TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/18 W245 2225206-1

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Veröffentlicht am 18.12.2019
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Entscheidungsdatum

18.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W245 2225206-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2019, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)

Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis V. und VIII. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen und der Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe abgeändert, dass dieser zu lauten hat: "Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

I.1.    Der Beschwerdeführer XXXX (in der Folge auch „BF“), ein afghanischer Staatsbürger, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2.    Im Rahmen der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, dass sein Vater in Afghanistan als Dolmetscher für das australische und amerikanische Militär gearbeitet habe. Sein Vater sei vor ca. 1 ½ Jahren von den Taliban getötet worden. Vier Monate später sei auch sein Bruder XXXX von ihnen getötet worden. Danach habe er Angst um sein Leben gehabt und sei aus Afghanistan geflüchtet. Im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.

I.3.    Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge „belangte Behörde“, auch „bB“) am 28.08.2019 gab der BF an, dass die Taliban zuerst seinen Vater und dann seinen Bruder getötet hätten. Sein Bruder sei verdächtigt worden, ein Spion zu sein. Sein Vater habe als Dolmetscher gearbeitet. Sein Leben sei auch in Gefahr gewesen, er sei deshalb geflüchtet.

I.4.    Mit dem angefochtenen Bescheid wies die bB den Antrag des BF auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.). Es wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.-V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Mit Spruchpunkt VII. wurde der Beschwerde gegen den Bescheid über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gegen den BF wurde in auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

I.5.    Mit Verfahrensanordnung vom 03.10.2019 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG XXXX , als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 03.10.2019 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

I.6.    Gegen den Bescheid der bB richtete sich die am 04.11.2019 fristgerecht erhobene Beschwerde. Ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde gestellt.

I.7.    Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch „BVwG“) am 08.11.2019 von der bB vorgelegt.

I.8.    Mit Teilerkenntnis des BVwG vom 12.11.2019, W245 2225206-1, wurde der Antrag des BF auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II.). Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wurde ersatzlos behoben (Spruchpunkt III.). Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

I.9.    Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 10.12.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seines bevollmächtigten Vertreters persönlich teilnahm. Ein Vertreter der bB nahm an der Verhandlung nicht teil.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1.   Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.  

II.1.1. Zum sozialen Hintergrund des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Paschtu.

Der BF wurde nach seinen Angaben im Dorf XXXX , Distrikt XXXX in der Provinz Logar geboren. Er hat bis zu seiner Ausreise im Heimatdorf XXXX gelebt. Der BF hat Afghanistan ca. im April/Mai 2018 verlassen.

Er ist im erwerbsfähigen Alter und ist gesund.

In seinem Herkunftsstaat besuchte der BF bis zur zweiten Klasse die Schule. Der BF arbeitete auch auf der familieneigenen Landwirtschaft mit. Er hat keinen Beruf erlernt. Er war nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen. Er lebte von den Einkünften der Landwirtschaft und wurde von seiner Familie versorgt.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Die Mutter, ein Bruder und zwei Schwestern des BF leben im Heimatdorf des BF in der Provinz Logar. Ein weiterer Bruder des BF ist in der Türkei aufhältig. Die Familie des BF verfügt über eine Landwirtschaft und ein Eigentumshaus. Die wirtschaftliche Lage der Familie ist durchschnittlich.

Der BF hat einen Onkel mütterlicherseits. Er lebt in XXXX . Ein Onkel väterlicherseits ist verstorben. Die Familie des verstorbenen Onkels lebt im Heimatdorf des BF. Weitere Familienangehörige konnten nicht festgestellt werden.

Der BF hat Kontakt zu seinem Onkel mütterlicherseits in Afghanistan.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten. Nach seinen eigenen Angaben ist er in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatte keine Probleme mit Behörden und war politisch nicht aktiv.

Der BF ist persönlich nicht glaubwürdig.

II.1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF stellte am 06.04.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründet der BF im Wesentlichen damit, dass sein Vater in Afghanistan als Dolmetscher für das australische und amerikanische Militär gearbeitet habe. Sein Vater sei vor ca. 1 ½ Jahren von den Taliban getötet worden. Vier Monate später sei auch sein Bruder XXXX von ihnen getötet worden. Danach habe er um sein Leben Angst gehabt und sei aus Afghanistan geflüchtet. Im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.

Dieses Vorbringen konnte der BF jedoch nicht glaubhaft machen, da es sich bei Gesamtbetrachtung sämtlicher im Verlauf des Verfahrens getätigten Angaben in entscheidenden Punkten als widersprüchlich sowie als nicht schlüssig und nicht plausibel erwiesen hat.

Der Vater des BF war in den Jahren 2007/2008 als Dolmetscher tätig. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Vater nach 2007/2008 als Dolmetscher tätig gewesen ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater oder der Bruder des BF von den Taliban getötet wurde.

Es wird festgestellt, dass der BF in Afghanistan weder von den Taliban bedroht noch verfolgt wurde. Auch hat er eine konkrete Bedrohung bzw. Verfolgung durch die Taliban im Falle seiner Rückkehr nicht zu befürchten.

Es wird festgestellt, dass der BF in Afghanistan von seinen Cousins väterlicherseits keiner konkreten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.

Insgesamt kann nicht festgestellt werden, dass der BF einer konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.

Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF:

Eine Rückkehr des BF in seine Heimatprovinz Logar ist nicht möglich. Dem BF könnte dort bei einer Rückkehr aufgrund der dort herrschenden schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Dem BF steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung. Der BF hat bis zu seiner Ausreise nicht in Mazar-e Sharif gelebt. Der BF kann Mazar-e Sharif von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen. Eine sichere Rückkehr nach Mazar-e Sharif ist für den BF möglich.

Die grundlegende Versorgung der afghanischen Bevölkerung ist in Mazar-e Sharif gewährleistet. Dem BF stehen bei einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif eine vorübergehende Unterkunft (Teehäuser), Trinkwasser, sanitäre Anlagen und lebensnotwendige Nahrungsmittel zur Verfügung. Die Gesundheitsversorgung ist in Mazar-e Sharif durch Krankenhäuser bzw. Gesundheitszentren sowie durch zwei Einrichtungen zur Betreuung von psychischen Krankheiten sichergestellt. Ferner ist Mazar-e Sharif ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan und ein Industriezentrum mit großen Produktionsbetrieben und einer großen Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen. Die allgemeinen Umstände in Mazar-e Sharif ermöglichen eine Rückkehr dorthin.

Der BF läuft im Falle einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er ist in der Lage, in Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden bzw. am Erwerbsleben teilzunehmen.

Der BF hat die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Der BF wurde in der Beschwerdeverhandlung über die Rückkehrunterstützungen und Reintegrationsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt. Dem BF wurden die Programme ERIN und RESTART II erklärt.

Der BF verfügt über ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit.

Der BF ist mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertraut.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Mazar-e Sharif ausschließen, gibt es nicht. Der BF leidet an keiner ernsthaften Krankheit, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde. Es bestehen keine Zweifel an der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit des BF.

Es ist dem BF möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

II.1.3. Zum Leben des BF in Österreich:

Der BF hält sich seit April 2019 in Österreich auf.

Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich.

Der BF hat in Österreich einen afghanischen Freund. Es bestehen keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens (wie z.B. Beziehungen, Lebensgemeinschaften). Der BF ist kein Mitglied von politischen Parteien und war auch sonst nicht politisch aktiv. Neben der erwähnten Freundschaft, ist der BF kein Mitglied von Vereinen. In seiner Freizeit geht er spazieren.

Der BF hat im Verfahren keine Referenz- oder Empfehlungsschreiben vorgelegt.

Der BF besucht zwischenzeitlich Deutschkurse und weist dies durch Teilnahmebestätigungen nach. Er ist nicht in der Lage, in einfachen Situationen des Alltagslebens auf elementarer Basis auf Deutsch zu kommunizieren.

Da der BF keine Arbeitserlaubnis hat, war er bisher in Österreich nicht erwerbstätig. Der BF lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Ferner verfügt er über keine Einstellzusage. Der BF hat keine gemeinnützigen bzw. ehrenamtlichen Aufgaben übernommen.

II.1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (Länderinformationsblatt für Afghanistan (in der Folge auch „LIB“) vom 13.11.2019, Seite 12).

II.1.4.1. Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (LIB 13.11.2019, Seite 18). Diese ist jedoch regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt sehr unterschiedlich (EASO Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, S. 89ff; LIB 13.11.2019, Seite 18ff).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung. Die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden sind, sodass Engpässe entstehen. Dadurch können manchmal auch Kräfte fehlen, um Territorium zu halten. Die Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau (LIB 13.11.2019, Seite 19).

Für das gesamte Jahr 2018 gab es gegenüber 2017 einen Anstieg in der Gesamtzahl ziviler Opfer und ziviler Todesfälle. Für das erste Halbjahr 2019 wurde eine niedrigere Anzahl ziviler Opfer registriert. Im Juli, August und September lag ein hohes Gewaltniveau vor. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren 2018 am stärksten vom Konflikt betroffen (LIB 13.11.2019, Seite 24).

Sowohl im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion, weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele (High Profile Angriffe – HPA) aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Diese Angriffe sind jedoch stetig zurückgegangen. Zwischen 01.06.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt, zwischen 01.12.2018 und 15.05.2019 waren es 6 HPAs (LIB 13.11.2019, Seite 25).

II.1.4.2. Regierungsfeindliche Gruppierungen:

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv – insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB 13.11.2019, Seite 26).

Taliban: Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel – die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB 13.11.2019, Seite 26; Seite 29). Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest seien Teil der lokalen Milizen). Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB 13.11.2019, Seite 27). Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB 13.11.2019, Seite 27).

Haqani-Netzwerk: Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida. Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt und ist für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich (LIB 13.11.2019, Seite 27).

Islamischer Staat (IS/Daesh) – Islamischer Staat Khorasan Provinz: Die Stärke des ISKP variiert zwischen 1.500 und 3.000, bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern bzw. ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Der IS ist seit Sommer 2014 in Afghanistan aktiv. Durch Partnerschaften mit militanten Gruppen konnte der IS seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan stärken. Er ist vor allem im Osten des Landes in der Provinz Nangarhar präsent (LIB 13.11.2019, Seite 27f). Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit. Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt, nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab. Die Taliban und der IS sind verfeindet. Während die Taliban ihre Angriffe überwiegend auf Regierungsziele bzw. Sicherheitskräfte beschränken, zielt der IS darauf ab, konfessionelle Gewalt zu fördern und Schiiten anzugreifen (LIB 13.11.2019, Seite 29).

Al-Qaida: Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen (LIB 13.11.2019, Seite 29).

II.1.4.3. Sicherheitsbehörden:

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF – Afghan National Defense and Security Forces) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police) (LIB 13.11.2019, Seite 249).

Die Afghanische Nationalarmee (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Das Verteidigungsministerium hat die Stärke der ANA mit 227.374 autorisiert (LIB 13.11.2019, Seite 250). Die Afghan National Police (ANP) gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA (LIB 13.11.2019, S. 250). Die Afghan Local Police (ALP) wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB 13.11.2019, Seite 251).

II.1.4.4. Lage in der Herkunftsprovinz Logar des BF:

Grundinformationen: Die Provinz Logar liegt im Zentrum Afghanistans, etwa 65 Kilometer südlich von Kabul. Sie grenzt an die Provinzen Kabul im Norden, Nangarhar im Nordosten, Paktya im Süden und Ghazni und Wardak im Westen. Im Osten hat die Provinz im Distrikt Azra eine ca. acht Kilometer lange, unbewachte Grenze mit Pakistan (Provinz Khyber Pakhtunkhwa). Die Provinzhauptstadt von Logar ist Pul-e-Alam. Die Provinz ist in folgende Distrikte unterteilt: Azra, Baraki Barak, Charkh, Khar War, Khushi, Mohammad Agha und Pul-e-Alam (LIB 13.11.2019, Seite 153).

Sicherheitslage: Die Provinz Logar zählt zu den relativ instabilen Provinzen Afghanistans mit aktiven aufständischen Kämpfern; die Sicherheitslage soll sich in den vergangenen Monaten verschlechtert haben. In der Provinz kommt es regelmäßig zu Sicherheitsoperationen, unter anderem auch von Spezialeinheiten des NDS. Luftangriffe werden durchgeführt, dabei werden Aufständische getötet. Zivilisten fallen manchmal auch Luftangriffen zum Opfer.

Die Taliban führen in Logar Angriffe auf Kontrollposten der Regierungskräfte durch. Auch kommt es zu Anschlägen auf hochrangige Regierungsvertreter durch die Taliban.

Immer wieder kommt es zu temporären Kontrollpunkten der Taliban, wie z.B. auf dem Straßenabschnitt Mohammad Agha; in manchen Fällen, um nach Regierungsmitarbeitern Ausschau zu halten (LIB 13.11.2019, Seite 154 f).

II.1.4.5. Lage in der Provinz Balkh bzw. in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif:

Grundinformationen: Balkh liegt im Norden Afghanistans. Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (LIB 13.11.2019, Seite 60 f.). Im Zeitraum 01.01.2018 bis 30.06.2019 kamen rund 30.000 Binnenvertriebe in die Provinz Balkh (LIB 13.11.2019, Seite 60 f.)

Erreichbarkeit: Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) zu erreichen (LIB 13.11.2019, Seite 61 und 336).

Sicherheitslage: Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. In den letzten Monaten versuchten Aufständische der Taliban die Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren (LIB 13.11.2019, Seite 62). Im Jahr 2018 wurden 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh dokumentiert. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, Seite 63). Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Provinz Balkh sowie in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO – Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, Seite 89 und 92 f.).

Wirtschaftslage: Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum. In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen. Mazar-e Sharif ist ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan, wie auch ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten (LIB 13.11.2019, Seite 61 und 336)

Medizinische Versorgung: In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es zwischen 10 und 15 Krankenhäuser; dazu zählen sowohl private als auch öffentliche Anstalten. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer; jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken; 20% dieser Gesundheitskliniken finanzieren sich selbst, während 80% öffentlich finanziert sind. Das Regionalkrankenhaus Balkh ist die tragende Säule medizinischer Dienstleistungen in Nordafghanistan; selbst aus angrenzenden Provinzen werden Patient/innen in dieses Krankenhaus überwiesen. Für das durch einen Brand zerstörte Hauptgebäude des Regionalkrankenhauses Balkh im Zentrum von Mazar-e Sharif wurde ein neuer Gebäudekomplex mit 360 Betten, 21 Intensivpflegeplätzen, sieben Operationssälen und Einrichtungen für Notaufnahme, Röntgen- und Labordiagnostik sowie telemedizinischer Ausrüstung errichtet. Zusätzlich kommt dem Krankenhaus als akademisches Lehrkrankenhaus mit einer angeschlossenen Krankenpflege- und Hebammenschule eine Schlüsselrolle bei der Ausbildung des medizinischen und pflegerischen Nachwuchses zu. Die Universität Freiburg (Deutschland) und die Mashhad Universität (Iran) sind Ausbildungspartner dieses Krankenhauses (BFA 4.2018). Balkh gehörte bei einer Erhebung von 2016/2017 zu den Provinzen mit dem höchsten Anteil an Frauen, welche einen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen haben. Weiters gibt es in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 13.11.2019, Seite 347 und 351 f.).

II.1.4.6. Bewegungsfreiheit

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB 13.11.2019, Seite 327).

II.1.4.7. Meldewesen

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB 13.11.2019, Seite 328).

II.1.4.8. Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB 13.11.2019, Seite 264).

II.1.4.9. Korruption:

Die Korruption ist in Afghanistan sehr hoch. Es bestehen zwar strafrechtliche Sanktionen gegen Korruption, diese werden jedoch nicht effektiv umgesetzt. Korruption findet in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens statt, unter anderem in der Justiz, bei der Beschaffung von Gütern, bei Staatseinnahmen und bei der Bereitstellung von Leistungen des Staates (LIB 13.11.2019, Seite 254 f.).

II.1.4.10. Medizinische Versorgung:

Der afghanischen Verfassung zufolge hat der Staat kostenlos medizinische Vorsorge, ärztliche Behandlung und medizinische Einrichtungen für alle Bürger zur Verfügung zu stellen. Außerdem fördert der Staat die Errichtung und Ausweitung medizinischer Leistungen und Gesundheitszentren. Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung an. Alle Staatsbürger haben dort Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt (LIB 13.11.2019, Seite 344).

Die Kosten für Medikamente in staatlichen Krankenhäusern weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden (LIB 13.11.2019, Seite 350).

II.1.4.11. Wirtschaft

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig (LIB 13.11.2019, Seite 333).

Am Arbeitsmarkt müssten jährlich 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen, wobei Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen können. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB 13.11.2019, Seite 334 f.).

Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Seite 29 f.).

II.1.4.12. Rückkehrer:

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 sind insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB 13.11.2019, Seite 353).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Wegen der hohen Fluktuation im Land und der notwendigen Zeit der Hilfsorganisationen, sich darauf einzustellen, ist Hilfe nicht immer sofort dort verfügbar, wo Rückkehrer sich niederlassen. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB 13.11.2019, Seite 354).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken (Kolleg/innen, Mitstudierende etc.) sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind manche Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke – der Familie, der Freunde und der Bekannten – ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 13.11.2019, Seite 354).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Zudem können fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen die Integration und Existenzgründung erschweren. Das Bestehen sozialer und familiärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese können die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB 13.11.2019, Seite 355).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB 13.11.2019, Seite 355).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB 13.11.2019, Seite 355).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB 13.11.2019, Seite 356).

Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück (LIB 13.11.2019, Seite 356).

Die „Reception Assistance“ umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB 13.11.2019, S. 358).

In Kabul und im Umland sowie in Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul-City sind jedoch höher als in den Vororten oder in den anderen Provinzen. Die Lebenshaltungskosten sind für den zentral gelegenen Teil der Stadt Kabul höher als in ländlichen Gebieten (LIB 13.11.2019, S. 359).

Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten, da dies billiger ist. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen, um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Seite 31).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 13.11.2019, Seite 362).

II.2.   Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, der Erstbefragung des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (in der Folge kurz „Erstbefragung“ bezeichnet), der Einvernahme des BF durch die bB (in der Folge kurz „Niederschrift“ bezeichnet), der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid der bB, der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (in der Folge kurz „Verhandlungsprotokoll“ bezeichnet), der im Verfahren vorgelegten Dokumente der Parteien, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem.

Die Feststellungen zum Auftreten des BF in der Beschwerdeverhandlung ergeben sich aus der persönlichen Wahrnehmung des erkennenden Richters.

Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

II.2.1. Zum sozialen Hintergrund des BF:

Die Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum) des BF ergeben sich aus seinen Angaben vor der bB, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 5). Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des BF getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im Asylverfahren, da seine Identität – mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente oder anderer relevanter Bescheinigungsmittel – nicht abschließend geklärt werden konnte.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren vor der bB, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Paschtu (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 2 und 5 ff).

Der Zeitpunkt der Ausreise des BF aus Afghanistan ergibt sich aus den Angaben des BF im Verfahren (vgl. Erstbefragung, Seite 4, Verhandlungsprotokoll, Seite 7).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 2).

Die Feststellungen zu den persönlichen Lebensumständen des BF, wie Schulbildung, seiner Berufserfahrung sowie zu seiner Vermögenslage und Selbsterhaltungsfähigkeit ergeben sich aus seinen diesbezüglichen glaubhaften Angaben im Verfahren (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 6 ff).

Die Feststellungen zur familiären Situation des BF beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren vor der bB, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 9 ff). Diesbezüglich ist jedoch festzuhalten, dass der BF zu seinen Onkeln mütterlichersichtes keine übereinstimmenden Angaben tätigen konnte. Bei der Einvernahme vor der bB erklärte der BF nämlich, zwei Onkel mütterlicherseits zu haben (Niederschrift, Seite 7). In der Beschwerdeverhandlung führte der BF dann aus, dass seine Mutter nur einen Bruder habe (Verhandlungsprotokoll, Seite 14). Vor diesem Hintergrund waren die entsprechenden Feststellungen zu treffen. Die widersprüchlichen Angaben des BF zu seinen Verwandten indizieren auch seine persönliche Unglaubwürdigkeit (siehe dazu, Punkt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.).

Aufgrund seiner dahingehenden glaubhaften Angaben im Verfahren konnte festgestellt werden, dass der BF in Kontakt mit seinem Onkel mütterlicherseits steht (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 14).

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf den Angaben des BF, welche durch Einsicht in den aktuellen Strafregisterauszug verifiziert wurden. Die Feststellung, dass der BF in Afghanistan nicht vorbestraft ist, keine Probleme mit den Behörden hatte und dass er politisch nicht aktiv ist, sind seinen glaubhaften Aussagen dahingehend zu entnehmen (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 16).

II.2.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie dem vor dem BVwG abgeführten Verfahren und im Besonderen der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass der BF ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, eventuelle Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel und geeignete Nachweise zur Untermauerung seines Vorbringens vorzulegen. Er wurde auch mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe und ausdrücklich zur Vorlage von Beweismitteln aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt. Wie in der Folge dargestellt, ist das Vorbringen des BF objektiv nicht geeignet, einen asylrelevanten Grund zu begründen, da es unschlüssig und zu wesentlichen Punkten widersprüchlich ist:

II.2.2.1. Zur Bedrohung bzw. zur Verfolgung des BF durch die Taliban:

Im Verfahren begründete der BF seine Bedrohung bzw. seine Verfolgung durch die Taliban damit, dass sein Vater als Dolmetscher gearbeitet habe; der Vater des BF sei aufgrund seiner Tätigkeit von den Taliban getötet worden.

Zur beruflichen Tätigkeit des Vaters des BF ist festzuhalten, dass eine Dolmetschertätigkeit des Vaters für die Jahre 2007/2008 aufgrund der in Vorlage gebrachten Dokumente grundsätzlich belegbar ist. Entsprechend den Angaben des BF, hätte der Vater bis zu seinem Tod als Dolmetscher gearbeitet und wäre sogar auf dem Weg zur Arbeit getötet worden (Verhandlungsprotokoll, Seite 10 f). Dokumente, die belegen könnten, dass der Vater des BF auch nach den Jahren 2007/2008 als Dolmetscher gearbeitet habe, wurden vom BF jedoch nicht in Vorlage gebracht. Dies erklärte der BF in der Beschwerdeverhandlung damit, dass ihm seine Mutter erzählt habe, dass sein Vater wegen seiner eigenen Sicherheit solche Dokumente nicht aufbewahrt oder bei sich getragen habe (Verhandlungsprokoll, Seite 13 f). Angesichts der Umstände, ist die Erklärung des BF jedoch nicht nachvollziehbar, dass sein Vater überhaupt Dokumente über seine Dolmetschertätigkeit aufbewahrt hat. Vor dem Hintergrund der eigenen Sicherheit hätte der Vater des BF überhaupt keine Dokumente aufbewahren dürfen. Aufgrund der Unschlüssigkeit der Angaben des BF und fehlender Nachweise, konnte schließlich nur festgestellt werden, dass der Vater in den Jahren 2007/2008 als Dolmetscher tätig gewesen ist. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Vater des BF auch nachher als Dolmetscher tätig gewesen ist.

Auch konnte der BF im gesamten Verfahren keine schlüssige Begründung darlegen, weshalb die Taliban seinen Vater verfolgt hätten. Der BF gab ausdrücklich an, dass nur seine Mutter und sonst niemand von der beruflichen Tätigkeit seines Vaters als Dolmetscher gewusst habe (Verhandlungsprotokoll, Seite 11; Niederschrift, Seite 10). Zudem gab der BF auch auf konkrete Nachfrage an, dass er nicht wisse, wie die Taliban davon Kenntnis erlangt hätten, dass der Vater als Dolmetscher gearbeitet habe (Niederschrift, Seite 10). Insgesamt wird aus den Ausführungen des BF im Verfahren nicht erkennbar, wie die Taliban überhaupt von der Tätigkeit des Vaters als Dolmetscher Kenntnis erlangt hätten.

Widersprüchlich sind auch die Ausführungen des BF dahingehend, wie die Dorfbewohner davon erfahren hätten, dass der Vater als Dolmetscher und der BF und seine Brüder als Spione tätig gewesen wären. Zunächst erklärte der BF, dass er nicht wisse, woher die Dorfbewohner davon erfahren hätten (Verhandlungsprotokoll, Seite 11), später führte er jedoch dazu unstimmig aus, dass die Taliban dies im Dorf erzählt hätten (Verhandlungsprotokoll, Seite 11).

Auch zu den „Mördern“ seines Vaters, blieben die Angaben des BF vage und unschlüssig: Im Verfahren gab der BF mehrmals an, dass sein Vater in der Provinz Ghazni von den Verbrechern bzw. Räubern wegen Geld getötet worden wäre (Niederschrift, Seite 10 f, Verhandlungsprotokoll, Seite 12). Dies hätten die Polizisten der Familie des BF mitgeteilt. Mit diesen Ausführungen ist jedoch keinesfalls vereinbar, dass der Vater – wie der BF behauptet – von den Taliban getötet worden wäre (Verhandlungsprotokoll, Seite 10). Schlüssige Erklärungen des BF dahingehend, dass sein Vater durch die Taliban und nicht durch Räuber oder Verbrecher wegen Geld getötet worden ist, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. In diesem Zusammenhang konnte der BF – wie bereits oben ausgeführt – nicht einmal schlüssig erklären, wie die Taliban von der Tätigkeit des Vaters als Dolmetscher erfahren hätten.

Insgesamt erstattete der BF zur beruflichen Tätigkeit seines Vaters sowie zu den Umständen seines Todes ein äußerst vages und unsubstantiiertes Vorbringen. Die Ausführungen des BF sind sohin nicht geeignet glaubhaft darzulegen, dass sein Vater aufgrund seiner Tätigkeit als Dolmetscher von den Taliban getötet wurde.

Darüber hinaus stellt der BF einen Zusammenhang zwischen dem Tod seines Vaters und dem Tod seines Bruders dar. Auch sein Bruder wäre von den Taliban getötet worden (Verhandlungsprotokoll, Seite 11). Jedoch ergibt sich aus den Ausführungen des BF im Verfahren schon hinsichtlich des chronologischen Ablaufes ein wesentlicher Widerspruch: In der Einvernahme vor der bB führte der BF aus, dass sein Bruder bereits vier Tage nach dem Tod des Vaters erschossen worden wäre (Niederschrift, Seite 11). In der mündlichen Verhandlung gab der BF dazu an, dass sein Vater nach seinem Tod sieben Tage im Kühlhaus gelegen sei und sein Bruder vier Tage nach der Bestattung des Vaters (nicht nach seiner Ermordung) getötet worden sei (Verhandlungsprotokoll, Seite 10). Entsprechend des Ausführungen des BF in der Beschwerdeverhandlung wäre der Bruder sohin elf Tage nach dem Tod des Vaters getötet worden. Obwohl die Ausführungen auf eigenen Erlebnissen des BF beruhen sollten, ist er auch hier nicht in der Lage, übereinstimmende Aussagen zu tätigen. Es liegt daher ein massiv widersprüchliches Vorbringen des BF zu einem wesentlichen Teil seiner Fluchtgeschichte, nämlich zum Todeszeitpunkt seines Bruders XXXX , vor.

Darüber hinaus blieben auch die, ohnehin auffallend oberflächlich gehaltenen, Ausführungen des BF zum Tod seines Bruders XXXX nicht stringent: Bei seiner Einvernahme vor der bB führte der BF nämlich aus, dass sein Bruder zehn Minuten von zu Hause entfernt getötet worden wäre (Niederschrift, Seite 11). In der mündlichen Verhandlung gab er hingegen an, dass der Bruder 10 - 20 Meter von ihrem Haus entfernt erschossen worden wäre, er habe sogar die Schüsse gehört (Verhandlungsprotokoll, Seite 12). Auch in diesem Zusammenhang ist nicht nachvollziehbar, dass der BF dazu keine übereinstimmenden Angaben tätigen kann, obwohl er die Geschehnisse persönlich erlebt hätte.

Weiters konnte der BF zu seinem eigenen Aufenthaltsort nach dem Tod des Bruders im Verfahren keine übereinstimmenden Angaben tätigen: Zuerst erklärte der BF bei seiner Einvernahme vor der bB, fünf Tage bei seinem Onkel mütterlicherseits und anschließend zehn Tage bei einem Freund des Onkels gelebt zu haben (Niederschrift, Seite 11). Im Gegensatz dazu erwähnte er in der Beschwerdeverhandlung nur, dass er sieben Tage bei seinem Onkel gewesen sei (Verhandlungsprotokoll, Seite 10). Einen Aufenthalt bei einem Freund des Onkels erwähnte er mit keinem Wort.

Insgesamt tätigte der BF zu den Geschehnissen im Zusammenhang mit dem Tod seines Bruders sehr widersprüchliche Angaben im Verfahren.

Darüber hinaus konnte der BF weder Nachweise zum Tod des Vaters bzw. des Bruders noch zum Krankenhausaufenthalt seines Bruders in Vorlage bringen. Bei der Einvernahme vor der bB gab der BF an, dass es keine Sterbeurkunde des Vaters gebe (Niederschrift, Seite 7). Vor dem Hintergrund, dass der Vater jedoch von der Polizei nach der Ermordung zur Familie gebracht wurde und der Bruder nach diesem Ereignis erschossen worden ist und anschließend ins Krankenhaus gebracht wurde, ist nicht nachvollziehbar, dass der BF kein einziges Dokument etwa der Polizei oder des Krankenhauses vorlegen konnte.

Daneben war der BF auch nicht in der Lage, schlüssig zu erklären, weshalb die Taliban ihn als Spion ansehen könnten. Dazu befragt, gab der BF bloß vage und unsubstaniiert an, dass er nicht wisse, warum die Taliban glauben würden, dass er ein Spion wäre (Verhandlungsprotokoll, Seite 18; Niederschrift, Seite 10). Nachdem der BF auch im gesamten Verfahren keine direkte gegen ihn gerichtete Bedrohungs- oder Verfolgungshandlung seitens der Taliban angeben konnte, konnte der BF nicht glaubhaft machen ins Visier der Taliban geraten zu sein.

Darüber hinaus tätigte der BF weitere unplausible, unstimmige und widersprüchliche Angaben, die das Vorbringen des BF ebenso als unglaubhaft erscheinen lassen. Zur Illustration wird im Folgenden auf einige Angaben des BF eingegangen.

Widersprüchlich waren die Angaben des BF auch zur Bedrohung seines Bruders XXXX . Bei der Einvernahme vor der bB gab der BF nämlich noch an, dass sein Bruder XXXX nicht bedroht worden wäre (Niederschrift, Seite 11). In der mündlichen Verhandlung führte der BF dann jedoch aus, dass nicht nur sein älterer Bruder, sondern auch XXXX bedroht worden wäre (Verhandlungsprotokoll, Seite 17). Abgesehen davon, dass der BF auch zu diesem wesentlichen Aspekt ein widersprüchliches Vorbringen erstattete, steigerte der BF seine Angaben in der mündlichen Verhandlung zu jenen vor der Einvernahme vor der bB, sodass davon auszugehen ist, dass der BF offensichtlich bestrebt war sein Vorbringen in jede für ihn erfolgsversprechendere Richtung abzuändern. Es ist davon auszugehen, dass sich der BF einer konstruierten Geschichte bediente, die in keiner Weise die Mindestanforderungen eines glaubhaften Fluchtvorbringens erfüllt.

Erstmals in der Beschwerdeverhandlung erwähnte der BF auch, eine von seinen Cousins väterlicherseits ausgehende Gefahr: Sie würden ihn, wenn sie von seiner Rückkehr erfahren würden, an die Taliban verraten (Verhandlungsprotokoll, Seite 19). Diese Gefährdungssituation erwähnte der BF weder bei seiner Befragung vor der bB noch bei seiner Erstbefragung. In der Beschwerdeverhandlung begründete der BF dies damit, dass sich seine Familie mit der Familie seines Onkels väterlicherseits wegen Grundstücksstreitigkeiten nicht gut verstanden hätten. Dieses verspätete und sohin gesteigerte Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung kann vor dem Hintergrund, dass der BF bei seinen vorhergehenden Einvernahmen ausreichend Gelegenheit dazu hatte diese Ereignisse darzulegen, lediglich dahingehend gewertet werden, dass er versuchte seinem Vorbringen einen zusätzlichen Aspekt hinzuzufügen. Kein Asylwerber würde wohl eine sich ihm bietende Gelegenheit, ein zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorrübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).

Zudem stehen diese Angaben – Bedrohung durch Cousins väterlicherseits – in massivem Widerspruch zu seinen Ausführungen vor der bB: Dort gab der BF nämlich noch an, dass seine Mutter und sein Bruder XXXX nach dem Tod (Ermordung) des Bruders zu seinem Onkel mütterlicherseits gegangen wären, sein Cousin väterlicherseits hätte den jüngsten Bruder und seine zwei Schwestern zu sich geholt (Niederschrift, Seite 12). Vor dem Hintergrund eines schlechten familiären Verhältnisses zwischen der Familie des BF und der Familie seines Onkels väterlicherseits ist jedoch nicht nachvollziehbar, dass sein Cousin väterlicherseits sich um die Geschwister des BF gekümmert hätte. Insgesamt liegen hier sehr unplausible Angaben des BF vor, die aufzeigen, dass er durchwegs nicht bei der Wahrheit geblieben ist. Vor dem Hintergrund des widersprüchlichen Aussageverhaltens konnte der BF nicht glaubhaft machen, dass die Familie des BF, so wie der BF in der mündlichen Verhandlung behauptete, ein schlechtes Verhältnis zu den Cousins väterlicherseits pflegt.

Aufgrund der widersprüchlichen und gesteigerten Erklärungen des BF war sohin festzustellen, dass der BF in Afghanistan von seinen Cousins väterlicherseits keiner konkreten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.

Abgesehen von den massiv widersprüchlichen, unschlüssigen und gesteigerten Angaben des BF, blieben die Aussagen des BF zu den stattgefundenen Vorfällen insgesamt dürftig, ausweichend sowie farblos. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der aus Furcht um sein Leben sein Heimatland verlassen hat, versucht, von sich aus detailliert, umfangreich und lebensnah die ihm widerfahrenden Bedrohungssituationen zu erklären. Dies trifft auf den BF nicht zu, der trotz Nachfragens kaum Einzelheiten anführt oder ein Vorkommnis näher schildert. Die Ausführungen blieben unpersönlich sowie emotionslos und lassen erkennen, dass der BF keine Detailkenntnis hat.

In Gesamtschau konnte der BF – auch unter Berücksichtigung seines Bildungshintergrundes – weder glaubhaft darlegen selbst von den Taliban bedroht bzw. verfolgt worden zu sein, noch, dass sein Vater aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit oder sein Bruder wegen des Verdachts der Spionage von den Talbian getötet wurde. Sohin war dies auch festzustellen. Dass der BF wegen seines Verwandtschaftsverhältnisses zu seinem Vater oder seinem Bruder von den Taliban verfolgt oder bedroht werde, ist ebenso nicht glaubhaft. Insgesamt fehlt dem Fluchtvorbringen es an jedweder Stringenz und Plausibilität. Es ist davon auszugehen, dass sich der BF einer konstruierten Geschichte bedient, die in keiner Weise die Mindestanforderungen eines glaubhaften Fluchtvorbringens erfüllt.

Sohin war festzustellen, dass der BF in Afghanistan weder von den Taliban bedroht noch verfolgt wurde. Auch hat er eine konkrete Bedrohung bzw. Verfolgung durch die Taliban im Falle seiner Rückkehr nicht zu befürchten.

II.2.2.2. Zusammenfassung zum Fluchtvorbringen des BF:

Aus einer Gesamtschau der oben angeführten Angaben des BF im gesamten Verfahren ergibt sich, dass eine Verfolgung des BF aus asylrelevanten Gründen in seinem Herkunftsstaat nicht glaubhaft gemacht werden konnte und nicht maßgeblich wahrscheinlich ist. Es konnte weder eine konkrete gegen die Person des BF gerichtete asylrelevante Verfolgung festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung des BF im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen bei einer Rückkehr für wahrscheinlich erscheinen lassen.

Auch wenn der BF in seiner Person eine oder mehrere Risikoprofile der (notorischen) UNHCR-Richtlinien (siehe Punkt III.A. der Richtlinien vom 30.08.2018) erfüllen würde, führt dies nicht per se zu einer asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung. Vielmehr erfordern die gegenständlichen UNHCR-Richtlinien eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der BF zu keinem Zeitpunkt eine konkrete auf seine Person bezogene Verfolgung im Verfahren glaubhaft machen konnte.

Die zum Teil sehr widersprüchlichen Angaben des BF führten nicht nur zur Unglaubhaftigkeit der im Verfahren aufgestellten Bedrohung bzw. Verfolgung durch die Taliban, sondern begründen auch die persönliche Unglaubwürdigkeit des BF (siehe dazu Punkt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.).

II.2.3. Zur persönlichen Glaubwürdigkeit des BF:

Die persönliche Glaubwürdigkeit eines Asylwerbers ist insbesondere dann beeinträchtigt, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt ist oder er wichtige Tatsachen verheimlicht, respektive bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.

Das widersprüchliche, gesteigerte und unplausible Vorbringen führt nicht nur zur Unglaubhaftigkeit der im Verfahren aufgestellten Fluchtgründe (siehe oben Punkt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., sondern indiziert – wie im vorliegenden Fall – auch die fehlende persönliche Glaubwürdigkeit des BF. Unter Berücksichtigung des widersprüchlichen, gesteigerten und unplausiblen Vorbringens hinterließ der BF in der öffentlich-mündlichen Beschwerdeverhandlung einen persönlich völlig unglaubwürdigen Eindruck. Die evidente Bedeutung des persönlichen Eindrucks hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in zahlreichen Erkenntnissen betont (siehe z. B. VwGH 24.06.1999, Zl. 98/20/0435 bzw. VwGH 20.05.1999, Zl. 98/20/0505).

Ferner ist bei Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des BF zu berücksichtigen, ob dieser außerhalb des unmittelbaren Vortrags zu seinen Fluchtgründen die Wahrheit gesagt hat; auch ist die Beachtung der in § 15 AsylG 2005 normierten Mitwirkungspflichten gemäß § 18 Abs. 3 AsylG 2005 und die sonstige Mitwirkung des BF im Verfahren zu beachten. In diesem Zusammenhang war der BF nicht in der Lage zu den Reisekosten, seiner Verwandtschaft, der Organisation des Schleppers und zu seinem Leben als Kind bzw. Jugendlicher konkrete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben zu machen.

So gab der BF beispielsweise zu seinen Reisekosten bei seiner Einvernahme vor der bB an, 8.000 € für zwei Personen bezahlt zu haben (Niederschrift, Seite 9). In der mündlichen Verhandlung und bei seiner Erstbefragung gab er hingehen an, 8.000 € lediglich für sich bezahlt zu haben (Verhandlungsprotokoll, Seite 8; Erstbefragung, Seite 5). Bemerkenswert ist dabei insbesondere, dass, obwohl die Einvernahmen des BF – Erstbefragung, Einvernahme vor der bB, Beschwerdeverhandlung – innerhalb eines Zeitraumes von acht Monaten stattfanden, der BF zu den Kosten seiner Reise keine einheitlichen Angaben machen konnte.

Abgesehen davon, erwähnte der BF auch bei seiner Erstbefragung zuerst, dass ein Freund seines Vaters einen Schlepper organisiert hätte (Erstbefragung, Seite 5). Demgegenüber änderte der BF in der Beschwerdeverhandlung sein Vorbringen dahingehend ab, dass sein Onkel mütterlicherseits einen Schlepper organisiert hätte (Verhandlungsprotokoll, Seite 8). Auch dazu war es dem BF nicht möglich, ein widerspruchsfreies Vorbringen zu erstatten.

Das Vorbringen des BF blieb aber auch in der Beschwerdeverhandlung selbst nicht stringent. Zu Beginn gab der BF nämlich noch an, in Afghanistan ganz normal aufgewachsen zu sein, ein normales Leben geführt zu haben und mit seinen Brüdern und Freunden gespielt zu haben (Verhandlungsprotokoll, Seite 7). Später in der Beschwerdeverhandlung erklärte er damit nicht vereinbar, dass es in seinem Dorf und Nachbardorf immer Schüsse gegeben hätte (Verhandlungsprotokoll, Seite 12).

Zu erwähnen ist weiters, dass aus der Taskira des Vate

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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