle innere Glaubensüberzeugung des BF war mangels weiterer Beweismittel anhand dessen Ausführungen und jener seiner Ex-Lebensgefährtin A, in der mündlichen Verhandlung zu prüfen.
Die Zeugin A gab dazu an, dass der BF Christ geworden und zur freien Kirchengemeinde in XXXX gegangen sei. Er habe daheim oft gebetet und aus der Bibel gelesen (VHS 10). Das spricht für den Glaubenswechsel. Sie hat aber auch ausgesagt, dass er sich bereits vor der Taufe nicht besonders in der Kirche engagiert habe und danach sei es noch weniger geworden, er sei nicht jeden Sonntag in die Kirche gegangen, sondern habe sich alle paar Monate dort anschauen lassen (VHS 11). Der BF sagte dazu, Gott sei überall und man müsse nicht in die Kirche gehen, um mit ihm zu sprechen (VHS 17). Daraus erschließt sich, dass des dem BF nicht um die öffentliche Ausübung seines Glaubens geht. Er konnte, trotzdem er angab sich bereits im Iran (wegen seines Onkels in den USA der konvertiert sei) mit dem Christentum auseinandergesetzt zu haben, keinerlei inhaltliches Angaben zu seinem neuen Glauben machen. Er hatte nicht einmal ein Grundwissen in Bezug auf das Christentum, konnte keines der 10 Gebote nennen, keine Bibelstelle die ihn besonders beeindruckt habe und kannte lediglich das Weihnachtsfest (VHS 18). Durch eine Lernschwäche – wie er angab – ist dies nicht erklärbar. Er hat auch unterschiedliche Angaben zur Dauer seines Taufkurses gemacht: beim BFA gab er noch an diesen 6 Monate besucht zu haben (AS 177), beim BVwG sprach er von ca 3 Monaten (VHS 18). Er hat auch unterschiedliche Angaben zu seiner Motivation zum Glaubenswechsel gemacht: Beim BFA gab er an in TUNESIEN (Übersetzungsfehler: gemeint war INDONESIEN) „auf Urlaub“ gewesen zu sein und dort im Dschungel Personen gesehen zu haben, die christliche Sitzungen abgehalten hätten, bei sich zu Hause sei die Konversion seines Onkels in Amerika Thema gewesen und in Österreich habe er gemer