Entscheidungsdatum
27.02.2020Norm
AVG §13 Abs1Spruch
L514 2218977-1/4E
L514 2218978-1/4E
L514 2218979-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.04.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 13 Abs. 1 AVG wegen Unzuständigkeit ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.04.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 13 Abs. 1 AVG wegen Unzuständigkeit ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Drittbeschwerdeführers XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch die Mutter XXXX als gesetzliche Vertreterin, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.04.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 13 Abs. 1 AVG wegen Unzuständigkeit ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Anträge auf internationalen Schutz der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers (jeweils vom 21.02.2017) und des Drittbeschwerdeführers (vom 06.06.2018) wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom 27.11.2018, Zl. XXXX , Zl. XXXX und Zl. XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurden nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Mit Verfahrensanordnungen des BFA vom 28.11.2018 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und wurden die Beschwerdeführer gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG informiert, dass sie verpflichtet seien, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
Die Bescheide vom 27.11.2018 wurden den damals noch nicht vertretenen Beschwerdeführern am 30.11.2018 (Beginn der Abholfrist: 03.12.2018) an ihre aufrechte Meldeadresse durch Hinterlegung zugestellt. Nach Ablauf der vierwöchigen Rechtsmittelfrist erwuchsen die Bescheide, die von den Beschwerdeführern nicht behoben wurden, am 02.01.2019 in Rechtskraft.
2. Am 22.03.2019 wurde der Zweitbeschwerdeführer vor dem BFA niederschriftlich einvernommen (Gegenstand der Amtshandlung: „Aufforderung zur Ausreise“) und wurde ihm der Bescheid vom 27.11.2018 übergeben.
Am 25.03.2019 wurden der Erstbeschwerdeführerin deren Asylbescheid und der des Drittbeschwerdeführers vom 27.11.2018 vom BFA ausgehändigt.
3. Mit Schriftsatz vom 05.04.2019 beantragten die Beschwerdeführer durch ihre nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung zunächst die ordnungsgemäße Zustellung, in eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und erhoben gleichzeitig Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 27.11.2018.
Begründend wurde hinsichtlich des Antrages auf ordnungsgemäße Zustellung ausgeführt, dass die Beschwerdeführer keine Verständigung über die Hinterlegung („gelber Zettel“) erhalten hätten. Eine Heilung eines Zustellmangels könne gemäß § 7 Zustellgesetz nur zu jenem Zeitpunkt eintreten, in welchem den Beschwerdeführern die Dokumente tatsächlich zukommen. Im Falle der Beschwerdeführer also am 22.03.2019 bzw am 25.03.2019. Zu diesem Zeitpunkt hätte erst die vierwöchige Beschwerdefrist zu laufen begonnen. In eventu wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt mit der Begründung, dass die Beschwerdeführer durch den Nichterhalt der Hinterlegungsanzeige daran gehindert waren rechtzeitig Beschwerde zu erheben. An diesem Ereignis würde sie kein Verschulden treffen. Abschließend wurden ausführlich die Beschwerdegründe dargelegt.
4. Mit gegenständlich bekämpften Bescheiden vom 12.04.2019, Zlen. XXXX , 569400902 – 170229565 und 1193700010 – 180521811, wurden die Anträge der Beschwerdeführer vom 05.04.2019 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und wurde gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II.).
Begründend wurde dargelegt, dass mit der Hinterlegung der Bescheide am 30.11.2018 diese ordnungsgemäß zugestellt wurden. Die Beschwerdeführer hätten kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis geltend machen können, die die Zustellung in Zweifel ziehen konnte, weshalb diese rechtmäßig an die angegebene Adresse erfolgte.
Die Bescheide des BFA vom 12.04.2019 wurden den Beschwerdeführern am 17.04.2019 durch Hinterlegung an ihre aufrechte Meldeadresse zugestellt.
5. Am 14.05.2019 erhoben die Beschwerdeführer durch ihre ausgewiesene Vertretung Beschwerde gegen die Bescheide des BFA vom 12.04.2019.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
Mit Schriftsätzen vom 05.04.2019 beantragten die Beschwerdeführer durch ihre nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung die ordnungsgemäße Zustellung, in eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhoben gleichzeitig Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 27.11.2018.
Mit gegenständlich bekämpften Bescheiden vom 12.04.2019 entschied das BFA ausschließlich über die „eventualiter“ gestellten Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, ohne zuvor die Anträge auf ordnungsgemäße Zustellung des Bescheides vom 27.11.2018 erledigt zu haben.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den im Akt befindlichen Unterlagen, insbesondere aus dem Schriftsatz (der Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer) vom 05.04.2019 und den angefochtenen Bescheiden des BFA vom 12.04.2019.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 13 Abs. 1 AVG können, soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden.
3.2. Bei den von den Beschwerdeführern gestellten Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand handelt es sich um Eventualanträge.
Ein Eventualantrag stellt keine bloße "Ergänzung" des Hauptantrages oder eine "Antragsänderung" dar; es handelt sich dabei um einen eigenständig zu beurteilenden (weiteren) Antrag, der unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Eine Entscheidung über den Eventualantrag ist somit überhaupt erst zulässig, wenn über den Hauptantrag (abschlägig) entschieden worden ist (VwGH 24.04.2018, Ra 2017/05/0215).
Eine Verpflichtung zur gleichzeitigen Entscheidung beider Anträge (Haupt- und Eventualantrag) besteht nicht, darf doch über einen Eventualantrag erst dann entschieden werden, wenn der Bescheid, mit welchem dem Primärantrag nicht stattgegeben wird, in Rechtskraft erwachsen ist (VwGH 26.03.2015, Ra 2015/07/0040, mwN).
Ein sogenannter Eventualantrag ist im Verwaltungsverfahren durchaus zulässig. Das Wesen eines solchen Antrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Hauptantrag erfolglos bleibt. Wird bereits dem Hauptantrag stattgegeben, so wird der Eventualantrag gegenstandslos. Der Eventualantrag stellt keine bloße "Ergänzung" des Hauptantrages oder eine "Antragsänderung" dar; es handelt sich dabei um einen eigenständig zu beurteilenden (weiteren Antrag) unter der obgenannten aufschiebenden Bedingung. Eine Entscheidung über den Eventualantrag ist somit überhaupt erst zulässig, wenn über den Hauptantrag (abschlägig) entschieden worden ist. Das bedeutet aber, dass eine Entscheidungspflicht über einen Eventualantrag so lange nicht bestehen kann, als der Hauptantrag nicht rechtskräftig abgewiesen worden ist (Hinweis E vom 28. Mai 2014, 2013/07/0282, mwN). Vielmehr belastet die Erledigung eines Eventualantrags vor dem Eintritt des Eventualfalles diese mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (Hinweis E vom 28. November 2013, 2013/03/0070). Der angesprochenen rechtskräftigen Abweisung steht eine rechtskräftige Zurückweisung des Hauptantrages bzw dessen Zurückziehung gleich (VwGH vom 27.11.2014, 2013/03/0152).
Nach der soeben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes belastet es fallbezogen die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit, da das BFA über die Eventualanträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entschieden hat, bevor es rechtskräftig über die Hauptanträge auf ordnungsgemäße Zustellung der Bescheide des BFA vom 27.11.2018 abgesprochen hatte. Die hier angefochtenen Bescheide vom 12.04.2019 der Erstbeschwerdeführerin, des Zweitbeschwerdeführers und des Drittbeschwerdeführers waren daher ersatzlos zu beheben.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 1) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2); wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird (Z 3).
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass die mit Beschwerden angefochtenen Bescheide aufzuheben waren.
Zu B)
Revision
Da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage durch die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist, ist die Revision nicht zulässig.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
aufschiebende Bedingung Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Eventualantrag Eventualbegehren Familienverfahren Hauptbegehren Rechtswidrigkeit UnzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L514.2218978.1.00Im RIS seit
27.11.2020Zuletzt aktualisiert am
27.11.2020