TE Bvwg Beschluss 2020/7/6 W177 2197559-2

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Veröffentlicht am 06.07.2020
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Entscheidungsdatum

06.07.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z1

Spruch

W177 2197559-2/3E

W177 2197691-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Volker NOWAK als Einzelrichter über die amtswegige Wiederaufnahme der mit Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.2019, Zlen. W177 2197559-1/14E und W177 2197691-1/14E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrenen betreffend die Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 27.04.2018, Zl. XXXX und XXXX von XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. am XXXX , beide StA. Afghanistan, beschlossen:

A) Der Antrag auf amtswegige Wiederaufnahme der mit Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.2019, Zlen. W177 2197559-1/14E und W177 2197691-1/14E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrenen, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

I.1. Mit den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27.04.2018, Zlen. XXXX und XXXX wurde der Anträge auf internationalen Schutz der beiden Beschwerdeführer, einer Mutter (BF1) und deren unmündig minderjähriger Tochter (BF2), vom 18.11.2015 abgewiesen. Ebenfalls zeitgleich abgewiesen wurde der Antrag auf internationalen Schutz des miteingereisten Ehemannes der BF1.

Die BF erhoben gegen die Bescheide des BFA Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Mit Erkenntnis des BVwG vom 27.05.2019, Zl. W177 2197559-1/14E, wurde der Beschwerde der BF1 gegen den oben angeführten Bescheid stattgegeben und ihr gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Begründend wurde ausgeführt, dass das Vorbringen der BF1 vor dem Hintergrund der Ergebnisse der stattgefunden mündlichen Verhandlung glaubwürdig und plausibel gewesen sei. Die Situation im Herkunftsland ergebe sich aus den unbestritten gebliebenen Feststellungen. Diese Sachverhalte würden der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Die BF1 habe ihre westlich orientierte Lebensweise in der mündlichen Verhandlung unter Beweis gestellt.

Ebenfalls mit Erkenntnis des BVwG vom 27.05.2019, Zl. W177 2197691-1/14E, wurde der Beschwerde der BF2 gegen den oben angeführten Bescheid stattgegeben und ihr gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Das Verfahren bezüglich des Ehemannes der BF1 wurde am 27.05.2019 vertagt.

Der Ehemann der BF1 habe in seinem Asylverfahren vor dem BFA bereits angegeben, dass er mit der BF1 verheiratet sei, er den Spruch genannten Namen trage und zusammen mit seiner Ehefrau und seiner minderjährigen Tochter einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG gestellt habe. Der BF gab in diesem Verfahren ebenfalls an, dass er aus Afghanistan stamme, er der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islam angehöre. Seine Ehefrau, mit der traditionell verheiratet sei, stamme auch seinem Heimatland.

Mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Beschwerde des BF mit der Verfahrensidentität XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des BFA stattgegeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Darin wird zusammengefasst angeführt, dass sich im vorliegenden Fall die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Ehemannes der BF1, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Herkunft, zu seinem Familienstand, nämlich, dass BF1 mit seiner in Österreich asylberechtigten Ehefrau verheiratet ist, wobei diese Ehe schon vor der Asylantragstellung in Österreich Bestand hatte, und er mit dieser eine gemeinsame minderjährige Tochter hat, die in Österreich ebenfalls asylberechtigt ist, auf die diesbezüglich durchgehend stringenten und damit glaubhaften Angaben des Ehemanns der BF1 im Zuge der Befragungen im Verfahren erster Instanz sowie aus den diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung gründen.

Das BVwG habe keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen - zu zweifeln. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist u.a. Familienangehöriger, wer zum Zeitpunkt der Antragstellung Ehegatte eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Vor diesem Hintergrund bestünden von Seiten des erkennenden Gerichts keine Bedenken daran, dass der Ehegatte und somit Familienangehöriger der BF1 im Sinne des AsylG 2005 anzusehen ist und insofern die Begünstigungen eines Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 für diesen zum Tragen kommen.

Am 08.05.2020 langte beim BVwG ein mit 07.05.2020 seitens des BFA gestellter Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 32 VwGVG ein. In diesem wurde angeführt, dass dem BFA am 27.04.2020 seitens des Landeskriminalsamtes Oberösterreich in einer Stellungnahme mitgeteilt worden sei, dass der Ehemann der BF1 in einem Bericht vom 24.04.2020 angegeben habe, dass sein echter Familienname in Afghanistan nicht XXXX , sondern XXXX laute. Er führte an, dass bei der Asylantragstellung jeder einen falschen Namen angeben würde.

Aufgrund dieser Angaben würden sich seitens der den Wiederaufnahmeantrag stellenden Behörde folgende Schlussfolgerungen ergeben:

Aus den Angaben des Ehemannes der BF1 im Laufe des Asylverfahren ergebe sich, dass der BF den Namen XXXX führe, dies jedoch nicht der Wahrheit entspreche, zumal der Ehemann der BF1 in einem Polizeibericht selbst angegeben habe, offensichtlich einen anderen Namen zu führen. Es würde sich daraus eine widersprüchliche Identität ergeben, die elementare neue Fragen in Bezug auf Personenangaben, familiäre Verhältnisse, Ausreisegrund, etc. aufwerfe und eine Neuaufrollung des Asylverfahrens erfordere.

Hierbei sei vor allem das familiäre Verhältnis des Ehemanns der BF1 zu seiner Ehefrau (BF1) und Tochter (BF2) zu hinterfragen, zumal es sich hier unter Umständen gar nicht um seine Ehefrau oder Tochter handeln würde. Er werde eine DNA-Analyse angeregt. Der Nachname der Tochter sei jedenfalls nicht XXXX . Zu prüfen sei auch, ob die Ehefrau (BF1) einen anderen Namen führe.

Es stünde sohin im Raum, dass die Erkenntnisse des BVwG bezüglich BF1 und BF2 durch falsche Aussagen des Ehemannes der BF1 herbeigeführt wurden, wodurch sich der Tatbestand des § 32 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall VwGVG verwirklicht habe. Ferner wären durch das Ermittlungsergebnis der österreichischen Polizei neue Beweismittel hervorgekommen, die durch das BFA ohne Verschulden nichtgeltend gemacht hätten werden können und zweifelsfrei mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten (siehe § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I (mit Ausnahme der vorgebrachten inhaltlichen Wiederaufnahmegründe) getroffenen Ausführungen.

2. Beweiswürdigung:

Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben.

Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

Artikel 129 B-VG lautet: Für jedes Land besteht ein Verwaltungsgericht des Landes. Für den Bund bestehen ein als Bundesverwaltungsgericht zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes und ein als Bundesfinanzgericht zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Fuchs hält in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 32 VwGVG, Anm. 13 fest, dass der Systematik des VwGVG folgend anzunehmen ist, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge – als selbstständige Entscheidungen – in Beschlussform zu erfolgen haben.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 3 Abs. 6 des Bundesgesetzes betreffend den Übergang zur zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz – VwGbk-ÜG) entscheiden die Verwaltungsgerichte ab 1. Jänner 2014 über die Wiederaufnahme von und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Verfahren, die entweder in diesem Zeitpunkt gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf die Verwaltungsgerichte übergegangen sind, oder, wären sie in diesem Zeitpunkt noch anhängig, übergehen würden. Die §§ 32 und 33 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, sind sinngemäß anzuwenden.

II.3.2. § 32 VwGVG lautet:

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist und

1.        das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2.       neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3.       das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4.       nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 der Beilagen, XXIV. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1-3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.

Zu A) Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens

II.3.3. Tatsachen und Beweismittel können nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, ihre Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist (sog. "nova reperta"), nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt (sog. "nova causa superveniens") (vgl. zB VwGH 08.11.1991, Zl. 91/18/0101; 07.04.2000, Zl. 96/19/2240; 20.06.2001, Zl. 95/08/0036; 19.03.2003, Zl. 2000/08/0105; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I2 [1998] E 124 zu § 69 AVG, zitierte Rechtsprechung; Hengstschläger/Leeb, AVG, Bd. 4 [2009] § 69 Rz 28).

"Tatsachen" sind Geschehnisse im Seinsbereich, mit "Beweismittel" sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint (VwGH 11.03.2008, Zl. 2006/05/0232).

Gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG können Tatsachen und Beweismittel nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, ihre Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist.

Die neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel dürfen ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht worden sein. Es ist zwar nicht notwendig, aber nicht ausreichend, dass die Tatsachen (Beweismittel) im wieder aufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sind; es ist darüber hinaus auch erforderlich, dass sie - allenfalls auch im Verfahren vor einer höheren Instanz - nicht geltend gemacht werden konnten und dass die Partei daran kein Verschulden trifft. Jegliches Verschulden, das die Partei an der Unterlassung ihrer Geltendmachung trifft, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt somit den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus (VwGH 19.03.2003, Zl. 2000/08/0105). Beim "Verschulden" im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG handelt es sich nach der Rechtsprechung des VwGH um ein Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB. Bei der Beurteilung des Verschuldens im Zusammenhang mit einer Wiederaufnahme ist das Maß dafür ein solcher Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann (siehe § 1297 ABGB). Konnte die wiederaufnahmewerbende Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit schon im Verwaltungsverfahren geltend machen, unterließ sie es aber, liegt ein ihr zurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (VwGH 08.04.1997, Zl. 94/07/0063; 10.10.2001, Zl. 98/03/0259). Ob die Fahrlässigkeit leicht oder schwer ist (§ 1294 ABGB), ist irrelevant (vgl. Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8 [2003] Rz 589; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 36 ff.).

Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (VwGH 27.07.2001, Zl. 2001/07/0017; 22.12.2005, Zl. 2004/07/0209).

Des Weiteren müssen die neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel entweder allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens die Eignung aufweisen, einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid (hier: anders lautende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts) herbeizuführen. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist. Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund ungeachtet des Erfordernisses seiner Neuheit also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt (und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit) die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche die Behörde entweder den den Gegenstand des Wiederaufnahmeantrages bildenden Bescheid oder (zumindest) die zum Ergebnis dieses Bescheides führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (VwGH 22.02.2001, Zl. 2000/04/0195; 19.04.2007, Zl. 2004/09/0159; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42 ff.).

Gerade das Vorliegen der Wiederaufnahmegründe ist wegen der Durchbrechung der Rechtskraft streng zu prüfen (VwGH 26.04.1984, 81/05/0081). Weiters ist die Auslegung des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG hinsichtlich der Wortfolge „voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheides“ zu beachten. Demnach ist mit „voraussichtlich“ ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit gemeint (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 591).

Eine Wiederaufnahme setzt nicht Gewissheit darüber voraus, dass die Entscheidung im wieder aufzunehmenden Verfahren anders gelautet hätte. Für die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens genügt es, dass diese Voraussetzung mit einiger Wahrscheinlichkeit zutrifft; ob sie tatsächlich vorliegt, ist erst in dem wiederaufgenommenen Verfahren zu entscheiden. Sachverhaltsänderungen nach Abschluss des wieder aufzunehmenden Verfahrens haben bei der Entscheidung über die Wiederaufnahme außer Betracht zu bleiben (VwGH 13.12.2002, Zl. 2001/21/0031; 07.09.2005, Zl. 2003/08/0093; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42 ff.; siehe dazu weiters Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 591, die in diesem Zusammenhang von einem "höheren Grad der Wahrscheinlichkeit" sprechen).

Mit Beweismittel sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint. Neu hervorgekommene Beweismittel rechtfertigen – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur dann, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen (VwGH vom 21.09.2000, 98/20/0564).

Im Zuge des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens vorgelegte Beweismittel können daher nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens darstellen, wenn sie alleine oder in Verbindung mit einem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich eine im Hauptinhalt des Spruches anders lautende Entscheidung herbeigeführt hätte.

Für die Beurteilung der Frage, ob einem Wiederaufnahmeantrag stattzugeben ist, sind allein die innerhalb der Frist des § 69 Abs. 2 AVG vorgebrachten Wiederaufnahmegründe maßgebend (VwGH 23.04.1990, Zl. 90/19/0125; 31.03.2006, Zl. 2006/02/0038; 14.11.2006, Zl. 2005/05/0260).

Die zweiwöchige (subjektive) Frist gemäß § 32 Abs. 2 AVG beginnt mit dem Zeitpunkt, d.h. an dem Tag zu laufen, an dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat. Für die Berechnung dieser verfahrensrechtlichen Frist sind die §§ 32 und 33 AVG maßgeblich. Gemäß § 33 Abs. 3 AVG werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) in die Frist nicht eingerechnet.

Der Wiederaufnahmeantrag hat alle für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit, d.h. der Einhaltung der subjektiven und objektiven Fristen des § 69 Abs. 2 AVG maßgeblichen Angaben zu enthalten (VwGH 19.05.1993, Zl. 91/13/0099; 25.01.1996, Zl. 95/19/0003). Gemäß § 69 Abs. 2 letzter Satz AVG sind die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Fristen ergibt, vom Antragsteller glaubhaft zu machen. Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit eines Wiederaufnahmeantrages trägt somit der Antragsteller (VwGH 03.09.1998, Zl. 98/06/0086; 08.07.2005, Zl. 2005/02/0040). Er hat bereits im Antrag bekannt zu geben, wann er vom behaupteten Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat (VwGH 07.03.1996, Zl. 96/09/0015) und an welchem Tag die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung ihm gegenüber erlassen wurde (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 55).

Ein nach Ablauf der zweiwöchigen subjektiven Frist gestellter Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist als unzulässig, weil verspätet eingebracht, zurückzuweisen (VwGH 20.03.1990, Zl. 90/06/0013; 15.07.2003, Zl. 2003/05/0080), sofern ihn die Behörde nicht zum Anlass einer amtswegigen Wiederaufnahme nimmt (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 59).

II.3.4. Der den Wiederaufnahmeantrag stellenden Behörde steht im Zusammenhang mit den Erkenntnissen des BVwG vom 27.05.2019, Zlen. W177 2197559-1/14E und W177 2197691-1/14E über den Antrag der BF auf internationalen Schutz kein weiteres ordentliches Rechtsmittel mehr zur Geltendmachung ihres Rechtsstandpunktes zur Verfügung.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass im Rahmen des Wiederaufnahmeantrages das fristauslösende Ereignis, nämlich die tatsächliche Kenntnisnahme von den Wiederaufnahmegründen anzuführen ist. Zugunsten der den Wiederaufnahmeantrag stellenden Behörde wird angenommen, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Frist ab Kenntnis von den Wiedereinsetzungsgründen eingebracht wurde und die dort getätigten Angaben dieser im am 08.05.2020 gestellten Antrag auch dem Zeitpunkt ihrer Kenntnisnahme, nämlich dem 27.04.2020, entsprechen.

Die den Wiederaufnahmeantrag stellenden Behörde stützte sich in ihrem fristgerechten Antrag auf Wiederaufnahme darauf, dass in Zusammenschau der neu hervorgekommenen unstrittigen Aspekte, dass sich der Ehemann BF1 in seinem rechtskräftig angeschlossenen Asylverfahren einer falschen Identität bedient habe. Mit den Angaben des Ehemannes der BF1 im vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz zweifelsohne ersichtlich, dass dieser jene entscheidungsrelevanten Tatsachen im damaligen Verfahren bewusst verschwieg und daraus resultierend objektiv unrichtige Angaben tätigte.

II.3.5. Es ist daher zu prüfen, ob die neu hervorgekommenen Tatsachen allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich im Hauptinhalt des Spruches ein anders lautendendes Erkenntnis herbeigeführt hätte.

Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Es muss sich also um neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel handeln, die den Sachverhalt betreffen und die, wenn sie schon im wiederaufzunehmenden Verfahren berücksichtigt worden wären, zu einer anderen Feststellung des Sachverhaltes und voraussichtlich zu einem im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid geführt hätten (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42).

II.3.5.1. Bei der BF1 führte der glaubhaft gemachte Nachfluchtgrund der westlichen Orientierung dazu, dass ihrer Beschwerde mit Erkenntnis des BVwG vom 27.05.2019, Zl. W177 2197559-1/14E, gegen den oben angeführten Bescheid der die Wiederaufnahme des Verfahrens anstrebenden Behörde stattgegeben und ihr gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Wie oben in der zitierten Beweiswürdigung des BVwG (siehe Verhandlungsprotokoll, Seite 11) in der Entscheidung vom 27.05.2019 festgehalten, sei das Vorbringen der BF1 vor dem Hintergrund der Ergebnisse der durchgeführten mündlichen Verhandlung glaubwürdig und plausibel gewesen. Die Situation im Herkunftsland ergebe sich aus den unbestritten gebliebenen Feststellungen. Diese Sachverhalte würden der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Die BF1 habe ihre westlich orientierte Lebensweise in der mündlichen Verhandlung unter Beweis gestellt.

Daher ist in gegenständlichem Fall auch ersichtlich, dass die BF1 den Status einer Asylberechtigten aufgrund ihrer glaubhaft gemachten westlichen Orientierung erhalten hat. Dass sie diese westliche Orientierung als Nachfluchtgrund hat glaubhaft machen können, dafür spricht insbesondere ihr Verhalten während ihres Aufenthaltes in Österreich, wobei sie die hier erlangten Entwicklungsschritte jedenfalls aus innerer Überzeugung getätigt hat. Es ist offensichtlich, dass die Glaubhaftmachung der BF bezüglich ihrer westlichen Orientierung in gar keinem Zusammenhang mit einem etwaigen Auftreten im Asylverfahren unter einer falschen Identität steht. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Führung einer anderen (richtigen) Identität den Ausgang in diesem Asylverfahren in keiner Weise anders beeinflusst hätte.

Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass es sich bei dem Führen einer falschen Identität um ein rechtsmissbräuchliches Verhalten handelt, jedoch gibt es bei der BF1 keine konkreten Verdachtsmomente – ganz im Gegensatz zu ihrem Ehemann – dass sich diese in ihrem Asylverfahren tatsächlich einer falschen Identität bedient hätte. Anhaltspunkte für ein aus diesem Verhalten resultierendes mögliches Strafverfahren, das zu einer strafrechtlichen Verurteilung und somit zu einem möglichen Asylausschlussgrund führen könnte, sind ebenfalls keine gegeben.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie er gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat.

Die minderjährige BF2 ist das ledige Kind der BF1. Sie ist somit Familienangehörige der BF1 iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 und hat keine eigenen (glaubhaften) Fluchtgründe geltend gemacht. Da sich die minderjährige BF2 als Familienangehörige der BF1 auch in ihrer Obhut befindet und die BF1 ihre leibliche Mutter ist, wurde ihr gemäß § 34 AsylG 2005 ebenfalls der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Da es im Fall der BF2 keine konkreten Anhaltspunkte gibt, um daran zu zweifeln, dass es sich bei ihr um das leibliche Kind der BF1 handelt, gelten die in gegenständlichem Wiederaufnahmeverfahren getroffenen Ausführungen bezüglich der BF1 auch in gleichem Maße für die BF2.

Es war daher auch hinsichtlich der minderjährigen BF2 spruchgemäß zu entscheiden.

II.3.5.2. Der Verwaltungsgerichtshof führte bereits in seiner Entscheidung vom 25.04.1979, Zl. 0990/78 aus, dass bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben sind, die Behörde nicht davon auszugehen hat, wann eine mitbeteiligte Partei als Antragstellerin Kenntnis von dem der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt erlangt hat, sondern wann ihr neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt geworden sind. Es muss sich hierbei aber um Tatsachen oder Beweismittel handeln, die dem Antragsteller im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides nicht bekannt waren und die auch der entscheidenden Behörde nicht zugänglich waren. Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist, dass es sich um Tatsachen oder Beweismittel handelt, die dem Antragsteller im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides unbekannt und die auch der entscheidenden Behörde nicht zugänglich waren (VwGH vom 23.09.1988, Zl 85/17/0105).

Ein Verschulden der den Wiederaufnahmeantrag stellenden Behörde am erst nunmehrigen Hervorkommen des Anführens einer unterschiedlichen Identität seitens des Ehemannes der BF1, ist – unabhängig vom Hervorkommen des diesbezüglichen Beweismittels – nicht gegeben.

Die vorgetragenen Gründe für die Wiederaufnahme des Verfahrens würden – selbst bei Wahrunterstellung – nur dann relevant sein, wenn sie alleine oder in Verbindung mit einem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich eine im Hauptinhalt des Spruches anders lautende Entscheidung herbeigeführt hätten.

Aufgrund ihrer glaubhaft gemachten westlichen Orientierung hat die BF1 den Status einer Asylberechtigten erhalten. Dass sie diese westliche Orientierung als Nachfluchtgrund hat glaubhaft machen können, dafür spricht insbesondere ihr Verhalten während ihres Aufenthaltes in Österreich, wobei sie die hier erlangten Entwicklungsschritte jedenfalls aus innerer Überzeugung getätigt hat. Es ist offensichtlich, dass die Glaubhaftmachung der BF bezüglich ihrer westlichen Orientierung in keinem Zusammenhang mit einem etwaigen Auftreten im Asylverfahren unter einer falschen Identität steht. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Führung einer anderen (richtigen) Identität den Ausgang in diesem Asylverfahren in keiner Weise anders beeinflusst hätte.

Daher vermochte es die den Wiederaufnahmeantrag stellenden Behörde nicht, neue Tatsachen oder Beweismittel vorzubringen, die eine neue Beurteilung des Sachverhalts verlangen würden.

II.3.5.3. Aufgrund der obigen Ausführungen konnten die im bisherigen ersten Verfahren getroffenen Feststellungen bzw. beweiswürdigenden Aspekte nicht widerlegt werden. Der den Wiederaufnahmeantrag stellenden Behörde ist es mit der Vorlage des Berichtes des Landeskriminalamtes Oberösterreich nicht gelungen, neu hervorgekommene Tatsachen zu belegen oder Beweismittel vorzulegen, die entscheidungsrelevante Umstände derartig betreffen, dass sie, wären sie seinerzeit berücksichtigt worden, voraussichtlich zu einer anderen als der tatsächlich getroffenen Entscheidung geführt hätten und daher auch im wieder aufgenommenen Verfahren führen würden (Walter - Thienel, Verwaltungsverfahren, 2. Auflage S 1468, 14). Das vorgelegte Schreiben war nicht geeignet, „voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruches anders lautendendes Erkenntnis“ herbeizuführen und daher keine Relevanz im Hinblick auf den Spruch des wiederaufzunehmenden Verfahrens.

Die Argumente im Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens waren somit nicht geeignet, Gründe für eine Wiederaufnahme iSd § 32 VwGVG darzustellen. Daher war der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des vom Bundesverwaltungsgericht bereits rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

II.3.6. Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung

§ 24 VwGVG lautet:

„(1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1.        der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, BGBl I Nr. 68/2013 idgF kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn

- der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint

oder

- sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes des Wiederaufnahmeantrages geklärt war, Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen und eine initiative Darlegung für die Entscheidungsfindung relevanter Umstände, die durch die weitere Hinterfragung zu klären gewesen wären, nicht erforderlich war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zur Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens, oder zur Verhandlungspflicht abgeht.

Schlagworte

mangelnder Anknüpfungspunkt Voraussetzungen Wegfall der Gründe Wiederaufnahmeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W177.2197559.2.00

Im RIS seit

27.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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