TE Vwgh Beschluss 2020/11/11 Ro 2020/17/0010

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Veröffentlicht am 11.11.2020
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Index

E1E
E1P
E6J
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren
59/04 EU - EWR

Norm

AVG §38
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §16
VStG §64
VwGG §38b
VwGG §62 Abs1
12010E056 AEUV Art56
12010E267 AEUV Art267
12010P/TXT Grundrechte Charta Art49 Abs3
62018CJ0064 Maksimovic VORAB

Beachte


Vorabentscheidungsverfahren:
Ra 2020/17/0013 B 27.04.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 16. Dezember 2019, 1. VGW-002/011/1682/2019-16, 2. VGW-002/011/1683/2019, 3. VGW-002/011/6405/2019 und 4. VGW-002/V/011/6655/2019, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. Q s.r.o und 2. W R), den Beschluss gefasst:

Spruch

Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-231/20 über die mit Vorlageentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2020, EU 2020/0002 (Ra 2020/17/0013), vorgelegten Fragen ausgesetzt.

Begründung

1        Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses erkannte das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) den Zweitmitbeteiligten als handelsrechtlichen Geschäftsführer und damit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der Erstmitbeteiligten der vierfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild Glücksspielgesetz - GSpG für schuldig und verfügte die Beschlagnahme und Einziehung von sechs näher bezeichneten Eingriffsgegenständen. In der Straffrage gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde „in Entsprechung des Urteils des EuGH zum Kumulationsverbot, in EuGH 12.09.2019, verb Rs C 64/18, C 140/18, C 146/18 und C 148/18“ insoweit Folge, als es die von der belangten Behörde gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG verhängten vier Geldstrafen (für den Fall der Uneinbringlichkeit vier Ersatzfreiheitsstrafen) „in eine Gesamtstrafe 4.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von zehn Stunden“ umwandelte. Ferner wurden die Kosten des Strafverfahrens neu bemessen (§ 64 Abs. 1 und 2 VStG) und ausgesprochen, dass die „beschwerdeführende Partei“ keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe. Mit Spruchpunkt II. sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erstmitbeteiligte für die verhängten Strafen und reduzierten Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte, sowie gemäß § 25a VwGG, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

2        Nach ihrer Anfechtungserklärung richtet sich Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen nur gegen Spruchpunkt I. dieses Erkenntnisses, soweit mit diesem die verhängten Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen als Gesamtstrafe verhängt und neu bemessen sowie soweit mit diesem Spruchpunkt die Kosten bestimmt wurden.

3        Mit dem im Spruch genannten Beschluss vom 27. April 2020 hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Hat das nationale Gericht in einem Strafverfahren, das zum Schutze einer Monopolregelung geführt wird, die von ihm anzuwendende Strafsanktionsnorm im Lichte der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen, wenn es bereits zuvor die Monopolregelung entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes geprüft hat und diese Prüfung ergeben hat, dass die Monopolregelung gerechtfertigt ist?

2) Für den Fall der Bejahung der ersten Frage:

2a) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?

2b) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?

2c) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?

2d) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?

3) Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:

3a) Ist Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?

3b) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?

3c) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?

3d) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?“

4        Da im vorliegenden Revisionsfall aufgrund der angelasteten Übertretungen des GSpG eine Geldstrafe gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 16 VStG und ein Kostenbeitrag gemäß § 64 VStG verhängt wurden, kommt der Beantwortung dieser Fragen durch den EuGH für die Behandlung der Revision Bedeutung zu. Auch hier ist zunächst zu klären, ob bzw. allenfalls welche Teile dieser gesetzlichen Bestimmungen aufgrund der vom EuGH zu präzisierenden Auslegung des Unionsrechts unanwendbar zu bleiben haben. Die Voraussetzungen des nach § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG liegen daher vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, das Revisionsverfahren auszusetzen (vgl. VwGH 24.6.2020, Ra 2020/17/0012).

Wien, am 11. November 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 62018CJ0064 Maksimovic VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020170010.J00

Im RIS seit

14.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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