Entscheidungsdatum
30.03.2020Norm
BFA-VG §18 Abs1 Z1Spruch
L516 2228237-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Georgien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen Spruchpunkte VI und VII des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.01.2020, Zahl 1254380008/191246646, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe teilweise stattgegeben, dass die Dauer des zulässig erlassenen Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG auf zwei (2) Jahre herabgesetzt wird.
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beschwerdeführer ist georgischer Staatsangehöriger und stellte am 05.12.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 08.01.2020 (I.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG sowie (II.) des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ (IV.) gemäß § 10 Abs 1 Z 3
AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte (V.)
gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig
sei, erließ (VI.) gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von vier Jahren
befristetes Einreiseverbot und erkannte (VII.) einer Beschwerde gegen diese Entscheidung
gemäß § 18 Abs 1 Z 1 die aufschiebende Wirkung ab.
Gegen die Spruchpunkte VI und VII dieses Bescheides richtet sich die vorliegende
Beschwerde; diese bildet damit den ausschließlichen Inhalt des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens. Die übrigen Spruchpunkte wurden nicht angefochten und
erwuchsen damit mit Ablauf der Beschwerdefrist in Rechtskraft.
Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt des BFA langte am 04.02.2020 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.
1. Sachverhaltsfeststellungen:
[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich]
1.1 Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Georgien. Seine Identität steht nicht fest.
1.2 Der Beschwerdeführer verließ Georgien im März 2019 und hielt sich anschließend in Lettland, Polen, Frankreich und Deutschland (dort für sieben bis acht Monate) auf, bevor er Anfang Dezember 2019 von Deutschland kommend ohne Reisepass in Österreich einreiste [AS 37, 49, 179], wo er sich seither aufhält. Der Beschwerdeführer wollte etwa ein oder zwei Monate in Österreich bleiben und danach nach Georgien zurückreisen [AS 39, 49].
1.3 Im Herkunftsstaat des Beschwerdeführer leben nach wie vor sein Vater und eine Schwester. Die Mutter des Beschwerdeführers lebt in Griechenland, eine weitere Schwester in Italien. Der Beschwerdeführer hat ein gutes Verhältnis zu seinen Angehörigen [AS 179]. In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Verwandten [AS 182].
1.4 Der Beschwerdeführer ist gesund [AS 178]. Er verfügt über etwa EUR 40,--, seinen Lebensunterhalt kann der Beschwerdeführer nicht aus eigenen Mitteln bestreiten [AS 47]. Er befand sich zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des BFA vom 08.01.2020 in
Österreich in Untersuchungshaft [AS 190], eine Verurteilung des Beschwerdeführers besteht jedoch aktuell nicht. Gegenwärtig befindet er sich seit 27.03.2020 in Schubhaft. Im Strafregister der Republik Österreich scheint zum heutigen Tag keine Verurteilung auf (SA
30.03.2020).
1.5 Der Beschwerdeführer stellte am 05.12.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher vom BFA mit Bescheid vom 08.01.2020 zur Gänze abgewiesen wurde. Das BFA erließ unter einem eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach
Georgien zulässig sei. Diese Entscheidung erwuchs insoweit in Rechtskraft, da dagegen keine Beschwerde erhoben wurde.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen stützen sich auf einen Auszug aus der Integrierten Vollzugsverwaltung des Bundes (IVV) [AS 189-191], einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich, sowie auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung vom 05.12.2019 [AS 29-43] und den Einvernahmen vom 05.12.2019 [AS 45-51] und vom 20.12.2019 [AS 175-184]. Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels amtlicher Identitätsdokumente im Original nicht abschließend festgestellt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
A)
Zu Spruchpunkt I
Zum Einreiseverbot (§ 53 FPG)
3.1 Das BFA stützt die Erlassung des vierjährigen Einreiseverbotes im Spruch auf die Bestimmung des § 53 Abs 2 Z 6 FPG und begründet dies auf das Wesentliche zusammengefasst damit, dass der Beschwerdeführer bereits nach kurzer Zeit seines Aufenthaltes in Österreich in Untersuchungshaft genommen worden sei, keinerlei finanzielle Mittel habe und daraus eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit resultiere. Die familiären und privaten Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich seien nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich rechtfertigen könnten. Die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer sei gerechtfertigt und notwendig, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen
Ordnung und Sicherheit zu verhindern [Bescheid, S 51-54].
Zur Zulässigkeit
3.2 Zunächst erweist sich das Vorbringen in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer legal visumsfrei in Österreich eingereist sei, er sich rechtmäßig in Österreich aufhalte und daher kein Einreiseverbot hätte erlassen werden dürfen (Beschwerde, S 2), als unzutreffend: Der Beschwerdeführer hielt sich bereits unmittelbar vor seiner Einreise in Österreich Anfang Dezember 2019 für sieben bis acht Monate in Deutschland auf. Es handelt sich dabei um
einen Zeitraum von über 90 Tagen und der Beschwerdeführer reiste zusätzlich ohne (biometrischen) Reisepass in Österreich ein. Der Beschwerdeführer war somit nicht zur visafreien Einreise und zu einem visafreien Aufenthalt in Österreich berechtigt (vgl Art 6 VO (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.03.2016, Schengener Grenzkodex). Sein zwischenzeitlich rechtmäßig gewesener Aufenthalt basierte daher
ausschließlich auf seinem inzwischen rechtskräftig abgewiesenen Antrag auf internationalen
Schutz.
Sofern in der Beschwerde des Weiteren gerügt wird, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Mittellosigkeit einem Rechtsirrtum unterlegen sei und nicht vorsätzlich gegen die Gesetzeslage verstoßen habe wollen, weshalb kein Missbrauch der Grundversorgung
vorliege, ist darauf zu verweisen, dass das BFA das Einreiseverbot auch nicht mit einem
„Missbrauch“ der Grundversorgung begründet hat.
Soweit die Beschwerdeführer zudem vorbringt, dass vom Beschwerdeführer auch keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe [Beschwerde, S 2-4], ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach aus der Mittellosigkeit eines Fremden die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft resultiere, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs 2 FPG gerechtfertigt sei; dies gelte auch für ein in einem Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz erlassenes Einreiseverbot (vgl VwGH 12.07.2019, Ra 2018/14/0282).
Zur Dauer des Einreiseverbotes
3.3 Das BFA begründet das Einreiseverbot ausschließlich mit der Erfüllung der Ziffer 6 des
§ 53 Abs 2 FPG und erließ das Einreiseverbot für die Dauer von vier Jahren.
Das BFA führte in diesem Zusammenhang aus, dass die familiären und privaten Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich nicht dergestalt seien, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Das ist zunächst zutreffend.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt ein Einreiseverbot jedoch für
das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich auch, dass der mit dem Einreiseverbot einhergehende Eingriff in das Privat- und Familienleben
nicht nur auf die Verhältnisse des Beschwerdeführers in Österreich beurteilt werden darf,
sondern auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten in den Blick zu nehmen ist (vgl
VwGH 28.05.2015, Ra 2014/22/0037).
Das BFA ließ bei seiner Abwägung außer Betracht, dass der Beschwerdeführer in
Griechenland seine Mutter sowie in Italien seine Schwester hat, zu denen er auch familiären Kontakt hält. Berücksichtigt man dies sowie die Umstände, dass das BFA die Erlassung des Einreiseverbotes ausschließlich auf die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers stützt und der Beschwerdeführer zudem strafrechtlich unbescholten ist, erweist sich die die Herabsetzung des Einreiseverbotes als geboten und eine Dauer von zwei Jahre angemessen.
Eine weitere Verkürzung des Einreiseverbotes bzw die gänzliche Abstandnahme davon, konnte auch die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen nicht rechtfertigen, zumal die soeben dargelegten öffentlichen Interessen im Sinne des Art 8 Abs 2 EMRK dem Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, auch unter
Berücksichtigung seiner familiären Anknüpfungspunkte im Schengen-Raum,
entgegenstehen.
Soweit schließlich die Beschwerde eine Beschränkung des Einreiseverbotes auf Österreich fordert (anstatt des gesamten Schengen-Raumes), wird auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach ein Mitgliedstaat bei der Erlassung eines Einreiseverbotes dessen Geltung für ein bestimmtes Gebiet der Union nicht aussetzen kann, sondern dieses für das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gilt (vgl VwGH
28.05.2015, Ra 2014/22/0037; 03.09.2015, Ra 2015/21/0054). Eine derartige Beschränkung ist demnach nicht zulässig.
3.4 Es wird daher der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe teilweise stattgegeben, dass die Dauer des zulässig erlassenen
Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG auf zwei (2) Jahre herabgesetzt wird.
Zu Spruchpunkt II
Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gem § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG (Spruchpunkt VII
des teilangefochtenen Bescheides)
3.5 Nachdem jene Aussprüche des BFA, wonach dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr
in seinen Herkunftsstaat keine Gefährdung, Verfolgung oder menschrechtsrelevante Gefahr drohe, nicht bekämpft wurden und sich auch sonst keine besonderen privaten Umstände
des Beschwerdeführers hinsichtlich einer erforderlichen Frist zur freiwilligen Ausreise im Verfahren ergeben haben (vgl etwa VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146), erweist sich die vom BFA ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde als
zu Recht erfolgt, zumal es sich bei Georgien auch um einen sicheren Herkunftsstaat handelt (vgl § 19 Abs 5 Z 2 BFA-VG iVm § 1 Z 12 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl II Nr 177/2009). Entgegen dem Beschwerdevorbringen, war dabei die vom Beschwerdeführer gezeigte Reue und sein Wille sich an die österreichischen Gesetze zu halten (Beschwerde, S 5), nicht zu berücksichtigen; eine diesbezügliche Rechtsgrundlage existiert nicht.
3.6 Es wird daher die Beschwerde in diesem Punkt spruchgemäß abgewiesen.
B)
Revision
3.7 Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt bzw eindeutig ist.
3.8 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung - Entfall Einreiseverbot Herabsetzung Mittellosigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit sicherer HerkunftsstaatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L516.2228237.1.00Im RIS seit
27.11.2020Zuletzt aktualisiert am
27.11.2020