Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der B in P, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 21. Dezember 1995, Zl. Bi-010213/3-1995-Zei, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin steht als Hauptschuloberlehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich; ihre Dienststelle ist die Hauptschule 1 Gmunden-Stadt.
Mit an den Landesschulrat für Oberösterreich gerichtetem Antrag vom 10. Februar 1995 ersuchte die Beschwerdeführerin "um Anrechnung aller meiner Dienstzeiten als Lehrerin (Anmerkung: in Dänemark) nach den EU-Richtlinien, als wären sie in Österreich erbracht".
Nach Urgenz einer Erledigung mit Schreiben vom 18. September 1995 erhielt die Beschwerdeführerin folgendes Schreiben des Landesschulrates vom 16. November 1995 zugestellt:
"Sehr geehrte Frau Hauptschuloberlehrerin
Das Amt der o. ö. Landesregierung hat mit Schreiben vom 9.11.1995 mitgeteilt, daß der Landesschulrat für Oberösterreich für die Erledigung Ihres Antrages zuständig ist. Sie erhalten daher folgende Mitteilung:
Aufgrund Ihres Ansuchens vom 10.2.1995 bzw. 18.9.1995 gibt Ihnen der Landesschulrat für Oberösterreich bekannt, daß lt. Erlaß des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 20.7.1995, GZ 288.423/4-III/14/95, eine günstige Anrechnung Ihrer Lehrerzeiten in Dänemark derzeit nicht durchführbar ist, da eine Änderung der Rechtslage des § 12 Abs 2 Zi 1 Gehaltsgesetz 1956 nicht vorgenommen wurde.
Mit freundlichen Grüßen
Für den Amtsführenden Präsidenten
M. eh."
Mit Eingabe vom 11. Dezember 1995 beantragte die Beschwerdeführerin daraufhin bei der belangten Behörde den Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG mangels bescheidmäßigen Abspruches über ihren Antrag vom 10. Februar 1995.
Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit dem
angefochtenen Bescheid zurück.
Zur Begründung wird in diesem im wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde habe beim Landesschulrat erhoben, daß der Antrag der Beschwerdeführerin am 16. November 1995, abgesendet am 28. November 1995, erledigt worden sei. Auf Grund dieses Sachverhaltes stehe sohin fest, daß der Landesschulrat für Oberösterreich zwar die sechsmonatige Entscheidungsfrist hinsichtlich des Antrages vom 10. Februar 1995 versäumt habe, jedoch über den Antrag vom 10. Februar 1995 noch vor Einlangen des Devolutionsantrages bei der belangten Behörde entschieden habe. Infolgedessen sei auch die Entscheidungszuständigkeit nicht auf die Oberbehörde übergegangen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Devolutionsantrag nur dann zulässig, wenn die der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde nachgeordnete Verwaltungsbehörde eine ihr obliegende Entscheidungspflicht verletzt habe. Treffe dies nicht zu, so sei der Antrag zurückzuweisen. Da im vorliegenden Fall der Landesschulrat für Oberösterreich, wenngleich erst nach Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist, jedoch noch vor Einlangen des Devolutionsantrages bei der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde eine Entscheidung getroffen habe, sei die Einbringung des Devolutionsantrages unzulässig und dieser sohin zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Durch den angefochtenen Bescheid sieht sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Sachentscheidung durch die Behörde zweiter Instanz auf Grund ihres Devolutionsantrages nach § 73 AVG in Verbindung mit § 1 DVG bzw. im Recht auf Sachentscheidung überhaupt, über den von ihr gestellten Antrag auf Vordienstzeitenanrechnung nach § 106 LDG 1984 in Verbindung mit § 12 GG 1956 und mit Art. 48 EWG-Vertrag durch unrichtige Anwendung dieser Normen sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.
Strittig ist im Beschwerdefall insbesondere, ob die der Beschwerdeführerin zugekommene Erledigung der Dienstbehörde erster Instanz vom 16. November 1995 als Bescheid zu werten ist oder nicht.
Voraussetzung für die Qualifikation eines Verwaltungsaktes als Bescheid ist, daß es im Willen des Organes liegt, den Akt in Ausübung der hoheitlichen Gewalt zu setzen
(vgl. VfSlg. 4856/1964) und daß es diesen Willen entsprechend zum Ausdruck bringt (vgl. VfSlg. 5464/1967).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muß sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen udgl. können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs.1 AVG gewertet werden (beginnend mit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Slg. 9458/A).
Bei Zweifel über den Inhalt kommt auch der sonstigen Form der Erledigung entscheidende Bedeutung zu, und zwar dem Gebrauch der Höflichkeitsfloskel "Sehr geehrter Herr" oder der Verwendung "teilt Ihnen mit". Aus einer solchen Form einer Erledigung ist eher zu schließen, daß kein Bescheid, sondern eine nicht normative Willenserklärung vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1986, 84/11/0115, oder auch den hg. Beschluß vom 14. Juni 1995, Zl. 95/12/0126).
Vor diesem Hintergrund kommt der - einleitend wiedergegebenen - Erledigung der Dienstbehörde erster Instanz vom 16. November 1995 kein Bescheidcharakter zu. Sie ist nicht als Bescheid gekennzeichnet, nicht bescheidmäßig gegliedert und beginnt und endet mit den im Schriftverkehr üblichen Höflichkeitsfloskeln. In der Sache selbst verwendet die Dienstbehörde erster Instanz den Ausdruck "folgende Mitteilung" und "gibt ... bekannt". Es ist damit zweifelsfrei erkennbar, daß diese Erledigung keinen rechtsverbindlichen normativen Abspruch enthält, sondern lediglich eine Mitteilung darstellt.
Da die belangte Behörde, ausgehend von der unrichtigen Rechtsauffassung, es habe sich bei dieser Erledigung vom 16. November 1995 um einen Bescheid gehandelt, den Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen MitteilungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996120033.X00Im RIS seit
20.11.2000