Entscheidungsdatum
06.07.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W177 2197688-2/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Volker NOWAK als Einzelrichter über die amtswegige Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2019, Zl. W177 2197688-1/17E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom XXXX , Zl. XXXX von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, beschlossen:
A)
I.)- Das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 VwGVG von Amts wegen wiederaufgenommen.
II.) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom XXXX , Zl. XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers (BF) auf internationalen Schutz vom XXXX abgewiesen.
In seinem Asylverfahren vor dem BFA gab er an, dass er den Spruch genannten Namen trage und zusammen mit seiner Ehefrau und seiner minderjährigen Tochter einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG gestellt habe. Der BF gab in diesem Verfahren ebenfalls an, dass er aus Afghanistan stamme, er der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islam angehöre. Seine Ehefrau, mit der traditionell verheiratet sei, stamme auch seinem Heimatland.
Der BF erhob gegen den Bescheid des BFA Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).
Mit Erkenntnis des BVwG vom 18.07.2019, Zl. W177 2197688-1/17E, wurde der Beschwerde des BF mit der Verfahrensidentität XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den oben angeführten Bescheid stattgegeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
Darin wird zusammengefasst angeführt, dass sich im vorliegenden Fall die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Herkunft, zu seinem Familienstand, nämlich, dass BF1 mit seiner in Österreich asylberechtigten Ehefrau verheiratet ist, wobei diese Ehe schon vor der Asylantragstellung in Österreich Bestand hatte, und er mit dieser eine gemeinsame minderjährige Tochter hat, die in Österreich ebenfalls asylberechtigt ist, auf die diesbezüglich durchgehend stringenten und damit glaubhaften Angaben des BF im Zuge der Befragungen im Verfahren erster Instanz sowie aus den diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung gründen.
Das BVwG habe keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen - zu zweifeln. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist u.a. Familienangehöriger, wer zum Zeitpunkt der Antragstellung Ehegatte eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Vor diesem Hintergrund bestünden von Seiten des erkennenden Gerichts keine Bedenken daran, dass der BF als Ehegatte und somit Familienangehöriger der XXXX im Sinne des AsylG 2005 anzusehen ist und insofern die Begünstigungen eines Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 für diesen zum Tragen kommen.
Am 08.05.2020 langte beim BVwG ein mit 07.05.2020 seitens des BFA gestellter Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 32 VwGVG ein. In diesem wurde angeführt, dass dem BFA am 27.04.2020 seitens des Landeskriminalsamtes Oberösterreich in einer Stellungnahme mitgeteilt worden sei, dass der BF in einem Bericht vom 24.04.2020 angegeben habe, dass sein echter Familienname in Afghanistan nicht XXXX , sondern XXXX laute. Er führte an, dass bei der Asylantragstellung jeder einen falschen Namen angeben würde.
Aufgrund dieser Angaben würden sich seitens der den Wiederaufnahmeantrag stellenden Behörde folgende Schlussfolgerungen ergeben:
Aus den Angaben des BF im Laufe des Asylverfahren ergebe sich, dass der BF den Namen XXXX führe, dies jedoch nicht der Wahrheit entspreche, zumal der BF in einem Polizeibericht selbst angegeben habe, offensichtlich einen anderen Namen zu führen. Es würde sich daraus eine widersprüchliche Identität ergeben, die elementare neue Fragen in Bezug auf Personenangaben, familiäre Verhältnisse, Ausreisegrund, etc. aufwerfe und eine Neuaufrollung des Asylverfahrens erfordere.
Hierbei sei vor allem das familiäre Verhältnis des BF zu seiner Ehefrau und Tochter zu hinterfragen, zumal es sich hier unter Umständen gar nicht um seine Ehefrau oder Tochter handeln würde. Er werde eine DNA-Analyse angeregt. Der Nachname der Tochter sei jedenfalls nicht XXXX . Zu prüfen sei auch, ob die Ehefrau einen anderen Namen führe.
Es stünde sohin im Raum, dass das Erkenntnis des BVwG durch falsche Aussagen des BF herbeigeführt wurde, wodurch sich der Tatbestand des § 32 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall VwGVG verwirklicht habe. Ferner wären durch das Ermittlungsergebnis der österreichischen Polizei neue Beweismittel hervorgekommen, die durch das BFA ohne Verschulden nichtgeltend gemacht hätten werden können und zweifelsfrei mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten (siehe § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG).
Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungsrelevante Widersprüche liegen nicht vor.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 18.07.2019, Zl. W177 2197688-1/17E, wurde der Beschwerde des BF mit der Verfahrensidentität XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den oben angeführten Bescheid stattgegeben und gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
Aufgrund der Angaben des BF vor dem Landeskriminalsamt Oberösterreich, dass sein echter Familienname in Afghanistan nicht XXXX , sondern XXXX laute und er weiters ausgeführt habe, dass bei der Asylantragstellung jeder einen falschen Namen angeben würde, ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Identität des BF nicht mit der im Asylverfahren angegeben Identität konformgeht und der vorgegebene Familienstand, der beim BF der Grund der Asylgewährung gem. § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG war, in Zweifel zu ziehen ist.
Rechtliche Beurteilung:
Zu A):
Zu Spruchteil I.)
Gemäß § 3 Abs. 6 VwGbk-ÜG ist das BVwG zur Entscheidung über die Wiederaufnahme des genannten Verfahrens zuständig und hat darüber am Maßstab des § 32 VwGVG zu entscheiden.
Nach § 32 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts abgeschlossenen Verfahrens selbst nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses auch von Amts wegen stattfinden, wenn das Erkenntnis gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG durch Fälschung einer Urkunde, ein falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist.
In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (RV 2009 BlgNR 24. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen.
Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG (§ 17 VwGVG) ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei auf Grund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1 bis 3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können. Dies gilt sinngemäß natürlich auch für Verfahren, die mit einer Entscheidung des BVwG rechtskräftig abgeschlossen worden sind.
In diesem Sinne hielt der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit Erkenntnis vom 31.08.2015, Ro 2015/11/0012 (vgl. auch VwGH 28.06.2016, Ra 2015/10/0136), unter Verweis auf die Materialien zu § 32 VwGVG fest, dass die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet seien und daher auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden könne. In diesem Erkenntnis zitierte der VwGH auch seinen Beschluss vom 24.02.2015, Ra 2015/05/0004, in dem auf die Rechtsprechung zur amtswegigen Verfügung der Wiederaufnahme eines Verfahrens nach § 69 Abs. 3 AVG verwiesen (VwGH 21.09.2007, 2006/05/0273, mwN) und festgehalten wurde, dass sich diese auf die insoweit gleichlautende Bestimmung des § 32 Abs. 3 VwGVG übertragen lasse.
Im Einklang mit dieser Rechtsprechung zieht das BVwG in der vorliegenden Rechtssache zur Beurteilung des Wiederaufnahmegrundes des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG die bisherige Rechtsprechung des VwGH zum Erschleichen eines Bescheides nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG heran (vgl. auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0116).
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH liegt ein "Erschleichen" eines Bescheides im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG dann vor, wenn dieser in der Art zu Stande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht und diese Angaben dann dem Bescheid zu Grunde gelegt worden sind, wobei die Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist (vgl. VwGH 28.02.2019, Ra 2018/22/0250, Rn. 11, mwN).
Mit Irreführungsabsicht hat die Partei dann gehandelt, wenn sie vorsätzlich, also wider besseren Wissens, falsche Angaben gemacht oder entscheidungsrelevante Umstände verschwiegen hat (VwGH 25.04.1995, 94/20/0779) und damit das Ziel verfolgte, daraus einen (vielleicht) sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen (VwGH 10.9.2003, 2003/18/062; 29.01.2004, 2001/20/0346; 08.06.2006, 2004/01/0470).
Ein "Erschleichen" erfordert zudem, dass die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen ist und ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere Ermittlungen durchzuführen (siehe VwGH 9.08.2018, Ra 2018/22/0076, Rn. 11, mwN).
Im gegenständlichen Fall ist evident, dass der BF im Verfahren vor dem BFA sowie im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG objektiv unrichtige Angaben zu seiner Herkunft tätigte, um daraus einen Vorteil zu ziehen.
Der objektive Umstand, dass sich der BF während seines Verfahrens auf internationalen Schutz auf eine falsche Identität berufen hat, wodurch auch sein Familienstand in Zweifel gezogen werden müsse, insbesondere kommt diesem im gegenständlichen Verfahren auch eine immanente Bedeutung zu, zumal der BF ausschließlich Asyl gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 durch seine Eigenschaft als Familienangehöriger, Ehemann der BF, erhalten hat.
In Zusammenschau der neu hervorgekommenen unstrittigen Aspekte, dass sich der BF in seinem rechtskräftig angeschlossenen Asylverfahren einer falschen Identität bedient hat, ist mit den Angaben des BF im vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz zweifelsohne ersichtlich, dass der BF jene entscheidungsrelevanten Tatsachen im damaligen Verfahren bewusst verschwieg und daraus resultierend objektiv unrichtige Angaben tätigte.
Aufgrund der wie dargestellt objektiv bewusst unrichtigen Angaben bzw. des Verschweigens seiner tatsächlichen Identität kann von einer Irreführungsabsicht des BF ausgegangen werden.
Die in Frage stehenden Angaben waren im Übrigen von wesentlicher Bedeutung, da die Identität eines Fremden im Verfahren auf internationalen Schutz naturgemäß von zentraler Bedeutung ist und diese durch die angebliche Eheschließung somit in unmittelbarem Kausalitätszusammenhang mit der Entscheidung des BVwG stand, da die Gewährung von Asyl insbesondere auf Grund der vom BF behaupteten Ehe im Familienverfahren erfolgte.
Das BVwG nimmt daher das mit Erkenntnis des BVwG vom 18.07.2019, Zl. W177 2197688-1/17E rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 VwGVG von Amts wegen wieder auf.
Mit Erlassung des gegenständlichen Beschlusses tritt dieser Bescheid, ex tunc außer Kraft (vgl. Hengstschläger-Leeb, AVG § 70 AVG Rz 6).
Ein Ausspruch darüber, inwieweit und in welcher Instanz das Verfahren wiederaufzunehmen ist (§70 Abs. 1 AVG), entfällt, da sich keine entsprechende Regelung in § 32 VwGVG findet, was darin begründet liegt, dass Verwaltungsgerichte ohnehin nur das von ihnen abgeschlossene Verfahren wiederaufnehmen können (vgl. Julia Schmoll, Die Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, ÖJZ 2014/20, Seite 103).
Zu Spruchteil II)
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Bescheidbeschwerden) in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Bescheidbeschwerden in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist dann an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Die Zurückverweisungsmöglichkeit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ist eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte. Eine Aufhebung des Bescheides kommt nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Behörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Die Verwaltungsgerichte haben nicht nur bei Vorliegen der in den Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG genannten Voraussetzungen in der Sache selbst zu entscheiden, sondern nach Maßgabe des § 28 Abs. 3 VwGVG grundsätzlich auch dann, wenn trotz Fehlens dieser Voraussetzungen die Verwaltungsbehörde dem nicht unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Sachentscheidung brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat, ist eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zulässig (VwGH 28.03.2017, Ro 2016/09/0009).
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen hier die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das BVwG nicht vor. Weder steht der maßgebliche Sachverhalt fest noch würde seine Feststellung durch das Gericht die Prozessökonomie fördern. Es liegt vielmehr eine gravierende Ermittlungslücke vor, die Erhebungen notwendig macht, die das BFA als Spezialbehörde rascher und effizienter nachholen kann. Dabei kann dahingestellt bleiben, aufgrund wessen Verantwortlichkeit (hier: wohl die des BF und nicht der Behörde) der maßgebliche Sachverhalt nicht feststeht.
In Zusammenschau des neu hervorgekommenen Aspektes der Identitätsangabe des BF, die sich nicht mit den Angaben des BF im vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz decken, wird zweifelsohne ersichtlich, dass der BF entscheidungsrelevante Tatsachen im damaligen Verfahren bewusst verschwieg und daraus resultierend objektiv unrichtige Angaben machte. Die in Frage stehenden Angaben sind jedoch von wesentlicher Bedeutung, da die Identität eines Fremden im Verfahren auf internationalen Schutz naturgemäß von zentraler Bedeutung ist, zumal der BF ausschließlich Asyl gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 durch seine Eigenschaft als Familienangehöriger, Ehemann von seiner Frau abgeleitet, erhalten hat.
Auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungen ist keine abschließende rechtliche Beurteilung des Sachverhalts möglich; dieser ist vielmehr in einem ganz wesentlichen Punkt, nämlich in Bezug auf die tatsächliche Identität des BF, ergänzungsbedürftig. Aufgrund der nicht absehbaren Weiterungen des Verfahrens nach Durchführung der notwendigen Erhebungen führt es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung, wenn das BVwG diese selbst durchführt, zumal zu diesem entscheidenden Sachverhaltselement im Hinblick auf Frage der Zuerkennung internationalen Schutzes keine Ermittlungsergebnisse vorliegen.
Der angefochtene Bescheid ist somit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen.
Da die Sachlage wie dargestellt auf Grund der Aktenlage als erklärt erscheint, konnte eine mündliche Erörterung anlässlich der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm. § 24 VwGVG unterbleiben. Auch wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG begründet, war die Revision nicht zuzulassen (siehe z.B. VwGH 08.11.2018, Ra 2018/22/0232).
Zu Spruchteil B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Anwendung von § 17 VwGVG, § 24 VwGVG, § 32 VwGVG und § 3 Abs. 6 VwGbK-ÜG ist eindeutig und ergibt im vorliegenden Fall keinen Anlass zu Auslegungsfragen.
Schlagworte
amtswegige Wiederaufnahme Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Identität Irreführung Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung WiederaufnahmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W177.2197688.2.00Im RIS seit
27.11.2020Zuletzt aktualisiert am
27.11.2020