TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/7 W195 2229080-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.09.2020
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Entscheidungsdatum

07.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W195 2229080-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2020, Zl XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.08.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 06.12.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Befragung am 06.12.2016 gab der BF an, er sei mit einem Schüler/Studentenvisum am 01.01.2016 in Österreich eingereist. Als er erfahren habe, dass seine Familie von der Awami League belästigt wurde, sei er am 01.11.2016 nach Bangladesch geflogen und nahm an Parteiaktivitäten der BNP vom 07.11.2016 bis 14.11.2016 teil. Daraufhin sei er von Mitgliedern der gegnerischen Awami League als auch von staatlichen Behörden schikaniert worden. Deshalb sei er am 24.11.2016 nach Österreich zurückgeflogen. In Österreich angekommen habe ihm seine Familie mitgeteilt, dass gegen den BF eine Klage anhängig sei; in dieser Klage werde ihm vorgeworfen, am 30.12.2015 bei einem Vorfall beteiligt gewesen zu sein, bei dem Schüsse fielen und Sachbeschädigungen erfolgten. Sein Name sei später in die Anzeige eingefügt worden.

Am 19.06.2018 erfolgte die Einvernahme des BF vor dem BFA.

Im Zuge der Einvernahme gab der BF an, dass er in XXXX , Bangladesch, geboren wurde und der Religion des Hinduismus zugehörig sei. Seine Eltern, seine zwei Schwestern und ein Bruder seien in Bangladesch wohnhaft, ein Bruder in Malaysia. Er habe zu ihnen regelmäßig Kontakt.

In Österreich habe er keine Verwandten, keine Kinder und keine Beziehung.

In Österreich lebe er von der Grundversorgung. Er habe ein Deutsch-Zertifikat der Kategorie B1; darüber hinaus legte der BF mehrere Vereinsbestätigungen vor.

Als Fluchtgrund nannte der BF, dass er im November 2016 an Widerstandsbewegungsprogrammen der BNP teilgenommen habe. Daraufhin hätten ihm Leute aus der Ortschaft mit dem Tod bedroht. Er sei deshalb am 24.11.2016 nach Österreich abgereist. Ein paar Tage danach habe ihm sein Vater erzählt, dass eine Anzeige gegen den BF existiere. Nachgefragt gab der BF an, von radikalen Muslime auch deshalb bedroht worden zu sein, weil er Hindu sei. Er sei seit 2008 Generalsekretär im XXXX . In seinem Dorf gäbe es ungefähr 4.000 Einwohner, ca 1.500 wären Hindus. Man könne in seinem Dorf hinduistische Riten durchführen.

Im Rahmen dieser Einvernahme wurden vom BF Dokumente (u.a. Anklageschrift, Haftbefehl und Verfahrensunterlagen) vorgelegt, welche vom BFA einer Übersetzung zugeführt wurden. Die übersetzte Anklageschrift 653 über die Ereignisse vom 30.12.2015 trägt das Datum 23.11.2016. Darüber hinaus wurden Gerichtsprotokolle sowie die Anzeige 1/2016 vorgelegt und übersetzt. Weitere Angaben konnte der BF hinsichtlich seines Fluchtgrundes nicht machen.

Am 23.12.2019 erfolgte eine weitere Einvernahme des BF, welcher in diesem Zusammenhang zahlreiche Dokumente, welche seine Integrationsfortschritte beweisen sollten, vorlegte. Dazu zählten insbesondere ein Deutsch-Zertifikat Niveau B2, ein Arbeitsvorvertrag sowie Unterlagen zur Selbstständigkeit des BF.

Hinsichtlich seiner Fluchtgeschichte wiederholte der BF sein bisheriges Vorbringen. Bei der Ausreise aus Bangladesch habe der BF keine Probleme gehabt; er führe dies darauf zurück, weil der Haftbefehl erst vier bis fünf Monate später erging.

Bei seinen Protesten im November 2016 seien ihn radikale Islamisten und örtliche Al-Führer angegangen; nach Rücksprache mit seinen BNP-Brüdern hätte er daraufhin bei der Polizeistation eine Anzeige bzw. einen Eintrag ins Tagesprotokoll (GD) machen wollen. Nachdem sich die Polizisten geweigert hätten, dies aufzunehmen, habe er eine Beschwerde bei der XXXX bzw beim XXXX eingebracht. Daraufhin habe die Polizei bei ihm zu Hause eine Razzia durchgeführt. Der BF sei an diesem Tag bei einem Freund, der Geburtstag hatte, gewesen, sei aus Furcht nicht mehr zurückgekehrt und habe den nächstmöglichen Flug nach Österreich genommen, wo er legal mit dem Schüler/Studentenvisum eingereist sei.

Seine Aufgabe als Generalsekretär bei der Demonstration sei gewesen, die Leute zusammenzubringen und zu mobilisieren.

Befragt, welche konkrete Bedrohung die radikalen Islamisten und AL-Führer ihm gegenüber gemacht hätten, antwortete der BF: „Ich sagte bereits, dass seit 1971, der Unabhängigkeit die Hindus auf 3 % gesunken sind. Dies ergibt sich durch die Verfolgung der Regierung. Im Zuge der Demo habe ich dagegen protestiert und demonstriert, dass wir als Minderheit nicht geschützt werden. Die örtlichen Muslime und radikalen Islamisten haben es nicht gut gefunden und fingen an mich mit dem Tod zu bedrohen“. Da diese Antwort wieder nur allgemein gehalten war, versuchte des BFA noch eine konkretere Antwort zu erhalten. Daraufhin meinte der BF: „Manche waren mir bekannt, manche unbekannt. Sie haben mich mit dem Tod auf der Straße bedroht. Sie haben mich angehalten und gestupst. Ich habe bereits in der letzten Einvernahme erzählt, dass ich in der Unterkunft mit Ziegelstücken beworfen wurde. Manchmal habe ich Drohbriefe bekommen.“

Gefragt, wieso er im April 2017 bereit gewesen sei, freiwillig nach Bangladesch zurückzukehren, meinte der BF, er sei zu diesem Zeitpunkt depressiv gewesen. Er hätte damals eine Freundin in Deutschland gehabt, welche aber ein gemeinsames Kind abgetrieben habe. Seine Mutter habe ihm jedoch gesagt, dass er in Österreich bleiben solle.

Da nach der deutschen Übersetzung der Anzeige 1/2016 der Name des BF nicht vorkommt, wurde dieser gefragt, was er dazu sagen könne; der BF meinte lediglich, dass sein Name erst nachträglich eingefügt worden sei. Er könne sich auch nicht erklären, wieso in der Anklageschrift er unter der Überschrift „Name und Adresse der Angeklagten, die in Verwahrungshaft sind für die Verhandlung – auf Kaution oder Bürgschaft auf freiem Fuß“ stünde.

Der BF befürchte bei seiner Rückkehr nach Bangladesch die sofortige Verhaftung und Freiheitsstrafe. Der BF stellte deshalb den Antrag, auf Ermittlung des Strafverfahrens in Bangladesch.

Danach wurde die vom BF namhaft gemachte Zeugin XXXX vernommen, welche sich als Freundin des BF darstellte. Sie seien seit fünf Monaten zusammen. Sie sei geschieden, habe eine Tochter und derzeit bei der Firma XXXX beschäftigt. Über die Fluchtgründe oder das politische Engagement des BF war der Zeugin nichts bekannt.

Der BF gab sodann mehrere Stellungnahmen zum Länderbericht ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.01.2020 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Es seien auch keine Anhaltspunkte, die für die Gewährung subsidiären Schutzes sprechen würden, hervorgekommen. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

Mit einen, den konkreten Beschwerdefall wenig berührenden Schriftsatz vom 25.02.2020 wurde der Bescheid des BFA vom 29.01.2020 seitens des – durch die XXXX vertretenen – BF wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang angefochten.

Zusammengefasst wurde begründend ausgeführt, das BFA hätte zusätzliche Länderfeststellungen zu treffen und diese neu zu bewerten gehabt. Das BFA hätte die in der Beschwerde angeführten Berichte, die veraltet seien, aktualisieren müssen und hätte zu dem Schluss kommen müssen, dass das Vorbringen des BF mit den aktuellen Länderberichten im Einklang stünde und eine asylrelevante Verfolgung bzw. eine aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage zu erwartende Verletzung der Rechte nach Art 2 und 3 EMRK drohe. Auch habe sich das BFA nicht mit der Relevanz des Art 8 EMRK auseinander gesetzt. Im Übrigen habe der BF ein stringentes und nachvollziehbares Fluchtvorbringen erstattet, sein Vorbringen sei nicht erfunden, unglaubwürdig oder oberflächlich.

Hinsichtlich der Prüfung einer innerstaatliche Fluchtalternative habe das BFA nicht die gebotene Einzelfallprüfung durchgeführt. Im Weiteren rügt die Beschwerde mit näherer Begründung eine Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung. Der Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig.

Es wurden die Anträge gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, alle Rechtswidrigkeiten amtswegig aufzugreifen, den angefochtenen Bescheid – allenfalls nach Verfahrensergänzung – zu beheben und dem BF Asyl zu gewähren, in eventu, Spruchpunkt II. zu beheben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu, Spruchpunkte III. und IV. aufzugeben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt werde und dem BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werde, in eventu den Bescheid im angefochtenen Umfang „ersatzlos“ zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung das BFA zurückzuverweisen.

Mit Schreiben vom 26.02.2020 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt (Stand April 2020) der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 12.08.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

Am 12.08.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des BF, einer Dolmetscherin für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Der BF leidet an einem Prostataproblem und an Gastritis. Er hätte Probleme, wenn er Metall berühre, weil er dann einen elektrischen Schock bekäme. Er stünde in medizinischer Behandlung.

Zu seiner Familie in Bangladesch habe der BF zwei- bis dreimal pro Woche Kontakt. Sein älterer Bruder lebe seit 16 Jahren in Malaysia.

Der BF habe von 2011 bis 2015/Mitte 2016 mittels Studentenvisum in Malaysia, in der gleichen Stadt wie sein Bruder, gelebt, er habe dort als Barkeeper in einer Bar gearbeitet. Seine damalige Freundin sei Indonesierin gewesen, welche illegal in einem chinesischen Restaurant gearbeitet habe. Vor ihrer späteren Ehe habe sie bereits ein Kind gehabt.

Bevor der BF nach Österreich kam (01.01.2016) war er sechs Monate in Bangladesch. Er sei mittels Studentenvisum nach Österreich gekommen, weil er in Wien in der Tourismusschule „ XXXX “ einen Kurs machen wollte, welcher international anerkannt werde. Da er nicht mitten im Jahr in den Kurs einsteigen konnte, habe er auf den Kursbeginn im September 2016 gewartet. Der BF hat in dieser Zeit gearbeitet.

Im September 2016 begann der Kurs im „ XXXX “; jedoch flog der BF am 01.11.2016 nach Bangladesch zurück, weil er seiner Familie bei einem Konflikt mit der politisch gegnerischen Awami League helfen und ein Gespräch einfädeln wollte. Am 03.11.2016 habe er seine Parteikollegen gebeten eine Anfrage an die Awami-League um ein Gespräch zu stellen, welches am 04.11.2016 stattgefunden habe, jedoch ohne eine Lösung des Problems mit seiner Familie zu bewirken.

Da vom 07.11.2016 bis 14.11.2016 landesweit Demonstrationen gegen die Regierung gelaufen seien, habe er sich diesen Demonstrationen angeschlossen. Er habe vor dem Presseclub demonstriert und ein Plakat gehalten, welches auf die Verfolgung der Hindu aufmerksam machen sollte.

Die örtlichen radikalen Muslime hätten ihn daraufhin verfolgt. Deshalb sei er zur Polizei gegangen und wollte eine Anzeige bzw. einen Eintrag ins polizeiliche Tagesprotokoll veranlassen, was aber abgelehnt wurde. Darüber habe er sich am 17.11.2016 beim XXXX bzw bei der XXXX beschwert. Am 22.11.2016 sei die Polizei zu ihm nach Hause gekommen. Der BF sei damals nicht zu Hause gewesen. Er habe den Verdacht, dass er ein Opfer einer politischen Verfolgung sei, da er eine Beschwerde eingebracht habe. Deshalb verlegte er seinen Flug nach Österreich, der für den 30.11.2016 geplant gewesen sei, vor und flog am 24.11.2016 nach Österreich; das Ticket habe er vorgelegt.

Am 06.12.2016 habe er sodann den Asylantrag gestellt.

Nachgefragt – auch in Hinblick auf seine ursprüngliche Einreise mittels Studentenvisums - gab der BF an, dass er keine einzige Prüfung im „ XXXX “ absolviert habe.

Nachgefragt, wieso der BF im November 2016 nach Bangladesch reise, obwohl der Kurs im XXXX erst im September 2016 begonnen habe, und der BF angeblich eigens wegen dieses Kurses im Jänner 2016 nach Österreich zum Studieren gekommen sei, meinte der BF, er habe dies „wegen seiner Familie“ gemacht. Er sei „zu diesem [!] Zeitpunkt sehr gestresst und depressiv gewesen und habe nicht einmal über seine Ausbildung gedacht“. Nachgefragt, wieso er depressiv gewesen sei, erzählte der BF, dies sei „wiederum eine andere Geschichte“.

Nach (!) dem Aufenthalt in Bangladesch (2016) habe er einen Kontakt aus Malaysia zu einer Deutschen aktiviert. Sie hätten sich fünf Tage lang in einem Hotel „in Malaysia“ getroffen, später in der Verhandlung korrigiert auf: „in Wien“. Dies sei „2017, ich denke, im August oder September“ (!) gewesen. Danach erzählte der BF, sie hätten sich „im Jänner 2017“ (!) in Wien getroffen, sie sei schwanger geworden, habe aber das Kind abtreiben lassen; das habe ihn damals depressiv gemacht. Der BF gab an, dass er auch in Deutschland gewesen sei, „als ich das Visum hatte. Ich kann mich auf das genaue Datum nicht erinnern, aber ich befürchte, dass ich im Dezember 2016 dort war“. Die Beziehung zu der Deutschen habe „bis Jänner 2017“ (!) gedauert, aber er wisse nicht, ob er dazu Beziehung sagen kann, da sie ja schwanger wurde und dies unabsichtlich.

Zu seinen persönlichen Lebensumständen befragt gab der BF an, dass er keine Kinder in Österreich habe. Er lebe derzeit in einer „Beziehung“ zu einer Österreicherin und wohne seit Mitte März 2020 bei ihr. Seine Freundin sei seit 2011 geschieden und habe eine kleine Tochter, mit der sich der BF gut verstünde.

Die Freundin sei arbeitslos und erhalte derzeit vom AMS ca € 500. Als Zeugin einvernommen gab sie weiter zu Protokoll, dass sie nur wenig bis gar nichts über den behaupteten Fluchtgrund und die Aktivitäten des BF auf Facebook wisse. Der BF habe ihr nach dem ersten Treffen im August 2019 erzählt, dass er Asylwerber sei. Es gäbe den Plan, dass sie heiraten. Sie verlange keinen Beitrag zu ihrer Miete (ca. € 325 – 345), aber der BF würde, wenn er einkaufen gehe, „schon auch die Lebensmittel bezahlen“. Das Einkommen des BF gab die Freundin mit ca € 400 an.

Der BF erklärte hingegen, dass er für die Zeitungstätigkeit (als „Auflagenchef“ für Einteilung, Vertrieb) monatlich € 400 erhalte, dazu jedoch noch für den eigenen Zeitungsstand € 600 bis € 700 (inklusive Trinkgeld) verdiene. Zusätzlich zu diesen insgesamt € 1.000 pro Monat erhalte er von der Caritas zwar kein Geld mehr für die Miete, sondern nur für „Pflege und Versorgung“, weil er sonst selbst die Versicherungsbeiträge zahlen müsse; dies habe ihm seine Beraterin bei der Caritas gesagt, eine schriftliche Bestätigung zur Vorlage an das Gericht habe er von ihr trotz Urgenz nicht erhalten. Die derzeitige Unterstützung durch die Caritas sowie seine Berufsausübung bestätigte der BF am Ende der Verhandlung nochmals und gab dazu an, dass er seiner arbeitslosen Freundin nicht erzählt habe, dass er monatlich über € 1.000 verdient.

Der BF spiele in einer Band und musiziere, ohne „dafür Geld bei Auftritten zu verlangen“. Es sei dies ein wöchentliches Zusammentreffen mit Freunden. Sie spielen Volksmusik und würden damit bei bengalischen Veranstaltungen auftreten.

Zu seinen Fluchtgründen befragt führte der BF aus, dass er und seine Familie wiederholt belästigt worden seien. Im Jahr 2016 hätte man seine Familie mit dem Tod bedroht, weshalb der BF nach Bangladesch gereist sei, um ein vermittelndes Gespräch zu initiieren, welches jedoch zu keinem Erfolg geführt habe. Er habe gedacht, dass er mit Hilfe der Anhänger der BNP in seiner Ortschaft mit einem Gespräch der Awami League das Problem seiner Familie lösen könne, jedoch seien die Anhänger der Awami League „sehr wütend“ gewesen, „da ich bei der landesweiten Demonstration der BNP mitwirkte“, welche, wie den Ausführungen des BF entnommen werden konnte, jedoch erst zeitlich später stattfanden. In seiner Ortschaft würden an die 4.000 Einwohner leben, die BNP, welcher er angehöre, hätte ca 2.100 Mitglieder und in der Gemeinde befänden sich ca 1.500 Menschen, die dem Hinduismus angehören. Nur ca. 1.000 Personen würden der regierenden Awami League angehören. Der BF sei „eine große, bedeutende Figur der BNP“ und übe „eine starke Funktion für meine Partei BNP“ aus, er sei „seit 2008 Generalsekretär in meinem Ward“ (Wahlbezirk). Er würde, da diese Funktion von niemandem anderen übernommen wurde, noch immer in der Funktion des Generalsekretärs sein. Er habe diese Funktion sowohl während seines Aufenthaltes in Malaysia (2011 bis 2015) als auch danach noch wahrgenommen. Nachgefragt, ob der BF „in der Funktion des Generalsekretärs derzeit diesen Ward leiten“ würde, gab der BF zu Protokoll: „Ja, das stimmt, dass ich diese Funktion weiterhin besetze, allerdings kann ich die Funktion nicht ausüben, da ich nicht dort bin. Die örtlichen Anhänger und Führer der BNP werden derart gefoltert, dass sie nicht einmal den Mut dazu hatten ein neues Komitee zu bilden“. Er würde jedoch als Blogger und auf Facebook in Erscheinung treten, und Beiträge verbreiten über gesellschaftliche und religiöse Probleme, nicht nur über die Politik, aber auch über die Politik. Er würde auch in Österreich seit Juni 2016 für die BNP aktiv sein.

Eine Rückkehr nach Bangladesch schließe der BF aus, obwohl er dies bereits 2017 in Aussicht genommen habe, weil er Repressalien erwarten würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der hinduistischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF ist in Bangladesch geboren und hat den größten Teil seines Lebens in Bangladesch verbracht. Er hat in seinem Heimatland eine schulische Ausbildung erworben.

Der BF gab vor dem BVwG an, dass er in einer Ortschaft gelebt hat, die ca 4.000 Einwohner zählt, davon ca 1.500 Personen die Religion des Hinduismus ausüben. Von den 4.000 Einwohnern seien ca 2.100 der BNP zugehörig und 1.000 der regierenden Awami League.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Seine Eltern und Geschwister halten sich in Bangladesch auf, ein Bruder in Malaysia, wobei der BF behauptet, mit ihnen regelmäßigen, wöchentlichen Kontakt zu haben.

Festgestellt wird, dass der BF angab, im Jänner 2016 nach Österreich gekommen zu sein, um im „ XXXX “ einen Tourismuskurs zu besuchen, welcher im September 2016 begann. Im November 2016 verließ der BF jedoch Österreich und flog in seine Heimat. Der BF legte im „ XXXX “ keine einzige Prüfung ab.

Der BF ist – nach diesem Heimaturlaub – noch mit Studentenvisum am 24.11.2016 legal in Österreich eingereist. Danach hat er Asyl beantragt.

Es ist unglaubwürdig, dass der BF wegen Stress und Depression sein Studium nicht fortgeführt hat und nicht mehr an seine Ausbildung „dachte“. Vielmehr verwickelte sich der BF hinsichtlich seiner persönlichen und zeitlichen Dimension zur Beziehung zu einer Deutschen Ende 2016/im Jahr 2017 regelmäßig in Widersprüche. Der BF konnte auch nicht glaubwürdig darlegen, weshalb er seine Absicht, freiwillig nach Bangladesch zurückzukehren, fallen gelassen hat.

Der BF wohnt seit März 2020 bei einer Freundin und deren Tochter. Seine Freundin ist arbeitslos, erhält vom AMS ca € 500 und zahlt die Miete (ca. € 325-345). Der BF trägt zum Lebensunterhalt durch Zahlungen beim Einkauf bei. Der BF hat seiner Freundin gegenüber ein Einkommen durch Vertrieb und Verkauf von Zeitungstätigkeiten in Höhe von € 400,- bekannt gegeben, obwohl er über € 1.000,- monatlich hat und auch von der Caritas Unterstützung für Pflege und Versorgung erhält. Seine Freundin wusste nach dem ersten Treffen im August 2019 vom Status des BF als Asylwerber.

Der BF spielt in einer Band, die bei bengalischen Festen auftritt und Volksmusik spielt. Der BF gibt an, in bengalisch ausgerichteten Vereinen tätig zu sein. Der BF hat Deutschkurse besucht und das Niveau B2 erreicht. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten, aber nimmt Medikamente.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Festgestellt wird, dass das Fluchtvorbringen des BF nicht glaubwürdig ist; dies aus nachfolgenden Gründen:

Der BF behauptet, seit 2008 in der Funktion eines Generalsekretärs für die BNP im Wahlbezirk tätig zu sein, obwohl er von 2011 bis Mitte 2015 in Malaysia und seit 01.01.2016 in Österreich, ausgenommen November 2016, als er in Bangladesch lebte, aufhältig war. Diese Aussage ist unglaubwürdig, weil die Ausübung einer – nach Angaben des BF – derart wichtigen Funktion für eine oppositionelle Partei, nicht allein durch behauptete Internet-Aktivitäten erfüllt werden kann.

Es ist unglaubwürdig, dass im Wahlbezirk kein neues politisches Komitee gebildet wurde, weil „die örtlichen Anhänger und Führer der BNP derart gefoltert werden“ und dazu keinen Mut hatten, wenn der BF zugleich angibt, dass die Mehrheit der Bevölkerung in seinem Dorf Anhänger der BNP sei.

Es ist unglaubwürdig, dass der BF aus religiösen Gründen verfolgt werde, weil in seinem Dorf über ein Viertel der Bevölkerung dem Hinduismus angehört und der BF auch keine konkrete Verfolgung darlegte.

Nicht festgestellt werden kann eine konkrete politische Verfolgung des BF in Bangladesch. Der BF behauptet zwar, dass seine Familie einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, hat diese Verfolgung jedoch nicht konkretisiert, insbesondere welches Problem er im November 2016 durch seine persönliche Anwesenheit lösen wollte und hat auch nicht konkretisiert, welcher Verfolgung er persönlich im November ausgesetzt gewesen sein soll.

Festgestellt wird, dass der BF unglaubwürdig ist, wenn er behauptet, dass das Vermittlungsgespräch am 04.11.2016 gescheitert sei, weil die Anhänger der Awami League „sehr wütend“ gewesen seien, weil er an der landesweiten Demonstration (07.11. bis 14.11.2016) teilgenommen habe.

Die Schilderung des BF, dass nach der Teilnahme an einer regierungskritischen Demonstration Mitte November und Anfeindungen durch Mitgliedern der gegnerischen Partei es ihm verweigert worden sei, ein Tagesprotokoll bzw. Anzeige bei der Polizei zu machen, er sich darüber bei der Antikorruptionsbehörde und bei dem Büro für polizeiliche Untersuchungen beschwerte, danach die Polizei zu ihm nach Hause gekommen sei, als er nicht da war, beinhaltet keine Aussage zu einer polizeilichen Verfolgung. Den konkreten Grund für das Auftauchen der Polizei gab der BF nicht an, sondern lediglich den „Verdacht“, dass er „Opfer einer politischen Verfolgung“ sei. Das Auftauchen der Polizei bei der Familie des BF hätte auch anderen Zwecken dienen können, eine konkrete Verfolgungshandlung (zB Haftbefehl) hat der BF nicht vorgebracht.

Der BF gab an, dass er zu Unrecht wegen Straftaten im Dezember 2015 eine Anzeige erhalten habe, sein Name jedoch nachträglich eingetragen worden sei. Der BF beantragte weitere Recherchen vor Ort, wobei er jedoch ausdrücklich verlangte, dass man „seine Daten“ nicht nennen dürfe.

Der BF hatte im Jahr 2017 offensichtlich keine Furcht wegen politischer Verfolgung, weil er ernsthaft die freiwillige Rückkehr in seine Heimat erwog.

Der BF legte weitere Unterlagen in bengalischer Sprache vor; eine zumindest deutsche Arbeitsübersetzung hat der BF, der Deutschkenntnisse in B2 belegt, jedoch trotz eigenen ausreichenden Einkommens und ausreichender Zeit nicht beigefügt und hat er damit seiner Mitwirkungsverpflichtung nicht entsprochen.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage:

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh/Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 8.2019) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 8.2019; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der AL Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde sie für ihre vierte Amtszeit – die dritte Amtszeit in Folge – als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Wahlen und Willensbildungsprozess:

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei wies die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nannte die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und einem harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.3.2020a): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 1.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        BBC – British Broadcasting Corporation (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020

?        BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        CIA – Central Intelligence Agency (13.3.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 1.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 6.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia’s candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 6.4.2020

?        DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereintern Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse. Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 24.3.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 24.3.2020

?        Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 6.4.2020

?        Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 6.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

?        HRW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokumet/n1454483.html, Zugriff 6.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch, per E-Mail

?        Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 6.4.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

?        WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020

Sicherheitslage:

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch der mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 27.7.2020; vgl. AA 28.7.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 21.6.2020). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah auf religiös motivierte Vorfälle (AA 21.6.2020).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 28.7.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AnAg 5.11.2019, TDS 24.8.2019).

Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).

Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2018 waren es 135 solcher Vorfälle und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert.

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 5.8.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        AnAg – Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

?        AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (27.7.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (17.8.2020): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 17.5.2020

?        TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (29.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (29.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

Rechtsschutz/Justizwesen:

Die Justiz ist überlastet. Überlange Verfahrensdauern, Korruption und politische Einflussnahme behindern die Unabhängigkeit. Presseberichten zufolge kommt es in ländlichen Gebieten zu Verurteilungen durch unbefugte Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem „Scharia Recht“. Nicht immer greifen die Behörden ein (AA 21.6.2020).

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Die Einflussnahme der Regierungspartei auf Parlament und Justiz haben deren Unabhängigkeit inzwischen weitgehend beseitigt (AA 21.6.2020).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, „Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“-Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

Sicherheitsbehörden:

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat, die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 21.6.2020). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern (USDOS 11.3.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 8.2019).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 8.2019).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“ (AI 30.1.2020; siehe auch Abschnitt 5). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, sodass diese straflos bleiben. Auch im Falle einer Beschwerde herrscht weitestgehend Straffreiheit. Wenn allerdings die Medien Polizeiversagen öffentlich anprangern, werden durch die politische Ebene die zuständigen Polizisten oft bestraft (AA 21.6.2020).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten „Bangladesch Police“, die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 8.2019).

Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt rund 12 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 8.2019). Ihnen werden schwere Menschenrechtsverstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 21.6.2020). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete „Gang“-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 8.2019). Die Regierung streitet weiterhin das Verschwindenlassen von Personen, Folter und andere Verstöße durch Sicherheitskräfte, sowie außergerichtliche Tötungen, etwa durch Angehörige des RAB ab. Die Sicherheitskräfte versuchen seit langem, unrechtmäßige Tötungen zu vertuschen, indem sie behaupteten, dass es bei einem Schusswechsel oder im Kreuzfeuer zu Todesfällen gekommen ist. Hunderte Menschen wurden angeblich in solchen „Kreuzfeuer“ getötet (HRW 14.1.2020).

Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leicht bewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 8.2019).

Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry [Innenministrium], wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 8.2019).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches „Platoon“ à 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 8.2019).

Special Branch of Police (SB): Sie ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 21.6.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

Allgemeine Menschenrechtslage:

Die Menschenrechte werden nach der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert (AA 21.6.2020). Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 8.2019; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum „High Court“ offen. Die „National Human Rights Commission“ wurde im Dezember 2007 unter dem „National Human Rights Commission Ordinance“ von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 8.2019). Die Verwirklichung der in der Verfassung garantierten Rechte ist nicht ausreichend (AA 21.6.2020).

Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen sowie Folter (USDOS 11.3.2020). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2.000 Mitglieder der RABs wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 8.2019, siehe auch Abschnitt Fehler! Textmarke nicht definiert.).

Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung von Bangladesch ignoriert Empfehlungen im Hinblick auf glaubwürdige Berichte zu Wahlbetrug, hartem Vorgehen gegen die Redefreiheit, Folterpraktiken von Sicherheitskräften und zunehmenden Fällen von erzwungenem Verschwinden und Tötungen (EEAS 1.1.2019; vgl. HRW 14.1.2020).

Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Bestimmungen wirksamer durchzusetzen. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 11.3.2020). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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