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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §66 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Gerhard Leitgeb in St. Pölten, vertreten durch Dr. Robert Müller, Rechtsanwalt in Hainfeld, Hauptstraße 35, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt St. Pölten vom 30. Jänner 1996, Zl. 00/37/9d-1996/Mag.Gu./Hi., betreffend Einwendungen in einem Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien:
1. Rudolf Schagerl und 2. Friederike Schagerl, beide in St. Pölten, Schwadorfer Straße 35), den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt St. Pölten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das gegenständliche Bauverfahren betrifft die Erweiterung der seit 1949 bestehenden Bäckerei der mitbeteiligten Bauwerber. Ihre Ansuchen aus dem Jahr 1989 betrafen die nachträgliche Genehmigung zur Errichtung eines Parkplatzes, die Umwidmung einer Garage in einen Expeditraum, die Umwidmung eines Expedits in einen Betriebsraum sowie die Baubewilligung für einen Umbau (Stockaufbau).
Mit Bescheid vom 29. Dezember 1994 wies der Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten diese Anträge ohne Durchführung einer Verhandlung gemäß § 16 Abs. 1 Z. 1 NÖ Raumordnungsgesetz in Verbindung mit § 98 Abs. 2 NÖ Bauordnung ab; gleichzeitig wurde die Rückführung der Nutzungsänderungen auf die genehmigte Nutzung und die Entfernung des errichteten PKW-Abstellplatzes aufgetragen. In der Begründung wurde ausgeführt:
"Der verfahrensgegenständliche Bäckereibetrieb läßt sich an Hand der Tatbestandsmerkmale der zitierten Gesetzesstelle mit den tatsächlich schon bestehenden oder beabsichtigten Betriebsänderungen nicht mehr in einem der bloßen Nahversorgung dienenden Betrieb zum Zwecke der Abdeckung des täglichen Bedarfes der Bevölkerung mit Backwaren einordnen bzw. in eine solche Betriebskategorie, die auch in Wohngebieten untergebracht werden kann."
Schließlich heißt es am Schluß dieses Bescheides:
"Da die gegenständlichen Anträge gemäß den Bestimmungen des § 98 Abs. 1 lit. a NÖ Bauordnung 1976 ohne Bauverhandlung abzuweisen waren, ist den Anrainern im Sinne des § 118 Abs. 8 NÖ Bauordnung 1976 auch noch keine Parteistellung erwachsen. Diese entsteht mit Ausnahme des § 99a erst mit Anberaumung der mündlichen Bauverhandlung. Aus vorgenannten Gründen ist daher dieser Bescheid den Anrainern auch nicht zuzustellen."
Einer dagegen von den Bauwerbern erstatteten Berufung gab die belangte Behörde mit dem hier angefochtenen Bescheid wie folgt Folge:
"Der Berufung der Ehegatten Rudolf und Friederike Schagerl, beide vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen den Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt St. Pölten, Baupolizei und Vermessung, vom 29.12.1994, GZ. 11/60/9/Spr.481-1994/Ha/Ze.-, wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1991 wird die Angelegenheit an die Baubehörde 1. Instanz zur Durchführung des Ermittlungsverfahrens, Durchführung eines Augenscheines an Ort und Stelle zurückverwiesen."
In der Begründung wurde ausgeführt, daß die Berufungsbehörde die Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung zu berücksichtigen habe. Die 6. Novelle zum NÖ Raumordnungsgesetz, LGBl. 8000-10, sei am 1. Jänner 1996 in Kraft getreten; danach könnten, soferne die besondere Zweckbindung gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 ROG dies nicht ausschließe, erforderlichenfalls in allen Nutzungsarten auch Bauwerke und Einrichtungen zur Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfes, der öffentlichen Sicherheit sowie für die religiösen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse zugelassen werden. Somit bestünde eine Beschränkung im Sinne der Betriebstypentheorie für Bauwerke und Einrichtungen zur Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfes nicht. Das nunmehrige Ansuchen habe lediglich die Erneuerung der maschinellen Ausstattung, somit eine Anpassung an den Stand der Technik, zum Inhalt. Diese Änderungen seien als erforderlich anzusehen, weshalb nach dieser neuen gesetzlichen Regelung von der Zulässigkeit des Ansuchens auch in der Widmungsart "Bauland-Wohngebiet" auszugehen sei.
Wörtlich wird ausgeführt:
"Gemäß § 98 NÖ.BO hat die Baubehörde 1. Instanz nunmehr den Antrag einer Prüfung zuzuführen und im Sinne des § 99a NÖ.BO im Zusammenhalt mit § 118 Abs. 9 letzter Satz zu prüfen, ob das Vorhaben die Anrainer im Hinblick auf die Bebauungsweise und Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung beeinträchtigen können und danach ein entsprechendes Bewilligungsverfahren durchzuführen. Da, wie bereits dargelegt, das Gebäude in seinen Außenbegrenzungen nicht von dem nunmehrigen Antrag berührt wird und auch der Parkplatz keine Beeinträchtigung der Belichtung der Nachbarfläche bringen kann, wird ein vereinfachtes Baubewilligungsverfahren im Sinne des § 99a NÖ.BO durchzuführen sein. Gemäß § 62 Abs. 2 NÖ.BO hat die Behörde aber von Amts wegen allfällige Belästigungen der Anrainer zu prüfen und wird hiefür die Durchführung eines Augenscheines im Sinne des § 54 AVG unerläßlich sein. Zu diesem Augenschein sind allerdings die Anrainer nicht zuzuziehen. Bezüglich einer möglichen Beeinträchtigung der Nachbarn können Gutachten auch aus dem Gewerbeverfahren hinzugezogen werden, wobei hier der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten am 3.7.1995 unter Zl.312.401/17-III/a/2a/95, über die bereits vorhandene Betriebseinrichtung abgesprochen hat und hier keine Beeinträchtigung der Nachbarn, welche das zumutbare Ausmaß übersteigt, festgestellt hat.
Aufgrund der nunmehr geänderten gesetzlichen Bestimmung war daher der fachlich und rechtlich einwandfreie Bescheid der 1. Instanz zu beheben und die im Spruch ersichtliche Entscheidung zu treffen."
Dem Beschwerdeführer gehört das dem Baugrundstück Nr. 531 unmittelbar benachbarte Grundstück Nr. 943/22 mit Nr. .530. Ihm wurde der angefochtene Berufungsbescheid nicht zugestellt; der Bescheid ist ihm aber am 13. Februar 1996 zugekommen. Er erachtet sich in seinem Recht auf Durchführung eines mängelfreien Verfahrens, insbesondere Einhaltung des gesetzlichen Instanzenzuges, des weiteren in seinem Recht auf Teilnahme an einem Verwaltungsverfahren als Partei, in seinem Recht auf Durchführung eines Bauverfahrens entgegen der Bestimmung des § 99a NÖ. BauO und in seinem Recht auf mangelfreie Ermittlung von Tatsachen verletzt. Er begehrt Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Beschwerden, denen der Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen; gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung ist ein Beschluß nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen. Es ist daher hier zu prüfen, ob der angefochtene Bescheid, der sich nicht an den Beschwerdeführer richtet und ihm auch nicht zugestellt wurde, in seine Rechte, die ihn zu einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde legitimieren würden, eingegriffen hat.
Das hier abgeführte Bauverfahren erster Instanz wurde mit einem abweisenden Bescheid gemäß § 98 Abs. 2 NÖ. BauO, LGBl. 8200-9, beendet. Nach dieser Bestimmung ist ein Antrag ohne Bauverhandlung abzuweisen, wenn er der Festlegung der Widmungs- und Nutzungsart im Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan widerspricht.
Im Prüfungsverfahren gemäß § 98 BO sind die Nachbarn noch nicht beizuziehen. Unabhängig davon, ob der Bescheid "nachrichtlich" dem Beschwerdeführer übermittelt wurde, kam dem beschwerdeführenden Nachbarn in diesem Verfahrensstadium keine Parteistellung zu, weil nur im Fall der Erteilung der Baubewilligung eine Rechtsverletzung denkbar ist (siehe das die Beschwerde eines anderen Nachbarn des gegenständlichen Projektes betreffende hg. Erkenntnis vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0168).
Der oben wiedergegebene Spruch des hier bekämpften Berufungsbescheides ändert daran nichts: Mit diesem Bescheid wurde die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen; Voraussetzung einer solchen Verweisung ist aber, daß die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Wenn auch die belangte Behörde im Spruch ihres Bescheides den Begriff "Verhandlung" vermieden hat und in der Begründung zum Ausdruck brachte, daß sie ein vereinfachtes Baubewilligungsverfahren gemäß § 99a BO billigen würde, war nicht die Frage der weiteren Vorgangsweise im erstinstanzlichen Verfahren - also Verhandlung gemäß § 99 BO oder vereinfachtes Verfahren gemäß § 99a BO - tragend für die Aufhebung durch die Berufungsbehörde, sondern allein der Umstand, daß die Berufungsbehörde die Abweisung ohne Verhandlung gemäß § 98 Abs. 2 BO als der Rechtslage nicht entsprechend ansah. Die in einem nach § 66 Abs. 2 aufhebenden Bescheid ausgedrückte Rechtsanschauung erstreckt sich nur auf die die Aufhebung tragenden Gründe, besteht hingegen nicht für außerhalb dieser Gründe im Aufhebungsbescheid darüber hinaus geäußerte Bemerkungen und Rechtsansichten (siehe beispielsweise hg. Erkenntnis vom 16. November 1995, Zl. 94/07/0055, mwN; siehe weiters die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 548 f, wiedergegebenen Nachweise aus der hg. Judikatur). Für die Behörde erster Instanz so wie für die Berufungsbehörde bindend wurde aber nur ausgesprochen, daß die Baubehörde nicht gemäß § 98 Abs. 2 BO vorgehen dürfe; die weiteren Begründungselemente, etwa dahingehend, daß von der Zulässigkeit des Vorhabens in der Widmung Bauland-Wohngebiet auszugehen sei, tragen nicht die Aufhebung, weil die Baubehörde erster Instanz in jeder Lage des Verfahrens die Zulässigkeit von Bauführungen auf Flächen mit bestimmten Widmungs- und Nutzungsarten gemäß § 100 Abs. 2 BO zu beachten haben wird. Bindungswirkung besteht nur insoferne, als die Baubehörde erster Instanz nicht mehr nach § 98 Abs. 2 BO vorgehen darf; auf eine Vorgangsweise nach § 98 Abs. 2 BO hat aber der Nachbar, der in diesem Verfahrensstadium dem Verfahren noch nicht beizuziehen ist, keinen Anspruch.
Konnte somit durch den angefochtenen Bescheid in Rechte des Beschwerdeführers nicht eingeriffen worden sein, fehlt es ihm an einer Legititation zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde. Seine Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde ErsatzbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996050083.X00Im RIS seit
03.05.2001