RS Vfgh 2020/10/8 G136/2020 ua

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Veröffentlicht am 08.10.2020
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Index

70/06 Schulunterricht

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
SchulunterrichtsG §33 Abs2, §43, §45 Abs5
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des SchulunterrichtsG betreffend die ex-lege-Abmeldung vom Schulbesuch bei ungerechtfertigtem Fernbleiben vom Unterricht; Rechtsfolgen der ex-lege-Abmeldung durch betroffene Schüler hinreichend bekämpfbar

Rechtssatz

Zurückweisung eines Antrags des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG - Gerichtsantrag) auf Aufhebung des §45 Abs5 Schulunterrichtsgesetz - SchUG idF BGBl I 35/2018 als zu eng gefasst; im Übrigen: Abweisung des (gegen §33 Abs2 litc und §45 Abs5 leg cit gerichteten) Antrags.

Wie der VfGH bereits in seiner E v 28.11.2019, G190/2019, ausgesprochen hat, ist gemäß §71 Abs1 SchUG ein Widerspruch gegen Entscheidungen in den Angelegenheiten des §70 Abs1 leg cit zulässig. Zu diesen Angelegenheiten zählen nach litj leg cit auch Entscheidungen im Zusammenhang mit dem "Fernbleiben von der Schule (§45)". Vor diesem Hintergrund ist es denkmöglich, dass das BVwG im Anlassverfahren zu dem zu G136/2020 protokollierten Antrag die angefochtenen §33 Abs2 litc und §45 Abs5 SchUG bei der Überprüfung der Zurückweisung des Widerspruchs anzuwenden hat. In dem zu G310/2020 protokollierten Antrag geht das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls denkmöglich davon aus, dass es im Anlassverfahren die angefochtenen §33 Abs2 litc und §45 Abs5 SchUG bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verweigerung einer Wiederaufnahme des Schülers anzuwenden hat.

Die Bedenken des BVwG richten sich zusammengefasst der Sache nach nicht nur gegen den gesamten Regelungsgehalt des §45 Abs5 SchUG über die ex lege Abmeldung eines Schülers von der Schule sowie die mögliche Wiederaufnahme bei nachträglicher Rechtfertigung des Fernbleibens vom Unterricht, sondern auch gegen die Rechtsfolge der Beendigung des Schulbesuches. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus §33 Abs2 litc leg cit, auf welchen in §45 Abs5 Satz 1 SchUG verwiesen wird. Es besteht daher vor dem Hintergrund der vorgebrachten Bedenken ein untrennbarer Zusammenhang zwischen §45 Abs5 und §33 Abs2 litc SchUG.

Keine Bedenken gegen die Voraussetzungen zur Aufforderung, den Grund des Fernbleibens gemäß §45 Abs5 SchUG mitzuteilen:

Dem Schulleiter kommt bei der Anwendung des §45 Abs5 SchUG kein Ermessen zu. Sobald ein Schüler einer mittleren oder höheren Schule länger als eine Woche oder fünf nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr dem Unterricht fernbleibt, ohne der Benachrichtigungspflicht gemäß §45 Abs3 SchUG nachzukommen, hat der Schulleiter den betreffenden Schüler zwingend schriftlich aufzufordern, binnen einer Woche der Benachrichtigungspflicht nachzukommen und den Grund des Fernbleibens mitzuteilen. Unterlässt es der Schüler gänzlich, eine entsprechende Mitteilung binnen der einwöchigen Frist abzugeben, gilt er ex lege als von der Schule abgemeldet, was gemäß §33 Abs2 litc SchUG die Beendigung des Schulbesuches zur Konsequenz hat.

Sofern jedoch der betreffende Schüler der Aufforderung des Schulleiters gemäß §45 Abs5 Satz 1 SchUG, in welcher Form immer, fristgerecht nachkommt, tritt die Rechtsfolge der Beendigung des Schulbesuches gemäß §33 Abs2 litc SchUG nicht ein. Der Schulleiter kann allerdings, wenn er die erstattete Mitteilung nicht für ausreichend hält, die Fehlzeiten zu rechtfertigen, Erziehungsmittel nach §47 SchUG iVm §8 Schulordnung anwenden. Wenn diese Maßnahmen erfolglos bleiben und die nicht ausreichend gerechtfertigten Fehlzeiten ein Ausmaß erreichen, das als schwerwiegende Verletzung von Schülerpflichten zu werten ist, kann letztlich auch ein Ausschlussverfahren gemäß §49 SchUG eingeleitet werden.

Keine Bedenken gegen §45 Abs5 SchUG im Hinblick auf Art18 B-VG:

Ein Schüler gilt nur bei ungenütztem Ablauf der einwöchigen Frist ab dem Tag der Zustellung der schriftlichen Aufforderung zur Rechtfertigung als vom Schulbesuch abgemeldet, was gemäß §33 Abs2 litc SchUG zur Beendigung des Schulbesuches des betreffenden Schülers führt. Die Rechtsfolge der ex lege Abmeldung tritt nur dann ein, wenn die Erstattung einer fristgerechten Mitteilung über das Fernbleiben vom Unterricht gänzlich unterlassen wird. Eine allenfalls aus Sicht des Schulleiters mangelhafte Mitteilung lässt diese Rechtsfolge hingegen nicht eintreten. Dies folgt schon daraus, dass die Regelung des §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG gerade kein Verfahren vorsieht, in welchem geprüft und entschieden würde, ob eine erstattete Mitteilung die Fehlzeiten ausreichend rechtfertigt. Sofern der Schulleiter jedoch die erstattete Mitteilung nicht für ausreichend hält, die Fehlzeiten zu rechtfertigen, und deshalb von einer Verletzung von Schülerpflichten iSd §43 Abs1 SchUG iVm §2 Schulordnung ausgeht, kann er Erziehungsmittel nach §47 SchUG iVm §8 Schulordnung anwenden. In letzter Konsequenz kann, wie bereits ausgeführt, auch ein Ausschlussverfahren gemäß §49 SchUG eingeleitet werden, wenn die angewendeten Erziehungsmittel erfolglos bleiben und die ungerechtfertigten Fehlzeiten ein Ausmaß erreichen, das als schwerwiegende Pflichtverletzung zu werten ist.

Die Möglichkeit eines Ansuchens auf Wiederaufnahme gemäß §45 Abs5 Satz 2 SchUG stellt einen Rechtsbehelf dar, um die Rechtsfolgen einer unverschuldeten Versäumnis der einwöchigen Frist zu beseitigen. Dementsprechend bewirkt die Bewilligung der Wiederaufnahme durch den Schulleiter die rückwirkende Beseitigung der ex lege Abmeldung vom Schulbesuch.

Die möglichen Rechtsfolgen der Regelung des §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG sind für betroffene Schüler auch hinreichend bekämpfbar. Sofern ein Schüler die Mitteilung iSd §45 Abs5 Satz 1 SchUG rechtzeitig innerhalb der einwöchigen Frist erstattet, tritt die Rechtsfolge der ex lege Abmeldung nicht ein. In diesem Fall ist der Schüler nicht in seiner Rechtssphäre betroffen, weshalb es auch nicht der Erlassung einer anfechtbaren Entscheidung bedarf. Wenn hingegen die Mitteilung nicht fristgerecht erstattet wird, kann ein betroffener Schüler nach §45 Abs5 Satz 2 SchUG um eine Wiederaufnahme ansuchen. Eine negative Entscheidung des Schulleiters über das Ansuchen um Wiederaufnahme kann ebenso wie eine allenfalls ergangene Feststellung, dass die Rechtsfolge der ex lege Abmeldung eingetreten sei, mittels Widerspruch gemäß §71 Abs1 iVm §70 Abs1 litj SchUG angefochten werden.

Entscheidungstexte

  • G136/2020 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 08.10.2020 G136/2020 ua

Schlagworte

Schulen, Schulunterricht, Schulpflicht, VfGH / Prüfungsgegenstand, Rechtsstaatsprinzip, Rechtsschutz, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:G136.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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