TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/10 W211 2224973-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2020
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Entscheidungsdatum

10.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W211 2224973-1/15E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX 1979 , StA: Iran, gegen die Spruchpunkte I.-III. und V.-VI. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. – III. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird mit der Maßgabe stattgegen, dass Spruchpunkt V. zu lauten hat:

„Gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheids.“

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. wird stattgegeben, und Spruchpunkt VI. ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und wurde am XXXX 2019 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt, wobei er zusammengefasst angab, bei der Razzia einer Hauskirche im Iran festgenommen worden zu sein. Als konvertiertem Christen drohe ihm im Iran die Todesstrafe.

Am XXXX .2019 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum ersten Mal einvernommen und führte dabei zusammengefasst und soweit wesentlich aus, im Iran noch über Familienangehörige zu verfügen. Er sei bereits im Iran zum Christentum konvertiert und habe 13 – 14 Mal eine Hauskirche besucht. Zwei Tage vor der Flucht im Juni 2019 sei die Hauskirche von den Behörden überfallen, und unter anderen der Beschwerdeführer auf eine Polizeistation mitgenommen worden. Sein Schwiegervater, sein Vater und seine Frau seien aufs Dezernat gekommen, und der Beschwerdeführer sei nach Abgabe eines Eides auf freien Fuß gesetzt worden. Sein Cousin, ein Beamter im Drogendezernat, habe ihm dann geraten, das Land zu verlassen. Der Beschwerdeführer sei nunmehr Protestant.

Am XXXX 2019 wurde der Beschwerdeführer ein weiteres Mal durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und gab dabei zusammengefasst an, dass er mit acht anderen, darunter auch dem Pfarrer, verhaftet worden sei. Nach Fragen nach christlichen Glaubensinhalten meinte der Beschwerdeführer, dass er im Iran nur 14 Mal an einer Kirche habe teilnehmen können, da könne man nicht erwarten, dass er viel gelernt habe. Er bemühe sich als Neuling und besuche Kurse. Als Anfänger würde das doch reichen.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen und ihm in Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen den Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Es wurde weiter ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt V.) und wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Das BFA stellte dem Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3. Mit Schriftsatz vom XXXX .2019 brachte der Beschwerdeführer über seine gewählte Vertretung eine Beschwerde ein.

4. Mit Teilerkenntnis vom XXXX .2019 wurde der Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ersatzlos behoben.

5. Schließlich mit Schreiben vom XXXX .2020 wurden der Beschwerdeführer und das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX .2020 unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertretung und eine Vertreterin der belangten Behörde teilnahmen. Der Beschwerdeführer wurde dabei ausführlich befragt.

Am XXXX .2020, am XXXX .2020 und am XXXX .2020 – zuletzt in Bezug auf die Übermittlung aktueller Länderberichte an die Parteien – wurden schriftliche Stellungnahmen der Vertretung des Beschwerdeführers ins Verfahren eingebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist ein XXXX geborener, volljähriger iranischer Staatsangehöriger.

Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX , wo nach wie vor seine Eltern, drei Brüder, seine Frau und die beiden Töchter leben. Eine Schwester lebt in der Provinz XXXX mit ihrem Ehemann. Mit seiner Kernfamilie ist der Beschwerdeführer über Whats App in Kontakt.

Der Beschwerdeführer besuchte 12 Jahre die Grundschule und auch eine technische Universität, wobei er sein Studium nicht abschloss. Er verdiente sich mit Holzschnitzerei einen Lebensunterhalt. Seine finanzielle Lage im Iran war gut; seine Frau und Töchter, die nunmehr bei der Schwiegerfamilie des Beschwerdeführers leben, leben von den Ersparnissen des Beschwerdeführers. Sein Vater ist Pensionist und verkauft außerdem Zubehör für Haushaltsgeräte; da arbeitet auch ein Bruder des Beschwerdeführers mit. Ein weiterer Bruder arbeitet im Autohandel, der dritte in einem großen Supermarkt. Die Schwester ist Hausfrau.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

1.2. Zum Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er hält sich damit seit ca. einem Jahr in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine familiären Bindungen.

Der Beschwerdeführer eignete sich in den letzten Monaten erste rudimentäre Deutschkenntnisse an und half am Flughafen bei der Reinigung der Essensräume mit.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Er bezieht Leistungen aus der Grundversorgung.

1.3.    Zur maßgeblichen Situation Iran

Aus den ins Verfahren eingeführten Länderberichten ergibt sich Folgendes:

1.3.1. Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (zehn und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).

Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online- Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low- profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2019). Die Regierung nutzt unverhältnismäßig hohe Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high- profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 21.6.2019).

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen.

Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 26.2.2020).

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 10.2019).

1.3.2. Zu Covid-19 im Iran: Die medizinische Situation ist weiter angespannt, und bewegt sich die Zahl der Neuinfektionen den offiziellen Zahlen zufolge weiterhin auf einem hohen, aber stabilen Niveau, die Zahl der täglichen Todesopfer ist leicht im Steigen begriffen. Die Auslastung der medizinischen Einrichtungen ist sehr hoch, verschiedentlich gibt es Engpässe bei der Versorgung mit Schutzausrüstung und Medikamenten. Für 25 von 31 Provinzen inklusive Teheran gilt die höchste, „rote“ Warnstufe.

Maskenpflicht: Diese gilt in allen öffentlichen überdachten Einrichtungen, dem öffentlichen Verkehr und Taxis.

Reduzierte Amtszeiten: Die Normalarbeitszeit in Behörden ist auf 50% reduziert, die Anwesenheit auf zwei Drittel nach dem Rotationsprinzip.

Einrichtungen in Risikobereichen geschlossen: Schulen und Universitäten, Sportstätten, Museen, Kaffee- und Teehäuser, Kinos und Theater, Friseure und Fitnessstudios und selbst Moscheen sind bis auf Weiteres geschlossen.

Einreise und Reisebestimmungen: Iraner, auch Doppelstaatsbürger müssen sich bei Nichtvorlage für 14 Tage auf eigene Kosten in ein zugewiesenes Hotel in Quarantäne begeben. Eine „Freitestung“ ist möglich. Die sonstigen Einreisebestimmungen (Visum etc.) bleiben unberührt.

Zur Zeit keine Ausstellung von Touristenvisa: Bis auf weiteres stellt die iranische Botschaft in Wien keine Touristenvisa aus. Österreich hat das bisherige Landeverbot für Flugzeuge mit Abflugort Iran aufgehoben, es besteht jedoch weiter eine Reisewarnung des BmeiA für den Iran. Die Einreise auf dem Landweg ist weiterhin untersagt.

Absage aller Kongresse und Messen auf unbestimmte Zeit; Sperren in Risikosektoren:
Schulen und Universitäten, Sportstätten, Museen, Kaffee- und Teehäuser, Kinos und Theater, Friseure und Fitnessstudios und selbst Moscheen sind bis auf Weiteres geschlossen. Vielfach bleiben Hotels, Restaurants und Geschäfte mangels Kunden geschlossen.

Wirtschaft; Hilfspaket: Die Regierung hat ein Hilfspaket für Haushalte und Arbeitgeberbetriebe in der Höhe von 24 Mrd. USD beschlossen. 4 Mio. Haushalte sollen einen zinsfreien Mikrokredit von umgerechnet 62 bzw. 124 USD erhalten.

Laut WHO gab es im Iran am 09.09.2020 offiziell gemeldet 2.302 neue Covid19-Fälle, insgesamt 391.112 bestätigte Erkrankungen, 337.414 wieder Gesundete und 22.542 Todesfälle.

1.4. Der Beschwerdeführer ist nicht getauft.

Er besucht in Österreich regelmäßig eine iranische Kirche namens „ XXXX “. Er besucht dort einen Taufkurs.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bereits im Iran eine Hauskirche besuchte und dort im Zuge einer Razzia festgenommen wurde. Dementsprechend kann auch keine Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr in den Iran wegen christlicher Betätigung im Rahmen einer Hauskirche durch die iranischen Sicherheitsbehörden festgestellt werden.

Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer heute einen Glauben aus tiefer innerer Überzeugung ausleben möchte, der ihn ins Visier der iranischen Sicherheitsbehörden bringen würde.

1.5. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation gelangen würde.

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahme durch das BFA ( XXXX .2019, XXXX 2019) sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ( XXXX .2020), der Beschwerdeschriftsatz, das LIB 2020 zum Iran, mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, die allgemein zugänglichen Informationen zu COVID 19, der Strafregisterauszug, der Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem, sowie der Verwaltungsakt zum Asylverfahren.

2.2.    Zu folgenden Feststellungen unter oben 1. wird weiter näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1. Die Feststellungen zum Geburtsjahr und zur Staatsangehörigkeit ergeben sich aus den diesbezüglich nicht zweifelhaften Angaben des Beschwerdeführers und Feststellungen aus den Vorverfahren und dem angefochtenen Bescheid. Andere Informationen dazu werden auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.

Das gleiche gilt für die Feststellungen zum Herkunftsort, zu den Familienangehörigen im Iran, zu den Einkommensverhältnissen im Iran, zur Schulbildung und zur Berufstätigkeit, die ebenfalls auf den unstrittigen Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens fußen.

Gesundheitliche Beeinträchtigungen machte der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens nicht geltend.

2.2.2. Die Angaben des Beschwerdeführers zu fehlenden familiären Anknüpfungspunkten in Österreich sind gleichbleibend und glaubhaft, weshalb dazu Feststellungen erfolgen konnten.

Die weiteren Feststellungen zum Leben in Österreich beruhen auf den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren und den Eindruck betreffend die Deutschkenntnisse, den sich die erkennende Richterin in der mündlichen Verhandlung verschaffen konnte.

Dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist und Leistungen aus der Grundversorgung beizieht, gründet sich auf Auszüge aus dem Strafregister und dem Betreuungsinformationssystem.

2.2.3.  Die Länderfeststellungen unter 1.3.1. beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran mit Stand 06/2020, und da wiederum auf den folgenden Einzelquellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die- asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12- 01-2019.pdf, Zugriff 20.4.2020

-        AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland_ Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%Bcber_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020 %29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

-        AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020

-        DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 20.4.2020

-        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 20.4.2020

-        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 20.4.2020

-        Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 20.4.2020

–        US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html, Zugriff 20.4.2020

An der Aktualität, Verlässlichkeit und Richtigkeit der Informationen hat das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel. Die Stellungnahmen der Vertretung vom XXXX .2020, XXXX .2020 und vom XXXX .2020 stellen sich im Ergebnis und soweit auch für den gegenständlichen Sachverhalt relevant nicht gegen die oben festgestellten Informationen.

Die Feststellungen zur Situation im Zusammenhang mit Covid-19 beruhen auf einer Information der WKO, online abrufbar unter https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/iran-bulletin-aussenwirtschaftscenter-zum-coronavirus--.html (zuletzt besucht am 09.09.2020), mit Stand 16.08.2020).

Die Daten der WHO konnten unter den folgenden beiden Webadressen abgerufen werden:

Die aktuellen Infektionszahlen (soweit gemeldet) finden sich auf der Website der WHO unter https://app.powerbi.com/view?r=eyJrIjoiN2ExNWI3ZGQtZDk3My00YzE2LWFjYmQtNGMwZjk0OWQ1MjFhIiwidCI6ImY2MTBjMGI3LWJkMjQtNGIzOS04MTBiLTNkYzI4MGFmYjU5MCIsImMiOjh9 (zuletzt besucht am 09.09.2020). Siehe auch Datenbank: WHO: https://covid19.who.int/region/emro/country/ir (zuletzt besucht am 09.09.2020).

Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich bei den Feststellungen zur Situation in Zusammenhang mit COVID-19 auf allgemein zugängliche Informationen, an deren Aktualität und Verlässlichkeit es keinen Grund gibt zu zweifeln.

2.2.4. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht getauft ist, aber eine näher genannte Kirche und einen Taufkurs besucht, gab dieser im Verfahren an und werden diese Informationen nicht angezweifelt.

Eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Christentum, eine damit einhergehende innere Überzeugung bzw. Konversion ins Christentum und eine bereits erfolgte Gefährdung im Iran konnte er jedoch nicht glaubhaft machen:

Zuerst fällt auf, dass der Beschwerdeführer bei seinen Einvernahmen bei der belangten Behörde nur sehr oberflächliche Kenntnisse seiner neuen Religion darstellen konnte:

Auszüge aus den EV Protokollen:

„ […]   F:       Warum stellen einen Asylantrag? Nennen Sie Ihre Fluchtgründe?

A:       Weil ich meinen Glauben gewechselt habe und Christ geworden bin. Im Iran war ich bereits Christ und in Gefahr. Daher bin ich geflüchtet.

F:       Wann sind Sie konvertiert?

A:       Ich bin noch nicht getauft. Ich kann Ihnen aber sagen, wann ich das erste Mal zur Kirche gegangen bin. Das war eine häusliche Kirche, dort gibt es keine offizielle. Ich bin zum ersten Mal am XXXX Korrektur es war XXXX – umgerechnet am XXXX .

F:       Wie oft waren Sie in dieser häuslichen Kirche?

A:       Insgesamt war ich neun oder zehn Monate dort. In dieser Zeit habe ich 13 – 14 Mal diese häusliche Kirche besucht. Dort gibt es keine Termine. Da geht man hin, wenn man will. […]

F:       Erzählen Sie mir möglichst ausführlich, wie sich so ein Besuch in der häuslichen Kirche abgespielt hat!

A:       Diese Zeremonie bzw. das Treffen hat immer bis zu einer Stunde gedauert. Normalerweise waren wir immer zu neunt anwesend. Es wurde uns aus dem heiligen Buch Gebete vorgelesen. ….. (Pause, Dolmetscher fordert AW auf, mehr zu erzählen) Wir haben uns begrüßt…. Unser Pfarrer hieß XXXX . …. Wir haben alle aus dem Buch ca. 5 – 10 Minuten aus dem Buch laut vorgelesen, dann wurde es weiter gegeben. Manchmal hat der Pfarrer die Gebete laut vorgesungen. …. (zu Dolmetscher: was soll ich noch erzählen?) … Das war immer so, jedes Mal wenn ich hingegangen bin.

F:       Sie sagen nun Sie sind Christ bzw. interessieren sich für diesen Glauben. Habe ich das soweit richtig verstanden?

A:       Ja, Ich habe mich auch schon früher für das Christentum interessiert.

F:       In welche Richtung geht Ihr christlicher Glaube?

A:       Protestantisch. […]

F:       Wissen Sie, was ein Sakrament ist?

A:       Z. B. unser Pfarrer war verheiratet. Z. B. in der katholischen Kirche werden Kinder getauft, in der protestantischen nicht.

V:       Auch da werden Kinder getauft!

A:       z.B. in der protestantischen Kirche gilt nur die Bibel als einziges Buch. In der katholischen gibt es mehrere Bücher.

F:       Nochmals, was ist ein Sakrament?

A:       …. Schweigt anfänglich … fragt nochmals bei Dolmetscher nach ….. leider kenne ich das nicht. Das ist keine offizielle Kirche wohin ich gegangen bin, dass ich das weiß, das war in einer Wohnung. Ich bin in eine Wohnung gegangen. […]

F:       Was verstehen Sie unter der Beichte?

A:       Man redet mit dem Pfarrer über seine Fehler.

F:       Was sind die zwei wichtigsten Feiertage der evangelischen Kirche?

A:       Geburt Jesus Christus, Pfingsten… Opferfest…

F:       Sagt Ihnen der Reformationstag etwas?

A:       Vielleicht haben die uns was anderes unterrichtet, ich verstehe das nicht. Unter diesem Wort verstehe ich überhaupt nichts.

F:       Wann wird Ostern gefeiert?

A:       Es ist jeden selbst überlassen, wann er fastet. Letzter Freitag des Jahres ist das Osterfest.

F:       Was wird da gefeiert, zu Ostern?

A:       (…. Denkt anscheinend nach …..) Lassen Sie mich kurz überlegen. ….. Ich glaube, dass ist die Wiederauferstehung Jesus Christus.

F:       Kennen Sie den Heiligen, den man am 06. Dezember feiert?

A:       Das haben wir dort in dieser Kirche gar nicht gefeiert. Es war kein Lehrvorgang, dass man was lernen kann. Es war nur ein zusammen kommen um zu beten. Das hat auch nicht immer regelmäßig stattgefunden. […]

F:       Sagt Ihnen die Kommunion etwas?

A:       Liebe zum Nächsten, dass man sogar mit Feinden Frieden schließt und verzeiht.
LA:         Sagt Ihnen Allerheiligen etwas? (Dolmetscher zeigt dem AW das Wort auf Farsi von seinen Unterlagen, damit dieser versteht was gemeint ist)
VP:         murmelt vor sich hin …. 3 Tage, nach seinem Tod ist Jesus Christus wieder auferstanden. […]


V:         Das ist aber äußerst dürftig! Sie wissen sehr wenig, für dass das Sie seit einem Jahr in der Bibel gelesen haben!
VP:         Das war nicht, dass wir so einen Kurs haben, wo wir was lernen können. Wir wurden nicht ausgebildet. Dort hatte ich nicht die Möglichkeit, aber hier kann ich das jetzt langsam.
V:         Wenn Sie mir sagen, dass Sie seit einem Jahr immer wieder in der Bibel gelesen haben, dann erwarte ich mir schon, dass Sie sich auch etwas gemerkt haben und mir etwas darüber erzählen können!
VP:         Diese 9 Monate, wo ich die „Kirche“ besucht habe, konnte ich nur 14 Mal teilnehmen. Man kann nicht erwarten, dass man bei 14 Mal teilnehmen, dass etwas lernen kann. […]“

Die abgebildeten Passagen aus den EV Protokollen lassen erkennen, dass der Beschwerdeführer bei seiner Ankunft in Österreich nur wenige Kenntnisse über die Glaubensinhalte seiner neu gewählten Religion hatte.

In Österreich beschäftigte sich der Beschwerdeführer jedoch mit christlichen Glaubensinhalten und gibt nunmehr an, seit Oktober/November eine iranische, protestantische Freikirche in Wien zu besuchen und dort auch einen Taufkurs zu absolvieren. Trotzdem sich nunmehr sehr wohl auch „Bildungswissen“ über eine christliche Richtung erkennen lässt, bleiben die Angaben des Beschwerdeführers trotz allem zu seinem neuen Glauben vage, unkonkret und vor allem sehr phrasenhaft. Aus den folgenden Auszügen aus dem Verhandlungsprotokoll vom XXXX .2020 lässt sich für die erkennende Richterin erkennen, dass der Beschwerdeführer konkrete Bezüge zu sich selbst nur schwer herstellen kann und häufig bei der Beschreibung von für ihn wesentliche Bereiche seiner neuen Religion auf allgemeine, rhetorische Umschreibungen zurückreift:
„ […] R: Wie leben Sie Ihre Religion in Österreich aus?

P: Ich besuche die Kirche, bin aktiv innerhalb der Kirche und in der Öffentlichkeit und tue, was in meiner Macht steht.

R: Können Sie das bitte konkretisieren?

P: Ich nehme in der Kirche dienstags und sonntags teil und lerne dort. Dienstags findet dort Unterricht statt und sonntags finden dort Kurse hinsichtlich des Alten Testaments statt.

R: Wieso das Alte Testament?

P: Wir wurden dort unterrichtet, um zu erfahren was das Alte Testament sagt.

R: Wieso das Alte Testament? Was ist der Grund dafür?

P: In diesem Kurs wird der Vergleich zwischen Altem und Neuem Testament (NT) gemacht, damit man die Vorhersehungen, die im Alten Testament (AT) gemacht wurden, vergleichen kann.

R: Können Sie mir da ein Beispiel nennen, was da verglichen wird?

P: Z.B. die Erscheinung Jesus Christus, seine Geburt und die Kreuzigung.

R: Womit wird das dann verglichen im AT?

P: Sie sagen, dass das NT das AT vervollständigt und das NT auf Basis des AT entstand.

R: Wieso haben Sie sich für diese Gemeinde entschieden? Was war die Motivation für diese spezielle Gemeinde?

P: Das war nicht meine Entscheidung, sondern es war eine göttliche Entscheidung. Man kann sagen, dass ich im Iran auserwählt wurde.

R: Es gibt viele christliche Zweige. Sie hätten auch sagen können, dass Sie evangelisch oder katholisch oder Baptist werden oder zu den 7TagsAdventisten gehen. Wieso haben Sie sich gerade für diese Kirche entschieden?

P: Die meisten religiösen Kurse, die über das Christentum im Iran stattfinden, sind protestantisch. Deshalb stimmte diese Richtung mit meiner vorherigen Ideologie überein.

R: Ich wusste nicht, dass Sie im Iran Kurse besucht haben. Können Sie mir davon näher erzählen?

P: Als ich noch meine Schnitzereien gemacht habe, habe ich selbst dazu Kurse unterrichtet. Ein Mann hat sich für meinen Kurs eingeschrieben.

R: Darf ich kurz unterbrechen: Erzählen Sie mir bitte von den religiösen Kursen, die Sie im Iran besucht haben.

P: Soll ich von meiner religiösen Praxis im Iran erzählen?

R: Ich will darauf hinaus, dass Sie bei der Behörde gesagt haben, dass Sie vierzehnmal in einer Hauskirche waren und man nicht erwarten könne, dass man da etwas lernen könne (AS123). Daher interessiert mich, welche religiösen Kurse Sie im Iran besucht haben.

P: Ich bin zehn Monate im Iran in dieser Kirche ein- und ausgegangen. Innerhalb dieser zehn Monate hatte ich 14 Mal Unterricht. Das meiste hat mir der Herr XXXXX beigebracht. Das ist derjenige, der zu mir zum Unterricht kam, und ich habe ihn dann nach einiger Zeit in die Kirche begleitet.

R: Waren Sie vierzehnmal in der Hauskirche oder vierzehnmal im Kurs?

P: Ich war vierzehnmal in der Hauskirche.

R: Wenn Sie sagen, dass Sie da vierzehnmal was gelernt haben, was haben Sie gelernt?

P: Das waren meistens Gottesdienstkurse, und manchmal hat uns unser Priest unterrichtet.

R: Was war der Inhalt des Unterrichts des Pfarrers?

P: Über die Auserwählten, die verschiedenen Zweige des Christentums und unseren eigenen Zweig und über die Biografie Jesus Christus.

R: Was haben Sie über Ihren eigen Zweig gelernt?

P: Über die Protestanten, dass diese von Luther gegründet wurden, dass nach Luthers Thesen eine Reformation stattfand und diejenigen, die die Reformation anerkannten, Protestanten genannt wurden. Die Kirchen, die nach den Protestanten gegründet wurden, waren evangelische. Es gibt 3 Zweige: AB, HB und die freien Kirchen. Wir gehören den freien Kirchen an.

R: Sind Sie getauft?

P: Nein, leider noch nicht. In der Wiener Kirche müssen wir einige Zeit die Kurse besuchen, um getauft zu werden, 16 Lehrsitzungen.

R: Wie viele Sitzungen haben Sie schon besucht?

P: Da muss ich nachschauen. Nach der Corona-Krise fanden einige Sitzungen nicht regelmäßig statt.

P schaut in einem Heft nach.

R: Sie hätten sich darauf aber schon auch vorbereiten können.

P: Wir müssen 16 Sitzungen absolvieren, das dauert neun Monate.

P schaut weiter im Heft nach. P blättert weiter in seinem Heft.

R: Legen Sie das Heft jetzt bitte weg und sagen Sie mir, seit wann Sie ca. wie oft einen Taufkurs besuchen?

P: Ungefähr in den vergangenen Monaten war ich 15 bis 16 Mal dort.

R: Wann haben Sie begonnen und wann haben Sie aufgehört?

P: Es hat noch nicht geendet.

R: Wann haben Sie bis heute aufgehört?

P: Das letzte Mal war das am letzten Sonntag.

R: Und davor?

P: Auch an einem Sonntag.

R: Sagen Sie mir konkret, von wann bis wann Sie die Kurse besucht haben. Bedenken Sie bitte, dass es kürzlich Ausgangsbeschränkungen gegeben hat?

P: Ich bin des hiesigen Datums nicht mächtig. Es war bis zum Iranischen Neujahr (D: XXXX ). Vor dem iranischen Neujahr, also vier Monate, habe ich wöchentlich zweimal, dienstags und sonntags die Kirche besucht, also im Monat acht Sitzungen.

R: Wann haben Sie dann aufgehört?

P: Die Kurse, in denen man anwesend sein muss, haben dann aufgehört.

R: Wann haben sie dann wieder begonnen?

P: Das war nicht mehr regelmäßig. Dann fanden diese Kurse via Facebook und Webex statt.

R: Gibt es jetzt wieder persönliche Kurse?

P: Nein.

R: Können Sie mir sagen, was die Inhalte der letzten beiden Kurse über Facebook und Webex waren?

P: Letzten Sonntag war Gottesdienst über die Auferstehung Jesus Christus und die Woche davor ging es darum, dass wir uns auf den Weg Richtung Gottesberg machen.

R: Was meinen Sie damit?

P: Unser Pfarrer meint damit die Stellung eines gläubigen Christen, die er erreichen möchte. Um diese Stellung zu erreichen, sind einige Bedingungen zu erfüllen. „Ihr müsst mein Wort und meinem Weg folgen“. Gott hat auch in der Vergangenheit mit seinen Propheten sowohl im AT als auch im NT z.B. mit Moses auf dem Sinaiberg gesprochen. Auch Jesus Christus ist zum Gebet auf den Berg gegangen.

R: Was meinen Sie genau mit „Gottesberg“? Was ist der Hintergrund davon? In welchem Kontext wurde das besprochen?

P: Das Christentum ist keine Religion, sondern ein Weg. Auf diesem Weg gibt es einen Gipfel. Auf diesem Gipfel werden Gottesversprechungen erfüllt. Wer erreicht auf diesem Weg sein Ziel? Diejenigen, die leichtes Gepäck tragen, die starken Glaubens sind. Was ist Teil des Gepäcks: Sünde. Um diesen Gipfel zu erreichen, müssen wir von unseren Sünden erleichtert werden.

R: Reden wir nochmal konkret vom Taufkurs. Ich gehe davon aus, dass das aufbauend ist. Was waren die letzten Inhalte, die Sie besprochen haben?

P: Das derjenige, der getauft wird, einige Prozesse über sich ergehen lassen muss, um eine Wiedergeburt zu erlangen. Er stirbt im Namen Jesus Christus, seine Sünden werden im Wasser gereinigt, und dann gibt es eine Wiedergeburt im Namen Jesus. Um das zu begreifen brauchen wir gewisses Wissen.

R: Zum Beispiel welches Wissen?

P: Dass wir dem Gottesweg folgen. Gottes Weg ist in 10 Geboten erwähnt, und viele halten sich heute nicht daran.

R: Welche Glaubensgrundsätze lassen Sie in Ihren Alltag einfließen?

P: Ich lese das Buch – das heilige Buch. Ich bete. Nach dem Schlafgengehen und vor dem Schlafengehen und vor dem Essen.

R: Welche wichtigen Vorgaben/Regeln/Glaubensinhalte finden in Ihrem Alltag statt? Woran halten Sie sich besonders?

P: Niemand kann das perfekt machen. Wichtig ist, dass man sich bemüht, um diese zu erledigen. Und das schafft man, wenn man sich am Buch und dem Glauben festhält.

R: Welche Glaubenssätze führen Sie bewusst in Ihren Alltag ein?

P: Nicht lügen, nicht gegen die Ehe verstoßen, an Gott glauben. Der Gott, der uns diesen Weg zeigte – nach seinem Versprechen, das er dem Israelischen Volk gab. Nicht morden und die Eltern ehren.

R: Was bedeutet der Gottesdienst für Sie?

P: Hat eine heilige Stellung für mich.

R: Warum?

P: Der Mensch wächst im Gebet. Wenn Sie wollen, wird es Ihnen gegeben. Wenn Sie klopfen, werden Ihnen die Türen aufgemacht. Sie müssen es laut wollen. Also es gibt sicherlich etwas, wenn Sie etwas wollen.

R: Was hat das mit dem Gottesdienst zu tun?

P: Ich muss das Gebet vorlesen.

R: Bitte sagen Sie mir stattdessen, was Ihnen persönlich der Gottesdienst bedeutet, wenn Sie 2x die Woche dorthin gehen? Wie heißt „Gottesdienst“ in Ihrer Gemeinde – hat das einen eigenen Namen?

P: Es hat keinen besonderen Namen.

R: Ok, können wir uns auf „Gottesdienst“ einigen?

P: Ja.

R: Was bedeutet Ihnen der Gottesdienst?

P: Das Gebet ebnet mir den Weg – ich kann mit dem Gebet eine Verbindung aufbauen. Das Gebet ebnet mir den Weg und ermöglicht mir den Weg zu meinem Gott. Solange ich nicht bete, hat es doch keine Bedeutung. Es ist von den Gläubigen verlangt worden, dass sie beten. Ich erfülle durch das Gebet meine Verpflichtungen gegenüber Gott. Es ist das mindeste, dass ich mich dafür bedanke – für das, was ich besitze und nicht besitze. Das ist das mindeste, was ich tun kann.

R: Welche Inhalte der Bibel sind Ihnen besonders wichtig und wieso?

P: Alles in der Bibel ist wichtig.

R wiederholt die Frage.

P: Soll ich Ihnen die Details erzählen?

R: Was hat Sie besonders beeindruckt und Ihr Leben verändert?

P: Das ist der 45. Vers von Jesaja. Es gibt einen auserwählten Mann namens Koroush im Alten Testament. Das war ein iranischer König. Interessant ist, dass es sich um eine Vorhersehung handelt, die eingetroffen ist. Ungefähr 250-300 Jahre, bevor Christus geboren ist. Da sagt Gott wörtlich: „Dieser Mann ist von mir auserwählt worden und von mir begnadigt worden. Ich werde seine Feinde in die Knie zwingen und werde seinen Weg ebnen. Sein Volk wird befreit und er bekommt versteckte Schätze“. Wir haben gesehen, dass das alles stattfand. Koroush hat das Volk Israel befreit, als er Babel befreite, und ihnen das Land zurückgegeben, hat ihnen die Tempel gebaut und viele Schätze ihnen gegeben.

R: Wieso interessiert Sie vor allem diese Stelle?

P: Weil Koroush ein Iraner war. Ich interessiere mich sehr für die Geschichte. Er sagte nie, welche Religion er hatte, aber Gott sagte darin, dass er von ihm auserwählt war.

R: Und aus dem Neuen Testament?

P: Wegen dem Glauben zu leiden. Das ist der erste Teil von Petrus – der vierte Vers, Nummer 12.

R: Warum hat Sie das besonders beeindruckt?

P: Irgendwie ist das mein Lebenslauf.

R: Können Sie das näher ausführen?

P: Ja. Ihr Lieben, ihr solltet euch nicht vor dem Feuer auf diesem Weg fürchten. Seid fröhlich. Da ihr wegen Jesus Christus leiden werdet.

R erläutert die Frage.

P: Darin steht, dass die Gläubigen, die diesen Weg gehen, leiden werden. Und dieses Leiden gehört dazu und muss sein, damit man das Leiden Christi spürt. Das war auch genau in meinem Leben. Die Probleme, die ich auf meinem Weg als Flüchtling hatte – die Entfernung und die Entfremdung von meiner Familie. Die Bedrohungen und all das war eine große Lehre. Das war ein sehr erleuchtender Vers für mich.

R: Gibt es ein bedeutendes christliches Fest, das wir gerade gefeiert haben?

P: Ja, das war die Auferstehung.

R: Wie haben Sie das denn gefeiert?

P: Da wo ich war, konnten wir nicht feiern. Aber via Facebook haben wir an den Feierlichkeiten der Kirche teilgenommen. Das war letzten Sonntag.

R: Letzten Sonntag? Meinen wir das gleiche?

P: Entschuldigung, letzten Dienstag.

R: Welches wichtige christliche Fest gab es davor?

P: Im April? Das war die heilige Woche. Und die Auferstehung war die letzte Feierlichkeit am Sonntag.

R: Hat das einen Namen?

P: Ostern.

R: Wie haben Sie Ostern gefeiert?

P: Auch über Facebook.

R: Können Sie mir das schildern?

P: In unserem Heim wurden Süßigkeiten verteilt.

R: Und auf religiöser Ebene?

P: Meinen Sie innerhalb des Heimes?

R: Wie haben Sie Ostern gefeiert? Immerhin ist Ostern ein sehr bedeutender Feiertag bei den Christinnen und Christen…

P: Diese Feierlichkeit ist sehr stark, was die Religiosität angeht, und ich meine das zeigt, dass wir einen lebendigen Gott anbeten.

R wiederholt die Frage.

P: Ich war fröhlich. Die Möglichkeit, um richtig zu feiern gab es da nicht. Ich war glücklich. Das ist etwas Großes. Ich war sehr glücklich an diesem Tag.

R: Wenn es keine Möglichkeit gibt, einen christlichen Feiertag zu feiern, dann machen Sie es auch nicht?

P: Soweit es ging, in eigenen Räumen. Ich habe den anderen in der Öffentlichkeit, soweit es ging, gratuliert. Wir haben uns gegenseitig beglückwünscht – das war das mindeste, was wir tun können. […]

R: Was war der Auslöser, dass Sie in die Kirche gingen – gab es eine auslösende Information?

P: Ich fühlte mich etwas Lebendigem gegenüber verpflichtet.

R: Das verstehe ich nicht – können Sie mir das beschreiben?

P: Der Islam ist eine Religion, die man gesagt bekommt – sie ist nicht etwas, das man sich aus voller Überzeugung aussucht. In dieser Religion, in der ich früher war, musste ich bestimmte Gebote einhalten. Und wenn ich mich nicht daran gehalten habe, gab es keine Vergebung. Und somit haben wir immer einen Götzen, der von Menschen erschaffen wurde, angebetet. Das ist das, was die Muslime anbeten.

D: Er meint damit, dass man sich gegen Mekka ausrichtet.

P: Ein Gotteshaus. Aber Gott hat kein Zuhause. Der Himmel ist sein zuhause.

R: Wie haben Sie im Iran den Islam ausgelebt?

P: Ich fühlte mich seit meinem 22. Lebensjahr der Religion gegenüber nicht mehr verpflichtet. Sie hat mir nicht mehr gefallen.

R wiederholt die Frage.

P: Ich habe nichts gemacht.

R: Sie haben den Islam also nicht praktiziert?

P: Bis zu einem gewissen Alter war ich dem Willen meiner Eltern unterworfen und musste das machen. Als ich ein gewisses Alter erreicht hatte, nicht mehr. Deshalb habe ich auch eine sehr schlechte Beziehung zu meinem Vater.

R: Also haben Sie nicht gefastet, sind nicht in die Moschee gegangen, haben nicht gebetet…?

P: Nein.

R: Beschreiben Sie mir konkret und anschaulich die Hauskirche im Iran?

P: Sie befand sich in der Stadt XXXX , neben einer Apotheke, die 24 Stunden offen hatte. Es war ein großes Haus. Es wurden einige Tage organisiert. Aus Sicherheitsgründen konnte man nicht sagen, wann diese stattfanden. Einen Tag vor dem kirchlichen Gottesdienst wurde uns Bescheid gegeben. Am ersten Tag, als ich dort hinging, sagt der Pfarrer zu mir: „Du bist nicht alleine hierhergekommen, du bist angezogen worden.“! Mit dem Pfarrer gemeinsam waren wir 9 Personen. Wir haben Unterrichtskurse, Wissenskurse und Gebete gehabt. Ich fürchtete mich allerdings – ich war unter Druck. Es war keine gute Atmosphäre. Ich meine damit die Atmosphäre in der Stadt – die in der Kirche war super.

R: Wie lief das dort ab?

P: Der Priester war dort anwesend. Wir mussten einzeln hinein in ein Zimmer. Die Golsarstraße ist eine wohlhabende Gegend – deswegen war die Straße sehr unter der Lupe. Jedes Mal war unterschiedlich – einmal haben die Unterrichtskurse begonnen und wir haben mit den Gebeten aufgehört, und manchmal wurde es abgesagt.

R: War die Hauskirche immer an derselben Adresse?

P: Ja.

R: Und bei wem?

P: Das Haus gehörte einem Verwandten des Pfarrers, der nicht im Iran war.

R: Bei der Behörde haben Sie gesagt, dass Sie nur zusammenkommen seien, um zu beten – es habe sich um keinen Lehrvorgang gehandelt (siehe erste Einvernahme, AS93).

P: Diese Gebete wurden uns unterrichtet.

R: Sie haben während der heutigen VH gesagt, dass Sie in der neuen Religion instruiert wurden – in der ersten Einvernahme haben Sie dies verneint.

P: Das habe ich auch beim letzten Mal gesagt, aber ich glaube, dass mein D nicht so stark war. Das waren nicht nur Gebete, sondern wir hatten auch Religionskurse.

R: Wann und in welchem Zusammenhang haben Sie angegeben, dass es Probleme mit dem D bei der Einvernahme gab?

P: Zum Schluss hat er nicht alles, was ich gesagt hatte, übersetzt. Die Details wurden nicht wiedergegeben, und ich habe auch nichts mehr gesagt bekommen.

R wiederholt die Frage.

P: Jetzt sage ich Ihnen das.“

Aus diesem ausführlichen Ausschnitt aus dem Verhandlungsprotokoll lässt sich erkennen, dass der Beschwerdeführer zwar einige Zugänge zu christlichen Glaubensinhalten gefunden zu haben scheint, jedoch nicht hervorkommt, was sein neuer Glaube ihm bedeutet und wie er ihn konkret lebt und leben will. Darüber hinaus sind seine Angaben zB zum Inhalt der letzten Taufkurseinheiten oder zu den Gottesdiensten im Endeffekt nur oberflächlich, und lässt sich daraus eine systemische Auseinandersetzung mit den relevanten Inhalten des neu gewählten Glaubens nicht erkennen. Bemerkenswert ist weiter, dass der Beschwerdeführer zu den heurigen Osterfeierlichkeiten, die durch die Covid19-Pandemie eingeschränkt waren, wenige Überlegungen anstellte und das Gefühl vermittelte, dass die Begehung eines hohen christlichen Feiertags eben nicht stattfinden würde, wenn es die äußeren Umstände nicht erlauben würden. Dass sich der Beschwerdeführer darüber Gedanken gemacht hat, wie er die Auferstehungsfeier für sich oder zB im Heim begehen könnte, kam im Verfahren nicht hervor.

Weiter musste auffallen, dass der Beschwerdeführer zur Hauskirche im Iran unterschiedliche Angaben machte: während er bei seiner Einvernahme bei der belangten Behörde angab, dass es eben keine Kurse zu Glaubensinhalten dort gegeben haben soll (AS 123) – was auch als Erklärung für seine geringen Kenntnisse über die neu gewählte Religion herangezogen wurde, so meinte er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, dass es im Rahmen der Hauskirche Religionskurse gegeben habe. Diese unterschiedliche Schilderung der Inhalte der Hauskirchenveranstaltungen ist nicht geeignet, einen Besuch einer Hauskirche im Iran und eine entsprechende Auseinandersetzung mit dem Christentum dort bereits, die sich insbesondere aus den EV Protokollen der belangten Behörde nicht ergeben kann, glaubhaft zu machen.

Weiter gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an, nichts über den Verbleib der anderen Hauskirchenmitglieder zu wissen; er habe den Kontakt nicht mehr herstellen können (S. 17f des Verhandlungsprotokolls). Diese kurzen, oberflächlichen und nicht nachvollziehbaren Angaben auf die Frage nach dem Schicksal der anderen Hauskirchenmitglieder können jedenfalls eine engere Beziehung des Beschwerdeführers zu einer christlichen Gemeinschaft im Iran nicht bestätigen.

Weiter ist anzuführen, dass der Beschwerdeführer selbst angab, aus Sicherheitsgründen nicht mit einem erkennbaren Namen auf Instagram aufzuscheinen (vgl. S 18f Verhandlungsprotokoll). Damit kann eine Gefährdung des Beschwerdeführers wegen des Postens von Inhalten auf social media nicht angenommen werden. Dass (möglicherweise) die Frau und andere Verwandte dem Beschwerdeführer auf Instagram folgen, der 491 Follower hat, kann eine ausreichende Zuordenbarkeit allfälliger Inhalte der Seite zum Beschwerdeführer nicht ausreichend klar begründen. Das gleiche trifft auf den Facebook Account des Beschwerdeführers zu (vgl. ebda).

Wenn

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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