Entscheidungsdatum
26.07.2020Norm
BFA-VG §9Spruch
W182 2233229-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2020, Zl. 1248388300/191014842, beschlossen:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), ein chinesische Staatsangehörige, reiste am 11.07.2019 mit einem in XXXX ausgestellten im Zeitraum von 09.07.2019 bis 04.01.2020 für den Aufenthalt für 30 Tage gültigen Schengener Sichtvermerk legal in das Bundesgebiet ein.
Unmittelbar vor ihrer Ausreise wurde am 06.10.2019 im Rahmen einer Kontrolle durch öffentliche Sicherheitsorgane am Flughafen Schwechat erhoben, dass ihr Aufenthaltstitel bereits abgelaufen sei. Es erfolgte eine entsprechende Anzeige wegen illegalen Aufenthaltes. Die BF reiste am 06.10.2019 freiwillig nach XXXX aus. Dem Anzeigeprotokoll vom 06.10.2019 ist zu entnehmen, dass ihr laut eigenen Angaben nicht bewusst gewesen sei, dass ihr Aufenthalt nach 30 Tagen illegal werde, zumal das Visum von 09.07.2019 bis 04.01.2020 gültig sei. Weiters habe die BF einen XXXX Aufenthaltstitel vorgewiesen. Eine Sicherheitsleistung habe mangels ausreichender Barmittel oder Bankomatkarte nicht eingenommen werden können. Die Ausreise mit dem Flug nach XXXX sei gestattet worden.
Am 07.10.2019 wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet. Eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme über die Prüfung einer Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme samt Aufforderung zur Stellungnahme vom 07.10.2019 konnte der BF an der von ihr bekannt gegebenen Zustelladresse in XXXX nicht zugestellt werden. Das Schreiben wurde von der Post mit dem Vermerk „Inconnu“ (=unbekannt) retourniert.
Am 20.01.2020 ist die BF mit einem von der österreichischen Botschaft in XXXX ausgestellten, im Zeitraum von 20.02.2020 bis 16.04.2020 für 88 Tage gültigen Visum C wieder legal ins Bundesgebiet eingereist.
Laut Mitteilung des Polizeikommissariates Schwechat vom 31.03.2020 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) ist eine Strafverfügung gemäß §§ 31 Abs. 1, Abs. 1a iVm 120 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, wegen illegalen Aufenthalts gegen die BF mit 20.3.2020 rechtskräftig geworden.
Aus einem internen Schriftwechsel im Bundesamt vom 24.04.2020 geht hervor, dass die BF sich offenbar an Behörden gewendet hat, dass sie nach Hause ( XXXX ) wolle und in Österreich über einen Neffen verfüge, der sehr gut Deutsch spreche.
Am 28.04.2020 wurde eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme über die Prüfung einer Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme samt Aufforderung zur Stellungnahme, einer Information über die Verpflichtung zur Ausreise und einer Aufforderung zur Ausreise vom gleichen Tag vom Bundesamt von der BF persönlich übernommen.
In weiterer Folge wurde dem Bundesamt seitens der „GreKo“ Wien Schwechat mitgeteilt, dass die BF am 15.06.2020 aus Österreich ausgereist ist.
2.1. Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesamtes vom 19.06.2020 wurde gegen die BF gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt I.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach China zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 FPG wurde gegen die BF ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III). Die Rückkehrentscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich die BF vom 09.08.2019 bis 06.10.2019 und vom 16.04.2020 bis zum 15.06.2020 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, ihre Kernfamilie nicht in Österreich lebe und sie ihr Privatleben in China gestalte. Dazu wurde auch ausgeführt, dass sich die BF nicht mehr in Österreich aufhalte. Das Einreiseverbot wurde im Wesentlichen mit dem wiederholten unrechtmäßigen Aufenthalt der BF in Österreich, der am 20.11.2019 rechtskräftig gewordenen Strafverfügung der Landespolizeidirektion Niederösterreich unter GZ: XXXX , sowie der Unfähigkeit der BF, die erforderlichen Mittel für ihren Lebensunterhalt nachzuweisen, begründet. Zu Letzterem wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Grenzpolizei im Fall der BF (am 06.10.2019 am Flughafen) eine Sicherheitsleistung nicht einbehalten habe können. Die Behörde sei auch aufgrund der langen und wiederholten Überschreitungsdauer der Visa davon ausgegangen, dass die BF in vollem Bewusstsein ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes die Missachtung der fremdenrechtlichen Bestimmungen in Kauf genommen habe. Sie habe auch die ihr gebotene Möglichkeit des Parteiengehörs nicht wahrgenommen.
2.2. In der Zustellverfügung wurde die BF persönlich als Empfängerin angegeben, wobei der Bescheid laut Rückschein am 23.06.2020 im Bundesgebiet an ihrer Meldeadresse als Nebenwohnsitz übernommen wurde. Dazu wurde auf dem Rückschein handschriftlich „iA mündlich“ vermerkt, wobei die Übernahmebestätigung auch nicht die Unterschrift der BF aufweist.
Die BF wurde laut Auskunft im Zentralen Melderegister am 29.06.2020 an ihrem Nebenwohnsitz abgemeldet.
1.3. Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde binnen offener Frist Beschwerde erhoben. Dabei wurde eine mangelhafte Zustellung des Bescheides geltend gemacht und dazu ausgeführt, dass die BF vom 27.02. bis 29.06.2020 an der Adresse ihres Neffen im Bundesgebiet als Nebenwohnsitz gemeldet gewesen sei, allerdings bereits am 15.06.2020 freiwillig aus dem Bundesgebiet ausgereist sei. Sie halte sich mittlerweile in XXXX auf, wo sie über einen bis 11.12.2024 gültigen Aufenthaltstitel verfüge. Der Bescheid der belangten Behörde sei jedoch am 23.06.2020 an dieser Adresse einfach in den Postkasten eingeworfen worden, wo er dann von den Verwandten der BF aufgefunden worden sei. Laut Angaben des Neffen der BF sei der Bescheid in ihrem Briefkasten gelegen und sei keine Unterschrift zur Entnahme des Schreibens getätigt worden. Im gegenständlichen Fall scheitere sohin die rechtmäßige Zustellung bereits am Vorliegen einer Abgabestelle, zumal der belangten Behörde, wie dies auch aus dem gegenständlich angefochtenen Bescheid hervorgehe, bekannt gewesen sei, dass die BF am 15.6.2020 aus Österreich ausgereist sei und daher die Adresse nicht mehr als Wohnung genutzt habe. Auch eine Zustellung an einem Ersatzempfänger könne hier nicht in Betracht kommen, da die belangte Behörde aufgrund der bekannten Ausreise der BF keinen Grund zur Annahme gehabt habe, dass sich diese regelmäßig an dieser Adresse aufhalten würde. Auch eine Heilung dieses Zustellungsmangels komme nicht in Betracht, da der BF der originale Bescheid bisher nicht zugekommen sei. Zur Rückkehrentscheidung wurde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach § 52 Abs. 6 FPG vor dem Hintergrund von Artikel 6 Abs. 2 der Richtlinie 20087115/EG zu lesen sei, wo angeordnet werde, dass ein nicht rechtmäßig aufhältiger Drittstaatsangehöriger mit einem Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates zunächst zu verpflichten sei, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben, und es nur dann zu einer Rückkehrentscheidung zu kommen habe, wenn dieser Verpflichtung nicht entsprochen werde (vgl. VwGH 10.04.2014, Zl. 2013/22/0310; VwGH 21.12.2017, Zl. Ra 2017/21/0234). Obwohl die BF seit 16.12.2019 im Besitz XXXX Aufenthaltstitels gewesen sei, sei sie vom Bundesamt nicht dazu angehalten worden, nach XXXX auszureisen, sondern sei sofort eine Rückkehrentscheidung über sie verhängt worden. Die Rückkehrentscheidung erweise sich daher als nicht rechtmäßig. Zum Einreiseverbot wurde vorweg ausgeführt, dass die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung dazu führe, dass auch das damit verbundene Einreiseverbot nicht zulässig sei. Hinsichtlich der seit 20.03.2020 rechtskräftigen Strafverfügung vom 28.02.2020 und des darin festgestellten illegalen Aufenthaltes der BF vom 09.08.2019 bis 06.10.2019 wurde ausgeführt, dass das Überschreiten des Visums auf einem Irrtum der BF zurückzuführen sei, da sie davon ausgegangen sei, dass das Visum für drei Monate gültig sei. Die BF verfüge zudem über einen gültigen Aufenthaltstitel für XXXX und sei der Aufenthalt für die zweite Einreise der BF rechtmäßig gewesen, zumal aufgrund der sich verschärfenden Corona-Situation in Österreich ab Mitte März 2020 kaum noch Flüge durchgeführt worden seien, weshalb die BF nicht fristgerecht ausreisen habe können. Das Einreiseverbot der belangten Behörde in der Höhe von drei Jahren sei jedenfalls als zu hoch bemessen anzusehen. Die BF habe durch die Überschreitung des Visums zwar einen Fehler begangen, jedoch sei aus ihrem Gesamtverhalten nicht ableitbar, dass von ihr eine derartige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgehe, so dass auch mit einem weit geringeren Einreiseverbot das Auslangen gefunden hätte werden können.
Der Beschwerde wurden in Kopie u.a. beigefügt: ein am 16.12.2019 ausgestellter Aufenthaltstitel vom XXXX für die BF; eine von der BF unterfertigte Bevollmächtigung vom 16.07.2020 an ihren Neffen, sie in ihrer Abwesenheit im fremdenpolizeilichen Angelegenheiten zu vertreten; eine vom Neffen unterfertigte Vollmacht an den im Spruch genannten Vertreter der BF, eine E-Mail Korrespondenz einer Schwägerin der BF mit der Fremdenpolizei zwischen 09.04. und 16.04.2020 hinsichtlich der Unsicherheit eines nachgewiesenen gebuchten Rückfluges der BF für den 16.04.2020 im Zusammenhang mit Reisebeschränkungen im Zuge der Bekämpfung der Verbreitung des Coronavirus samt übermittelten Beiblatt der Polizeibehörde, wonach aufgrund der durch COVID-19 bedingten starken Einschränkungen der Ausreisemöglichkeit die BF erst bei Bestehen einer Ausreisemöglichkeit ein Verschulden an einem unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet treffe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt und ergibt sich zweifelsfrei aus den vorgelegten Verwaltungsakten und dem Beschwerdevorbringen.
Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife nicht mehr erforderlich.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung –BAO, BGBl. I Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes –AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. I Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes-oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchteil A):
2.2. Voraussetzung für das rechtliche Zustandekommen eines Bescheides ist dessen Erlassung. Erlassen wird ein schriftlicher Bescheid durch rechtswirksame Zustellung oder durch Ausfolgung (§ 24 des ZustG; vgl. zB VwGH 18. 5. 1994, 93/09/0115). Ist der erstbehördliche Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so ist es der Berufungsbehörde verwehrt, meritorisch über die Berufung abzusprechen. Ihre Zuständigkeit reicht in solchen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes zurückzuweisen (vgl. VwGH 09.03.1982, Zl. 81/07/0212; VwGH 30.05.2006, Zl. 2005/12/0098). Dies hat auch für das Bundesverwaltungsgericht als Rechtsmittelgericht in Anwendung des § 28 VwGVG zu gelten.
Gemäß § 21 AVG, BGBl. I Nr. 51/1991 idgF und § 1 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. I Nr. 200/1982 idgF, sind Zustellungen nach dem ZustG vorzunehmen.
Gemäß § 2 Z 1 ZustG idgF ist ein „Empfänger" die von der Behörde in der Zustellverfügung namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll. Nach § 5 ZustG idgF hat die Behörde in geeigneter Form den Empfänger und dessen Identität möglichst eindeutig zu bezeichnen. Gemäß § 2 Z 3 ZustG idgF ist eine „Zustelladresse“ eine Abgabestelle (Z 4) oder elektronische Zustelladresse (Z 5). Laut § 2 Z 4 ZustG idgF ist eine „Abgabestelle“ die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort.
Als „Wohnung“ werden Räumlichkeiten verstanden, die im Zeitpunkt der Zustellung dem Empfänger tatsächlich als Unterkunft in der Art eines Heimes dienen; Räumlichkeiten also, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er gewöhnlich zu nächtigen oder sich sonst aufzuhalten pflegt. Eine „sonstige Unterkunft“ liegt vor, wenn sich der Empfänger in Räumlichkeiten aufhält, die nicht das sind, was nach den allgemeinen Lebensgewohnheiten als Wohnung zu betrachten ist, selbst wenn der Aufenthalt nicht ständig, sondern nur vorübergehend ist, also nicht, wie dies bei Wohnungen der Fall ist, auf Dauer angelegt ist. Stets muss es sich um Räumlichkeiten handeln, die als Wohnungsersatz in Betracht kommen können und die dem Unterkommen dienen. Auch Unterkünfte für Asylwerber in Lagern oder Betreuungsstellen kommen als „sonstige Unterkunft“ und damit als Abgabestelle im Sinn des ZustG in Betracht (vgl. VwGH 07.10.2010, Zl. 2006/20/0035).
Die (versuchte) Zustellung des Bescheides des Bundesamtes am 23.06.2019 ist an jene Adresse erfolgt, an welcher die BF noch bis zum 29.06.2019 gemeldet war. Das Bundesamt hat aber im bekämpften Bescheid selbst festgestellt, dass sich die BF nicht mehr im Bundesgebiet aufhält (vgl. S. 28 des bekämpften Bescheides) und im Verfahrensgang darauf verwiesen, dass die Bestätigung der Ausreise der BF am 15.06.2020 über den Flughafen Wien Schwechat am selben Tag beim Bundesamt eingelangt ist. Somit kam diese Unterkunft aber nicht mehr als Abgabestelle im Sinn des § 2 Z 4 ZustG in Betracht (vgl. VwGH 25.05.2020, Zl. Ra 2018/19/0708 Rn. 21, mit Verweis auf VwGH 25.3.2010, Zl. 2010/21/0007; VwGH 28.3.2014, Zl. 2013/02/0061; VwGH 13.11.2018, Zl. Ra 2018/21/0064, zur bloßen Indizwirkung von Eintragungen im Zentralen Melderegister).
Nach § 7 ZustG gilt eine mangelhafte Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Eine Heilung von Zustellmängeln nach dieser Bestimmung setzt voraus, dass das Zustellstück dem Empfänger - somit der Person, die in der Zustellverfügung als Empfänger angegeben worden ist ("formeller Empfängerbegriff"; vgl. VwGH 25.2.2019, Ra 2017/19/0361, mwN) - "tatsächlich zugekommen" ist (vgl. VwGH 17.10.2019, Zl. Ra 2018/08/0004). Gemäß § 9 Abs 3 ZustG hat die Behörde, wenn ein Zustellbevollmächtigter bestellt ist und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist (vgl. etwa VwGH 09.03.2018, Zl. Ra 2017/02/0263). Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhalts des Schriftstücks beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht. Wenn die Kenntnisnahme des Schriftstücks (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert auch der Umstand, dass ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück eingebracht wird, die fehlende Zustellung nicht. (vgl. etwa VwGH 09.04.2020, Ro 2020/16/0004).
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der in der Zustellverfügung als Empfängerin genannten BF der Bescheid im Original tatsächlich zugekommen ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die BF am 16.07.2020 ihrem Neffen eine Vertretungsvollmacht in fremdenrechtlichen Verfahren erteilt hat, die jener mittels Vollmacht vom 20.07.2020 der im Spruch genannten Rechtsvertretung samt Zustellvollmacht übertragen hat.
Hinsichtlich des im Akt enthaltenen Zustellnachweises vom 23.06.2020 ist zwar anzumerken, dass ein ordnungsgemäßer Zustellnachweis als öffentliche Urkunde Beweis über die Zustellung liefert; der Gegenbeweis (etwa dass der in der Urkunde bezeugte Vorgang unrichtig ist; vgl. § 292 Abs. 2 ZPO) ist möglich (vgl. dazu etwa VwGH 01.02.2019, Zl. Ro 2018/02/0014). Dies wird aber nur dann gelten, wenn die Übernahmebestätigung als unbedenklicher - und sohin ordnungsgemäßer - Zustellnachweis zu qualifizieren ist (vgl. dazu etwa VwGH 28.10.2008, Zl. 2007/05/0205). Gegenteiliges ist jedoch hier der Fall. Gemäß § 22 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustG), BGBl I Nr. 200/1982 idgF, hat der Übernehmer des Dokuments die Übernahme auf dem Zustellnachweis durch seine Unterschrift unter Beifügung des Datums und, wenn er nicht der Empfänger ist, seines Naheverhältnisses zu diesem zu bestätigen. Unabhängig von dem Umstand, dass die BF am 15.06.2020 nachweislich ausgereist ist, weist der Zustellnachweis vom 23.06.2020 nicht die Unterschrift der BF auf, die im Akt sonst auch mehrfach dokumentiert ist (vgl. As 69, 75, 83 sowie 183). Auch der handschriftlich am Zustellnachweis zu „Empfänger/in“ beigefügte Vermerk „iA mündlich“ spricht deutlich gegen eine ordnungsgemäße Übernahme durch die BF.
Unter Zugrundelegung der zitierten Judikatur ist daher davon auszugehen, dass der bekämpfte Bescheid nicht rechtswirksam erlassen wurde. Die Beschwerde war daher spruchgemäß zurückzuweisen.
Unabhängig davon ist aber im Hinblick auf verfahrensökonomische Überlegungen noch darauf hinzuweisen, dass das zugrundliegende erstinstanzliche Verfahren massive Mängel erkennen lässt. So hat sich die belangte Behörde u.a. nicht mit dem in der Beschwerde angeführten XXXX Aufenthaltstitel der BF, für dessen allfälliges Vorliegen jedoch bereits dem erstinstanzlichen Akteninhalt – wie im Übrigen auch für ihre Rückreiseabsicht - deutliche Hinweise zu entnehmen waren, auseinandergesetzt. Das Bundesamt hätte daher insbesondere im Hinblick auf § 52 Abs. 6 FPG jedenfalls zu ermitteln gehabt, ob die BF im Sinne dieser Bestimmung „im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates“ ist. Wie in der Beschwerde zurecht bemängelt wurde, hat das Bundesamt es sohin auch völlig unterlassen, auf die Bestimmung des § 52 Abs. 6 FPG Bedacht zu nehmen. Da das diesbezügliche erstinstanzliche Verfahren mangels rechtswirksamer Erlassung eines Bescheides sohin nach wie vor offen ist, wird sich die belangte Behörde vor einer allfälligen Erlassung eines Bescheides unter Beachtung der diesbezüglichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu insbesondere VwGH 28.05.2020, Zl. Ra 2020/21/0128, Rn. 17 – 22) mit dem Beschwerdevorbringen auseinanderzusetzen haben.
2.3. Da die Beschwerde zurückzuweisen war, konnte auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde unter Punkt II.2.2. wiedergegeben.
Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Schlagworte
Bescheid Meldeadresse Rechtswidrigkeit ZustellmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W182.2233229.1.00Im RIS seit
27.11.2020Zuletzt aktualisiert am
27.11.2020