TE Bvwg Beschluss 2019/12/17 W251 2221966-1

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Entscheidungsdatum

17.12.2019

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwGVG §17

Spruch

W251 2221966-1/40Z

W251 2221966-2/39Z

W251 2221680-1/29Z

W251 2221680-2/20Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT in den Beschwerdeverfahren von 1) XXXX , geb. XXXX , und 2) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Ungarn und vertreten durch RA Mag. Clemens LAHNER, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt während der Anhaltung von XXXX vom 06.06.2019 bis zum 09.06.2019 im Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel und vom 09.06.2019 bis zum 12.06.2019 im Polizeianhaltezentrum Roßauerlände, gegen die Landespolizeidirektion Wien und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als belangte Behörden:

A)

Dem Zweitbeschwerdeführer, Herrn XXXX , wird aufgetragen, für die durch die Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu erwartenden Kosten, einen Kostenvorschuss in Höhe von EUR 10.000 (zehntausend) auf das Konto des Bundesverwaltungsgerichts, IBAN: AT840100000005010167, BIC: BUNDATWW, binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Beschlusses bei sonstiger Exekution zu erlegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Beim Bundesverwaltungsgericht sind die Beschwerden von Herrn XXXX , geb. XXXX , StA Ungarn und Herrn XXXX , geb. XXXX , beide StA. Ungarn zu GZ W251 2221966-1, W251 2221966-2; W251 2221680-1, W251 2221680-2 anhängig. Herr XXXX ist der Neffe von Herrn XXXX .

In der Beschwerde wird vorgebracht, dass Herr XXXX im März 2019 für eine Woche im AKH wegen Schmerzen im rechten Bein (bei Belastungen) und wegen Schwellungen im Bein aufhältig gewesen sei. Von dort habe er sich gegen Revers selbst entlassen. Vom 02.05.2019 bis zum 05.06.2019 sei Herr XXXX im Gesundheitszentrum Neunerhaus wegen Herzinsuffizienz mit rez. Kardialen Dekompensationen, Beinödemen bds. mit Stauungsdermatitis, Ulcus cruris re. USCH und Erysipel in Behandlung gewesen. Nach Initiierung einer Herzinsuffizienztherapie mit Concor, Acemin und Laxis sei es lediglich zu einer geringgradigen Verbesserung der Gesamtsituation gekommen. Herr XXXX sei am 06.06.2019 in Wien im Zuge einer Schwerpunktaktion angehalten worden. Da gegen Herrn XXXX eine Ausweisung bestand habe und dieser das Bundesgebiet nicht verlassen habe, sei dieser um 16:15 Uhr in Verwaltungsverwahrungshaft angehalten und in das Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel gebracht worden. Am 07.06.2019 sei der Beschwerdeführer in einem Stockbett untergebracht und wegen seines Gesundheitszustandes aus diesem heruntergestürzt, er habe sich dabei ein Hyposphagma beider Augen zugezogen. Der für den 09.06.2019, 08:00 Uhr, nach Ungarn geplante Abschiebeauftrag habe nicht durchgeführt werden können. Herr XXXX sei daraufhin am 09.06.2019 in Schubhaft genommen und am 09.06.2019 in das Polizeianhaltezentrum Roßauerlände überstellt worden. Herr XXXX sei am 11.06.2019 von der Rechtsberatung (Diakonie) im Polizeianhaltezentrum Roßauerlände besucht worden. Vom Rechtsberater wurde angegeben, dass bei Aufsuchen des Haftraumes der Eindruck entstanden sei, dass Herr XXXX haftunfähig sei. Aufgrund mehrere gelber Flecken auf dem Bettlaken habe der Rechtsberater den Eindruck gehabt, dass Herr XXXX ins Bett uriniert habe. Es sei im Haftraum übelriechend, stickig und schwül gewesen. Herr XXXX sei kognitiv sehr klar gewesen, habe sich jedoch nicht selber aufsetzen bzw. im Bett umdrehen können. Da der Rechtsberater jedoch kein Vollmachtsformular bei sich gehabt habe, sei vereinbart gewesen, dass dieser am nächsten Tag erneut Herrn XXXX besuchen werde. Im Zuge der Medikamentenausgabe sei Herr XXXX am 11.06.2019 um ca. 19:30 Uhr das letzte Mal visitiert worden. Am 12.06.2019 sei bei der Standeskontrolle um 06:30 Uhr festgestellt worden, dass Herr XXXX leblos im Bett liege. Es seien vom diensthabenden Polizeibeamten die diensthabenden Sanitäter (als Sanitäter geschulte Polizeibeamten) und der Notarzt verständigt worden. Die diensthabenden Sanitäter haben dann sogleich mit einer Reanimation begonnen, diese wurde dann vom Rettungsdienst bzw. Notarzt fortgesetzt, seien jedoch erfolglos geblieben. Um 07:10 Uhr sei der bereits eingetretene Tod festgestellt worden.

Die Beschwerde richtet sich gegen Vorkommnisse währen der Anhaltung in den Polizeianhaltezentren. Herr XXXX sei von den Amtsärzten nicht ordnungsgemäß bzw. nicht ausreichend untersucht worden, er habe nicht die erforderlichen Medikamente - nur eines von dreien - bzw. nicht die erforderliche medizinische Betreuung und Überwachung erhalten; er sei wegen seines Gesundheitszustandes am 07.06.2019 aus einem Stockbett gefallen; er habe sich am 11.06.2019 aus eigenem weder im Bett umdrehen, aufsetzen noch den Rufknopf/Notknopf erreichen können, es sei ihm nicht möglich gewesen selber die Toilette aufzusuchen, sodass sein Bett am 11.06.2019 mit Urin verunreinig gewesen sei; er sei bei der Körperpflege und beim Toilettengang nicht ausreichend unterstützt worden; er sei nicht haftfähig gewesen.

Herr XXXX beantragte die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens.

Es ist erforderlich ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet Innere Medizin einzuholen. Es sind dem Bundesverwaltungsgericht keine Amtssachverständige aus dem Bereich der Inneren Medizin beigegeben.

Mit Beschluss vom 09.12.2019 wurde Dr. XXXX zum medizinischen Sachverständigen für das Beschwerdeverfahren bestellt und diesem aufgetragen bis zum 09.03.2020 ein schriftliches medizinisches Gutachten zu erstatten. Der Sachverständige gab bereits schriftlich bekannt, dass die Kosten für das Sachverständigengutachten den Betrag von EUR 15.000 inkl. USt voraussichtlich nicht überstiegen werden, die Kosten werden jedoch den Betrag von EUR 8.000 inkl. USt übersteigen.

Zu A) Kostenvorschuss

A.1. Gemäß §17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles anzuwenden.

Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür gemäß § 76 Abs1 AVG, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen.

Gemäß § 52 Abs 1 AVG ist Voraussetzung für die Beiziehung eines Sachverständigen, dass die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig ist. Dies gilt auch, wenn mangels eines Amtssachverständigen - wie im vorliegenden Fall - gemäß § 52 Abs 2 AVG ein nichtamtlicher Sachverständiger herangezogen wird. Für die Erstellung eines notwendigen Sachverständigengutachtens kann der antragstellenden Partei gemäß § 76 Abs 4 AVG ein Kostenvorschuss aufgetragen werden (VwGH vom 30.06.2011, 2010/03/0069).

Stellt eine Partei ein bestimmtes, auf einem Rechtsanspruch beruhendes und daher mit einem sachlichen Abspruch zu erledigendes Begehren, so ist der Antrag auf Durchführung der zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes erforderlichen oder nach dem Gesetz gebotenen Amtshandlungen als in dem Parteibegehren eingeschlossen anzusehen (VwGH vom 11.09.1997, 97/07/0074).

Für die Zulässigkeit der Vorschreibung eines Kostenvorschusses an eine Partei ist es ohne Belang, ob die Behörde anderen Antragstellern ebenfalls einen Kostenvorschuss vorgeschrieben hat oder nicht (VwGH vom 11.09.1997, 97/07/0074).

A.2. Herr XXXX brachte beim Bundesverwaltungsgericht eine Maßnahmenbeschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ein. Herr XXXX begehrt in seiner Maßnahmenbeschwerde, dass verschiedene Verwaltungshandlungen der Landespolizeidirektion Wien sowie des Bundesamtes als rechtswidrig erklärt werden, insbesondere habe Herr XXXX während seiner Anhaltung in Polizeianhaltezentren nicht die erforderlichen medizinischen Untersuchungen, medizinischen Versorgungen und medizinischen Überwachungen erhalten. Herr XXXX sei aus medizinischer Sicht unter anderem auch nicht mehr in der Lage gewesen selbständig einen Notknopf zu erreichen oder sich im Bett selbständig aufzurichten oder umzudrehen.

Es ist daher die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Inneren Medizin (Kardiologie) erforderlich.

Das Verfahren bei Maßnahmenbeschwerden ist nicht gebührenbefreit (§ 35 VwGVG; §74 iVm §76 AVG). Nach den Verwaltungsvorschiften sind die Auslagen eines solchen Verfahrens, sohin auch die Kosten für ein Sachverständigengutachten, nicht von Amts wegen zu tragen.

Da Herr XXXX die Maßnahmenbeschwerde einbrachte, ist dieser als antragstellende Partei im Sinne des §76 Abs 4 AVG zu betrachten. Herr XXXX hat daher als antragstellende Partei für diese Barauslagen aufzukommen. Es ist nicht erforderlich, dass das Gericht sämtlichen antragstellenden Parteien die Erlegung eines Kostenvorschusses aufträgt.

Da der Sachverständige schriftlich bekannt gab, dass die Gutachtenskosten den Betrag von EUR 8.000 (inklusive USt) jedenfalls überschreiten werden, jedoch den Betrag von EUR 15.000 (inklusive USt) voraussichtlich nicht überschreiten werden, fallen für die Erstellung des Sachverständigengutachtens hohe Barauslagen für das Bundesverwaltungsgericht an.

Herrn XXXX werden daher 2/3 des Betrages von EUR 15.000, sohin insgesamt EUR 10.000, als Kostenvorschuss für die zu erwartenden Kosten des Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX auferlegt.

Der Kostenvorschuss in Höhe von EUR 10.000 ist daher binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Beschlusses, an die Verrechnungsstelle des Bundesverwaltungsgerichts, BIC: BUNDATWW

IBAN: AT840100000005010167, unter Anführung des Verwendungszwecks "W251 2221966", bei sonstiger Exekution, zu erlegen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision

Der Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses nach § 76 Abs 4 AVG ist verfahrensrechtlich gesondert anfechtbar, sodass vom Bundesverwaltungsgericht über die Zulässigkeit einer Revision zu entscheiden ist (VwGH vom 16.10.1984, 84/07/0223).

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Gutachten Kostenvorschuss Maßnahmenbeschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W251.2221966.1.00

Im RIS seit

27.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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