Entscheidungsdatum
18.03.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
L511 2218948-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Vorsitzende und den Richter Dr. DIEHSBACHER sowie den fachkundigen Laienrichter RR PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Wagner Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich vom 30.11.2018, Zahl: XXXX , betreffend Vornahme einer Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ sowie „Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996“ in den Behindertenpass, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt:
1. Verfahren vor dem Sozialministeriumservice [SMS]
1.1. Seit 14.07.2017 verfügt der Beschwerdeführer über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 % (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [AZ] 2.1.). Am 06.02.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung (Parkausweis), welcher auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass gilt (AZ 2.6) sowie die Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich (VO BGBl. 303/1996) bei erforderlicher Krankendiätverpflegung wegen Gallen-, Leber- und Nierenkrankheiten“ (AZ 2.7). Der Beschwerdeführer legte im Verfahren zahlreiche medizinische Befunde vor (AZ 1.2, 1.3, 1.5-1.7, 1.12, 1.13, 2.8, 2.9).
1.2. Das SMS holte in der Folge ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin ein. Dieses Gutachten vom 22.11.2018 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.10.2018 und unter Einbeziehung der vorgelegten Befunde sowie des Letztgutachtens vom 23.04.2018 erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurde zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zusammengefasst ausgeführt, dass aus internistischer kardialer Sicht das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel möglich und zumutbar seien.
1.3. Mit Bescheid vom 30.11.2018, Zahl XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, und „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ abgewiesen (AZ 2.25).
Begründend verwies das SMS auf die Ergebnisse des Gutachtens vom 22.11.2018, welches als schlüssig erkannt wurde und als Beilage zum Bescheid übermittelt wurde.
1.4. Mit Schreiben vom 18.12.2017 [gemeint 2018] erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des SMS vom 30.11.2018 (AZ 1.4).
Darin führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, die belangte Behörde habe die psychiatrischen Erkrankungen des Beschwerdeführers nicht ausreichend in ihrer Entscheidung berücksichtigt. Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragungen seien gegeben.
1.5. Im Zuge des vom SMS weitergeführten Ermittlungsverfahrens holte das SMS zwei Sachverständigengutachten ein, eines aus dem Fachgebiet der Inneren sowie der Allgemeinmedizin vom 13.02.2019 (Untersuchung am 05.02.2019; AZ 2.22) und eines aus dem Fachgebiet der Psychiatrie vom 19.04.2019 (Untersuchung am 26.02.2019, AZ 2.23). In der zusammenfassenden Gesamtbeurteilung vom 29.04.2019 wurden vorhandene Funktionseinschränkungen sowie die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt und eine Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit verneint (AZ 2.24).
2. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 16.05.2019 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des gegenständlichen Gerichtsaktes OZ 1 [=AZ 1.1 bis 1.14 und 2.1 bis 2.25]) und teilte mit, dass ein Beschwerdeverfahren eingeleitet worden sei, das medizinische Beweisverfahren aber nicht zeitgerecht abgeschlossen werden konnte.
2.1. Mit Parteiengehör vom 26.06.2019 übermittelte das BVwG dem Beschwerdeführer die Sachverständigengutachten vom 13.02.2019, 19.04.2019 und 29.04.2019 mit dem Ersuchen um Stellungnahme und dem Hinweis, dass das BVwG beabsichtige sich auf diese Gutachten zu stützen (OZ 2).
Eine Stellungnahme erfolgte bis dato nicht.
II. Zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Der Beschwerdeführer ist in Österreich wohnhaft und verfügt über einen gültigen Behindertenpass mit einem eingetragenen Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. (AZ 2.1).
1.2. Er stellte am 06.02.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung (Parkausweis), welcher auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass gilt (AZ 2.6) sowie einen Antrag auf Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich (VO BGBl. 303/1996) bei erforderlicher Krankendiätverpflegung wegen Gallen-, Leber- und Nierenkrankheiten“ (AZ 2.7).
1.3. Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden (AZ 2.24):
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen:
1
Koronare Herzkrankheit, Z.n. Vorderwandinfarkt 06/2016 bei Verschluss der LAD; Stentimplantation
2
Anpassungsstörung – längere depressive Reaktion
3
Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Vorderwandinfarkt, Zustand nach erfolgreicher Rekanalisation und Stentimplantation, Zustand nach Reanimation, zuletzt erhaltene Linksventrikelfunktion (EF 64%) REHA Münster 10/2018; Derzeit keine typische Angina pectoris – stabiler Befund. Arterielle Hypertonie mit 2-fach antihypertensiver Therapie in niedriger Dosierung gut eingestellt – s. RR Messung bei klinischer Untersuchung, ansonsten keine Aufzeichnungen vorliegend;
4
Myeloproliferative Erkrankung – essentielle Thrombozytopathie. Begründung: festgestellte Thrombozythämie – stabil, keine wesentlichen Beschwerden, keine wesentliche Progredienz.
1.4. Im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind folgende Feststellungen zu treffen (AZ 2.24):
Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist möglich. Das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel sind möglich, da ausreichende Fähigkeiten des Bewegungsapparates und keine Balancestörungen oder Kraftminderung beim Beschwerdeführer bestehen.
Es bestehen beim Beschwerdeführer zwar diffuse Ängste in Bezug auf seine kardiale Grundproblematik, welche in öffentlichen Verkehrsmitteln aktualisiert werden könnten. Diese Ängste erreichen aber nicht die Kriterien einer Angststörung, welche für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel relevant wäre, wie z.B. Sozialphobie, Klaustrophobie oder phobische Angst vor Kontrollverlust. Das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel sind auch aus psychiatrischer Sicht möglich.
1.5. Gesundheitsschädigungen im Sinne einer Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit liegen nicht vor (AZ 2.24).
2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1), aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen:
? Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Inneren und der Allgemeinmedizin vom 13.02.2019 (AZ 2.22)
? Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Psychiatrie vom 19.04.2019 (AZ 2.23)
? Gesamtbeurteilung - Zusammenfassung der Gutachten vom 29.04.2019 (AZ 2.24)
? Bescheid des SMS vom 30.11.2018 (AZ 2.25)
? Beschwerde vom 18.12.2018 (AZ 1.4)
? Stammdatenblatt des Behindertenpasses (AZ 2.1)
? Einsicht in das Zentrale Melderegister ZMR (OZ 3)
2.2. Beweiswürdigung
2.2.1. Die allgemeinen Feststellungen (Punkte II.1.1. und 1.2.) ergeben sich aus der Antragstellung und dem Behindertenpass des Beschwerdeführers, sowie dem ZMR und sind unstrittig (AZ 2.1, 2.6, 2.7; OZ 3).
2.2.2. Die Feststellungen zu den Funktionseinschränkungen, zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und zum Nichtvorliegen von Mehraufwendungen wegen einer Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit ergeben sich aus der Gesamtbeurteilung vom 29.04.2019 (AZ 2.24), die die Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Inneren sowie der Allgemeinmedizin vom 13.02.2019 (AZ 2.22) sowie aus dem Fachgebiet der Psychiatrie vom 19.04.2019 (AZ 2.23) zusammenfasst. Die Feststellungen der Gutachten sind nachvollziehbar, schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Die Gutachten basieren auf persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers, berücksichtigen die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde (AZ 1.2, 1.3, 1.5-1.7, 1.12, 1.13, 2.8, 2.9) und stehen mit diesen auch nicht in Widerspruch (vgl. dazu VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004).
2.2.3. Der Beschwerdeführer brachte in der Beschwerde vom 18.12.2018 (AZ 1.4) vor, dass er stark herzkrank sei, schwere Blutdruckprobleme habe, die Blutwerte massiv überhöht seien und daraus schwerste psychische Beschwerden resultiert haben würden, weshalb ihm die Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei. Die Einschätzung des Gutachtens habe auf seine psychiatrischen Erkrankungen nicht bedacht genommen.
Diesen Einwendungen des Beschwerdeführers wurde durch Einholung weiterer Gutachten, darunter eines aus dem Fachgebiet der Psychiatrie, Rechnung getragen. Den Feststellungen im letzten Gutachten sind weder der Beschwerdeführer noch das SMS entgegengetreten (OZ 2, AZ 1.1).
3. Entfall der mündlichen Verhandlung
3.1. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter. Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).
3.2. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zur Gänze aus den dem Beschwerdeführer bekannten vorliegenden Aktenteilen und war weder ergänzungsbedürftig (vgl. dazu VwGH 19.09.2018, Ra2018/11/0145) noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Senat ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 45 Bundesbehindertengesetz [BBG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das SMS im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
4.1.2. Die Beschwerde gegen den Bescheid des SMS ist rechtzeitig und zulässig.
4.1.3. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten auszugsweise:
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen […].
§ 42. (1) […] Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. […]
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
4.1.4. § 1 der Verordnung über die Ausstellung von [VO] Behindertenpässen und Parkaus-weisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:
§ 1 (4) Z 3: Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: [...] die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten (Teilstrich 1) oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit (Teilstrich 2) oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen (Teilstrich 3) oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems (Teilstrich 4) oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d (Teilstrich 5) vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
4.2. Abweisung der Beschwerde
4.2.1. Der Beschwerdeführer verfügt über einen gültigen Behindertenpass mit einem eingetragenen Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H., womit die grundsätzliche Voraussetzung für die Vornahme von Zusatzeintragungen gemäß § 42 BBG erfüllt ist.
4.2.2. Die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sowie des Vorliegens einer Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit ist im verfahrensgegenständlichen Fall gemäß § 1 Abs. 5 VO Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen. Die vom SMS eingeholten Sachverständigengutachten vom 13.02.2019 und vom 19.04.2019 sowie die Gesamtbeurteilung vom 29.04.2019 sind (wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt) richtig, vollständig und schlüssig und die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind in nachvollziehbarer Weise dargestellt worden (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra2017/11/0288; 21.06.2017, Ra2017/11/0040 mwN).
4.2.3. zur Nichteintragung einer Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit
4.2.3.1. Gemäß § 1 Abs. 4 Z 1 lit. h ist die Art der Behinderung auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, der eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen aufweist; diese Eintragung ist bei Vorliegen einer Gallen-, Leber- oder Nierenerkrankung mit einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorzunehmen.
4.2.3.2. In den eingeholten Gutachten wird das Vorliegen einer Gallen-, Leber oder Nierenkrankheit verneint, weshalb die Voraussetzungen zur Vornahme der beantragten Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich (VO BGBl. 303/1996) bei erforderlicher Krankendiätverpflegung wegen Gallen-, Leber- und Nierenkrankheiten“ in den Behindertenpass nicht vorliegen. Die Beschwerde ist daher diesbezüglich spruchgemäß abzuweisen.
4.2.4. zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel
4.2.4.1. In den Erläuterungen zur Stammfassung der VO Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) – soweit im gegenständlichen Fall relevant – insbesondere Folgendes ausgeführt: Durch die Verwendung des Begriffes 'dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses. [...] Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend. […]
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor: arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option, Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen, hochgradige Rechtsherzinsuffizienz, Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie, COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie, Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie, mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden.
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder: Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr, hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten, schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen, nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich. […]
4.2.4.2. Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke zu Fuß aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ist ebenso gegeben wie das Überwinden üblicher Niveauunterschiede zum sicheren Ein- und Ausstieg in bzw. aus öffentliche/n Verkehrsmittel/n und die sichere Beförderung im öffentlichen Verkehrsmittel. Die diffusen Ängste des Beschwerdeführers erreichen nicht die Kriterien, nicht die Kriterien einer Angststörung, welche für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel relevant wäre, wie z.B. Sozialphobie, Klaustrophobie oder phobische Angst vor Kontrollverlust.
4.2.4.3. Da somit die Voraussetzungen zur Vornahme der beantragten Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass nicht vorliegen, ist die Beschwerde diesbezüglich spruchgemäß abzuweisen.
4.3. Im Hinblick auf den gestellten Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO wird der Vollständigkeit halber angemerkt, dass es zwar zutrifft, dass dem Begehren des Beschwerdeführers auf Ausfolgung eines Parkausweises nach § 29b StVO erst dann entsprochen werden könnte, wenn im Behindertenpass die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung" vorgenommen wurde. Dennoch kann die bescheidmäßige Erledigung dieses Antrags nicht dadurch ersetzt werden, dass (lediglich) am Ende des nunmehr angefochtenen Bescheides angemerkt wird, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden.
III. ad B) Unzulässigkeit der Revision:
Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf eine umfangreiche und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum BBG. Die angewendeten Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind - soweit für den vorliegenden Fall maßgeblich - eindeutig. Zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage (trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) etwa VwGH 28.05.2014, Ro2014/07/0053. Zur Schlüssigkeit von Gutachten VwGH 27.06.2018, Ra2018/09/0079; 28.06.2017, Ra2017/09/0015; zur Form der Auseinandersetzung mit dem Gutachten insbesondere VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004. Zu den Voraussetzungen zur Vornahme der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung VwGH 19.12.2017, Ra2017/11/0288; 21.06.2017, Ra2017/11/0040 mwN.
Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.
Schlagworte
Behindertenpass Gesundheitsschädigung Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L511.2218948.1.00Im RIS seit
27.11.2020Zuletzt aktualisiert am
27.11.2020