Index
EStGNorm
BAO §4 Abs1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde des MR in L, vertreten durch Dr. Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in Wien VI, Mariahilferstraße 1B, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 25. August 1988, Zl. B 67-4/88, betreffend Nachversteuerung von Sonderausgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer schloß im März 1978 einen Lebensversicherungsvertrag über eine Versicherungssumme von S 200.000,-- ab. Die Versicherungsprämien machte er für die Jahre 1978 bis 1986 als Sonderausgaben geltend.
Am 21. November 1986 teilte die Versicherung dem Finanzamt mit, daß die Versicherungssumme des gegenständlichen Vertrages durch einen Teilrückkauf per 1. Mai 1986 reduziert worden sei.
Am 10. Juni 1987 gab die Versicherung dem Finanzamt allerdings bekannt, daß der Beschwerdeführer diese Reduktion nunmehr wieder rückgängig gemacht habe und die Versicherung in voller Höhe weiterführe. Das Schreiben vom 21. November 1986 sei daher als gegenstandslos zu betrachten.
Das Finanzamt versteuerte mit Bescheid vom 24. September 1987 die für die Jahre 1978 bis 1986 als Sonderausgaben anerkannten Versicherungsprämien mit der Begründung nach, daß die Lebensversicherung vor Ablauf der gesetzlichen Mindestbindungsfrist rückgekauft worden sei.
Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, daß der Lebensversicherungsvertrag noch immer aufrecht sei. Er habe lediglich nach einer achtjährigen Bindungsfrist einen Teilrückkauf durchgeführt. Die Prämienzahlungen und die Laufzeit des Vertrages hätten sich nicht geändert.
Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung. Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz legte der Beschwerdeführer dar, daß er seinerzeit lediglich eine Belehnung des Versicherungsvertrages und keinen Teilrückkauf, wie irrtümlich in der Berufung angegeben, vorgenommen habe.
Einem aktenkundigen, von beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ins Treffen geführten Schreiben der Versicherung an die belangte Behörde vom 18. Februar 1988 ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer im März 1986 den Versicherungsanspruch in Höhe des Rückkaufwertes von S 55.000,-- bei gleichzeitig unverändertem Fortbestand des Vertrages belehnte. Im Mai 1986 habe er die Beitragszahlung eingestellt, das bedingungsgemäß vorgesehene Mahn- und Kündigungsverfahren habe zu laufen begonnen. Der Beschwerdeführer habe zwar zeitweise Versicherungsbeiträge bezahlt, sie reichten aber nicht aus, um dieses Verfahren zu beenden.
Im September 1986 habe der Beschwerdeführer um Verringerung der Versicherungssumme derart gebeten, daß die neue Prämie zuzüglich des für das Polizzendarlehen zu zahlenden Zusatzbeitrages (Darlehenszinsen) der alten Prämie entspreche. Die Monatsprämie für die Versicherungssumme von S 200.000,-- habe S 784,20 betragen. Für das Darlehen seien S 437,20 zu bezahlen gewesen. Das Angebot der Versicherung vom 1. Oktober 1986 habe daher auf eine neue Monatsprämie von S 347,-- zuzüglich unveränderter Darlehenszinsen von S 437,20 und eine neue Versicherungssumme von S 133.221,-- bei aufrechtem Darlehen von S 55.000,-- gelautet.
Da der Beschwerdeführer zum Angebot der Versicherung keine Stellung bezogen habe, hätte der Vertrag im November 1986 infolge Einstellung der Beitragszahlung beitragsfrei gestellt werden müssen. Dies habe zu einem Teilrückkauf geführt. Infolge dessen habe sich die Versicherungssumme von S 200.000,-- auf S 5.423,-- vermindert, in weiterer Folge auf Grund der Beitragsfreistellung auf S 2.182,--. Eine Novation liege aber nicht vor, auch sei zu diesem Zeitpunkt an den Beschwerdeführer keine Auszahlung erfolgt.
Die für die von der Versicherung am 1. Oktober 1986 angebotene Änderung erforderlichen Unterlagen seien bei ihr im Mai/Juni 1987 eingelangt, ebenso die Nachzahlungen von fälligen Beiträgen. Die Wiederinkraftsetzung des Vertrages zuerst in den ursprünglichen Zustand (Versicherungssumme S 200.000,--) und dann die Reduktion auf S 133.221,--, jeweils mit aufrechtem Darlehen von S 55.000,--, hätte durchgeführt werden können. Es handle sich um keine neue Versicherung, sondern um die Fortführung des alten Vertrages mit geänderter Versicherungssumme und Prämie.
Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge, da nach dem Schreiben der Versicherung vom 18. Februar 1988 ein Teilrückkauf erfolgt sei. Auch ein Teilrückkauf der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag vor Ablauf der 10-jährigen Mindestbindungsfrist sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steuerschädlich.
Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde führt einerseits aus, das dem Beschwerdeführer im März 1986 gewährte Darlehen von S 55.000,-- sei rechtlich als Polizzenvorauszahlung zu qualifizieren, welche anläßlich der Beitragsfreistellung in einen „Teilrückkauf“ verwandelt worden sei; durch Nachtragspolizzierung sei der an sich erfolgte „Teilrückkauf“ mit Wirkung ex tunc aufgehoben worden. Andererseits meint aber der Beschwerdeführer, es werde fälschlicherweise ein Teilrückkauf angenommen. Für diese Meinung weiß der Beschwerdeführer allerdings nicht viel mehr als die Behauptung vorzubringen, es liege kein Teilrückkauf der Versicherungsansprüche vor, der das Polizzendarlehen getilgt hätte. Der Beschwerdeführer setzt sich damit jedoch mit dem Schreiben der Versicherung an die belangte Behörde vom 18. Februar 1988 in Widerspruch. In diesem Schreiben, auf das sich nicht nur der angefochtene Bescheid stützt, sondern das der Beschwerdeführer selbst seiner Beschwerde beischloß und für seinen Standpunkt ins Treffen führte, heißt es aber ausdrücklich, die Versicherung hätte den gegenständlichen Vertrag infolge Einstellung der Beitragszahlung beitragsfrei stellen müssen. Anläßlich einer Beitragsfreistellung müsse ein vergebenes Polizzendarlehen abgerechnet werden, da ja auch die fälligen Zinsen nicht bezahlt würden. Diese Abrechnung führe zu einem Teilrückkauf (Unterstreichung durch die Versicherung), das heiße, der dazumal ausbezahlte Darlehensbetrag von S 55.000,-- sei in einen Teilrückkauf verwandelt worden.
Diesen durchaus schlüssigen, im angefochtenen Bescheid verwerteten Ausführungen der Versicherung weiß der Beschwerdeführer in der Beschwerde konkret nichts entgegenzusetzen. Es erscheint daher nicht rechtswidrig, wenn auch die belangte Behörde im Sinne der Mitteilung der Versicherung einen Teilrückkauf unterstellte. Die Bemerkung im angefochtenen Bescheid, durch den Teilrückkauf sei das Polizzendarlehen „abgedeckt“ worden, soll, wie sich aus dem Zusammenhang unschwer ersehen läßt, nichts anderes ausdrücken als die im Schreiben der Versicherung vom 18. Februar 1988 enthaltene Aussage, das Polizzendarlehen müsse anläßlich einer Beitragsfreistellung (mit der Folge des Teilrückkaufes) abgerechnet werden.
Dem für den Beschwerdeführer entscheidungswesentlichen Argument aber, daß der Teilrückkauf durch die Parteien zur Gänze rückgängig gemacht worden sei, ist folgendes entgegenzuhalten:
Der Anspruch der Abgabenbehörde auf eine Nachversteuerung der Versicherungsprämien gemäß § 18 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 begründet einen Anspruch auf Nachforderung von Einkommensteuer, also auf eine bundesrechtlich geregelte Abgabe im Sinne des § 1 lit. a BAO, für die auch die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten (siehe § 1 BAO sowie die abschließenden Ausführungen bei Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 16 Abs. 3 und 4 EStG 1972 zu Tz 2). Die kraft Nachversteuerung anzufordernde Einkommensteuer kann allerdings weder als Vorauszahlung, noch als zu veranlagende Abgabe, noch als Steuerabzugsbetrag im Sinne des § 4 Abs. 2 lit. a Z. 1 bis 3 BAO angesehen werden. Es gilt also für die infolge Nachversteuerung anzufordernde Einkommensteuer uneingeschränkt der Grundsatz des § 4 Abs. 1 BAO, daß der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft (siehe auch Stoll, BAO-Handbuch, Seite 20 letzter Absatz). Nach § 18 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 hat eine Nachversteuerung der Versicherungsprämien unter anderem zu erfolgen, wenn die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag innerhalb einer bestimmten (hier unbestrittenermaßen noch nicht verstrichenen) Frist ganz oder zum Teil rückgekauft werden. Mit einem solchen Rückkauf wird der Tatbestand verwirklicht, der den Abgabenanspruch auf jene Einkommensteuer entstehen läßt, die zufolge Nachversteuerung gemäß § 18 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 anzufordern ist. Wurde aber - wie im Beschwerdefall - der abgabenrechtliche Tatbestand durch Teilrückkauf der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag vor Ablauf der hier maßgeblichen Zehnjahresfrist verwirklicht, so führte dies zu einem öffentlich-rechtlichen Anspruch, der durch (nachfolgende) privatrechtliche Vereinbarung nicht (mehr) beseitigt werden konnte (Stoll, aaO, Seite 19).
Aus dieser Sicht bleibt zur Beschwerde nur noch folgendes anzumerken:
Wurde, wovon im Hinblick auf das erwähnte Schreiben der Versicherung vom 18. Februar 1988 auszugehen ist (siehe oben), im Jahre 1986 ein Teilrückkauf getätigt, dann erfüllt dieser Teilrückkauf den in Rede stehenden Nachversteuerungstatbestand, ob nun im Beschwerdefall von einer Novation gesprochen werden kann oder nicht. Auf die Verwirklichung des Tatbestandselementes des Rückkaufes hat es auch keinen Einfluß, ob die Wirkungen einer Kündigung (wieder) fortfallen, wenn der Versicherungsnehmer seine Rückstände nachzahlt. Entscheidend ist nach dem Gesetz, daß es (innerhalb der hier 10-jährigen Frist) überhaupt zu einem Rückkauf kam, und nicht, ob die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag endgültig oder (wegen vereinbarter Rückgängigmachung) nicht endgültig rückgekauft wurden. Mit dem Erkenntnis vom 13. April 1988, Zl. 86/13/0105, 0106, hat die belangte Behörde lediglich die dem Zitat unmittelbar vorangegangene Aussage untermauert, daß auch ein Teilrückkauf der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag vor Ablauf der 10-jährigen Mindestbindungsfrist steuerschädlich ist.
Der Vollständigkeit halber sei noch § 18 Abs. 4 EStG 1972 erwähnt. Diese Bestimmung stellt klar, daß die in Betracht kommenden Sonderausgaben nicht für das Jahr ihrer Geltendmachung, sondern in dem Jahr nachzuversteuern sind, in dem die Voraussetzungen für die Nachversteuerung gegeben sind. Die Voraussetzungen für die Nachversteuerung wieder sind gegeben, wenn die jeweiligen, in § 18 Abs. 1 Z. 2, 3 oder 8 EStG 1972 angeführten Nachversteuerungstatbestände erfüllt sind. Eine unmittelbare Aussage über das Entstehen des Abgabenanspruches auf die zufolge Nachversteuerung anzufordernde Einkommensteuer ergibt sich daraus jedoch nicht.
Der Beschwerde kommt somit keine Berechtigung zu. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte der Verwaltungsgerichtshof absehen, da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Wien, am 17. Oktober 1989
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1989:1988140200.X00Im RIS seit
30.11.2020Zuletzt aktualisiert am
30.11.2020