Entscheidungsdatum
11.05.2020Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W105 2213503-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BENDA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. VR China, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft New Delhi/Indien vom 24.09.2018, Zl. New-Delhi-ÖB/KONS/0819/2018, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG) aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (BF), eine Staatsangehörige der VR China, stellte am 01.08.2016 bei der österreichischen Botschaft in New Delhi (im Folgenden: ÖB New Delhi) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 Abs. 1 AsylG.
Begründend führte die BF aus, dass sie die Tochter des XXXX , geb. XXXX , StA. VR China, sei, dem mit Bescheid des BFA vom 28.01.2015 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei.
In der Folge übermittelte die ÖB New Delhi den Antrag und Sachverhalt an das BFA zur Erstattung einer Stellungnahme gemäß § 35 Abs. 4 AsylG und einer diesbezüglichen Wahrscheinlichkeitsprognose, ob die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten an die BF im Familienverfahren wahrscheinlich erscheine.
Mit Schreiben vom 14.03.2017 erstattete das BFA eine solche Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass die Zuerkennung des Status nicht wahrscheinlich sei, da zum einen die Familieneigenschaft nicht bewiesen habe werden können und zum anderen nicht bewiesen habe werden können, dass die Bezugsperson zur alleinigen Obsorge berechtigt sei bzw. die Mutter der Antragstellerin tatsächlich verstorben sei, sodass bei einer positiven Entscheidung die Gefahr der Kindesentziehung bestehe. So eigne sich das Registrierungsschreiben des Dalai Lama Büros, welches dem Einreiseantrag angeschlossen worden sei, nicht als Identitätsausweis. Wie sich eindeutig aus der Aktenlage ergebe, befinde sich ein Elternteil (Vater, Bezugsperson) in Österreich. Seitens des bevollmächtigten Vertreter der BF werde behauptet, dass die Kindesmutter im Jänner 2015 verstorben sei. Hierzu gebe es aber keinerlei Unterlagen. Auch die Obsorge betreffend könne die Antragstellerin bzw. Bezugsperson in Österreich keinerlei solche Dokumente vorbringen. Es sei aus Sicht der ho. Behörde also nicht restlos geklärt, ob die Bezugsperson die Obsorge tatsächlich innehabe. Dies vor allem, da gar nicht erwiesen sei, dass die Mutter der Antragstellerin tatsächlich im Jänner 2015 ums Leben gekommen sei. In casu sei also eine Todesurkunde, eine Obsorgeentscheidung oder ein Dokument, aus dem die alleinige Obsorge der Bezugsperson in Österreich hervorgehe, für eine positive Entscheidung über den Einreiseantrag der Antragstellerin notwendig, um sicherzugehen, dass es durch eine positive Entscheidung nicht zu einer Kindesentziehung kommt. Da die Obsorge nicht abschließend geklärt werden hätte können und eine Kindesentziehung im Raum stehe, sei im derzeitigen Zeitpunkt die Zuerkennung des Status iSd § 35 Abs. 4 AsylG nicht wahrscheinlich.
Mit Schreiben vom 16.03.2017 wurde die BF seitens der ÖB New Delhi aufgefordert, zur gleichzeitig vorgehaltenen Stellungnahme des BFA Stellung zu nehmen.
Mit Schriftsatz vom 14.04.2017 erstattete die BF eine solche Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass, selbst wenn entsprechende Dokumente bzgl. des Todes der Kindesmutter bzw. des Obsorgerechts des Vaters vorgelegt worden seien, dies für sich kein tauglicher Grund wäre, den Antrag abzuweisen, da weitere Beweismittel zu prüfen wären. Vorerst wäre zu berücksichtigen, dass sowohl die Antragstellerin als auch die Bezugsperson übereinstimmend angegeben hätten, dass die Kindesmutter verstorben sei. Es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb beide diesbezüglich die Unwahrheit behaupten sollten. Das BFA hätte eine Einvernahme der Antragstellerin und der Bezugsperson veranlassen müssen, würden hier noch Unklarheiten bestehen. Die Bezugsperson als Kindesvater sei nach den maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen im Herkunftsstaat grundsätzlich obsorgeberechtigt, hierfür bedürfe es auch keiner eigenen Sorgeerklärung. Auch dass keine Dokumente existieren würden, die die Vaterschaft belegen, dürfe nicht per se zur Abweisung des Antrages führen. So wäre die Bezugsperson als rechtlicher Vertreter etwa nicht über die Möglichkeit einer DNA-Analyse belehrt worden.
Am 10.08.2017 übermittelte die ÖB New Delhi diese weitere Stellungnahme der BF an das BFA.
Mit Schreiben vom 16.08.2017 teilte das BFA der ÖB New Delhi mit, dass zum derzeitigen Zeitpunkt die Zuerkennung des Status iSd § 35 Abs. 4 AsylG 2005 nicht wahrscheinlich sei. Im vorliegenden Fall könne die Familieneigenschaft aufgrund mangelnder Identitätsnachweise nicht als erwiesen angesehen werden. Das Registrierungsschreiben des Dalai Lama Büros, welches dem Einreiseantrag angeschlossen worden sei, eigne sich nicht als Identitätsnachweis. Zum behaupteten Tod der Mutter der Antragstellerin im Jänner 2015 gebe es keinerlei Unterlagen. Auch die Obsorge betreffend könne die Antragstellerin bzw. die Bezugsperson in Österreich keinerlei solche Dokumente vorbringen. Es sei aus Sicht der ho. Behörde nicht restlos geklärt, ob die Bezugsperson die Obsorge tatsächlich innehabe. Dies vor allem, da nicht erwiesen sei, ob die Mutter der Antragstellerin tatsächlich im Jahr Jänner 2015 ums Leben gekommen sei. Da zum einen die Familieneigenschaft nicht bewiesen hätte werden können und zum anderen, dass die Bezugsperson zur alleinigen Obsorge berechtigt sei bzw. die Mutter der Antragstellerin tatsächlich verstorben sei, bestehe bei einer positiven Entscheidung über den Einreiseantrag die Gefahr der Kindesentziehung, weshalb eine positive Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich sei. Zudem sei angemerkt, dass die Bezugsperson bereits im Jahr 2013 Tibet verlassen habe und am 28.07.2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Der Einreiseantrag der Antragstellerin sei erst am 01.08.2016 erfolgt. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass kein aufrechtes Familienleben zwischen der Bezugsperson und der Antragstellerin mehr stattgefunden habe.
Mit Schreiben vom 08.06.2018 teilte das BFA der ÖB New Delhi ergänzend mit, dass dem BFA mit Note zur Zl. New-Delhi-ÖB/KONS/1800/2017 (Verfolg. Zl. KONS 574 vom 10.08.2017) vom 28.11.2018 eine eidesstattliche Erklärung übermittelt worden sei, welche die Bezugsperson am 13.11.2017 in Kushalnagar/Indien, vor einem Notar abgegeben habe. Weiters sei eine Todesurkunde der Ehefrau des Government of Karnataka, datiert mit 13.01.2015 übermittelt worden, welche nun den Beweis erbringen solle, dass die Ehefrau der Bezugsperson, dh. die Mutter der Antragstellerin am XXXX in XXXX verstorben sei. Zu den Schriftstücken sei anzumerken, dass es sich bei der eidesstattlichen Erklärung um eine rein subjektive Aussage der Bezugsperson handle, welche durch einen Notar verschriftlicht und beglaubigt worden sei, jedoch keinen Beweis erbringe, dass der Inhalt den Fakten tatsächlich entspreche. Bei der Todesurkunde hege die ho. Behörde starke Zweifel an der Echtheit dieser bzw. des Inhaltes dieser, da vor allem in der Stellungnahme des Roten Kreuzes vom 02.02.2017 noch eindeutig ausgeführt worden sei, dass keinerlei Dokumente, welche den Tod der Mutter der Antragstellerin bestätigen, zu beschaffen seien. Die Zweifel an der Echtheit der Urkunde würden auch aus dem auf dem Dokument angebrachten Ausstellungsstempel folgen. Dieser sei mit 13.01.2015 datiert, die eidesstattliche Erklärung über den Tod der Ehefrau habe die Bezugsperson jedoch am 13.11.2017 abgegeben. Wie also auf eine Todesurkunde, die offenbar anfangs gar nicht beschafft hätte werden könnten und welche schließlich aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung der Bezugsperson ausgestellt worden sei, ein Ausstellungsdatum gelange, welche das Jahr 2015, also ca. 2 Jahre vor der eidesstattlichen Erklärung zurückliege, sei nicht nachzuvollziehen. Zudem sei in der Stellungnahme am 02.02.2017 angegeben worden, dass die Mutter der Antragstellerin auf der Flucht von Tibet nach Indien verstorben sei. In der Todesurkunde sei jedoch als Sterbeort XXXX , ein Ort in dem südindischen Bundesstaat Karnataka angegeben. Dies stehe in grobem Widerspruch zu der Angabe, dass die Kindesmutter auf der Flucht verstorben sei. Es würden daher schwerwiegende Zweifel an der Echtheit bzw. Richtigkeit der nachträglich beigebrachten Dokumente gehegt und würde der Tod der Mutter der Antragstellerin nach wie vor nicht als erwiesen angesehen. Ohne Ausräumung der Zweifel stehe nach wie vor eine etwaige Kindesentziehung bei der positiven Entscheidung im Raum. Es fehle insgesamt an zweifelsfreien Dokumenten, aus welchen eine Obsorgeberechtigung der Bezugsperson oder ein Fall der Obsorgeübertragung gegen den Willen der im Herkunftsland verbliebenen obsorgeberechtigten Person, hervorgehe. Es habe nicht zweifelsfrei festgestellt werden können, ob die Mutter der Antragstellerin tatsächlich nicht mehr am Leben sei. Zudem sei angemerkt, dass die Bezugsperson bereits im Jahr 2013 Tibet verlassen habe und am 28.07.2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Der Einreiseantrag der Antragstellerin sei erst am 01.08.2016 gefolgt, es könne daher davon ausgegangen werden, dass kein aufrechtes Familienleben zwischen der Bezugsperson und der Antragstellerin mehr stattgefunden habe. Da die Obsorge nicht abschließend geklärt werden hätte können, stehe eine Kindesentziehung im Raum und sei zudem nicht von einem aufrechten Familienleben seit dem Jahr 2013 auszugehen, sodass im derzeitigen Zeitpunkt die Zuerkennung des Status iSd § 35 Abs. 4 AsylG nicht wahrscheinlich sei.
Mit Bescheid vom 24.09.2018, zugestellt am 25.09.2018, verweigerte die ÖB New Delhi das Visum mit der Begründung, dass das BFA an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten habe. Es habe nicht abschließend geklärt werden können, ob die Mutter der Antragstellerin tatsächlich bereits verstorben sei und somit deren Einreise einen Kindesentzug darstelle. Ohne Nachweis des tatsächlichen Verbleibes der Mutter könne nach wie vor eine Kindesentziehung nicht ausgeschlossen werden.
Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 19.10.2018 durch ihren bevollmächtigten Vertreter fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte die BF im Wesentlichen aus, dass der Vater der nunmehrigen Beschwerdeführerin aufgrund der beharrlichen Weigerung des Bundesamtes, eine positive Mittelung ohne Nachweis des Todes ihrer Mutter auszustellen, über andere Wege an eine Sterbeurkunde zu gelangten versucht habe. Dafür habe er einen Freundin XXXX , Südindien, kontaktiert. Dieser habe eine für ihn rückdatierte Sterbeurkunde des „Government of Karnataka“ erlangt, in welcher als Sterbeort jedoch XXXX angeführt worden sei, da die Urkunde dort ausgestellt worden sei. Diese Urkunde sei im November 2017 an die Österreichische Botschaft übermittelt worden, welche erneut das BFA befasst hätte. In seiner Mitteilung vom 08.06.2018 habe das Bundesamt nunmehr auch Zweifel an der Vaterschaft und somit Obsorge des Kindesvaters zur Beschwerdeführerin geäußert. Die Botschaft wie auch das Bundesamt wären im vorliegenden Verfahren ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht des maßgeblichen Sachverhaltes nicht nachgekommen. Von Beginn des Verfahrens an sei seitens Beschwerdeseite angeführt worden, dass die Kindesmutter bzw. Ehefrau der Bezugsperson auf der Flucht nach Indien verstorben sei. Ebenso habe der Kindesvater stets angegeben, dass es ihm unmöglich gewesen sei, eine diesbezügliche Sterbeurkunde zu erlangen, da der Tod auf der Flucht nicht behördlich aufgenommen worden sei. Dieser Umstand allein zeige, dass es vor allem Aufgabe der Behörde gewesen wäre, zu prüfen, ob die Angaben der BF und ihres Vaters glaubhaft seien. Die Beurkundung eines Todesfalles auf der Flucht, welcher den Behörden nicht angezeigt worden wäre, sei grundsätzlich nur aufgrund der Angaben der antragstellenden Personen möglich. Jeglicher dieser Nachbeurkundungen würde nur ein verringerter Beweiswert zukommen. Umso mehr wäre es Aufgabe der Behörde gewesen, die Aussagen der BF und der Bezugsperson auf ihre Glaubwürdigkeit zu prüfen. Dies habe die Behörde jedoch unterlassen. Wenn die Behörde anführe, dass die BF mit der Bezugsperson seit 2013 kein Familienleben mehr führe, so sei ihr entgegenzuhalten, dass nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes das familiäre Band zwischen Eltern und Kindern nur unter exzeptionellen Umständen reisse, welche hier nicht vorliegen würden. Die Trennung sei im vorliegenden Fall maßgeblich der Flucht, dem Asylverfahren sowie dem gegenständlichen Einreiseverfahren, in welchem bis zur Bescheiderlassung ein Zeitraum von 2,5 Jahren vergangen seien, geschuldet. Wenn das BFA an der Angehörigeneigenschaft der BF zweifle, so müsse ihm entgegengehalten werden, dass es Pflicht der Behörde gewesen wäre, die BF gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG dahingehend zu belehren, dass eine DNA-Analyse durchgeführt werden könne. Dies sei nicht erfolgt, weshalb die Abweisung aufgrund einer angezweifelten Angehörigeneigenschaft unzulässig sei.
Der Beschwerde angeschlossen wurden folgende Unterlagen:
? Eidesstattliche Erklärung vom 13.11.2017 samt Übersetzung
? Sterbeurkunde vom 13.01.2015
? Bestätigung der XXXX vom 14.03.2018 samt Übersetzung in englischer Sprache
? Bestätigung bzgl. Wohnadresse der BF in Delhi samt Übersetzung in englischer Sprache
Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 22.01.2019 wurde am 24.01.2019 dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt dem Verwaltungsakt übermittelt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.02.2019, Zl. W105 2213503-1/2E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft vom 24.09.2018 abgewiesen und die Revision für nicht zulässig erklärt.
Gegen dieses Erkenntnis erhob die BF durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter eine außerordentliche Revision und führte hierbei aus, dass das Bundesverwaltungsgericht bei einer Prognoseentscheidung den Prüfungsmaßstab des § 35 AsylG 2005 verkannt habe. Eine negative Prognose habe nur dann zu erfolgen, wenn die Gewährung des Schutzes nicht einmal wahrscheinlich sei. Eine Kindesentziehung liege im vorliegenden Fall nicht vor, weiters habe das Bundesverwaltungsgericht es zur Gänze unterlassen, den diesbezüglichen Sachverhalt ausreichend zu ermitteln. Das Bundesverwaltungsgericht hätte gemäß der bei § 35 AsylG 2005 anzuwendenden niedrigen Beweisschwelle zum Schluss kommen müssen, dass die Gewährung von internationalem Schutz im vorliegenden Fall zumindest wahrscheinlich sei.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 05.03.2020, Zl. Ra 2019/19/0397-12, wurde das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behoben.
Begründend wurde wie folgt ausgeführt:
[…] Gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 hat das BFA der Vertretungsbehörde mitzuteilen, ob die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Bei einer solchen Mitteilung handelt es sich um keinen Bescheid. Es ist zwar die Vertretungsbehörde im Ausland an die Mitteilung des Bundesamts über die Prognose einer Asylgewährung oder die Gewährung von subsidiärem Schutz gebunden, und zwar sowohl an die negative als auch an eine positive Mitteilung. Allerdings steht es dem BVwG offen, auch die Einschätzung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002 bis 0007). Gegenstand der Prognoseentscheidung des § 35 Abs. 4 AsylG 2005 ist allein, ob bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 die Gewährung von internationalem Schutz im Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 wahrscheinlich ist (vgl. VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0124). Eine negative Prognose darf nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann erfolgen, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist. Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht. Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, muss der Antragsteller lediglich die (niedrigere) Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überwinden (vgl. VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002 bis 0007); 22.11.2017, Ra 2017/19/0218).
Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 ist dem Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, derselbe Status zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig.
Familienangehöriger ist gemäß § 34 iVm § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG 2005 u.a. ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Dass die Revisionswerberin die Tochter eines in Österreich Asylberechtigten ist, ist vor dem BVwG nicht strittig und wird von diesem auch nicht in Frage gestellt. Es handelt sich bei ihr daher um eine Familienangehörige im Sinne des § 34 AsylG 2005. Wenn das BVwG vermeint, die negative Prognoseentscheidung des BFA sei zu bestätigen, weil die alleinige Obsorge des Vaters nicht feststünde, verkennt es die Rechtslage. § 34 AsylG 2005 stellt allein auf die sich aus der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG 2005 ergebende (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0040 bis 0044 mwN) Familienangehörigeneigenschaft des Antragstellers ab, wofür die Obsorge (in einem Fall wie dem vorliegenden) keine Rolle spielt. Auch § 35 Abs. 4 AsylG 2005 biete für eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose allein wegen des Fehlens oder Nichtfeststehens einer alleinigen Obsorge für ein minderjähriges Kind keine gesetzliche Grundlage. […]
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.) Feststellungen:
Festgestellt wird zunächst der oben wiedergegebene Verfahrensgang.
Die BF stellte am 01.08.2016 bei der österreichischen Botschaft New Delhi einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG.
Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX StA. VR China, genannt, dem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.12.2014 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist.
Festgestellt wird, dass BF die minderjährige Tochter von XXXX ist.
2.) Beweiswürdigung:
Die Festgestellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akt der ÖB New Delhi.
Die Feststellung, dass der sich in Österreich befindlichen Bezugsperson XXXX die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, ist unstrittig und ergibt sich aus dem im Akt der ÖB New Delhi einliegenden Bescheid des BFA vom 28.01.2015, Zl. 1026828005/14830245.
Dass die BF minderjährige Tochter der Bezugsperson ist, ergibt sich unzweifelhaft aufgrund der vorgelegten Unterlagen und Dokumente.
3.) Rechtliche Beurteilung:
3.1.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.1.2. Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG idF BGBl. I Nr. 164/2013 kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
i. Zu A)
3.2.1. § 61 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF lautet:
"§ 61. (1) Die Rechtsmittelbelehrung hat anzugeben, ob gegen den Bescheid ein Rechtsmittel erhoben werden kann, bejahendenfalls welchen Inhalt und welche Form dieses Rechtsmittel haben muss und bei welcher Behörde und innerhalb welcher Frist es einzubringen ist.
(2) Enthält ein Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder fälschlich die Erklärung, daß kein Rechtsmittel zulässig sei oder ist keine oder eine kürzere als die gesetzliche Rechtsmittelfrist angegeben, so gilt das Rechtsmittel als rechtzeitig eingebracht, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht wurde.
(3) bis (4) [ ]"
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
§ 28 Abs. 1 bis 5 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF lautet:
"Erkenntnisse“
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen."
§ 34. (1) Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lautet wie folgt:
„Familienverfahren im Inland“
Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist;
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.
„Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden“
§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.
(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.“
§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 70/2015 lauten:
„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten“
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
[….]
(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.
[….]
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
[….]
3.2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).
Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz – FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offen steht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so ist Folgendes auszuführen:
Unstrittig ist dass die BF die minderjährige Tochter des in Österreich asylberechtigten XXXX StA. VR China, ist. Sie ist daher eine Familienangehörige im Sinne des § 34 AsylG 2005.
Bezüglich der negativen Prognoseentscheidung des BFA, die damit begründet wird, dass die alleinige Obsorge des Vaters nicht feststünde, verkennt dieses die Rechtslage. § 34 AsylG 2005 stellt nämlich allein auf die sich aus der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG 2005 ergebende Familienangehörigeneigenschaft des Antragstellers ab, wofür die Obsorge keine Rolle spielt. Auch § 35 Abs. 4 AsylG 2005 bietet für eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose allein wegen des Fehlens oder Nichtfeststehens einer alleinigen Obsorge für ein minderjähriges Kind keine gesetzliche Grundlage.
Der Beschwerde ist somit stattzugeben und wäre der BF unter Voraussetzung, dass die sonstigen Erteilungsvoraussetzungen aktuell gegeben wären, allenfalls das weiterhin begehrte Visum auszustellen. Hierbei wird im Besonderen auf die Berücksichtigung des Kindeswohls Bedacht zu nehmen sein.
Eine mündliche Verhandlung war gemäß § 11a Abs. 2 FPG nicht durchzuführen.
Barauslagen iSd § 11a Abs. 3 leg. cit. sind im Beschwerdeverfahren nicht entstanden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im den vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidungen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei obigen Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Einreisetitel Familienangehöriger Minderjährigkeit ObsorgeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W105.2213503.1.00Im RIS seit
27.11.2020Zuletzt aktualisiert am
27.11.2020