TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/16 95/08/0233

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Veröffentlicht am 16.09.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GSVG 1978 §194 Abs2;
GSVG 1978 §3 Abs3 Z4;
Sozialversicherungspflicht freiberuflich bildende Künstler 1980 §1 idF 1994/192;
Sozialversicherungspflicht freiberuflich bildende Künstler 1980 §5 idF 1994/192;
Sozialversicherungspflicht freiberuflich bildende Künstler 1980 §6 idF 1994/192;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/08/0299 E 16. September 1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der H in V, vertreten durch Dr. Dietrich Clementschitsch, Rechtsanwalt in Villach, Widmanngasse 5/I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 21. Februar 1995, Zl. 123.513/2-6a/94, betreffend Versicherungspflicht nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wien V, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die 1935 geborene Beschwerdeführerin meldete sich am 23. August 1993 als freiberuflich tätige bildende Künstlerin zur Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) und in der Kranken- und Unfallversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) an. Sie bezeichnete die Art ihrer bildenden künstlerischen Tätigkeit mit "Malerei + Objekte" und gab u.a. an, das Kunstgeschichtestudium absolviert zu haben.

Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt ersuchte den Bundesminister für Unterricht und Kunst um ein Gutachten im Sinne des § 194 Abs. 2 GSVG.

Als Ergebnis dieses Ersuchens enthält der Akt der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt das "Gutachten" der in der Überschrift der Urkunde als "Kommission zur Erstellung eines Gutachtens gemäß § 194 Abs. 2 GSVG beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst" bezeichneten Kommission, wobei es sich inhaltlich um das von den Kommissionsmitgliedern unterfertigte Protokoll der Sitzung der Kommission am 10. November 1993 handelt. Danach wurden als "Beweise" die von der Beschwerdeführerin vorgelegten, in einer Beilage aufgezählten Arbeiten und eine Fotomappe herangezogen und der Abstimmung (vgl. dazu § 10 der Verordnung BGBl. Nr. 55/1980) folgende "wesentliche Erörterungen" zugrunde gelegt:

"Die Kunsthistorikerin H., die vor 23 Jahren die Graphische Sammlung Albertina verlassen hat, kommt im Alter von 58 Jahren etwas spät darauf, daß sie ihre Ölbilder und Papiermache-Arbeiten als eigenständige künstlerische Werke vorstellen möchte, um nach so vielen Versäumnissen doch noch irgend eine Pensionsversicherung zu erreichen. Die Arbeiten können lediglich als Freizeitgestaltungen beurteilt werden, in der Malerei kann der von ihr gepflegte abstrahierende Pointillismus nicht als eigenständige künstlerische Leistung angesehen werden. Die Papiermache-Arbeiten sind nette und lustige Freizeitgestaltungen. Für eine eigenschöpferische künstlerische Gestaltung fehlt die einer selbständigen künstlerischen Tätigkeit vorausgehende Professionalität."

In der Abstimmung wurde die Frage, ob bei der Beschwerdeführerin eine freiberufliche Tätigkeit als bildende Künstlerin gegeben sei oder gegeben gewesen sei, einstimmig verneint.

Auf der Grundlage dieser als "Gutachten des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst vom 10. November 1993" bezeichneten Urkunde stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt mit Bescheid vom 15. Dezember 1993 fest, die Beschwerdeführerin unterliege nicht der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 3 Abs. 3 Z. 4 GSVG und ihre diesbezügliche Anmeldung zur Pflichtversicherung werde abgelehnt.

Den Einspruch der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid legte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt dem Landeshauptmann von Wien mit einer Stellungnahme vor, in der sie u.a. hervorhob, die Beurteilung, "ob Künstlereigenschaft vorliegt", obliege der beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst eingerichteten Kommission und falle "nicht in die Kompetenz" der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt, da die Beschwerdeführerin keine Kunstschule besucht habe. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt sei "an die Feststellung der Künstlerkommission gebunden".

Der Landeshauptmann von Wien übermittelte den Akt dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst mit dem "Ersuchen, ... eine neuerliche Überprüfung der Künstlereigenschaft der Genannten durch die zuständige Kommission vornehmen zu lassen".

Am 28. April 1994 fand eine neuerliche Sitzung der gemäß § 194 Abs. 2 GSVG eingerichteten (und mit einer Ausnahme wie am 10. November 1993 besetzten) Kommission statt. Nach dem Inhalt des wieder als "Gutachten" der "Kommission zur Erstellung eines Gutachtens ..." bezeichneten Protokolls wurden als "Beweise" von der Beschwerdeführerin vorgelegte, in einer Beilage aufgezählte Arbeiten und eine Fotomappe herangezogen, wobei die vorgelegten Arbeiten mit den am 10. November 1993 begutachteten nicht identisch, möglicherweise aber in der damals vorgelegten Fotomappe bereits abgebildet gewesen waren und die nun vorgelegte Fotomappe offenbar Abbildungen (auch) eines Teils der am 10. November 1993 begutachteten Originalwerke enthielt.

Die "für die Abstimmung wesentlichen Erörterungen" vom 28. April 1994 gibt das Protokoll wie folgt wieder:

"Die Jury bedauert ihre erste Befundung samt Schlußfolgerungen aufrecht halten zu müssen.

Um die Beurteilung auch für die Antragstellerin nachvollziehbar zu machen, wird in der Folge auf drei Werke besonders eingegangen:

1. "Clo", 1988, Öl auf Leinwand:

Abgebildet ist eine geöffnete WC-Muschel, darin stecken zwei Reinigungsbesen und ein Federwisch, rechts hängend Gummihandschuhe. Wenngleich kunsthistorische Bezüge auf den Surrealismus (zufällige Begegnungen von wesenverschiedenen und funktional nicht zusammengehörenden Gegenständen) erkennbar sind, fehlt dem Werk sowohl in der handwerklichen, malerisch unzureichenden Umsetzung eine entsprechende Originalität als auch in der durchaus unselbständigen bloßen Ableitung des Bildinhaltes aus tradierten Stilrichtungen.

2. "Mouled el Nebi", 1983-86, Öl auf Leinwand:

In Ansätzen erkennbare Bemühungen um räumliche Gestaltungen (Puppe auf einer angedeuteten Bühne) sind letztlich als originelle und eigenständige Arbeiten deswegen nicht überzeugend, weil die konkrete formale Umsetzung von jedermann bei gehörigem Fleiß zu erzielen ist.

3. "Concordia träumt", Öl auf Leinwand:

In diesem Bild wechselt die Künstlerin zur Abstraktion. In der heutigen Kunstbeurteilung deutet allein schon die Vermischung figurativer und abstrakter Gestaltungen im Gesamtwerk eines Künstlers auf den Mangel einer ausgeprägten künstlerischen Persönlichkeit hin.

Aus der Verteilung von Farbresten - wie von der Antragstellerin in ihrer Selbstdarstellung beschrieben - läßt sich kein gestalterisches Wollen bzw. lediglich eine zufällig entstehende Komposition ableiten. Derartige Arbeitsergebnisse sind aber jedermann bei einiger Übung möglich und daher nicht als künstlerische eigenständige Leistungen einzustufen."

Die Abstimmung führte erneut zur einstimmigen Verneinung der Frage, ob bei der Beschwerdeführerin eine freiberufliche Tätigkeit als bildende Künstlerin gegeben sei oder gegeben gewesen sei.

Dieses "Gutachten" übermittelte der Bundesminister für Unterricht und Kunst dem Landeshauptmann von Wien am 9. Mai 1994 mit einer Note folgenden Inhalts:

"Zum Einspruch ... erstattet das Bundesministerium für Unterricht und Kunst ein neuerliches Gutachten nach Anhörung der gemäß § 194 Abs. 2 GSVG in Verbindung mit der Verordnung Nr. 55/1980 eingerichteten Künstlerkommission. Die anher vorgelegten Unterlagen werden u.e. retourniert."

Der Landeshauptmann von Wien gab der Beschwerdeführerin - von der zur Frage ihrer Tätigkeit als bildende Künstlerin zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Stellungnahmen vorlagen - Gelegenheit zu einer abschließenden Stellungnahme "zum Zweitgutachten des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst", wovon die Beschwerdeführerin mit einer Eingabe vom 20. Juni 1994 und einer (sehr ausführlichen) Eingabe vom 30. Juni 1994 Gebrauch machte.

Mit Bescheid vom 22. September 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den Einspruch ab. Die Begründung lautete im wesentlichen wie folgt:

"Im Gegenstand hat die Einspruchswerberin nach der Aktenlage keine oben näher bezeichnete Kunstschule absolviert. Die vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst gemäß § 194 Abs. 2 GSVG errichtete Kommission hat die Künstlereigenschaft der Einspruchswerberin im Gutachten vom 10. November 1993, Zl. 58.909/1-IV/1/93, und auch in durch die angerufene Behörde veranlaßten Zweitgutachten vom 28. April 1994, Zl. 58.909/1-IV/94, einstimmig verneint. Das heißt, daß das Vorliegen einer in § 3 Abs. 3 Z. 4 GSVG geforderten freiberuflichen Tätigkeit als bildender Künstler zu verneinen ist.

Nach der nunmehr im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.4.1993, Zl. 92/08/0208, eindeutig klargelegten Rechtsauffassung ist in jenen Fällen, in denen die Eigenschaft als freiberuflich tätiger bildender Künstler strittig ist, auf das im Sinne des § 194 Abs. 2 GSVG einzuholende Kommissionsgutachten des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst Bedacht zu nehmen. Da im vorliegenden Fall die genannten Gutachten die Künstlereigenschaft der Einspruchswerberin verneinen, war ihre Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG abzulehnen."

Der (in den vorgelegten Aktenteilen nicht enthaltenen) Berufung der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nicht Folge. Sie bestätigte den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien "aus seinen zutreffenden Gründen" und "bemerkte" dazu noch folgendes:

"Die Begründung der Berufung richtet sich im wesentlichen nicht gegen die vom Landeshauptmann von Wien in dem nunmehr angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, sondern in erster Linie gegen das von der Künstlerkommission beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst erstellte Gutachten vom 28.4.1994, GZl. 58.909/1-IV/1/94. Zu diesem Zweck zitiert die Berufungswerberin wörtlich auszugsweise die Begründung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.4.1993, Zl. 92/08/0208, das sich unter anderem auch mit der Beschaffenheit von Sachverständigengutachten im Zusammenhang mit der Feststellung der Eigenschaft von freiberuflich tätigen bildenden Künstlern beschäftigt. Das oberwähnte Kommissionsgutachten vom 28.4.1994 wird allen Anforderungen, die der Verwaltungsgerichtshof an ein derartiges Sachverständigengutachten stellt, gerecht. Es befaßt sich eingehend mit den von der Berufungswerberin vorgelegten Arbeiten und wertet diese entsprechend. Das Ergebnis dieser Wertung ist schließlich dafür ausschlaggebend, ob eine Person als freiberuflich tätiger bildender Künstler einzustufen ist. Im gegenständlich zu beurteilenden Fall hat die Kommission diese Eigenschaft bei der Berufungswerberin verneint und der Landeshauptmann von Wien daher die Pflichtversicherung der Frau Dr. Herzmansky in der Pensionsversicherung nach dem GSVG zu Recht abgelehnt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sieht demnach keine Veranlassung zu einer Abänderung des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde. Die belangte Behörde hat einen Teil der Akten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Keine der am Verwaltungsverfahren beteiligten Behörden hat sich mit der entscheidungswesentlichen Frage, ob die Beschwerdeführerin im Sinne des § 3 Abs. 3 Z. 4 GSVG als bildende Künstlerin tätig ist, inhaltlich auseinandergesetzt. Die Bescheide der drei Instanzen des Verwaltungsverfahrens verweisen hiezu nur auf sogenannte Gutachten des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, wobei die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt nach dem Inhalt ihrer Stellungnahme zum Einspruch davon ausging, an die Feststellung der gemäß § 194 Abs. 2 GSVG eingerichteten Kommission gebunden und für die Beurteilung der Frage nach dem Vorliegen einer Tätigkeit als bildende Künstlerin nicht zuständig zu sein. Auch die Bescheide des Landeshauptmanns von Wien und der belangten Behörde müssen in diesem Sinn gedeutet werden, weil auf die Einwände der Beschwerdeführerin gegen die Ansichten der Kommission nicht inhaltlich eingegangen und in der - nach Ansicht der belangten Behörde zutreffenden - Bescheidbegründung des Landeshauptmanns von Wien an die Erwähnung des Umstandes, daß die Kommission die "Künstlereigenschaft" der Beschwerdeführerin verneint habe, ohne weiteres mit den Worten angeschlossen wird, dies "heiße", daß das Vorliegen einer freiberuflichen Tätigkeit als bildende Künstlerin "zu verneinen" sei. Im Bescheid der belangten Behörde werden die vom Landeshauptmann von Wien getroffenen "Feststellungen" (gemeint wohl: Rechtsausführungen) dem "Gutachten" der Kommission, gegen das sich die Berufung "in erster Linie" richte, gegenübergestellt. Die belangte Behörde führt dazu allgemein aus, das "Gutachten" werde den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten gerecht, befasse sich eingehend mit den Arbeiten der Beschwerdeführerin und werte diese "entsprechend". Das "Ergebnis dieser Wertung" sei für die Einstufung einer Person als freiberuflich tätiger bildender Künstler "ausschlaggebend". Die Kommission habe diese Eigenschaft bei der Beschwerdeführerin verneint und der Landeshauptmann von Wien die Pflichtversicherung der Beschwerdeführerin "daher" zu Recht abgelehnt. Auf den Inhalt der von der Beschwerdeführerin gegen die Ausführungen der Kommission erhobenen Einwendungen geht auch die belangte Behörde nicht ein.

Diese Vorgangsweise der Verwaltungsbehörden beruht auf einer Verkennung der Rechtslage: Das nach § 194 Abs. 2 GSVG einzuholende Gutachten ist nach dem unmißverständlichen Wortlaut des von der belangten Behörde und auch schon von der Einspruchsbehörde zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0208, "ein zur Klärung einer Tatfrage (nämlich, "ob eine freiberufliche Tätigkeit als bildender Künstler im Sinne des § 3 Abs. 3 Z. 4 gegeben ist") - freilich zwingend - vorgesehenes Beweismittel, das - wie sonstige Gutachten auch - der freien Beweiswürdigung der Behörde nach § 45 Abs. 2 AVG unter Beachtung der spezifischen Art dieser Beweismittel ... unterliegt". Das bedeutet, daß die Klärung der erwähnten Tatfrage - mit Hilfe des Gutachtens, aber ohne Bindung daran - die Aufgabe der Verwaltungsbehörden ist und diese, nicht anders als sonst bei Einholung eines Gutachtens, in Auseinandersetzung mit den gegen das Gutachten erhobenen Einwänden die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zu treffen haben. Die von der mitbeteiligten (damals: beschwerdeführenden) Sozialversicherungsanstalt schon im Fall des erwähnten Erkenntnisses - wie auch im vorliegenden Fall - vertretene Rechtsansicht, das Gutachten sei "die bindende Entscheidung einer Vorfrage", wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich verworfen. Die Ansicht der belangten Behörde, es genüge, wenn das Gutachten von seiner "Beschaffenheit" her die Qualität eines Sachverständigengutachtens aufweise, und auf die inhaltliche Kritik daran brauche diesfalls nicht eingegangen zu werden, weil das Ergebnis der Wertung der Kommission als solches "ausschlaggebend" sei, belastet den angefochtenen Bescheid daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Rechtswidrig ist aber auch die Ansicht der beteiligten Behörden, die Erstattung des in § 194 Abs. 2 GSVG vorgeschriebenen Gutachtens sei Aufgabe der beim zuständigen Ministerium eingerichteten Kommission. Diese Rechtsansicht kommt auch im Selbstverständnis der Kommission zum Ausdruck, wenn diese sich als "Kommission zur Erstellung eines Gutachtens gemäß § 194 Abs. 2 GSVG" bezeichnet und ihre Sitzungsprotokolle mit "Gutachten" überschreibt.

Nach § 194 Abs. 2 GSVG ist ein Gutachten des Bundesministeriums (derzeit:) für Wissenschaft, Verkehr und Kunst einzuholen, welches in Fällen, in denen keine der durch Verordnung bezeichneten Kunstschulen absolviert wurde, die bei ihm eingerichtete Kommission "zu hören" hat. Nach dem Inhalt der auf der Grundlage dieser Bestimmung erlassenen Verordnung, BGBl. Nr. 55/1980 (i.d.F. der Verordnung BGBl. Nr. 192/1994), handelt es sich bei der Kommission um eine solche, "die von diesem Bundesministerium vor Erstattung eines Gutachtens ... zu hören ist" (§ 1 der Verordnung; vgl. auch deren §§ 5 und 6). Die in der Verordnung vorgesehene Tätigkeit der Kommission besteht nicht darin, das Gutachten zu erstatten, sondern darin, zu der zu begutachtenden Frage "Stellung zu nehmen" (§ 7 der Verordnung).

Es entspricht daher nicht dem Gesetz und der dazu erlassenen Verordnung, wenn die Kommission ihr Sitzungsprotokoll (§ 11 der Verordnung) mit "Gutachten" überschreibt und der zuständige Bundesminister seine Tätigkeit darauf beschränkt, dieses Schriftstück weiterzuleiten. Geschieht dies, wie im vorliegenden Fall, so liegt nicht nur kein bindendes oder auch nur den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten entsprechendes, sondern überhaupt kein Gutachten des nach § 194 Abs. 2 GSVG zu befassenden Bundesministeriums vor, was allein schon zur Aufhebung des Bescheides führen müßte.

In bezug auf die in § 194 Abs. 2 GSVG erwähnte Kommission bedeutet dies, daß die Ergebnisse ihres Wirkens nicht nur insoweit der Kontrolle unterliegen, als das nach § 194 Abs. 2 GSVG einzuholende Gutachten bei der Beurteilung der Voraussetzungen der Versicherungspflicht durch die dafür zuständigen Behörden nicht bindend ist; schon das nach § 194 Abs. 2 GSVG zu befassende Bundesministerium hat darüber zu befinden, ob und inwieweit die Stellungnahme der Kommission eine taugliche Grundlage für das Gutachten ist.

Im vorliegenden Fall ist dies insofern von besonderer Bedeutung, als die im "Gutachten" vom 28. April 1994 ausdrücklich aufrecht erhaltene "Befundung samt Schlußfolgerungen" vom 10. November 1993 unangemessene Formulierungen enthält: Es ist nicht Aufgabe der Kommission, den Lebensweg der Beschwerdeführerin mit dem Hinweis zu kommentieren, sie komme "im Alter von 58 Jahren etwas spät darauf, daß sie ihre ... Arbeiten als eigenständige künstlerische Werke vorstellen möchte, um nach so vielen Versäumnissen doch noch irgend eine Pensionsversicherung zu erreichen", und dies im "Gutachten" als "für die Abstimmung wesentliche Erörterung" (vgl. dazu § 11 Abs. 2 der zitierten Verordnung) darzustellen. Erschöpfte sich das "Gutachten" vom 10. November 1993 im Rest der "für die Abstimmung wesentlichen Erörterungen" in den eingangs wiedergegebenen Allgemeinheiten, so geht es auch nicht an, die vom Landeshauptmann von Wien angeforderte "neuerliche Überprüfung" mit der Feststellung zu eröffnen, daß nun auf drei der vorgelegten Werke näher eingegangen werde, um die Beurteilung "auch für die Antragstellerin" - gemeint: die Beschwerdeführerin, bei der es sich ihren Angaben nach um eine promovierte Kunsthistorikerin handelt - "nachvollziehbar zu machen".

Die Beschwerdeführerin releviert diese Punkte nicht, doch ergibt sich aus ihnen mit besonderer Deutlichkeit das Erfordernis einer objektiven und kritischen, die Eigenverantwortung der Verwaltungsbehörden für die Richtigkeit der zu treffenden Sachverhaltsfeststellungen zum Ausdruck bringenden Würdigung der als "Gutachten" bezeichneten Stellungnahme der Kommission bei der Verfassung des Gutachtens durch das zuständige Bundesministerium und insoweit, als das Gutachten auf der Stellungnahme beruht, auch bei dessen Verwendung durch die für die Beurteilung der Versicherungspflicht zuständigen Behörden.

Da die belangte Behörde die rechtliche Bedeutung eines Gutachtens im Sinne des § 194 Abs. 2 GSVG und der im vorliegenden Fall lediglich vorliegenden Stellungnahmen der Kommission nicht richtig erkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil die Beschwerdeführerin nur in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 27 VerfGG - den Ersatz von Kosten beantragt hat.

Schlagworte

Gutachten rechtliche Beurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995080233.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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