TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/30 W169 2179140-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.07.2020
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Entscheidungsdatum

30.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W169 1427811-2/25E
W169 2179140-1/7E
W169 2179143-1/6E


IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX und 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Nepal, gegen 1.) den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.05.2012, Zl. 11 07.737-BAG, und 2.) die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2017, Zlen. 1105123900-160214736 und 1160021809-170874717, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.06.2020, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Der Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides des Bundesasylamtes vom 21.05.2012 betreffend den Erstbeschwerdeführer wird aufgehoben. Gemäß § 75 Abs. 20 Z 1 und 1. Satz AsylG 2005 wird das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

III. Den Beschwerden der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. der angefochtenen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2017 wird stattgegeben, die angefochtenen Spruchpunkte behoben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide hinsichtlich dieser Spruchpunkte an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das Bundesgebiet am 23.07.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Folgetag gab der Erstbeschwerdeführer zu Protokoll, dass er nepalesischer Staatsangehöriger sei, aus dem Bezirk Baglung, XXXX , stamme und die Sprachen Nepali und Englisch spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Hindu und Volksgruppe der Nepali an. Im Herkunftsstaat habe der Erstbeschwerdeführer fünf Jahre die Grundschule und vier Jahre die High School besucht. Er habe keine Berufsausbildung. Er sei verheiratet. In Nepal würden die Eltern, die Schwester und die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers leben. Weiters habe der Erstbeschwerdeführer einen Bruder in Malaysia und einen Onkel mütterlicherseits in Frankreich. Der Erstbeschwerdeführer sei legal mit seinem Reisepass per Flugzeug aus Nepal ausgereist. Die Ausreise habe ca. EUR 14.000,- gekostet. Zu seinem Ausreisegrund führte er an, dass er eine Kuh getötet habe, da er Rindfleisch essen habe wollen. Dies sei ein Verstoß gegen die Religion gewesen. Die Polizei habe gegen ihn ermittelt und es drohe ihm 12 Jahre Haft für diese Tat. Im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland befürchte der Erstbeschwerdeführer, eingesperrt zu werden, da er gegen die Religion verstoßen habe.

2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 15.12.2011 gab der Erstbeschwerdeführer zu Protokoll, dass er gesund sei und keine Medikamente nehme. Er stamme aus dem Bezirk Baglung, XXXX , und habe dort im Wesentlichen sein gesamtes Leben verbracht. Er sei verheiratet und kinderlos. Er habe mit seiner Frau, seinen Eltern und seiner Schwester im gemeinsamen Haushalt gelebt. Sein Bruder arbeite seit 12 Jahren in Malaysia und schicke regelmäßig Geld nach Hause. Der Erstbeschwerdeführer habe auf der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet und so den Lebensunterhalt der Familie gesichert.

Zu seinem Fluchtgrund wiederholte der Erstbeschwerdeführer, dass er eine Kuh getötet und gegessen habe. Da dies strafbar sei, werde er nun von der Polizei gesucht. Konkret habe ein in Malaysia wohnhafter Freund ihm auf Heimurlaub erzählt, dass Rindfleisch sehr gut schmecke. „Wir“ hätten dann die Kuh eines Nachbarn getötet und sie habe „wirklich sehr gut geschmeckt“. Es habe sie zu diesem Zeitpunkt niemand der Tat überführt und der Nachbar habe geglaubt, dass die Kuh weggelaufen oder von wilden Tieren gefressen worden sei. Ein Monat später hätten „wir“ nochmals eine Kuh getötet, doch seien sie dabei erwischt worden und habe sie der Besitzer angezeigt. Die Polizei sei dann zum Erstbeschwerdeführer und den anderen Mittätern nach Hause gekommen. „Wir“ seien aber alle weggelaufen. Der Erstbeschwerdeführer sei nach Kathmandu gekommen und anschließend aus Nepal geflohen.

Im Rahmen der Einvernahme legte der Erstbeschwerdeführer einen nepalesischen Zeitungsbericht vom 03.01.2011 über diesen von ihm behaupteten Vorfall sowie einen mit 02.01.2011 datierten Polizeibericht über den Erstbeschwerdeführer und drei andere Personen wegen der Tötung und des Verzehrs einer Kuh vor.

3. In der Folge richtete das Bundesasylamt eine Anfrage an die Staatendokumentation zur Verifizierung der vorgelegten Unterlagen und der Rechtslage bezüglich der Schlachtung einer Kuh.

4. Mit Schreiben vom 02.03.2012 beantwortete die Staatendokumentation die Anfrage des Bundesasylamtes und teilte mit, dass bei der nepalesischen Polizei kein Fall gegen den Erstbeschwerdeführer registriert sei, der vorgelegte Zeitungsartikel ebenso eine Fälschung sei und die Schlachtung einer Kuh in Nepal den Angehörigen aller Religionsgemeinschaften streng verboten sei. Der Anfragebeantwortung beigelegt war der entsprechende Ermittlungsbericht eines Detektivbüros.

5. Mit Schreiben vom 05.03.2012 verständige das Bundesasylamt den Erstbeschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme und gewährte ihm zwei Wochen Frist zur Stellungnahme.

6. Mit Schreiben vom 19.03.2012 erklärte der Erstbeschwerdeführer, dass die Ermittlungsergebnisse nicht der Wahrheit entsprechen würden.

7. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.05.2012 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Der Erstbeschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nepal ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

8. Gegen diesen Bescheid erhob der Erstbeschwerdeführer nach Ablauf der Rechtsmittelfrist Beschwerde und verband diese mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Gemeinsam mit der Beschwerde wurden vier Internetauszüge von Berichten über die Inhaftierung von Personen wegen der Schlachtung von Kühen vorgelegt.

9. Mit Bescheid vom 26.06.2012 gab das Bundesasylamt dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG statt.

10. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 02.12.2013, Zl. C9 427811-1/2012/2E, wurde die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

11. Mit Schriftsatz vom 09.02.2016 beantragte der Erstbeschwerdeführer aufgrund der Einreise seiner Ehefrau (der Zweitbeschwerdeführerin) als Asylwerberin und Zeugin beim Bundesverwaltungsgericht die Wiederaufnahme seines mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs abgeschlossenen Verfahrens.

12. Die Zweitbeschwerdeführerin stellte nach Einreise in das Bundesgebiet mittels deutschen Touristenvisums am 11.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab die Zweibeschwerdeführerin zu Protokoll, dass sie nepalesische Staatsangehörige sei, aus dem Bezirk Baglung stamme und die Sprache Nepali spreche. Sie gehöre der Religionsgemeinschaft der Hindu und Volksgruppe der Chhetri an. Im Herkunftsstaat habe die Zweitbeschwerdeführerin zwölf Jahre die Grundschule besucht. Sie habe keine Berufsausbildung und habe als Bäuerin gearbeitet. Sie sei verheiratet. In Nepal würden die Mutter und die beiden Brüder der Zweitbeschwerdeführerin leben. Ihr Vater sei bereits verstorben. In Österreich lebe ihr Ehemann (der Erstbeschwerdeführer). Die Zweitbeschwerdeführerin sei legal mit ihrem Reisepass per Flugzeug aus Nepal ausgereist. Die Ausreise habe ca. EUR 7.000,- gekostet. Zu ihrem Ausreisegrund führte sie an, dass ihr Mann im Jahr 2011 mit drei Freunden unrechtmäßig eine Kuh geschlachtet habe. Aufgrund dieses Vorfalls sei er vom Eigentümer der Kuh angezeigt worden. In weiterer Folge sei er aus „unserer“ Wohnung geflohen, um sich der Bestrafung durch die Behörden zu entziehen. Die Strafhöhe für eine solche Tat betrage derzeit 12 Jahre Haft. Zuerst sei ihr Mann nach Kathmandu geflohen, wobei sie immer telefonischen Kontakt gehabt hätten. Noch im selben Jahr sei ihr Mann dann nach Europa geflohen. Die Zweitbeschwerdeführerin sei von den Polizeibehörden immer wieder zu Hause bzw. bei ihren Schwiegereltern aufgesucht und über den Verbleib ihres Mannes befragt worden. Bei diesen Kontrollen sei es dann im Sommer 2011 auch zu körperlichen Übergriffen seitens der Polizei gekommen. Die Zweitbeschwerdeführerin sei dabei auch mehrmals vergewaltigt und geschlagen worden. Aufgrund dieser Übergriffe habe sie sich dann entschlossen, aus ihrer Heimatstadt zu flüchten. Zuerst sei sie nach Baglung und später weiter nach Kathmandu geflohen. In Baglung habe sie sich ca. ein Jahr bei ihrem Onkel aufgehalten. Nachdem die Polizei sie dort entdeckt habe, sei sie weiter nach Kathmandu geflohen. Nach ca. drei Jahren sei sie von der Polizei auch dort entdeckt worden und habe deshalb entschlossen, nach Österreich zu ihrem Mann zu fliehen. Im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland befürchte die Zweitbeschwerdeführerin, von den Polizeibehörden entdeckt und bestraft zu werden. Sie sei in ihrer Heimat gesellschaftlich ausgeschlossen, da ihr Mann eine Kuh geschlachtet habe und sie nun eine geschändete Frau sei. Die Haftbedingungen in Nepal seien unmenschlich und Misshandlungen und sexuelle Übergriffe würden an der Tagesordnung stehen. Als Opfer von Polizeigewalt würde ihr weder geglaubt noch geholfen werden. Solange die Behörden ihren Mann für seine Tat nicht bestrafen können würden, würde sie für sein Tun bestraft.

Im Zuge der Erstbefragung legte die Zweitbeschwerdeführerin ihren Reisepass und ihre Heiratsurkunde vor. Ebenso legte sie eine schriftliche Stellungnahme zu ihren Fluchtgründen vor, in welcher unter anderem die vorgebrachte Vergewaltigung der Zweitbeschwerdeführerin beschrieben wird.

13. Am XXXX wurde der Drittbeschwerdeführer als Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in Graz geboren.

14. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.06.2016, Zl. W163 1427811-2/4E, wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 02.12.2013, Zl. C9 427811-1/2012/2E, abgeschlossenen Verfahren als unbegründet abgewiesen.

15. Am 26.07.2017 stellten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreter für den Drittbeschwerdeführer im Rahmen eines Familienverfahrens einen Antrag auf internationalen Schutz.

16. Mit Erkenntnis vom 18.01.2017, Ra 2016/18/0197-8, hob der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.06.2016 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

17. Am 05.09.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung durch, in welcher die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers als Zeugin in dessen Verfahren einvernommen wurde.

18. Anlässlich ihrer Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 11.10.2017 gab die Zweitbeschwerdeführerin zu Protokoll, dass sie gesund sei und keine Medikamente nehme. Ebenso sei ihr Sohn (der Drittbeschwerdeführer) gesund. Sie gehöre keiner bestimmten Volksgruppe an und sei Hindu. Sie sei in Molpani, Bezirk „Kavre“, geboren, dort aufgewachsen und nach der Heirat im selben Bezirk geblieben. Am 20.06.2068 (nepalesischer Kalender) sei sie in die Stadt Baglung gezogen und nach einem Jahr weiter nach Kathmandu, wo sie ca. drei Jahre bis zu ihrer Ausreise gelebt habe. Sie habe zehn Jahre die Schule besucht und nie gearbeitet. In Nepal würden die Mutter und zwei jüngere Brüder der Zweitbeschwerdeführerin im gleichen Haushalt in ihrem Herkunftsort leben. Ihr Vater sei verstorben. Die Familie lebe von den Einkünften eines in Saudi-Arabien arbeitenden Bruders der Zweitbeschwerdeführerin, der dort gut verdiene. Die Zweitbeschwerdeführerin stehe in Kontakt mit ihrer Familie.

Zu ihrem Ausreisegrund brachte sie im Wesentlichen vor, dass man in Nepal keine Kühe schlachten dürfe. Ihr Mann und drei Freunde hätten zusammen eine Kuh eines Geschäftsmannes gestohlen, geschlachtet und gegessen. Sie hätten nicht alles aufessen können und versucht, das Fleisch zu vergraben. Der Geschäftsmann habe dies gesehen und gesagt, dass er zur Polizei gehen und darüber berichten werde. Dann seien sie aus vom Dorf geflohen. Dies sei am 18. Push 2067 (nepalesischer Kalender) passiert. Am nächsten Tag sei die Polizei gekommen und die Zweitbeschwerdeführerin habe von jenem Vorfall erfahren. Sie selbst habe keine eigenen Wahrnehmungen zu jenem Vorfall. Die Polizei sei in Folge insgesamt fünf bis sechs Mal gekommen und habe nach ihrem Ehemann gefragt. Die Polizei habe die Familie terrorisiert und bedroht. Die Zweitbeschwerdeführerin sei noch sechs Monate in ihrem Heimatdorf geblieben. Eines Abends wären fünf bis sechs betrunkene Polizisten wieder gekommen und hätten sie in einen Wald mitgenommen und vergewaltigt. Am nächsten Tag habe die Zweitbeschwerdeführerin ihren Heimatort verlassen und sei zu ihrem Onkel nach Baglung gefahren, wo sie ein Jahr geblieben sei. Einmal seien die Polizisten zu ihrem Onkel gekommen, um die Zweitbeschwerdeführerin zum Vorfall mit der Kuh zu befragen, aber ihre Tante habe sie am Dachboden versteckt. Dies sei am 25. Jeshta 2068 (nepalesischer Kalender) passiert. Am selben Tag sei sie zu einer entfernten Cousine nach Kathmandu gegangen und habe dort drei Jahre gelebt. Einmal, nach ca. zwei Jahren, sei die Polizei dorthin gekommen, als die Zweitbeschwerdeführerin gerade einkaufen gewesen sei. Ihre Cousine habe sie angerufen und ihr gesagt, dass sie nicht nach Hause kommen soll. Die Zweitbeschwerdeführerin habe daraufhin ihren Mann angerufen und ihm alles erzählt. Etwa zehn Tage später habe sie das Land verlassen.

Zu ihren Lebensumständen in Österreich erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, dass sie hier – abgesehen von ihrem Ehegatten und ihrem Sohn – keine Verwandten habe. Sie habe einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 besucht und lebe von der Grundversorgung.

Der Zweitbeschwerdeführerin wurden die aktuellen Länderberichte zur Lage in ihrem Herkunftsland vorgehalten und eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt.

Im Zuge der Einvernahme legte die Zweitbeschwerdeführerin ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor.

19. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.10.2017, Zl. W163 1427811-2/14Z, wurde dem Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens stattgegeben und das mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 02.12.2013, Zl. C9 427811-1/2012/2E, abgeschlossene Verfahren gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG wiederaufgenommen.

20. Mit Schreiben vom 25.10.2017 brachte die Zweitbeschwerdeführerin eine Stellungnahme zu den Länderberichten ein.

21. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträg der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Der Zweitbeschwerdeführerin und dem Drittbeschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen beide eine Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

22. Gegen diese Bescheide brachten die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein und führten nach Wiederholung der Fluchtgründe im Wesentlichen aus, dass es die belangte Behörde aus näher genannten Gründen unterlassen habe, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu erheben. In der Folge sei die Beweiswürdigung fehlerhaft und würden die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer tatsächlich in Nepal Verfolgung unterliegen, wobei keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe.

Beantragt wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

23. Am 18.06.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung statt, an welcher der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und ihre Rechtsvertreterin teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist entschuldigt ferngeblieben. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurden die Beschwerdeführer ausführlich zu ihren Fluchtgründen, Rückkehrbefürchtungen und Integrationsbemühungen in Österreich befragt (s. Verhandlungsprotokoll). Den Beschwerdeführern wurden die bereits mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelten aktuellen Länderberichte vorgehalten. Die Beschwerdeführer legten im Zuge der Verhandlung erneut den Polizeibericht samt Übersetzung eines gerichtlich beeideten Dolmetschers (Beilage ./A) sowie ein Konvolut an Integrationsunterlagen (Beilagen ./B und ./C) vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Erstbeschwerdeführers:

Die Identität des Erstbeschwerdeführers steht nicht fest. Er ist Staatsangehöriger von Nepal und gehört der Religionsgemeinschaft der Hindu an. Er stammt aus dem Bezirk Baglung, Provinz XXXX , und hat dort bis zu seiner Ausreise im Jänner 2011 gelebt. Der Erstbeschwerdeführer spricht die Sprachen Nepali und Englisch. Er besuchte neun Jahre die Grundschule und arbeitete zunächst zwei bis drei Jahre als Küchenhilfe bzw. Koch. Danach war er auf der elterlichen Landwirtschaft tätig. Er ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter.

Der Vater des Erstbeschwerdeführers ist verstorben. Seine Mutter und seine Schwester leben im Heimatdorf des Erstbeschwerdeführers in eigenen Häusern und betreiben jeweils eine Landwirtschaft. Sein Bruder hat in Malaysia gearbeitet und ist nun in Portugal auf einer Landwirtschaft tätig und unterstützt dadurch die Familie in Nepal. Seine Schwägerin wohnt ebenso bei der Mutter des Erstbeschwerdeführers und hilft ihr in der Landwirtschaft. Ein Onkel des Erstbeschwerdeführers lebt in Frankreich, die restliche Verwandtschaft in Nepal. Der Erstbeschwerdeführer steht in regelmäßigem telefonischem Kontakt mit seiner Familie.

Er ist seit 15.12.2010 mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet.

Der Erstbeschwerdeführer ist gesund. Er ist strafgerichtlich unbescholten und nimmt Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch.

1.2. Zur Person der Zweitbeschwerdeführerin:

Die Identität der Zweitbeschwerdeführerin steht nicht fest. Sie ist Staatsangehörige von Nepal und gehört der Religionsgemeinschaft der Hindu an. Sie stammt aus dem Bezirk Baglung, Provinz XXXX , wo sie aufgewachsen ist. Nach ihrer Heirat mit dem Erstbeschwerdeführer ist sie in den Haushalt des Erstbeschwerdeführers im selben Bezirk gezogen, wo sie bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2016 lebte. Sie spricht die Sprache Nepali. Sie besuchte zwölf Jahre die Grundschule und hat im bäuerlichen Haushalt mitgeholfen. Sie ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter.

Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin ist verstorben. Ihre Mutter und ein Bruder leben im Heimatdorf der Zweitbeschwerdeführerin in einem eigenen Haus und bewirtschaften eine eigene Landwirtschaft. Ein weiterer Bruder arbeitet in Malaysia und unterstützt dadurch die Familie in Nepal. Ein Onkel der Zweitbeschwerdeführerin ist beim indischen Militär tätig, eine Cousine lebt in Amerika, die weitere Verwandtschaft lebt in Nepal als Landwirte. Die Zweitbeschwerdeführerin steht in Kontakt mit ihrer Familie.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist gesund, strafgerichtlich unbescholten und nimmt Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch.

1.3. Zur Person des Drittbeschwerdeführers:

Der Drittbeschwerdeführer ist der in Österreich geborene minderjährige Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin. Er spricht Nepali und geht noch nicht in den Kindergarten. Für den Drittbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

1.4. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Die Fluchtgründe der Beschwerdeführer sind nicht glaubwürdig und werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt. Der Erstbeschwerdeführer hat in Nepal keine Kuh geschlachtet und wird deshalb auch nicht von der nepalesischen Polizei gesucht. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde nicht aus diesem Grund von nepalesischen Polizisten vergewaltigt.

1.5. Zur Situation der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr:

Im Falle einer Rückkehr nach Nepal können die Beschwerdeführer wieder im Bezirk Baglung im Haus der Mutter des Erstbeschwerdeführers, wo sie schon vor ihrer Ausreise gewohnt haben, leben. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind beide jung, gebildet, arbeitsfähig und gesund und können einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Sie können zudem finanzielle Unterstützung ihrer im Ausland lebenden Brüder in Anspruch nehmen, wie sie das schon vor der Ausreise getan haben. Auch die breite Verwandtschaft der Beschwerdeführer in Nepali könnte die Beschwerdeführer unterstützen. Durch die Abschiebung der Beschwerdeführer in ihr Heimatland würden diese somit – unter Beachtung der Lage im Herkunftsstaat und ihrer individuellen Situation – nicht in ihren Rechten gemäß Art. 2 oder 3 EMRK oder der Zusatzprotokolle Nr. 6 und Nr. 13 verletzt oder würde diese für sie als Zivilpersonen nicht eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen.

1.6. Zur Situation der Beschwerdeführer in Österreich:

Die Beschwerdeführer haben keine Verwandten in Österreich.

Der Erstbeschwerdeführer hat im Jahr 2012 einen Deutschkurse auf dem Niveau A1.1, im Jahr 2014 einen Deutschkurs auf dem Niveau A1.2, im Jahr 2015 einen Deutschkurs auf dem Niveau A1.3 und einen auf dem Niveau A2.1 sowie auf dem Niveau A2.2 besucht und ebenso im Jahr 2015 eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 bestanden. Der Erstbeschwerdeführer hat elementare Deutschkenntnisse. Er hat keine sonstigen Kurse oder Ausbildungen besucht. Er ist nicht ehrenamtlich tätig und hat bislang nicht gearbeitet. Es besteht eine Absichtserklärung über eine Einstellung des Erstbeschwerdeführers in einem indischen Supermarkt zu einem monatlichen Bruttolohn von EUR 1.700,-. Er ist Mitglied in zwei nepalesischen Vereinen in Österreich und hat österreichische Freunde bzw. Bekannte.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat im Jahr 2019/2020 einen Deutschkurs auf dem Niveau A1.1 besucht und nimmt derzeit an einem Kurs auf dem Niveau A1.2 teil. Die Zweitbeschwerdeführerin hat elementare Deutschkenntnisse. Sie hat keine sonstigen Kurse oder Ausbildungen besucht. Sie ist nicht ehrenamtlich tätig und hat bislang nicht gearbeitet. Es besteht eine Absichtserklärung über eine Einstellung der Zweitbeschwerdeführerin in einem nepalesischen Restaurant zu einem monatlichen Nettolohn von EUR 1.200,-. Sie ist Mitglied in einem nepalesischen Verein in Österreich und hat österreichische Freunde bzw. Bekannte.

1.7. Zur Situation im Herkunftsstaat wird folgendes festgehalten:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage bleibt vor allem in urbanen Zentren wie Kathmandu und Pokhara angespannt. Unruhen, Streiks und Anschläge sind zu keiner Zeit auszuschließen (BMEIA 27.5.2019). Nach der erfolgreichen Durchführung der Parlaments- und Lokalwahlen sowie der Arbeitsaufnahme der neuen Amtsträger im Frühling 2018, befindet sich Nepal in einer Konsolidierungsphase. Die politische Lage bleibt fragil und es können jederzeit lokale oder landesweite Kundgebungen und Streiks vorkommen. Im ganzen Land, einschließlich Kathmandu, werden sporadisch Anschläge mit kleineren Sprengsätzen verübt. Sie haben vereinzelte Todesopfer und Verletzte sowie Sachschaden verursacht (EDA 8.3.2019). Im jetzigen politischen Umfeld kommt es in Nepal nur noch gelegentlich zu kurzfristig ausgerufenen „Bandhs“ [Generalstreiks, welche von kommunalen Akteuren oder politische Parteien ausgerufen werden können] zu jedweder Art, welche auch im Kathmandu-Tal, mit Blockaden/Straßensperren. Manchmal werden diese auch gewaltsam durchgesetzt. Nach den bisherigen Erfahrungen können diese Protestaktionen das öffentliche Leben empfindlich stören. Besonders im Terai ist mit Protestaktionen und gewaltsamen, unter Umständen gefährlichen Auseinandersetzungen zu rechnen (AA 28.5.2019).

Kriminelle Organisationen und andere Gruppierungen erpressen in vielen Landesteilen nationale und internationale Organisationen, Geschäftsleute und Einzelpersonen und setzen Forderungen teilweise mit Gewalt durch (AA 28.5.2019).

Insgesamt drei Sprengstoffanschläge, einer davon im Zentrum von Kathmandu, sowie zwei am Stadtrand der nepalesischen Hauptstadt, ereigneten sich am 26. Mai 2019. Gemäß offiziellen Aussagen wird eine maoistische Splittergruppe verdächtigt, die Anschläge verübt zu haben. Die selbe Gruppe soll schon im Februar einen Sprengstoffanschlag in Kathmandu verübt haben, bei welchem eine Person getötet worden ist. Es wurde jedoch bisher von niemandem die Verantwortung für die durchgeführten Anschläge übernommen (BBC 26.5.2019).

Bedenken bestehen hinsichtlich Aktivitäten von indischen Grenzsicherheitskräften, welche außerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche agieren. Darüber hinaus sollen chinesische Grenztruppen an der nördlichen Grenze zur Autonomen Region Tibet gelegentlich auf nepalesischem Territorium operieren (BTI 2018).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (28.5.2019): Nepal – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216, Zugriff 2.7.2019

-        BBC – British Broadcasting Corporation (26.5.2019): Nepal explosions kill four in capital Kathmandu, https://www.bbc.com/news/world-asia-48415620, Zugriff 18.7.2019

-        BMEIA – Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (27.05.2019): Reiseinformation – Nepal, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nepal/, Zugriff 2.7.2019

-        BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427466/488321_en.pdf, Zugriff 18.7.2019

-        EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (08.03.2019): Reisehinweise für Nepal, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/nepal/reisehinweise-nepal.html, Zugriff 2.7.2019

Rechtsschutz und Justizwesen

Die Verfassung von 2015 garantiert eine unabhängige Justiz (BH o.D.). Jedoch bleibt das Justizwesen anfällig für politischen Druck, Bestechung und Drohungen. Das Gerichtswesen ist dreistufig: an der Spitze steht der Oberste Gerichtshof, darunter rangieren Berufungs- und Distriktsgerichte (GIZ 5.2019; vgl. USDOS 13.3.2019).

Durch Militärgerichte wird über all jene Fälle geurteilt, welche militärisches Personal nach dem Militärgesetz betreffen. Das Militärgesetz räumt dabei dem Militärpersonal die gleichen Grundrechte wie der Zivilbevölkerung ein. Bis auf Soldaten, die wegen Vergewaltigung oder Mordes angeklagt sind und zur Strafverfolgung an zivile Behörden übergeben werden, verfolgt die Armee alle anderen Strafverfahren, die gegen Soldaten im Rahmen der Militärgerichtsbarkeit eingeleitet werden (USDOS 13.3.2019).

Die Regierung hat das Gesetz zur Untersuchung von Fällen verschwundener Personen, Wahrheit und Versöhnung, nicht wie vom Obersten Gerichtshof in den Jahren 2014 und 2015 angeordnet, abgeändert. Bis Ende des Jahres hatten die Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) und die Commission for the Investigation of Enforced Disappeared Persons (CIEDP) über 60.000 bzw. 3.000 Beschwerden zu Menschenrechtsverletzungen wie Mord, Folter und Verschwindenlassen durch staatliche Sicherheitskräfte, wie auch Maoisten während des Bürgerkrieges von 1996 bis 2006 gesammelt. Effektive Untersuchungen fanden jedoch nicht statt. Ein akuter Mangel an Ressourcen und Kapazitäten beeinträchtigt die Möglichkeiten der beiden Organe, Aufklärung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu erreichen (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

Die NA [Nepal Army] hat sich bereiterklärt, mit der Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) und der Commission for the Investigation of Enforced Disappeared Persons CIEDP zusammenzuarbeiten (USDOS 13.3.2019).

Unsichere Eigentumsrechte stellen für Einkommensschwache ein besonderes Problem dar, da es diesem Personenkreis oft an einer geeigneten Dokumentation mangelt, um einen Anspruch auf Grund und Boden bei der Verwaltung und bei örtlichen Gerichten durchzusetzen (BTI 2018).

Die Behörden setzen Gerichtsbeschlüsse, einschließlich Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, nicht konsequent um. Der Respekt für die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen und das Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane sind erodiert. Die formelle Justiz ist in Nepal für Konfliktparteien oft kaum erreichbar, unzuverlässig und zu teuer. Die weit verbreitete Korruption der Polizeibehörden und der Staatsverwaltung trägt dazu bei, dass die Bevölkerung kein Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane setzt (GIZ 5.2019; vgl. USDOS 13.3.2019).

Durch den Obersten Gerichtshof wurden mehrere politische Führer wegen Korruption anklagt und mutige Entscheidungen mit Bezug auf Übergangsjustiz, Staatsbürgerschaft und Quoten getroffen (BTI 2018).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 18.7.2019

-        BH – Brockhaus (o.D.): Nepal Recht, https://brockhaus.at/ecs/enzy/article/nepal-20/staat-und-recht/recht, Zugriff 18.7.2019

-        BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427466/488321_en.pdf, Zugriff 18.7.2019

-        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2019): Nepal – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 18.7.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019

Sicherheitsbehörden

Die Aufgabe der Nepal Police (NP) ist die Durchsetzung von Recht und Ordnung, während die Armed Police Force (APF) für die Terrorismusbekämpfung, die Gewährleistung der Sicherheit während Ausschreitungen und öffentlichen Unruhen, Unterstützungsleistungen bei Naturkatastrophen und für den Schutz wichtiger Infrastruktur zuständig ist. NP und APF verfügen jeweils über eine Menschenrechtsabteilung (HRS), die National Army (NA) über eine Menschenrechtsdirektion (HRD). Die Untersuchungen der NA waren nach Ansicht von Menschenrechts-NGOs nicht vollständig transparent (USDOS 13.3.2019).

Zwar hat durch die Regierung Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte untersucht, jedoch wurden die Verantwortlichen nicht systematisch zur Verantwortung gezogen. Sicherheitskräften, welchen vorgeworfen wird, in den letzten Jahren exzessive Gewalt angewendet zu haben, sehen sich ebenso wenig wie die meisten Täter aus der Zeit des Bürgerkrieges [1996-2006] keiner nennenswerten Rechenschaftspflicht ausgesetzt (USDOS 13.3.2019).

Die NA hat die Menschenrechtsausbildung in ihre militärischen Ausbildungen integriert und in allen Einheiten fortlaufend geschult. Jede Brigade verfügt über einen designierten Menschenrechtsbeauftragten, die verschiedenen Dienststellen wiederum über Menschenrechtspersonal. Ebenso haben NP und APF die Ausbildung in Menschenrechtsfragen in ihre allgemeinen Ausbildungspläne für Sicherheitskräfte aufgenommen. Durch die HRS wurden Broschüren veröffentlicht, in denen die besten Praktiken im Bereich der Menschenrechte für die Polizeibeamten beschrieben werden. Von mobilen Trainingsteams werden auch abgelegene Gebiete des Landes erreicht, um die Beamten über die Menschenrechte und die Grundsätze einer demokratischen Polizei zu informieren. Durch diese Maßnahmen konnten gemäß den Angaben von HRS viele geringfügige Menschenrechtsverletzungen einschließlich körperlicher und verbaler Missbräuche, beseitigt werden, sodass sich die HRS im Bedarfsfall auf schwere Fälle konzentrieren kann. Die NP hat die Menschenrechte in alle Ausbildungsebenen integriert und deckt im Laufe des Jahres fast 15.000 Personen ab. Dennoch bleiben mangelnde Bestrafung oder Rechenschaftspflicht für polizeiliche Missbräuche als Problemstellungen bestehen (USDOS 13.3.2019).

Bemühungen, die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen zu gewährleisten, werden weiterhin dadurch stark untergraben, dass die Polizei die zur Einleitung von Ermittlungen erforderlichen Berichte (First Information Reports) nicht anfertigt, keine Untersuchungen anstellt und gerichtliche Anweisungen nicht befolgt. Dies gilt selbst in Fällen von mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen, Menschenhandel, geschlechtsspezifischer Gewalt sowie von Folter und anderen Misshandlungen (AI 24.2.2016).

Angebliche unangemessene Gewaltanwendungen durch die Sicherheitskräfte bei den Protesten im Zeitraum August 2015 bis Februar 2016 – besonders in der Region Terai – werden kritisiert und als erhebliches Menschenrechtsproblem betrachtet (USDOS 3.3.2017).

Im Zeitraum von 2017 bis 2018 gingen bei der Menschenrechtsabteilung der nepalesischen Polizei insgesamt 144 Menschenrechtsverletzungsklagen ein, für welche 67 Polizisten zur Rechenschaft gezogen worden sind. Die nepalesische Armee erklärt, dass im selben Zeitraum keine Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen bei der Menschenrechtsdirektion eingegangen sind (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 18.7.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019

-        USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2018

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter und durch das neu verabschiedete Strafrecht wird Folter kriminalisiert. Das Folterausgleichsgesetz sieht eine Entschädigung für Folteropfer vor. Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten und Rechtsexperten hat die Polizei schweren Missbrauch, sowie Misshandlungen eingesetzt, um Geständnisse zu erzwingen. Die lokale Menschenrechts-NGO-Advocacy-Forum (AF) berichtete, dass tendenziell keine Anzeichen für größere Veränderungen des polizeilichen Missbrauchs im ganzen Land bestehen, weist aber darauf hin, dass die Polizei zunehmend der Forderung der Gerichte nach einer medizinischen Voruntersuchung der Häftlinge nachkommt. Die Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA), eine weitere lokale NGO, erklärt, dass Folteropfer oftmals aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen zögern, Beschwerden wegen polizeilicher oder anderer offizieller Einschüchterungen einzureichen. Laut THRDA haben die Gerichte viele Fälle von angeblicher Folter mangels glaubwürdiger Beweise, insbesondere medizinischer Unterlagen, abgewiesen. In Fällen, in denen Gerichte Entschädigung gewährten oder Disziplinarmaßnahmen gegen die Polizei anordneten, wurden die Entscheidungen laut THRDA und anderen NGOs selten umgesetzt. In einigen Fällen haben sich Opfer unter dem Druck der Täter außergerichtlich geeinigt (USDOS 13.3.2019).

THRDA berichtete, dass 34 Prozent der Häftlinge in Polizei-Haftanstalten im südlichen Terai-Gürtel des Landes körperlichem und/oder psychischem Missbrauch ausgesetzt waren. Nach Angaben der Nepal Police Human Rights Section (HRS) wurden viele dieser mutmaßliche Vorfälle von keiner Polizeibehörde offiziell gemeldet oder untersucht (USDOS 13.3.2019).

Darüber hinaus gibt es keine institutionelle Reform der Sicherheitskräfte, welchen vorgeworfen wird, während des bewaffneten Bürgerkrieges zwischen 1996 und 2006, Folter, Mord und Vertreibung begangen zu haben. Einige mutmaßliche Kriegsverbrecher sind in der Regierung tätig (FH 2019). Es wurden keine Fälle von Foltervorwürfen in der Zeit des Bürgerkrieges an die Strafjustiz herangetragen (USDOS 13.3.2019).

Während der Untersuchungshaft kommt es nach wie vor zu Fällen von Folter - etwa um Geständnisse zu erzwingen. Das neue Strafgesetz, welches durch das Parlament im August 2017 verabschiedet wurde, enthält Bestimmungen, welche Folter und andere Misshandlungen unter Strafe stellen und Verstöße dagegen, mit einer Höchststrafe von fünf Jahren ahnden. Ein eigenständiges Anti-Folter-Gesetz, welches im Parlament anhängig bleibt, entspricht bei weitem nicht den völkerrechtlichen Anforderungen (AI 22.2.2018).

Die Regierung verhindert gründliche Untersuchungen bzw. das Ergreifen schwerwiegender Disziplinarmaßnahmen gegen Polizisten, die wegen Brutalität und Folter angeklagt wurden. Der UN-Ausschuss gegen Folter stellte fest, dass die Folterung von Verdächtigen in Untersuchungshaft weit verbreitet ist. Amnesty International berichtet von Fällen von Folterung von Frauen und Kindern (FH 27.1.2017).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 18.7.2019

-        FH – Freedom House (2019): Freedom in the World 2019, Nepal, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/nepal, Zugriff 18.7.2019

-        FH – Freedom House (27.1.2017): Freedom in the World 2016 – Nepal, http://www.ecoi.net/local_link/327723/468405_de.html, Zugriff 18.7.2018

-        USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Hunderttausende Überlebende des Erdbebens von 2015 (fast 70 Prozent der Betroffenen) leben noch immer in Notunterkünften. Die Regierung hat einen Nachweis des Grundbesitzes als Bedingung für den Erhalt einer Wiederaufbauförderung festgelegt. Da jedoch bis zu 25 Prozent der Bevölkerung dieses Kriterium nicht erfüllt haben, sind zehntausende der Überlebenden des Erdbebens nicht förderfähig. Die Situation betrifft vor allem marginalisierte und benachteiligte Gruppen, darunter Frauen, Dalits, wie auch andere ethnische Minderheiten und Kasten (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

Zu weiteren Menschenrechtsproblemen gehören Berichten zu Folge unrechtmäßige oder willkürliche Tötungen, Folter, grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und willkürliche Inhaftierung, Blockaden von Stätten, Verleumdung, Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, übermäßig restriktive Gesetze gegenüber Nichtregierungsorganisationen (NGO), Korruption, Menschenhandel, frühe und erzwungene Heirat, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen, insbesondere von gebietsansässigen Tibetern, mangelnde offizielle Rechenschaftspflicht im Zusammenhang mit Diskriminierung und Gewalt, einschließlich Vergewaltigungen von Frauen, sowie der Einsatz von Zwangs-, Pflicht- und Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019).

Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige „unberührbarer Kasten“ (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 5.2019). Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Kaste, der sozialen Klasse, der Ethnie, der sexuellen Orientierung oder der Religion sind häufig (IHR 17.8.2019). Zuverlässige Daten über die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten liegen nicht vor, doch berichten Interessenverbände, dass 2018 sexuelle Minderheiten von der Polizei schikaniert worden sind. In einem Fall erhielten die Opfer eine formelle Entschuldigung und die entstandenen medizinischen Kosten wurden von der Polizei übernommen (USDOS 13.3.2019).

Die staatliche Durchsetzung der Gesetze gegen Zwangsarbeit ist uneinheitlich und die soziale Wiedereingliederung der Opfer bleibt schwierig. Die Ressourcen, Inspektionen und Abhilfemaßnahmen stellen sich ungenügend dar und die Strafen bei Rechtsverletzungen sind nicht ausreichend, um Verstößen vorzubeugen. Es besteht eine fehlende formale Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit Zwangs-, Pflicht- und Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019).

Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen aufzuklären (GIZ 5.2019).

Die Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission; TRC) und die Untersuchungskommission für verschwundene Personen (Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons, CIEDP) begannen im Februar 2015 mit der Untersuchung von Beschwerden über das Verschwinden von Personen aus der Zeit des Bürgerkrieges. Im Oktober 2018 berichteten Menschenrechtsexperten, dass weder durch den TRC noch durch die CIEDP wesentliche Fortschritte dabei erreicht worden sind (USDOS 13.3.2019).

Zwar wurden durch die TRC und die CIEDP im Jahre 2018 in ganz Nepal umfangreiche Anhörungen durchgeführt, doch blieben die Bedenken hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, insbesondere bei der Communist Party of Nepal–Maoist (CPN-M), welche Anfang 2018 der regierenden Partei in der neuen Regierung beigetreten ist, bestehen. Aufgrund von Mängeln in der Gesetzgebung zur Einrichtung der Übergangsjustizmechanismen verpflichtete sich der Generalstaatsanwalt im Juni 2018, Gesetze mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen und Amnestieklauseln für Täter zurückzuziehen. Dennoch befinden sich Personen, welche sich glaubwürdigen Anschuldigungen ausgesetzt sehen, weiterhin in Machtpositionen. An Gerichten eingereichte Fälle sind nach wie vor nicht beendet, da die Polizei und die zuständigen Behörden sich weigern, Ermittlungen durchzuführen, die es ermöglichen würden, Anklageerhebungen und Strafverfolgungsmaßnahmen durchzuführen. Die wichtigsten politischen Parteien bestehen weiterhin darauf, dass es sich um politische Fälle handelt und dass diese nicht von ordentlichen Gerichten behandelt werden sollten (HRW 17.1.2019).

Am 9. Februar 2019 sollte das Mandat der nepalesischen Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) und der Untersuchungskommission für verschwundene Personen (CIEDP) auslaufen. Da keine der beiden Kommissionen auch nur eine Untersuchung der Zehntausenden von Beschwerden von Opfern von Menschenrechtsverletzungen, mit denen das Land während des jahrzehntelangen maoistischen Konflikts (1996-2006) zu kämpfen hatte, abgeschlossen hatte, hätte dies ein Ende des Übergangsrechtsprozesses bedingt, welcher allgemein als Misserfolg angesehen worden wäre. So wurde durch die nepalesische Regierung als Reaktion auf den Druck der internationalen Gemeinschaft und der Opfergruppen die Mandatszeit der Kommission um ein weiteres Jahr verlängert, um den Prozess der Übergangsjustiz weiter voranzutreiben. Obwohl die Verlängerung vorsichtig begrüßt wurde, steht die Durchsetzung einer angemessenen Justiz für die Opfer von konfliktbedingten Menschenrechtsverletzungen weiterhin vor anhaltenden Herausforderungen und erneuten Ungewissheiten (TI 12.2.2019).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 18.7.2019

-        AI – Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights – Nepal, http://www.ecoi.net/local_link/336579/479257_de.html, Zugriff 19.7.2019

-        AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 18.7.2019

-        BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427466/488321_en.pdf, Zugriff 18.7.2019

-        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2019): Nepal – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 18.7.2019

-        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002254.html, Zugriff 18.7.2019

-        IHR – Informationsplattform humanrights.ch (17.8.2018): Länderinformation: Menschenrechte in Nepal, https://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/nepal/, Zugriff 19.,7.2019

-        TI – The Interpreter (12.2.2019): Nepal’s Truth and Reconciliation Commission limps on, https://www.lowyinstitute.org/the-interpreter/nepal-truth-and-reconciliation-commission-limps, Zugriff 22.7.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019

Haftbedingungen

Laut Menschenrechtsorganisationen entsprechen die Haftbedingungen, insbesondere jene der Untersuchungshaftanstalten nicht internationalen Standards. Die Staatsanwaltschaft (Office of the Attorney General OAG) berichtet, dass in 31 besichtigten Gefängnissen mit einer Gesamtkapazität von 4.308 Plätzen, insgesamt 7.909 Verurteilte einsitzen. Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) erklärt, dass die Überbelegung in den Haftanstalten ein ernsthaftes Problem bleibt (USDOS 13.3.2019). Weitere Probleme sind Folter und Misshandlung von Männern, Frauen und Kindern (IHR 17.8.2018).

Laut der lokalen Menschenrechts-NGO-Advocacy-Forum (AF) stellen sich die medizinischen Untersuchungen für Häftlinge im Allgemeinen oberflächlich dar und die medizinische Versorgung für Häftlinge mit schweren Erkrankungen ist auf schlechtem Niveau. Gefangene und Häftlinge der 31 durch die Staatsanwaltschaft inspizierten Haftanstalten berichten, dass ihnen regelmäßige medizinische Untersuchungen und Behandlungen vorenthalten werden. Laut THRDA fehlten den meisten Gefängnissen separate Einrichtungen für Frauen, Kinder und Menschen mit Behinderungen. AF berichtet, dass einige Häftlinge aufgrund des Mangels an Betten auf dem Boden schlafen und nur Zugang zu ungefiltertem, schmutzigem Wasser und unzureichender Nahrung haben. Viele Haftanstalten verfügen über eine schlechte Belüftung, Beleuchtung, Heizung und Bettwäsche. Einige Hafteinrichtungen halten Untersuchungshäftlinge zusammen mit verurteilten Gefangenen fest. Aufgrund des Fehlens angemessener Jugendstrafanstalten inhaftieren Behörden manchmal Kinder in Untersuchungshaft mit Erwachsenen oder erlauben Kindern, mit ihren inhaftierten Eltern in Haft zu bleiben (USDOS 13.3.2019).

Allgemein gestattet die Regierung in Gefängnis- und Untersuchungshaftzentren Monitoringbesuche durch die OAG, die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC), die Nationale Frauenkommission und die Nationale Dalit-Kommission, sowie durch Anwälte der Angeklagten. THRDA und AF berichten jedoch, dass sie und einige andere NGOs oft daran gehindert werden, sich mit Gefangenen zu treffen oder Zugang zu Haftanstalten zu erhalten, obwohl einigen unabhängigen Menschenrechtsbeobachtern, einschließlich der Vereinten Nationen und internationaler Organisationen, ein solcher Zugang gewährt wird (USDOS 13.3.2019).

Zwar werden durch das Gesetz willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen verboten, doch sollen Sicherheitskräfte im Laufe des Berichtzeitraumes willkürliche Verhaftungen durchgeführt haben. Leitenden Bezirksbeamten wird vom Gesetz dazu ein großer Spielraum für Verhaftungen gewährt. Menschenrechtsgruppen behaupten, dass die Polizei ihre 24-Stunden-Haftvollmacht missbraucht, indem sie Personen rechtswidrig, in einigen Fällen ohne angemessenen Zugang zu Rechtsbeistand, Verpflegung und medizinische Versorgung oder in unzureichenden Einrichtungen festgehalten hat (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        FH – Freedom House (27.1.2017): Freedom in the World 2016 – Nepal, http://www.ecoi.net/local_link/327723/468405_de.html, Zugriff 18.7.2019

-        IHR – Informationsplattform humanrights.ch (17.8.2018): Länderinformation: Menschenrechte in Nepal, https://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/nepal/, Zugriff 19.7.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019

Frauen

Die Verfassung enthält Bestimmungen, welche eine geschlechtsspezifische Diskriminierung zulassen. Diskriminierung von Frauen und Mädchen stellt ein anhaltendes Problem dar (USDOS 13.3.2019). Frauen, werden im öffentlichen Leben regelmäßig diskriminiert und sind vom Zugang zu Ressourcen und Machtpositionen ausgeschlossen (BTI 2018). Zwar errangen Frauen bei den Kommunalwahlen aufgrund von Quotenregelungen 41 Prozent der Sitze, doch bleiben höhere Posten überwiegend von Männern besetzt. Während die Verfassung ein Drittel der Sitze im Parlament für Frauen vorsieht, waren nur 7 Prozent der Direktwahlkandidaten für die Parlamentswahlen Frauen (HRW 18.1.2018).

Häusliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen bleibt ein ernsthaftes Problem. Nichtregierungsorganisationen berichten, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen, einschließlich Früh- und Zwangsheirat, einer der Hauptfaktoren für den als relativ schlecht zu bezeichnenden Gesundheitszustand von Frauen, deren unsichere Existenzsicherung und ihre unzureichende soziale Mobilisierung darstellt und zur intergenerationellen Armut beiträgt. Darüber hinaus schränkte die nach wie vor weit verbreitete Praxis der Früh- und Zwangsheirat den Zugang von Mädchen zur Bildung ein und erhöhte ihre Anfälligkeit für häusliche Gewalt und sexuellen Missbrauch, einschließlich dem Sexhandel (USDOS 13.3.2019). Nepal erreicht in Asien den dritthöchsten Wert an geschlossenen Kinderehen. 37 Prozent der Mädchen heiraten vor dem 18. Lebensjahr, 10 Prozent sogar vor dem 15. Lebensjahr. 2016 startete die Regierung eine nationale Strategie mit dem Ziel, Kinderehen bis 2030 zu beenden, doch sind die Maßnahmen zur Umsetzung des Plans inzwischen ins Stocken geraten (HRW 17.1.2019).

Das Gesetz über häusliche Gewalt von 2009 ermöglicht es, Beschwerden bei Fällen häuslicher Gewalt durch Mediation mit Schwerpunkt auf Versöhnung beizulegen. Durch die Behörden wird eine Strafverfolgung in diesem Rahmen in der Regel nur dann durchgeführt, wenn die Mediation fehlgeschlagen ist (USDOS 13.3.2019).

Im neuen Strafgesetz bleiben die Strafbestimmungen für Vergewaltigungen und deren gesetzliche Verjährungsfristen noch weit hinter internationalen Standards und dem Völkerrecht zurück. Geschlechtsspezifische Diskriminierung untergräbt weiterhin die Möglichkeiten von Frauen und Mädchen, über ihre Sexualität zu bestimmen, eine angemessene Gesundheitsfürsorge für Schwangere und Mütter in Anspruch zu nehmen, Entscheidungen zum Thema Fortpflanzung zu treffen oder eine verfrühte bzw. erzwungene Ehe anzufechten (AI 22.2.2018).

Ein 2017 beschlossenes Gesetz kriminalisiert Chaupadi, eine Praxis, welche Frauen und Mädchen während der Menstruation aus ihren Häusern in Schuppen oder isolierte Dunkelräume zwingt (HRW 18.1.2018). Doch wird diese Praxis in abgelegenen Gebieten mangels Durchsetzung weiter betrieben (HRW 17.1.2019; vgl. BBC 10.1.2019).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 18.7.2018

-        BBC - British Broadcasting Corporation (10.1.2019): Nepal woman and children die in banned 'menstruation hut', https://www.bbc.com/news/world-asia-46823289, Zugriff 22.7.2019

-        BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427466/488321_en.pdf, Zugriff 18.7.2019

-        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002254.html, Zugriff 17.7.2019

-        HRW – Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Nepal, https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/nepal, Zugriff 18.7.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht Bewegungs- und Reisefreiheit, aber auch das Recht auf Emigration und Rückkehr vor. Eine Ausnahme bilden Flüchtlinge; diese müssen bezüglich ihrer Bewegungsfreiheit oft gesetzlich geregelte Einschränkungen hinnehmen. Die Einschränkungen der Flüchtlingsbewegungen werden aber nicht einheitlich durchgesetzt. Die Regierung stellt seit 20 Jahren keine Ausweisdokumente für tibetische Flüchtlinge mehr aus. Es gibt Berichte über Vertriebene aus Tibet, die aufgrund fehlender Personaldokumente an Kontrollpunkten von der Polizei schikaniert oder zurückgeschickt werden. Um Frauen vor Menschenhandel oder Misshandlung zu schützen, führte die Regierung für Frauen ein Mindestalter von 24 Jahren für Auslandsreisen zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung ein. Diese Regelung wird jedoch von NGOs und Menschenrechtsaktivisten als diskriminierend und kontraproduktiv empfunden, da so Frauen auf informellem Weg über die indische Grenze migrieren, was sie anfälliger für Menschenhandel macht (USDOS 13.3.2019). Rekrutierungsunternehmen nutzen weiterhin ihren politischen Einfluss, um Ermittlungen, Strafverfolgung und Wiedergutmachungen für Missbrauch und Ausbeutung von Migranten zu verhindern (AI 22.2.2018).

In Folge der schweren Erdbeben im Jahr 2015 gibt es im ganzen Land weiterhin Schäden an der Infrastruktur und unpassierbare Straßen. In Nepal kommt es vereinzelt zu kurzfristig ausgerufenen „Bandhs“ (Zwangsstreiks), mit Blockaden bzw. Straßensperren, auch im Kathmandu-Tal, die teilweise auch gewaltsam durchgesetzt werden. Diese können das öffentliche Leben empfindlich stören und zu Behinderungen im Reiseverkehr führen (AA 28.5.2019).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (28.5.2019): Nepal – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216, Zugriff 2.7.2019

-        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 18.7.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019

Grundversorgung und Wirtschaft

Der zehnjährige Bürgerkrieg hat die wirtschaftliche Entwicklung Nepals deutlich beeinträchtigt. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum bewegte sich in den letzten Jahren real zwischen 2 und 5 Prozent. Die schweren Erdbeben vom April und Mai 2015 haben zu einem weiteren Einbruch der Wirtschaft geführt. Nepal ist nach den Bürgerkriegsländern Jemen und Afghanistan das drittärmste Land Asiens und zählt weiterhin zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Im multidimensionalen Armutsindex von wird die Armut der Bevölkerung allerdings minimal geringer eingeschätzt als beispielsweise auch in Bangladesch oder Myanmar. Die nepalesische Wirtschaft ist faktisch weitgehend privatwirtschaftlich verfasst, aber auch geprägt durch starre sozialstaatliche Elemente sowie durch privilegierte Staatsunternehmen. Ausgeprägte Bürokratie sowie eine unzureichende Infrastruktur beeinträchtigen das Investitionsklima. Die subsistenz-orientierte Agrarwirtschaft erwirtschaftet mehr als 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und beschäftigt mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen. Trotz einer rapiden Urbanisierung leben noch immer 81 Prozent der Bevölkerung im ländlichen Raum. Der industrielle Sektor erholte sich 2016/17 und wuchs um 11 Prozent. Wichtige Impulse für das Baugewerbe gehen vom Wiederaufbau und den ins Auge gefassten Investitionen in Infrastrukturprojekte wie Straßen- und Kraftwerksbau aus. Die Überweisungen nepalesischer Auslandsmigranten machen geschätzt zwischen 26 und 30 Prozent des BIP aus – ein im internationalen Vergleich sehr hoher Anteil. Positiv dürfte sich auswirken, dass eine Serie von Gesetzesprojekten zur Förderung von Auslandsinvestitionen und Binnenwirtschaft in Angriff genommen wurden. Zuwendungen aus der Entwicklungszusammenarbeit trugen in vergangenen Jahrzehnten einen substanziellen Teil zum nepalesischen Staatsbudget bei. Auch heute ist Nepal weitgehend von ausländischer Hilfe abhängig (AA 22.1.2019; vgl. GIZ 5.2019a).

Es existieren keine zuverlässigen Erhebungen zur Arbeitslosigkeit. Die offizielle Erwerbslosenquote ist relativ niedrig (2016: 3,2 Prozent), Unterbeschäftigung ist jedoch weit verbreitet (BTI 2018). Die politische Instabilität und die schwere wirtschaftliche Krise treiben weiterhin Massen von jungen Nepalesen ins Ausland. Wegen der offenen Grenzen ist die Migration ins Ausland nicht dokumentiert. Schätzungen gehen davon aus, dass heute 4 bis 5 Millionen Nep

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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