Entscheidungsdatum
21.01.2020Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W240 2224275-1/2E
W240 2224278-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 23.07.2019,
Zl. Islamabad-ÖB/KONS/2654/2018, aufgrund der Vorlageanträge von XXXX , beide StA. Afghanistan,
über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 25.04.2019, beschlossen:
A) Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs 3 VwGVG stattgegeben, die bekämpften Bescheide und die Beschwerdevorentscheidungen behoben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Entscheidungen an die Behörde zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin ist ihren Angaben zufolge die Mutter und gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin, beide sind afghanische Staatsangehörige. Sie stellten am 12.07.2018 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (künftig auch: ÖB Islamabad) jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach
Der Bezugsperson, dem als Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der Zweitbeschwerdeführerin bezeichneten XXXX ,
einem afghanischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.04.2018 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
Dem Antrag wurden folgende Dokumente in Kopie beigelegt:
Die Erstbeschwerdeführerin betreffend:
- relevante Seiten des Reisepasses
- afghanische ID Card (englisch, arabisch), "Marital Status: Single", ausgestellt am XXXX .2012
- "Marriage Certificate" mit dem Ehedatum: XXXX .2011, ausgestellt am XXXX .2018
- "12th Grade Graduation Certificate"
- "Directorate of Results & Certificate"
Die Zweitbeschwerdeführerin betreffend:
- relevante Seiten des Reisepasses
- afghanische ID Card (englisch, arabisch)
Die Bezugsperson betreffend:
- Österreichischer Reisepass
- Österreichischer Meldezettel
- Asylbescheid
- Sozialversicherungsauszug vom 30.05.2018
2. Mit Verbesserungsauftrag vom 20.08.2018, erhalten am 24.08.2018, wurden die Beschwerdeführerinnen aufgefordert die Geburtsurkunde sowie eine Kopie der e-card der Bezugsperson vorzulegen und die Visumgebühren in der Höhe von PKR 45.000,- zu begleichen.
3. Nach Weiterleitung der Anträge auf Einreiseerlaubnis an das BFA teilte dieses der
ÖB Islamabad mit Schreiben vom 26.03.2019 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Angaben der volljährigen Erstbeschwerdeführerin zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden.
In der angeschlossenen Stellungnahme wird vom BFA hierzu näher ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin und ihr in Österreich wohnhafter angeblicher Ehemann, sich in Widersprüche hinsichtlich der Hochzeitsfeier verstrickt hätten. Während der vermeintliche Ehemann bei der Erstbefragung und Einvernahme behauptet habe, die Hochzeit hätte im Jahr 2014 stattgefunden, habe die Erstbeschwerdeführerin als Hochzeitsdatum das Jahr 2011 angegeben. 2011 würde bedeuten, dass die Erstbeschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Eheschließung 15 Jahre alt gewesen sei. Laut vorgelegter Heiratsurkunde habe die Eheschließung am XXXX .2011 stattgefunden. Außerdem habe die Erstbeschwerdeführerin berichtet, ihr Vater hätte sie und ihren Ehemann miteinander verheiratet, wohingegen die Bezugsperson bei der Einvernahme erzählt hätte, die Hochzeit sei auf traditionell-islamische Art und Weise gefeiert worden. Die am XXXX .2012 ausgestellt Tazkira der Erstbeschwerdeführerin habe diese damals als ledig bezeichnet. Somit sei die Erstbeschwerdeführerin damals noch nicht verheiratet gewesen, was ihre eigenen Angaben widerlege.
Mittlerweile habe eine österreichische Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Bezugsperson Anklage wegen § 223 (2) StGB (Urkundenfälschung) erhoben, im aktuellen Strafregisterauszug scheint keine Verurteilung der Bezugsperson auf.
Am 11.04.2018 wurde die Bezugsperson in Österreich niederschriftlich vor dem BFA einvernommen.
4. Die ÖB Islamabad räumte den Parteien mit Schreiben vom 10.04.2019, versandt am selben Tag, die Möglichkeit zur Stellungnahme zur Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA ein.
Mit Stellungnahme vom 17.04.2019 wurde ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin die Ehefrau und die Zweitbeschwerdeführerin die leibliche Tochter der Bezugsperson sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe die Bezugsperson etwa vier Monate vor dem Eheversprechen kennengelernt, das sie sich am XXXX 2011 vor dem Imam, der der Vater der Erstbeschwerdeführerin sei, gegeben hätten und das am XXXX .2014 in der vom Imam auf traditionell-islamische Weise geschlossenen Ehe gemündet sei. Nach der Hochzeit habe das Paar bis zur Verhaftung der Bezugsperson in XXXX zusammengelebt. Diese Verhaftung sei der Auslöser für die Flucht der gesamten Familie nach Pakistan gewesen, da die Konversion der Bezugsperson zum Christentum für die ganze Familie den Tod bedeuten könne.
Zur Eheschließung werde ausgeführt, dass am XXXX .2011 vom namentlich genannten Imam und Vater der Braut die Nikkah bei der Verlobung durchgeführt worden sei, damit die Verlobten sich an das islamische Gesetz halten könnten, das andernfalls den Kontakt zwischen Mann und Frau verbiete. Die Hochzeit habe am XXXX .2014 stattgefunden. Da die Nikkah ein Eheversprechen darstelle, das in der Realität kaum eingelöst werde, sei die Heiratsurkunde auch mit XXXX .2011 ausgestellt worden, ab diesem Moment seien beide aneinander gebunden gewesen auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht zusammenleben hätten dürfen. Dies sei erst nach der Hochzeit 2014 möglich gewesen, nachdem die Erstbeschwerdeführerin volljährig gewesen sei. Aus diesem Grund sei es auch nachvollziehbar, dass die am XXXX 2012 ausgestellt Tazkira die Erstbeschwerdeführerin noch als ledig bezeichne, obwohl sie das aus traditioneller Sicht nicht mehr gewesen sei.
Zum Vorwurf, die Erstbeschwerdeführerin habe alle wichtigen Daten von der Hand abgelesen und habe über keine Details der Konversion ihres Ehemannes gewusst, wurde auf die ACCORD Anfragebeantwortung vom 23.01.2017 verwiesen. Die meisten Afghanen wüssten weder ihr Geburtsdatum, das bei der Ausstellung einer Dokumente von der Behörde immer noch geschätzt würden, noch ihr Hochzeitsdatum. Es gebe auch keine jährliche Feier zu diesen Anlässen. Aus diesem Grunde sei es sicher nachvollziehbar, dass die Erstbeschwerdeführerin die Daten aus dem gregorianischen Kalender nicht auswendig gewusst habe. Die Konversion der Bezugsperson habe die Erstbeschwerdeführerin akzeptiert, dieses Thema sei zwischen ihnen nicht näher besprochen worden, weshalb sie auch keine Angaben zu diesem Thema habe tätigen können.
Zur erwähnten Anklage gegen die Bezugsperson bezüglich Urkundenfälschung werde ausgeführt, dass der Bezugsperson bei ihrer Verhaftung in Afghanistan der Reisepass und der Führerschein abgenommen worden sei. Ein Bekannter habe der Bezugsperson versprochen, den Führerschein von den Behörden gegen Geld zurückzuholen. Geschickt sei ihm dann jedoch kein Duplikat worden, sondern eine Fälschung. Die Bezugsperson sei hier selbst Opfer eines Betruges geworden.
Die Erstbeschwerdeführerin habe sich mit der Bezugsperson zwar verlobt, als sie noch minderjährig gewesen sei, diese Beziehung und spätere Ehe sei aber über die Volljährigkeit hinaus aufrechterhalten worden, wobei das gemeinsame, leibliche Kind als Beweis für das bestehende und anerkannte Eheleben zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson anzusehen sei. Es wäre in Afghanistan unmöglich als unverheiratetes Paar gemeinsame leibliche Kinder großzuziehen, wie auch eine ACCORD Anfragebeantwortung zeige.
Im vorliegenden Fall sei die Ehe zuerst traditionell geschlossen worden, beide Eheleute seien hier persönlich anwesend gewesen. Im Nachhinein sei die Ehe registriert worden. Demnach sei die Erstbeschwerdeführerin als Familienangehörige iSd AsylG anzusehen. Es sei darauf abzustellen, dass die Ehe bereits vor der Flucht stattgefunden habe und immer noch stattfinde. Die Familie verkehre über die sozialen Medien so oft wie möglich miteinander. Die Bezugsperson arbeite mittlerweile und so sei es ihr möglich gewesen für die Erstbeschwerdeführerin und die gemeinsame Tochter Visa und einen Flug für den Iran zu kaufen, damit im Jahr 2019 zumindest einmal ein persönliches Wiedersehen stattfinden könne.
Gem. § 13 Abs. 4 BFA-VG habe das BFA oder das BVwG einem Fremden, der sich in einem Verfahren nach § 35 AsylG auf ein Verwandtschaftsverhältnis berufe, welches er nicht mit unbedenklichen Unterlagen nachweisen könne, die Vornahme einer DNA Analyse zu ermöglichen. Über diese Möglichkeit sei der Fremde zu belehren, das sei aber unterlassen worden, was einen wesentlichen Verfahrensmangel darstelle. Die Beschwerdeführerinnen würden sich hiermit bereit erklären, eine DNA Analyse durchzuführen. Weiters habe die Entscheidung zusätzlich noch den verfassungsrechtlich normierten Grundsatz des Kindswohl nicht beachtet.
Der Stellungnahme wurden folgende Urkunden in Kopie vorgelegt:
- "In the name of Alah, the most merciful and compassionate" (englisch, arabisch)
- "Temporary Marriage (Contract) Certificate (englisch, arabisch)
- Fotos
- Visa für den Iran (die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sowie die Bezugsperson betreffend)
- Flugticket Wien - Iran
5. Mit Schreiben vom 23.04.2019 teilte das BFA der ÖB Islamabad mit, dass an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten werde.
6. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 25.04.2019 verweigerte die ÖB Islamabad den Beschwerdeführerinnen jeweils die Erteilung eines Einreisetitels gem. gemäß § 26 FPG iVm §°35 AsylG mit der Begründung, das BFA habe nach erneuter Prüfung mitgeteilt, dass in dem Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels zugrunde liegenden Fall die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei.
7. Gegen diese Bescheide richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 03.06.2019. In dieser wird ausgeführt, dass die Argumente der eingebrachten Stellungnahme vollinhaltlich aufrecht bleiben würden. In dieser habe die Erstbeschwerdeführerin erklärt, dass das Eheversprechen 2011 gegeben worden sei, das Zusammenleben aber erst nach Volljährigkeit der Erstbeschwerdeführerin 2014 stattgefunden habe. Das bedeute, die Durchführung der Eheschließung im gegenständlichen Fall stimme mit den Vorschriften für eine gültige Ehe in Afghanistan überein. Zudem sei aus dieser Ehe ein gemeinsames Kind hervorgegangen. Selbst wenn die Echtheit der Heiratsurkunde angezweifelt werde, wäre dies für sich kein tauglicher Grund den Antrag abzuweisen, sondern wären sonstige Beweismittel zu prüfen gewesen. Zudem hätte die belangte Behörde oder BVwG einem Fremden, der sich in einem verfahren nach § 35 AsylG auf ein Verwandtschaftsverhältnis berufe, welches er nicht mit unbedenklichen Unterlagen nachweisen könne, die Vornahme einer DNA Analyse zu ermöglichen. Das Unterlassen der Belehrung gem. § 13 Abs. 4 BFA-VG stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Auch habe sich die belangte Behörde nicht mit den in der Stellungnahme vorgebrachten Argumenten, Beweismitteln und Anträgen auseinandergesetzt und stelle dies eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör bzw. einen Begründungsmangel dar, der nicht nur eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, sondern sogar ein willkürliches Verhalten der Behörde darstelle und den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belaste.
Mit Schreiben vom 13.06.2019 wurden die Beschwerdeführerinnen aufgefordert die aufgezählten Dokumente in die deutsche Sprache übersetzen zu lassen.
Diesem Auftrag wurde am 21.06.2019 Folge geleistet und wurden folgende Dokumente übersetzt übermittelt:
- Temporäre Heiratsurkunde Zertifikat (3x)
- Zeugnis, 10-12 Klasse
- "Im Namen Allahs, des Wohltäters, des Barmherzigen"
- Drohschreiben eines afghanischen Provinzhalters und Amtsinhabers
- Heiratsurkunde, Datum XXXX .2018
- Mittelschulen Abschluss Bestätigung
- Zeugenauskunft bezüglich der Eheschließung vom XXXX .2018
- Persönliche Daten der Erstbeschwerdeführerin (ID Karte)
8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 23.07.2019 wies die ÖB Islamabad die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab.
9. Am 25.07.2019 wurde bei der ÖB ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.
10. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 08.10.2019, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 10.10.2019, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Stattgebung der Beschwerden und Zurückverweisung:
Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:
"§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
"§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."
§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG)
Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
"§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte."
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.
(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.
(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.
(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.
(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.
(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§ 2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§ 2 Abs. 4 Z 13a) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26 FPG lautet:
"§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."
§ 13 Abs. 4 BFA-VG lautet:
"Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält."
§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:
"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."
Mit Erkenntnis vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH festgestellt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Im Erkenntnis vom 01.03.2016, Ro 2015/18/20002 bis 0007, hält der VwGH zunächst fest, dass der in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnete Beweismaßstab, nach dem das Bundesamt zu beurteilen hat, ob es eine positive oder negative Mitteilung abgibt, für sich betrachtet rechtsstaatlich nicht bedenklich erscheint. Da das Gesetz vorsieht, dass eine positive Mitteilung des Bundesamtes schon dann zu ergehen hat, wenn die Gewährung von internationalem Schutz bloß wahrscheinlich ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine negative Prognose nur dann erfolgen darf, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist; Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht.
Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, muss der Antragsteller lediglich die niedrigere Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überspringen. Schon dann steht ihm die Möglichkeit offen, in das Bundesgebiet einzureisen und dort ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 - mit allen Verfahrensgarantien - zu absolvieren. Dass § 35 Abs. 4 AsylG 2005 die Vergabe eines Visums an die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes im künftigen Asylverfahren bindet, erscheint unter diesem Blickwinkel mit dem rechtsstaatlichen Prinzip somit nicht im Widerspruch zu stehen.
Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, sofern in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN sowie VfSlg. 14.421/1996 und 15.743/2000).
Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel: "Verwaltungsverfahren Band I2", E 84 zu § 39 AVG).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).
Ungeachtet dieser für die Vertretungsbehörden bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des Bundesamtes steht es dem Bundesverwaltungsgericht allerdings nunmehr - innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems - offen, auch die Einschätzung des Bundesamtes über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002). Auch wenn es sich bei der Mitteilung des Bundesamtes um keinen Bescheid handelt, der vom Antragsteller (selbständig) angefochten werden kann (VwGH 06. 10.2010, 2008/19/0527), setzt die Möglichkeit einer Überprüfung der Richtigkeit dieser Prognose durch das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls voraus, dass dieser Mitteilung des Bundesamtes in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das Bundesamt die Zuerkennung des beantragten Schutzstatus für nicht wahrscheinlich hält.
Im gegenständlichen Fall liegt eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor bzw wurde auch Verfahrensvorschriften nicht ausreichend Rechnung getragen:
Die Erstbeschwerdeführerin gibt an, die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin und Ehefrau der Bezugsperson zu sein, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2018 der Status des Asylberechtigten in Österreich zuerkannt wurde. Die Bezugsperson sei der leibliche Vater der Zweitbeschwerdeführerin.
Der angebliche Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen gab im Zuge seiner Erstbefragung am 30.01.2016 an, seit XXXX 2014 verheiratet zu sein, nannte die Erstbeschwerdeführerin als seine 19-jährige Ehefrau und erklärte, eine namentlich genannte 20-monatige Tochter mit ihr zu haben. Beide würden in Pakistan wohnen. Bei der Einvernahme am 11.04.2018 gab er an, (lediglich) traditionell verheiratet zu sein und eine Tochter zu haben, die in Pakistan lebe. Die Bezugsperson erklärte, vor etwa vier Jahren in Afghanistan aus Liebe geheiratet zu haben und die Erstbeschwerdeführerin etwa drei oder vier Monate vor der Hochzeit kennengelernt zu haben. Nach der Hochzeit hätten sie sechs Monate zusammengelebt, dann hätten die Probleme angefangen. Vor der Hochzeit habe er seiner Frau gesagt, dass er Christ sei, sie habe es akzeptiert und ihn geheiratet. Auf Grund der behaupteten Konversion zum Christentum wurde der Bezugsperson in Österreich der Asylstatus zuerkannt.
Im Gegensatz dazu ist den vorgelegten Urkunden, insbesondere der temporären Heiratsurkunde, zu entnehmen, dass die Hochzeit am XXXX .2011 vor dem Vater der Erstbeschwerdeführerin der auch Iman sei (siehe Bestätigung "Im Namen Allahs, des Wohltäters, des Barmherzigen"), stattgefunden hätte. Auffällig ist, dass in der englischen Heiratsurkunde, die mit der Visaantragstellung vorgelegt wurde, der XXXX .2011 als Hochzeitdatum genannt wird ("...at the age of 18 years old of 1390 corresponding to 2011 that he currently living in Austria we fully knowing them aforesaid got married legally on 10/10/2011..."). Dem mit der Stellungnahme vom 17.04.2019 beigelegten "Temporary Marriage (Contract) Certificate" ist kein genaues Datum, sondern lediglich: "1393 corresponding to 2014" zu entnehmen. In der deutschen Übersetzung, vorgelegt am 21.06.2019, dieses Dokumentes steht nun " XXXX entsprechend XXXX .2011" zu lesen. Auch die Erstbeschwerdeführerin gab bei ihrer Visaantragstellung den XXXX .2011 als Hochzeitsdatum an.
Die Erstbeschwerdeführerin wurde am XXXX geboren, war damit im Jahr 2011 fünfzehn Jahre, im Jahr 2014 achtzehn Jahre alt.
Das Bundesverwaltungsgericht stimmt den Feststellungen in der nunmehr angefochtenen Entscheidung dahingehend zu, dass Widersprüche in den Angaben der Bezugsperson und der Erstbeschwerdeführerin sowie Widersprüche in den Dokumenten untereinander vorliegen. Es ist allerdings darauf zu verweisen, dass die Bezugsperson schon bei der Erstbefragung angab, der Vater der Zweitbeschwerdeführerin zu sein. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere betreffend die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin der Verweis auf die widersprüchlichen Angaben der Bezugsperson zur Eheschließung nicht hinreichend erscheint, sondern dahingehend weitere Ermittlungen erforderlich sind, da der Bezugsperson nach wie vor der Asylstatus in Österreich zukommt und zum Entscheidungszeitpunkt kein Aberkennungsverfahren eingeleitet wurde, weshalb die Behauptung, Familienangehörige der Bezugsperson zu sein, zu überprüfen ist.
Die Behörde wies den Einreiseantrag der Beschwerdeführerinnen gegenständlich im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass das behauptete Familienverhältnis aufgrund der widersprüchlichen Angaben der Bezugsperson und der Erstbeschwerdeführerin nicht als erwiesen anzunehmen sei. Betreffend die Erstbeschwerdeführerin und die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin habe die Eigenschaft als Familienangehörige gemäß
§ 35°Abs.°5°AsylG nicht bewiesen werden können.
Vor allem im Hinblick darauf, dass die Bezugsperson bereits bei ihrer Erstbefragung angab, eine Tochter zu haben, wäre, aufgrund der in diesem Verfahren zudem getätigten Aussagen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson gemäß §°13°Abs 4 BFA-VG DNA-Analysen zum Nachweis der Familienangehörigeneigenschaft der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin in Hinblick auf die Bezugsperson bzw. der leiblichen Mutterschaft der Erstbeschwerdeführerin zu der Zweitbeschwerdeführerin, erforderlich gewesen (nach der Rechtsprechung des VwGH, 22.2.2018, Ra 2017/18/0131, ist § 13 Abs 4 BFA-VG auch in Verfahren nach § 35 AsylG anzuwenden).
Im gegenständlichen Fall wurde den Verfahrensvorschriften insofern nicht ausreichend entsprochen, als die Beschwerdeführerinnen von der Behörde nicht entsprechend §°13°Abs.°4 BFA-VG über die Möglichkeit der Vornahme einer DNA-Analyse belehrt wurden. Eine korrekte Anwendung des § 13 Abs. 4 BFA-VG erfordert eine Belehrung der Fremden über die Möglichkeit der Vornahme einer DNA-Analyse. Den Beschwerdeführerinnen ist auf deren Verlangen und auf deren Kosten eine solche zu ermöglichen (vgl etwa BVwG W175 2142004-1f vom 17.05.2017; W205 21009987-1f vom 16.06.2016; W192 2009649-1f vom 24.03.2016 und W165 2012710-1 vom 07.01.2019).
Die Erstbeschwerdeführerin hat die Bereitschaft (sämtlicher Beschwerdeführerinnen), sich zum Nachweis der Familienangehörigeneigenschaft einer DNA-Analyse zu unterziehen, explizit erklärt (vgl. Stellungnahme vom 17.04.2019). Im vorliegenden Fall hat das Bundesamt jedoch eine entsprechende Belehrung nicht erteilt.
Vor Abweisung eines Antrags gemäß § 35 AsylG aufgrund von Zweifeln an einem Verwandtschaftsverhältnis hat jedenfalls gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung eines DNA-Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen (arg: "hat ihm ... zu ermöglichen"; "ist zu belehren"; vgl VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0131). Im vorliegenden Fall, in dem sich die Beschwerdeführerinnen, wie bereits erwähnt, ausdrücklich bereit erklärt haben, das Verwandtschaftsverhältnis mittels DNA-Gutachten nachzuweisen, sofern entsprechende Zweifel bestünden, kann dieses Ersuchen nur so verstanden werden, dass die Beschwerdeführerinnen damit um die gebotene behördliche organisatorische Hilfestellung im oben wiedergegebenen Sinn, somit auch eine Anleitung betreffend die Modalitäten der Durchführung einer DNA-Analyse (u.a. Ort, Zeit und Kosten) ersucht haben (vgl auch VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0131).
In diesem Zusammenhang ist auch noch Folgendes festzuhalten: Eine allfällige Kenntnis eines Fremden von der Bestimmung des § 13 Abs. 4 BFA-VG entbindet die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, den Fremden über die Möglichkeit der Durchführung einer DNA-Analyse zu belehren. Für eine hievon abweichende Auslegung bietet der klare Wortlaut der Bestimmung keine Anhaltspunkte (arg.: "Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren"...). Die Behörde hat es jedenfalls unbestrittener Maßen verabsäumt, die Beschwerdeführer entsprechend zu belehren, obgleich die Beschwerdeführer selbst auf diese die Behörde treffende Verpflichtung hingewiesen haben.
Sollten nach einer erneuten Überprüfung der Heiratsdokumente sowie im Hinblick auf das Heiratsalter der Erstbeschwerdeführerin, weiterhin Zweifel an einer (gültig geschlossenen, in Österreich anerkannten) Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson vorliegen, wäre - sollte nach Durchführung der DNA-Analysen eine Familieneigenschaft zwischen der Zweitbeschwerdeführerin und der Bezugsperson gesichert sein - in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin - deren leibliche Mutterschaft zu der Zweitbeschwerdeführerin vorausgesetzt - auch Art. 8 EMRK entsprechend zu berücksichtigen.
Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren - unter Berücksichtigung der neueren höchstgerichtlichen Judikatur (vgl VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0131) - eine entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG durchzuführen und den Beschwerdeführerinnen, im Falle ihrer Ansicht nach weiterhin vorliegender Zweifel an der Familienangehörigeneigenschaft, Gelegenheit zur Vornahme von DNA-Analysen zu geben haben. Ferner ist die Behörde gegebenenfalls (bei DNA-mäßig festgestellter Familienangehörigeneigenschaft) gehalten, die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu prüfen, um die Fortsetzung des Familienlebens mit der minderjährigen Tochter zu ermöglichen.
Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) der gegenständlichen Beschwerdeverfahren hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen zur Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführerinnen nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.
Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung DNA-Daten Ermittlungspflicht Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W240.2224278.1.00Im RIS seit
27.11.2020Zuletzt aktualisiert am
27.11.2020