TE Vfgh Erkenntnis 1995/10/11 B269/94, B589/94, B590/94, B591/94, B592/94, B593/94, B594/94, B595/94

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Veröffentlicht am 11.10.1995
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Index

35 Zollrecht
35/05 Sonstiges

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung von ImportausgleichsVen mit E v 29.09.94, V97/93 ua (Quasi-Anlaßfall-Wirkung in den Fällen B598-601/94) und mit E v 02.10.95, V263/94 ua.

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien, zu Handen ihrer Rechtsvertreter, die Prozeßkosten in der Höhe von S 18.000,- je Beschwerde zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden verschiedener Finanzlandesdirektionen wurde den beschwerdeführenden Parteien für die Einfuhr bestimmter Mengen von diversen Arten toten Geflügels (Hühner und Truthühner) aus mehreren Ländern Europas (Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Ungarn) auf Grundlage des §1 Abs1 und des §3 Abs1 des Bundesgesetzes vom 5. November 1987, BGBl. 579, über die Erhebung eines Importausgleiches bei der Einfuhr von Erzeugnissen der Geflügelwirtschaft (Geflügelwirtschaftsgesetz 1988) - jeweils in Verbindung mit einer bestimmten, auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über Importausgleichssätze und Schwellenpreise für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft - ein Importausgleich vorgeschrieben.

In ihren gegen diese Bescheide gerichteten, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof erachten sich die beschwerdeführenden Parteien - ausschließlich - wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in ihren Rechten verletzt und begehren die Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

Die belangten Behörden haben die Verwaltungsakten vorgelegt, und auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

II. 1. Die angefochtenen Bescheide stützen sich einerseits jeweils auf einzelne der im nachfolgenden Punkt II.2. näher bezeichneten Bestimmungen der dort angeführten Verordnungen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß der Beschwerden am 5. Oktober 1994 und am 13. Juni 1995 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit folgender Verordnungsbestimmungen von Amts wegen zu prüfen:

a) §1 ZTNr. 0207 42 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. Jänner 1990, Zl. 39.001/01-III/B/7c/90, über Importausgleichssätze und Schwellenpreise für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft, Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 23 vom 30. Jänner 1990,

b) §1 ZTNr. 0207 42 B der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 23. Oktober 1991, Zl. 39.001/04-III/B/7c/91, über Importausgleichssätze und Schwellenpreise für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft, Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 252 vom 30. Oktober 1991,

c) §1 ZTNr. 0207 10, ZTNr. 0207 21 B, ZTNr. 0207 39 B, ZTNr. 0207 42 B und ZTNr. 0207 50 A der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 27. April 1992, Zl. 39.001/02-III/B/7c/92, über Importausgleichssätze und Schwellenpreise für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft, Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 102 vom 1. Mai 1992,

d) §1 ZTNr. 0207 42 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 21. Juli 1992, Zl. 39.001/03-III/B/7c/92, über Importausgleichssätze und Schwellenpreise für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft, Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 176 vom 31. Juli 1992,

e) §1 ZTNr. 0207 10 und ZTNr. 0207 39 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 20. Oktober 1992, Zl. 39.001/04-III/B/7c/92, über Importausgleichssätze und Schwellenpreise für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft, Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 252 vom 30. Oktober 1992,

f) §1 ZTNr. 0207 42 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 20. Oktober 1993, Zl. 63.601/09-VI/A/3b/93, über Importausgleichssätze und Schwellenpreise für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft, Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 253 vom 31. Oktober 1993,

g) §1 ZTNr. 0207 42, ZTNr. 0207 42 A1 und ZTNr. 0207 42 A2 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 19. Jänner 1994, Zl. 63.601/01-VI/A/3b/94, über Importausgleichssätze und Schwellenpreise für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft, Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 23 vom 30. Jänner 1994,

h) §1 ZTNr. 0207 42 A1 und ZTNr. 0207 42 A2 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 20. April 1994, Zl. 63.601/02-VI/A/3b/94, über Importausgleichssätze und Schwellenpreise für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft, Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 99 vom 30. April 1994,

i) §1 ZTNr. 0207 42 A1 und ZTNr. 0207 42 A2 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 12. Juli 1994, Zl. 63.601/03-VI/A/3b/94, über Importausgleichssätze und Schwellenpreise für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft, Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 175 vom 31. Juli 1994.

3. Mit Erkenntnis vom 2.Oktober 1995, V263/94 ua. Zlen., hob der Verfassungsgerichtshof diese Verordnungsbestimmungen als gesetzwidrig auf.

III. 1. Die zu B589-601/94

bekämpften Bescheide Zlen. 6-1/St20/4/1/1994/So, 6-1/St20/7/1/1994/So und 6-1/St20/14/1/1994/N, gründen sich andererseits auf §1 ZTNr. 0207 41 A der oben zu II.2.b zitierten Verordnung vom 23. Oktober 1991 sowie des §1 ZTNr. 207 41 A und ZTNr. 1602 39 der oben zu II.2.c zitierten Verordnung vom 27. April 1992.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits mit Erkenntnis vom 29. September 1994, V97-138/93 u.a. Zlen., §1 ZTNr. 0207 41 A der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 23. Oktober 1991 sowie §1 ZTNr. 0207 41 A und ZTNr. 1602 39 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 27. April 1992 als gesetzwidrig aufgehoben.

3. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986).

Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren V97-138/93 begann am 29. September 1994. Die Beschwerde B589-601/94 ist beim Verfassungsgerichtshof am 30. März 1994 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

IV. 1. Die belangten Behörden wendeten sohin bei Erlassung der angefochtenen Bescheide gesetzwidrige Verordnungen an. Es ist nach Lage der Fälle offenkundig, daß dadurch die Rechtssphäre der beschwerdeführenden Parteien nachteilig beeinflußt wurde.

Die beschwerdeführenden Parteien wurden somit durch die bekämpften Bescheide wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (vgl. z.B. VfGH 29. September 1994 B792/92).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-

je Beschwerde enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B269.1994

Dokumentnummer

JFT_10048989_94B00269_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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