Entscheidungsdatum
15.04.2020Norm
BFA-VG §9Spruch
L516 2214747-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Armenien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2018, Zahl IFA 1204122906; VZ 180804317, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 9 BFA-VG, §§ 46 und 52 FPG als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und das damit ausgesprochene Einreiseverbot wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 53 FPG ersatzlos behoben.
B)
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA erließ mit Bescheid vom 18.12.2018 gegen die armenische Beschwerdeführerin (I.) eine Rückkehrentscheidung, stellte (II.) fest, dass ihre Abschiebung nach Armenien zulässig sei und erließ (III.) ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
1. Sachverhaltsfeststellungen:
[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister]
1.1 Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Armenien, ihre Identität steht fest. Sie arbeitete XXXX . Sie hat in Österreich keine Familienangehörige, jedoch Verwandte. (AS 29, 33-35)
1.2 Die Beschwerdeführerin verfügte zuletzt über ein von von Österreich ausgestelltes Visum C, gültig für für die Schengener Staaten und den Zeitraum von XXXX .2018 bis XXXX .2018. Das Visum war für eine einmalige Einreise sowie eine Aufenthaltsdauer von 90 Tagen beschränkt. (AS 33)
Mit diesem Visum und ihrem Reisepass reiste die Beschwerdeführerin rechtmäßig am XXXX .2018 in Österreich über den Flughafen Wien-Schwechat ein und über diesen Flughafen reiste sie auch aus eigenem Antrieb am XXXX .2018 wieder aus Österreich nach Armenien zurück. Im Zuge der Ausreisekontrolle am XXXX .2018 stellte ein österreichisches Grenzkontrollorgan eine Überschreitung der erlaubten Aufenthaltsdauer des Visums um 14 Tage fest. Eine Anzeige des Grenzkontrollorgans wurde dem BFA am XXXX .2018 per E-Mail übermittelt und am XXXX .2018 leitete das BFA ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein. (AS 3, 17, 33; IZR).
1.3 Die zuständige Landespolizeidirektion verhängte aufgrund dieser Überschreitung der erlaubten Aufenthaltsdauer des Visums mit Straferkenntnis vom XXXX .2018 über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe gemäß § 31 Abs 1 und 1a iVm § 120 Abs 1a FPG in Höhe von EUR 500,-- sowie EUR 50,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens. Die Beschwerdeführerin bezahlte diesen Betrag sofort. (AS 7ff, 104).
1.4 Zweck jenes Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Jahr 2018 waren der Besuch ihrer in Österreich lebenden Verwandten sowie ihr touristisches Interesse. Da der Gültigkeitszeitraum des Visums mehr als 90 Tage betrug, dachte die Beschwerdeführerin fälschlicherweise, dass sie für die gesamte Dauer des Visums in Österreich bleiben durfte (AS 3, 31, 33). Bereits in den Jahren 2016 und 2017 war sie als Touristin und zum Besuch ihrer Verwandten in Österreich (AS 29, 105). Sie trat bei ihren früheren Aufenthalten in Österreich in keiner die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Ordnung gefährdenden Weise in Erscheinung. Sie ist auch in Österreich strafrechtlich unbescholten. (IZR; Strafregister der Republik Österreich)
2. Beweiswürdigung:
Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den vom BFA vorgelegten Verwaltungsverfahrensakt, welcher insbesondere die Anzeige vom XXXX 2018, die Verständigung vom Ergebnis des Beweisverfahrens des BFA, die schriftliche Äußerung der Beschwerdeführerin, ihre Passkopie mit Visum sowie Einreise- und Ausreisestempel, den angefochtenen Bescheid sowie die Beschwerde enthält, sowie auf den vom Bundesverwaltungsgericht beigeschafften Auszügen aus dem Zentrales Fremdenregister und dem Strafregister. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.
Die Feststellungen zur Person sowie zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin wurden bereits vom BFA getroffen, welches seiner Entscheidung die Angaben der Beschwerdeführerin im Zuge des Parteiengehörs zugrunde gelegt hat. (Bescheid, S 41, 75)
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Spruchpunkt I – Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung nach Armenien (§ 9 BFA-VG, §§ 46 und 52 FPG)
3.1 Die Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 1 FPG ist die Reaktion auf den unrechtmäßigen Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen. Sie knüpft nicht zwingend an einen aktuellen inländischen Aufenthalt des betreffenden Drittstaatsangehörigen an. Eine Rückkehrentscheidung ist nämlich gemäß § 52 Abs 1 Z 2 FPG auch dann anzuordnen, wenn sich der Drittstaatsangehörige bereits außerhalb des Bundesgebietes befindet, sofern er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234).
3.2 Die Beschwerdeführerin reiste am XXXX .2018 aus dem Bundesgebiet aus. BFA leitete das Rückkehrentscheidungsverfahren am XXXX .2018 und damit binnen sechs Wochen ab jener Ausreise ein.
Die Beschwerdeführerin war aufgrund des ihr ausgestellten Visums berechtigt, sich im Zeitraum von XXXX .2018 bis XXXX 2018 durchgehend 90 Tage in Österreich aufzuhalten. Dadurch, dass sie am XXXX .2018 in Österreich einreiste und am XXXX .2018 wieder ausreiste, überstieg ihr Aufenthalt die höchstzulässige Dauer von 90 Tagen um 14 Tage. Von XXXX .2018 bis zur Ausreise am XXXX .2018 war der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich somit unrechtmäßig. Sie verfügte über keine andere Aufenthaltsberechtigung.
Die privaten Interessen der Beschwerdeführerin bestehen in Besuch ihrer in Österreich lebenden Verwandten. Diese individuellen Interessen der Beschwerdeführerin iSd Art 8 Abs 1 EMRK erweisen sich nicht als so ausgeprägt, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse iSd Art 8 Abs 2 EMRK (Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes) überwiegen. Die Beschwerde beantragte zwar die Behebung der Rückkehrentscheidung, unterließ dazu jedoch jegliche Begründung.
3.3 Bei Armenien handelt es um einen sicheren Herkunftsstaat (vgl § 19 Abs 5 Z 2 BFA-VG iVm § 1 Z 13 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl II Nr 177/2009). Damit sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs 9 iVm § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass eine Abschiebung nach Armenien unzulässig wäre, zumal auch diesbezüglich die Beschwerde keine gegenteiligen Ausführungen enthält.
3.4 Die Beschwerde gegen die Spruchpunkten I und II des angefochtenen Bescheides, mit denen eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie die Zulässigkeit der Abschiebung nach Armenien ausgesprochen wurde, wird daher abgewiesen.
Spruchpunkt II – Ersatzlose Behebung des Einreiseverbotes (§ 53 FPG)
3.5 Das BFA begründete die Erlassung des zweijährigen Einreiseverbotes ausschließlich unter Bezugnahme auf § 53 Abs 2 Z 3 FPG mit der rechtskräftigen Bestrafung der Beschwerdeführerin wegen der Überschreitung der erlaubten Aufenthaltsdauer des Visums um 14 Tage.
Das BFA führt dabei aus, dass „[d]ie Beurteilung der Gefährdungsprognose“ ergeben habe, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der konkreten Feststellungen und „in Hinblick auf die derzeit herrschende Sicherheitslage innerhalb der EU“ eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, ohne dass jedoch das BFA in Bezug auf die konkrete Person der Beschwerdeführerin tatsächlich die erforderliche – auf Zukunft zu stellende –Gefährdungsprognose durchgeführt hat. Auch mit dem „persönlichen Verhalten“ der Beschwerdeführerin hat sich das BFA tatsächlich nicht individuell auseinandergesetzt (vgl Bescheid, S 43, 44). Damit begründet das BFA das Einreiseverbot inhaltlich allein mit der vorliegenden Erfüllung des § 53 Abs 2 Z 3 FPG. Auf die bloße Tatsache der Bestrafung eines Fremden kommt es jedoch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht an und es ist auch auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen (vgl VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091, 10.04.2014, 2013/22/0310). Eine konkrete, auf bestimmte Elemente des Einzelfalles abstellende Prüfung hat das BFA jedoch unterlassen.
3.6 Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Zweifel darüber, dass die Verhängung kurzfristiger Einreiseverbote oder überhaupt das Unterbleiben eines Einreiseverbotes regelmäßig nur dann stattzufinden hat, wenn von dem betreffenden Drittstaatsangehörigen keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird das verschiedentlich dann der Fall sein, wenn der Drittstaatsangehörige „bloß“ einen der Tatbestände des § 53 Abs 2 Z 1 bis 9 FPG erfüllt (VwGH 24.05.2018, Ra 2018/19/0125; 24.05.2018 Ra 2017/19/0311).
Fallbezogen hat die Beschwerdeführerin die ihr durch das ausgestellte Visum erlaubte Aufenthaltsdauer von 90 Tagen um 14 Tage überschritten, weshalb sie eine Geldstrafe erhielt, sodass den Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 3 FPG erfüllt ist. Dies tat sie deshalb, da der Gültigkeitszeitraum des Visums mehr als 90 Tage betrug und sie fälschlicherweise dachte, dass sie für die gesamte Dauer des Visums in Österreich bleiben durfte. Die Beschwerdeführer setzte damit zwar ein unrechtmäßiges Verhalten, welches jedoch durch einen Irrtum verursacht wurde, der auch einer sonst umsichtigen Person unterlaufen kann. Die Beschwerdeführerin hat jedoch ihren Fehler sofort eingesehen und die über sie verhängte Geldstrafe umgehend vollständig bezahlt. Die Beschwerdeführerin befand sich bereits 2016 und 2017 zu Besuchszwecken kurzfristig und rechtmäßig in Österreich. Abgesehen von der verfahrensgegenständlichen einmaligen Übertretung der Aufenthaltsdauer innerhalb der Gültigkeitsdauer des Visums im Jahr 2018 hat sich die Beschwerdeführerin nichts zu Schulden kommen lassen und stets wohlverhalten und die österreichische Rechtsordnung respektiert, sodass davon auszugehen ist, dass sie sich auch in Zukunft wieder an die österreichische Rechtsordnung halten wird. Die Beschwerdeführerin hat auch von Beginn an ihre wahre Identität angegeben und sämtliche Anordnungen im Verfahren befolgt; sie hat ihren Lebensmittelpunkt mit ihren engsten Familienangehörigen in Armenien, ist gesund und bezieht eine eigene Pension. Unter Berücksichtigung dieser konkreten Umstände des vorliegenden Sachverhaltes gelangt das Bundesverwaltungsgericht zu der Überzeugung, dass von der Beschwerdeführerin und ihren Besuchen in Österreich in Zukunft keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht, sodass im Sinne der zuvor zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (oben 3.6) die Erlassung eines Einreiseverbotes im vorliegenden Fall zu unterbleiben hat.
3.7 Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und das damit ausgesprochene Einreiseverbot wird spruchgemäß ersatzlos behoben.
Entfall der mündlichen Verhandlung
3.8 Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist.
Zu B) Revision
3.9 Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.
3.10 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Aufenthaltsdauer Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Teilbehebung Interessenabwägung Irrtum öffentliche Interessen Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung sicherer Herkunftsstaat VerwaltungsstrafeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L516.2214747.1.00Im RIS seit
27.11.2020Zuletzt aktualisiert am
27.11.2020