Entscheidungsdatum
14.09.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W272 2224093-1/8Z
W272 2224093-2/3Z
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch Mag. Roland Hermann, Caritas Erzdiözese Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2019, Zahl: XXXX , die Anhaltung in Schubhaft von 10.07.2019 bis 29.08.2019 sowie die Abschiebung am 29.08.2019, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von 10.07.2019 bis 29.08.2019 für rechtswidrig erklärt.
II. Die Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Abschiebung nach Serbien am 29.08.2019) wird gem. § 7 Abs. 1 Z 3 VFA-VG und § 46 Abs. 1 Z 2 und 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
III. Der Bund hat gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandsersatzverordnung dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand (aus der Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft) in der Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Dem Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird nicht Folge gegeben.
IV. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandsersatzverordnung dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand (aus der Beschwerde gegen die Abschiebung) in der Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird nicht Folge gegeben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF), ein Staatsangehöriger Serbiens, reiste im Jahr 2010 illegal mit seinen Eltern in das Bundesgebiet ein.
2. Am 12.12.2016 wurde der BF vom Landesgericht für Strafsachen Wien, XXXX , gem. § 127 (1) StGB, §§ 142 (1), 143 (1) 2. Fall StGB, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, bedingt, verurteilt (Jugendstraftat).
3. Am 13.09.2017 wurde der BF ebenfalls vom Landesgericht für Strafsachen Wien, XXXX , gem. §§ 223 (2), 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, bedingt, verurteilt (Jugendstraftat).
4. Am 19.10.2017 wurde der BF im Beisein seiner Mutter als gesetzliche Vertreterin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen.
5. Gegen den BF wurde am 24.01.2018 eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot erlassen, welche aufgrund eines Zustellmangels und der zwischenzeitlichen Asylantragstellung ex lege außer Kraft gesetzt wurde.
6. Am 30.01.2018 stellten der BF und seine Eltern Anträge auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (in Folge: AsylG).
7. Am 03.04.2018 wurde gegen den BF ein Betretungsverbot für das Betreuungsquartier XXXX ausgesprochen. Der BF wurde in weiterer Folge festgenommen und in Untersuchungshaft gebracht. Am 16.04.2018 wurde der BF aus der Untersuchungshaft entlassen und erneut in die Grundversorgung aufgenommen.
8. Am 25.05.2018 wurde gegen den BF aufgrund einer Bedrohung einer Mitarbeiterin des Betreuungsquartiers neuerlich ein Betretungsverbot ausgesprochen.
9. Am 30.05.2018 wurde der BF vom Landesgericht Korneuburg, XXXX , gem. §§ 105 (1), 106 (1) Z 1 StGB, §§ 107 (1), 107 (2) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, bedingt, verurteilt (Jugendstraftat).
10. Mit Mandatsbescheid vom 05.06.2018 wurde dem BF die Grundversorgung entzogen.
11. Mit Schreiben vom 09.07.2018 ersuchte der Rechtsberater des BF um Zuweisung eines Betreuungsplatzes.
12. Eine Mitarbeiterin der ihm zugewiesenen Unterkunft, Frau XXXX , brachte am 07.01.2019 eine Stellungnahme ein, in der sie angab, dass der BF in den letzten vier Monaten seiner Unterbringung in der Wohngemeinschaft lebhaftes Interesse gezeigt habe, sich die Regeln der Institution anzueignen, was ihm auch sehr gut gelungen sei. Er beteilige sich an Hilfsangeboten wie der Behandlung bei der Suchtkoordination Wien oder Beschäftigungsprojekten wie Re-Start.
13. Mit Bescheid vom 30.04.2019 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz in allen Punkten ab, erließ eine Rückkehrentscheidung samt siebenjährigem Einreiseverbot und stellte fest, dass die Abschiebung nach Serbien zulässig sei. Weiters wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
14. Der BF erhob fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, welche das Bundesverwaltungsgericht (in Folge: BVwG) mit Teilerkenntnis vom 18.06.2019, eingelangt beim BFA am 02.07.2019, hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung abwies.
15. Am 04.07.2019 wurden Festnahmeaufträge für sämtliche Familienmitglieder, welche alle an unterschiedlichen Adressen gemeldet waren, erlassen. Am 08.07.2019 wurde der BF von der LPD XXXX aufgegriffen und festgenommen.
16. Mit Mandatsbescheid vom 10.07.2019 wurde über den BF gem. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.
17. Am 11.07.2019 übermittelte die XXXX dem BFA die von den Eltern unterschriebene Vereinbarung zur vollen Erziehung für den BF. Diese bestätige, dass die Kinder- und Jugendhilfe die Obsorge im Teilbereich Pflege und Erziehung übernehme. Der BF habe nach wie vor einen Platz in einer Wohngemeinschaft der Stadt XXXX . Die Kinder- und Jugendhilfe spreche sich nochmals dezidiert gegen eine Schubhaft aus, da dies den Kinderrechten widerspreche. Die Schubhaft wirke sich retraumatisierend auf dessen psychische Gesundheit aus.
18. Mit Schreiben vom 12.07.2019 bestätigte auch der Rechtsberater des BF, dass dieser einen festen Schlafplatz habe und mit einigen wenigen Ausnahmen täglich in der WG XXXX nächtige. Er versuche, sich weiter in das Leben der Wohngemeinschaft zu integrieren.
19. Von Seiten des BFA wurde am 12.07.2019 Kontakt mit dem Verbindungsbeamten des Innenministeriums für Serbien aufgenommen, um eventuelle Verwandte des BF in Serbien zu finden oder den Jugendwohlfahrtsträger hinsichtlich der Übernahme des BF zu kontaktieren. Am 21.08.2019 erging die Information, dass der BF durch den serbischen Jugendwohlfahrtsträger am Grenzübergang übernommen werden könne.
20. Am 13.07.2019 wurde der BF durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er sich seit 2009 oder 2010 in Österreich aufhalte. Er besuche sechs oder sieben Mal im Monat einen Kurs, wo er € 4,50 pro Stunde verdiene. Manchmal helfe ihm seine Mutter mit ein bisschen Geld aus. In Österreich würden seine Eltern und ein Onkel (Bruder des Vaters) leben. In Serbien seien nach wie vor seine Großeltern mütterlicherseits, seine Tante mütterlicherseits und seine Großmutter väterlicherseits. Diese würden jedoch nichts mit der Familie zu tun haben wollen. Im Falle einer Rückkehr hätte er niemanden mehr. In Österreich habe er zuletzt in einer Wohngemeinschaft für Jugendliche, die von Obdachlosigkeit bedroht seien, geschlafen. Am Wochenende dürfe er den ganzen Tag dort seien, Montag bis Freitag müsse er die Wohngemeinschaft von 8:30 bis 17:30 verlassen. Montag bis Donnerstag arbeite er in der Werkstatt im Erdgeschoss. Seine Mutter habe er zuletzt am Wochenende zu ihrem Geburtstag getroffen, seit Montag sei sie jedoch nicht mehr in die Betreuungsstelle zurückgekehrt.
21. Mit Aktenvermerk vom 22.07.2019 hielt das BFA fest, dass nach einer schriftlichen Aufforderung an den XXXX , bekanntzugeben, ob die Mutter des BF in einer Schutzwohnung für Opfer von Menschenhandel untergebracht sei, eine Mitarbeiterin telefonisch mitgeteilt habe, dass die Mutter des BF seit mehreren Monaten aufgrund des erfolgten Freispruches nicht mehr von XXXX betreut werde und somit auch nicht untergebracht sei.
22. Am 23.07.2019 erging eine Meldung durch die zuständige LPD, dass der BF im Rahmen seiner Haft akut selbstmordgefährdet sei und daher in eine isolierte Einzelzelle verbracht worden sei.
23. Die LPD XXXX hielt mit Aktenvermerk vom 05.08.2019 fest, dass der BF am gleichen Tag einen mündlichen Asylantrag gestellt habe, dieser jedoch nach Kontaktaufnahme mit dem BFA nicht gestellt haben werde können, da das Beschwerdeverfahren noch offen sei.
24. Am 25.08.2019 wurde dem BFA von der für den BF zuständigen Schubhaftbetreuerin, die auch mit den Eltern des BF in Kontakt stand, mitgeteilt, dass seine Eltern nicht gewillt seien auszureisen und im Bundesgebiet verbleiben wollen würden.
25. Mit 26.08.2019 erging die Genehmigung des Direktors des BFA, den minderjährigen BF nach Serbien abzuschieben. Am 28.08.2019 wurde der BF über die bevorstehende Abschiebung in Kenntnis gesetzt.
26. Am 29.08.2019 wurde der BF mittels Landcharter ständig begleitet nach Serbien abgeschoben.
27. Am 07.10.2019 erhob der BF, vertreten durch den Rechtsberater der Caritas XXXX , Mag. Roland Hermann, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die verhängte Schubhaft sowie die durchgeführte Abschiebung gem. § 22a BFA-VG sowie § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG.
Vorgebracht wurde, dass der BF mit seinen Eltern bereits im Jahr 2010 aufgrund politischer Probleme des Vaters in das Bundesgebiet eingereist sei. Da die Eltern einen „Schlussstrich“ unter die Erlebnisse in Serbien haben ziehen wollen, hätten sie keinen Asylantrag gestellt. Stattdessen hätten sie unter ausbeuterischen Bedingungen für Herrn XXXX mitunter 15 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, gearbeitet, weswegen der BF zunehmend sich selbst überlassen worden und in einen falschen Freundeskreis geraten sei.
Gegen den Vater des BF sei mit Erkenntnis des BVwG vom 02.03.2017 eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen worden. Mit Eingabe vom 15.12.2017 hätten die Eltern des BF nunmehr bekannt gegeben, dass es sich bei der Familie um Opfer von Menschenhandel iSd § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG handle. Mit Eingabe vom 29.01.2018 sei bei der Staatsanwaltschaft XXXX namens der Eltern des BF eine Sachverhaltsdarstellung gegen Herrn XXXX eingebracht worden. Dieser sei von den Vorwürfen jedoch freigesprochen bzw. sei das Verfahren eingestellt worden.
Aufgrund der durch den Entzug der Grundversorgung verursachten Obdachlosigkeit der Eltern hätten diese die Pflege und Erziehung an das Land XXXX als Jugendwohlfahrtsträger übertragen, worüber das BFA mit E-Mail vom 11.09.2019 informiert worden sei. Seit 31.08.2018 bis zu seiner Festnahme am 08.07.2019 sei der BF in der Caritas Wohngemeinschaft XXXX in XXXX wohnhaft gewesen. Wie in seiner Vernehmung durch das BFA am 13.07.2019 angegeben und durch die vorgelegten Bestätigungen bescheinigt, habe der BF ständig dort genächtigt und sich an den Wochenenden auch ganztätig dort aufgehalten.
Am 08.07.2019 sei der BF von der belangten Behörde festgenommen worden, der Vater des BF sei infolge der Obdachlosigkeit nicht greifbar gewesen, die Mutter infolge der Festnahme des BF nicht mehr in die Betreuungsstelle in XXXX zurückgekehrt.
Bezüglich des erlassenen Mandatsbescheides sei unverständlich, wieso sich die belangte Behörde ausdrücklich auf den Haftzweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme stütze, zumal das BFA bereits eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen habe. Auch wenn die Behörde in der Begründung auf den Haftzweck zur Sicherung der Abschiebung abgestellt habe, müsse angemerkt werden, dass die Bescheidbegründung lediglich dann von Relevanz sei, wenn der Spruch undeutlich sei, was er in diesem Fall gerade nicht sei. Auch eine Fluchtgefahr sei niemals gegeben gewesen. Der BF sei stets zu den Einvernahmen erschienen. Es wäre beim minderjährigen BF darüber hinaus in jedem Fall ein gelinderes Mittel gem. § 77 Abs. 1 FPG anzuwenden gewesen.
Darüber hinaus sei auch die Abschiebung des BF vor einem Abspruch über seinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gem. § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG, da seine Eltern Opfer von Menschenhandel gewesen sei, rechtswidrig. Zuletzt sei im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf den Vorrang des Kindeswohles einzugehen.
Mitvorgelegt wurden:
? Stellungnahme der Caritas
E-Mail der Caritas XXXX
28. Mit Schreiben vom 09.10.2019 brachte das BFA eine Stellungnahme zur Schubhaft- bzw. Maßnahmenbeschwerde beim BVwG ein.
Vorgebracht wurde, dass es nicht nachvollziehbar sei, warum die Beschwerde nicht während der Inhaftierung eingereicht worden sei, zumal von Seiten des Vertreters des BF auf das Kindeswohl hingewiesen worden sei. Der Vertreter des BF sei bei der Schubhafteinvernahme am 13.07.2019 anwesend gewesen.
Weiters sei festzuhalten, dass die Schubhaftverhängung gegen den BF zwar grundsätzlich zur Sicherung der Abschiebung gediehen gewesen sei, allerdings aufgrund diverser Umstände zu prüfen gewesen sei, ob der BF ohne seine untergetauchten Eltern abgeschoben hätte werden können. Aus diesem Grund habe der Verbindungsbeamte herangezogen werden müssen. Es sei auch anzumerken, dass es sich hinsichtlich des Spruchpunktes sowohl bei der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, als auch zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung um denselben Paragraphen, Absatz und Ziffer, nämlich § 76 Abs. 2 Z 2 FPG handle und sich daraus nicht grundsätzlich eine Rechtswidrigkeit einstelle. Im Falle des BF habe auch ein Sicherungsbedarf bestanden, da dieser die in Österreich laufenden Verfahren zu erschweren bzw. unmöglich zu machen versucht habe. Er habe sich in der Vergangenheit immer wieder unkooperativ verhalten und sich den illegalen Vorgehensweisen seiner Eltern gebeugt. Es sei, wie der Stellungnahme vom XXXX entnommen werden kann, eine leichte Verbesserung seines Verhaltens ersichtlich, er habe jedoch nur teilweise, nicht regelmäßig, an den Re-Start Programmen teilgenommen. Auch die Bestätigung des Herrn XXXX vom 12.07.2019 zeige, dass der BF zwar grundsätzlich in der Einrichtung der Caritas wohnen bleiben hätte können, es allerdings zu Ausnahmen gekommen sei, an welchen er nicht anwesend gewesen sei.
Generell sei anzumerken, dass die Beschwerde sechs Wochen nach Entlassung aus der Schubhaft zwar zulässig sei, jedoch dafür spreche, dass der einzige Zweck der Beschwerde darin gelegen sei, eine Haftentschädigung zu lukrieren. Selbiges gelte für die Maßnahme der Abschiebung. Durch eine zeitgerecht eingebrachte Beschwerde hätte diese, bei Rechtswidrigkeit, verhindert werden können.
Hinsichtlich des Kindeswohls sei außerdem darauf hinzuweisen, dass es sich beim BF um einen minderjährigen Jugendlichen im Alter von siebzehneinhalb Jahren handle, der bereits dreifach vorbestraft sei, unter anderem aufgrund von Gewaltdelikten. Der Verbleib des BF, der ein derartiges Aggressionspotenzial aufweise, könne nicht im Sinne eines geordneten Fremdenwesens liegen. Die Unterbringung des BF in einer Einrichtung der Caritas, in welcher Jugendliche anonym untergebracht werden könnten, diene aus Sicht des BFA nicht einer Einrichtung, an welcher der BF für das Bundesamt greifbar wäre.
Bezüglich der Eltern sei anzumerken, dass es absolut nicht nachvollziehbar sei, warum diese ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt, an welchem sie von der Durchführbarkeit der Rückkehrentscheidung erfahren hätten, plötzlich Schutz als Opfer von Menschenhandel benötigen würden, welchen sie davor nicht in Anspruch genommen hätten. Das BFA gehe davon aus, dass die Unterbringung in einer anonymen Wohnung lediglich dazu diene, der Effektuierung der fremdenrechtlichen Maßnahme zu entgehen. Auch wenn dem BF keine Schuld am Verhalten der Eltern gegeben werden könne, sei davon auszugehen gewesen, dass dieser im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft jedenfalls untergetaucht wäre.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
Der nunmehr volljährige, damals minderjährige, BF ist Staatsangehöriger Serbiens, wurde am XXXX geboren und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist daher Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.
Der BF reiste im Jahr 2010 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und besuchte einige Jahre die Schule. Er stellte am 30.01.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vom 30.04.2019 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen wurde. Die Abschiebung wurde für zulässig erklärt und die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Teilerkenntnis des BVwG vom 18.06.2019 hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet abgewiesen.
Der BF befand sich von 10.07.2019 bis zu seiner Abschiebung am 29.08.2019 in Schubhaft.
Der BF wurde drei Mal strafgerichtlich verurteilt:
- Am 12.12.2016 wurde der BF vom Landesgericht für Strafsachen Wien, XXXX , gem. § 127 (1) StGB, §§ 142 (1), 143 (1) 2. Fall StGB, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, bedingt, verurteilt.
- Am 13.09.2017 wurde der BF ebenfalls vom Landesgericht für Strafsachen Wien, XXXX , gem. §§ 223 (2), 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, bedingt, verurteilt.
- Am 30.05.2018 wurde der BF vom Landesgericht Korneuburg, XXXX , gem. §§ 105 (1), 106 (1) Z 1 StGB, §§ 107 (1), 107 (2) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, bedingt, verurteilt.
Der BF legte einen gültigen Reisepass vor.
Der BF war seit 31.08.2018 in Österreich in der Caritas Wohngemeinschaft XXXX gemeldet. Er hielt sich, bis auf einige wenige Ausnahmen, jede Nacht und an Wochenenden meistens ganztägig dort auf.
Der BF hatte familiäre und soziale Kontakte in Österreich. Der Vater des BF war lediglich bei einer Obdachlosenadresse gemeldet und unbekannten Aufenthaltes, die Mutter in der Betreuungseinrichtung XXXX Unterkunft, kehrte jedoch nach der Festnahme des BF nicht mehr zu ihrer Unterkunft zurück und war anschließend ebenfalls unbekannten Aufenthaltes.
Die Verbindung der Behörde zu den Eltern des BF war über eine Drittperson vorhanden. Die Eltern des BF wollen nicht ausreisen. Der BF war durch seine Mutter vertreten.
Der BF ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach, er arbeitete jedoch gelegentlich in der Sozialwerkstatt des Caritas Wohnheimes.
Der BF lebte vom Verdienst seiner Beschäftigung sowie finanzieller Unterstützung seiner Mutter. Er besaß keine Barmittel.
Der BF war gesund und haftfähig.
Es gab keine hinreichenden Indizien für die Annahme, dass sich der BF dem Zugriff der Behörden entziehen würde.
Die Abschiebung war innerhalb der Schubhafthöchstdauer effektuierbar.
Die Schubhaft war nicht verhältnismäßig und nicht ultima-ratio.
Der BF wurde am 29.08.2019 mittels Landcharter nach Serbien abgeschoben. Er suchte nicht um Unterstützung einer freiwilligen Rückkehr an und es war nicht anzunehmen, dass der BF das Bundesgebiet freiwillig verlassen hätte. Die Übernahme des BF wurde durch die serbischen Behörden in Zusammenarbeit mit den dortigen Wohlfahrtsträgern zugesichert.
In Bezug auf die individuelle Lage des BF im Falle einer Rückkehr nach Serbien konnte keine im Hinblick auf den Zeitpunkt, an dem über seinen Antrag auf internationalen Schutz entschieden wurde, maßgeblich geänderte Situation festgestellt werden.
Der BF hat familiäre Anknüpfungspunkte in Serbien, welche ihn, neben der staatlichen Unterstützung bei der Ansiedelung helfen können.
Der BF war nicht Opfer eines Menschenhandels.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie des Verwaltungsaktes bezüglich seines Antrages auf internationalen Schutz sowie der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung.
Die Feststellungen zur Person des BF und seiner Staatsangehörigkeit ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben und dem BFA vorgelegten Reisepass. Seine Identität steht fest.
Die Feststellungen hinsichtlich der Antragstellung auf internationalen Schutz sowie der teilweisen Abweisung ergeben sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt.
Dass der BF in Schubhaft war und über den Landweg am 29.08.2019 abgeschoben wurde, ergibt sich aus einem Auszug aus der Anhaltedatei.
Die Feststellung der strafgerichtlichen Verurteilungen ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.
Dass der BF in Österreich gemeldet war und dort auch regelmäßig nächtigte bzw. anzutreffen war, ergibt sich aus seinen Angaben, einem Auszug aus dem ZMR, der Bestätigung von XXXX der Caritas vom 07.01.2019, der Bestätigung der XXXX vom 11.07.2019 sowie der Rechtsberatungsorganisation vom 12.07.2019.
Die Vertretung des BF durch seine Mutter war aufrecht. So wurde in einem email-Schreiben durch Fr. XXXX Bezugsbetreuerin des BF am 25.08.2019 noch mitgeteilt, dass sie Kontakt mit den Eltern hat und diese bekanntgaben, dass sie nicht ausreisen wollen (AS 99). Der BF bedurfte daher keiner anderen gesetzlichen Vertretung, dass die Eltern (Mutter) für die Behörden nicht greifbar waren, führte nicht dazu, dass der BF nicht vertreten war.
Die Übernahme des BF durch die serbischen Behörden und dem dortigen Jugendwohlfahrtsträger, wurde mit Schreiben vom 23.08.2019 seitens des serbischen Innenministeriums schriftlich zugesichert (AS 93).
Die Feststellung hinsichtlich seiner gelegentlichen Beschäftigung ergibt sich aus den Angaben in der Beschwerdeschrift sowie in der niederschriftlichen Einvernahme des BF am 13.07.2019.
Dass der BF gesund ist beruht auf dem Umstand, dass Gegenteiliges nicht vorgebracht wurde und er selbst angab, gesund zu sein. In Haft erklärte der BF zwar einmal, dass er sich umbringen würde, nahm die Aussage jedoch zurück und erklärte, dass es sich um ein Missverständnis gehandelt habe.
Dass es keine hinreichenden Indizien für die Annahme, der BF würde sich dem Zugriff der Behörden entziehen, gab, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Der BF nächtigte seit 31.08.2018, sohin zum Zeitpunkt der Festnahme am 08.07.2019 seit fast einem Jahr, in der Caritas Wohngemeinschaft und verbrachte überwiegend seine Wochenenden dort. Er war behördlich an dieser Adresse gemeldet und wurde auch von Seiten der Caritas bestätigt, dass der BF, bis auf einige wenige Ausnahmen, stets in der Wohngemeinschaft Unterkunft nahm. Wenn das Bundesamt in seiner Stellungnahme vom 09.10.2019 schreibt, dass der BF zwar grundsätzlich in der Einrichtung der Caritas wohnen bleiben hätte können, es allerdings zu Ausnahmen gekommen sei, an welchen er nicht anwesend gewesen sei, so muss festgehalten werden, dass derartige Ausnahmen – wie der Ausdruck bereits impliziert – gerade nicht regelmäßig vorgekommen sind und somit keine Rechtfertigung dafür sein können, dass das BFA davon ausgeht, der BF würde im konkreten Fall in seiner Unterkunft nicht angetroffen werden können. Zudem muss angemerkt werden, dass das Argument des BFA „die Unterbringung in einer Einrichtung der Caritas, in welcher Jugendliche anonym untergebracht werden könnten, diene aus Sicht des BFA nicht einer Einrichtung, an welcher der BF für das BFA greifbar wäre“ aus Sicht des erkennenden Gerichts ins Leere gehen, da der BF an eben dieser Einrichtung sogar behördlich gemeldet gewesen ist und die (mögliche) Anonymität der Einrichtung gerade nicht in Anspruch genommen hat.
Darüber hinaus wäre dem BF zumindest die Möglichkeit zu geben gewesen, sich entweder bis zur Ausreise in seinem Wohnsitz aufzuhalten und sich in regelmäßigen Abständen zu melden oder in einer zugewiesenen Unterkunft Wohnung zu nehmen, zumal der BF zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme noch minderjährig war. Es ist bereits § 77 Abs. 1 FPG zu entnehmen, dass bei mündigen Minderjährigen das BFA gelindere Mittel anzuwenden hat, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann. Bei Annahme eines Sicherungsbedarfes wäre also jedenfalls dem gelinderen Mittel der Vorrang zu geben gewesen. Es konnte auch nicht erkannt werden, dass sich der BF bisher an derartige Vorgaben nicht gehalten hätte.
Der Behörde ist dahingehend Recht zu geben, dass der BF sich nicht an die österreichischen Gesetze hielt, indem er mehrfach strafgerichtlich verurteilt wurde. Es zeigt sich daraus jedoch nicht ohne weitere Einzelfallprüfung, dass der BF deswegen untertauchen würde. Die letzte Verurteilung des BF war zum Zeitpunkt der Inhaftnahme bereits über ein Jahr her. Auch die belangte Behörde räumte in ihrer Stellungnahme vom 09.10.2019 ein, dass eine „leichte Besserung in seinem Verhalten ersichtlich“ gewesen sei.
Wie die belangte Behörde auch des Öfteren festhielt, kann dem BF keinerlei Schuld am Verhalten seiner Eltern gegeben werden. Aus der Aussage „auch wenn dem BF keine Schuld am Verhalten der Eltern gegeben werden kann, war davon auszugehen, dass dieser, im Fall der Entlassung aus der Schubhaft, jedenfalls untergetaucht wäre“ kann von Seiten des erkennenden Gerichts nichts gewonnen werden, zumal das BFA jegliche Begründung dieser Annahme schuldig bleibt.
Der BF hat sich auch nicht – wie vom BFA behauptet – unkooperativ verhalten, er ist vielmehr zu allen seit Oktober 2017 durchgeführten Einvernahmen ladungsgemäß erschienen und hat sich seinen Verfahren nicht entzogen.
Zur Feststellung, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK bedeutete, wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.
Dass der BF nicht um Unterstützung einer freiwilligen Rückkehr ersucht hat, ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten. Dass der BF nicht freiwillig aus Österreich ausreisen würde, ergibt sich aus der Tatsache, dass der BF im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 13.07.2019 angab, im Falle einer Rückkehr nach Serbien niemanden zu haben, zu dem er gehen könne, da er seit Jahren keinen Kontakt mit seinen Verwandten habe und auch nicht haben wolle. Er hält sich seit dem Jahr 2010 fast durchgehend illegal im Bundesgebiet auf.
Die familiären Verhältnisse ergeben sich aus den Angaben und dem Verwaltungsakt des BF, der Stellungnahme des BFA, den Berichten der LPD sowie der Beschwerdeschrift und den bezughabenden Verwaltungsakten der Eltern des BF. So leben die Mutter und Schwester des Vaters und die Eltern seiner Mutter in Serbien und können ihn vorübergehend Unterkunft gewähren. So lebten zunächst die Eltern und der BF über ein Jahr lang bei ihnen und im Jahr 2016 lebte der BF mit seiner Mutter bei ihnen. Serbien ist ein sicherer Herkunftsstaat, es sind auch keine Berichte über Gefahren für Kinder in diesem Land bekannt. Aus den Berichten ist ableitbar, dass der BF eine Schule oder Arbeit nachgehen kann und seine Grundversorgung sichern kann, ohne dass er als mündiger Minderjähriger Gefahr läuft einer Bedrohung oder sonstigen Gefahr für seine körperliche Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Weiters ist aus den aktuellen Länderberichten zum Zeitpunkt der Abschiebung ersichtlich, dass die staatliche Sozialhilfeleistung die Grundbedürfnisse gewährleistet, wenn der BF seinen Unterhalt nicht durch Arbeit, Vermögen, Unterhaltsverpflichtungen von Verwandten oder auf andere Art und Weise sichern kann. Das soziale Wohlfahrtssystem ist durch die Sozialämter organisiert und in allen Gemeinden Serbiens zu finden. Die Versorgung mit Grundnahrungsmittel ist gewährleistet, sowie eine sichere Ankunft und medizinische Versorgung. Der BF kann mit seinem Reisepass Sozialhilfe aber auch eine Krankenversicherung erhalten (Länderbericht zu Serbien). Sodass es möglich ist, dass der BF auch ohne seine Eltern abgeschoben werden konnte und nicht Gefahr läuft in eine Notlage zu geraten.
Dass der BF nicht Opfer eines Menschenhandels war ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakt. Der BF selbst musste nicht für Herrn XXXX arbeiten und konnte seiner schulischen Ausbildung nachgehen. Dass der BF nicht durchgehend von seinen Eltern betreut wurde, führt nicht dazu, dass er Opfer eines Menschenhandels wurde. Auch kann der BF diese verringerte Umsorge seiner Eltern nicht dafür rechtfertigen, dass er Straftaten verübt hatte. Er war zum Zeitpunkt der Straftaten strafmündig und konnte den Unrechtsgehalt seiner Taten erkennen. Weiters wurde auch seitens der Staatsanwaltschaft Wien im Juli 2018 das Verfahren gegen XXXX wegen §§ 215 ff StGB eingestellt. Auch bezüglich der Anklage wegen § 116 Abs. 1 FPG wurde XXXX in der Hauptverhandlung XXXX vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 13.11.2018 gem. § 259 Z. 3 StPO freigesprochen. Wobei jeweils die Eltern nicht jedoch der BF Opfer sein hätte sollen. Das Verwaltungsgericht konnte nicht erkennen, dass der BF Opfer von Menschenhandel wurde.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.
Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.
3.2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem BF gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gem. § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gem. § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls und Zwangsgewalt gem. dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gem. dem 7. und 8. Hauptstück des FPG, in dem sich der die Abschiebung regelnde § 46 FPG befindet. Es ist daher auch weiterhin zulässig, im Wege einer solchen Beschwerde die Rechtsmäßigkeit einer Abschiebung als Maßnahme unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch das Bundesverwaltungsgericht prüfen zu lassen (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025, mwH).
Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gem. Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG beträgt sechs Wochen (§ 7 Abs. 4 VwGVG) und beginnt mit jenem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, wenn er aber durch diese behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung (§ 7 Abs. 4 Z 3 VwGVG).
Da der BF am 28.08.2019 von der am nächsten Tag bevorstehenden Abschiebung in Kenntnis gesetzt wurde und die Beschwerde am 07.10.2019 eingebracht wurde, war diese rechtzeitig.
Zu Spruchpunkt A.I.) – Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft
3.3 Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden. Die Schubhaft darf gemäß Abs. 2 nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gem. § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist (Z1), oder dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist (Z 2), oder die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen (Z 3).
3.4 Der BF ist serbischer Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger. Sohin ist er ein Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er war minderjährig und verfügte über kein Aufenthaltsrecht in Österreich.
3.5 Über den BF wurde die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG verhängt. Gegen den BF bestand eine aufrechte Rückkehrentscheidung.
Die Schubhaft kommt nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.
Mit der Abschiebung des BF war insofern zu rechnen, als eine durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme sowie ein Reisepass vorlag und am 21.08.2019 die Information an das BFA erging, dass der BF durch den serbischen Jugendwohlfahrtsträger am Grenzübergang übernommen werden könne. Auch der Gesundheitszustand des BF hat die Anordnung der Schubhaft nicht unverhältnismäßig erscheinen lassen.
3.6 Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt gemäß Abs. 3 vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert (Z 1), ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind (Z 1a) ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist (Z 2), ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat (Z 3), ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt (Z 4), ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde (Z 5), ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist (Z 6), insbesondere sofern der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat (lit. a), der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen (lit. b), oder es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt (lit. c), ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt (Z 7), ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Z 8) und der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes (Z 9). Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft gemäß Abs. 5 ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese gemäß Abs. 6 aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG daher der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF war seit 30.08.2018 in der Caritas WG wohnhaft und auch dort gemeldet. Er finanzierte einen Teil seines Unterhaltes durch die Arbeit in der Sozialwerkstatt und erhielt gelegentlich finanzielle Unterstützung durch seine Mutter. Auch hat der BF familiäre bzw. freundschaftliche Beziehungen innerhalb Österreichs, zumal er bereits seit zehn Jahre hier lebte.
Es wird von Seiten des erkennenden Gerichts nicht verkannt, dass die Eltern des BF zum Zeitpunkt der Inhaftnahme des BF untergetaucht waren. Es muss jedoch festgehalten werden, dass die Mutter des BF erst mit dem Zeitpunkt der Inhaftnahme des BF abgetaucht ist und davor regelmäßig in der ihr zugewiesenen Betreuungseinrichtung genächtigt und gegessen hat.
Der BF hatte somit einen gesicherten Wohnsitz, familiäre Anknüpfungspunkte und ging einer Tätigkeit im Rahmen der Sozialwerkstatt nach, sodass das Gericht davon ausgeht, dass wenngleich der BF keine Aufenthaltsberechtigung und keine legale Beschäftigung in Österreich hatte, der Fluchtgrund gem. Z 9 aus den Akten nicht ableitbar ist.
Da der BF in Österreich über einen gesicherten Wohnsitz sowie familiäre und soziale Anknüpfungspunkte verfügt hat, gab es von vornherein keinen Sicherungsbedarf. Die strafgerichtlichen Verurteilungen alleine mögen keine Fluchtgefahr begründen, genauso wenig wie die mangelnde Ausreisewilligkeit.
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum.
Wie bereits festgestellte, bestand schon von vornherein kein Sicherungsbedarf. Selbst wenn man jedoch vom Vorliegen eines Sicherungsbedarfes ausgehen würde, hätte die belangte Behörde mit einem gelinderen Mittel das Auslangen finden müssen.
Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
§ 77 Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
Unter der oben genannten Judikatur, darf Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“ (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).
Selbst unter der Annahme eines Sicherungsbedarfes gem. Z 9 ist nicht die Folge daraus, dass die Schubhaft tatsächlich anzuordnen ist, die angeordnete Schubhaft muss nach Ansicht des Gerichtes als Ultima Ratio zu qualifizieren sein, dies war jedoch nicht der Fall. Der Gesetzgeber sieht die Möglichkeit der Verhängung eines gelinderen Mittels vor, von welcher das BFA Gebrauch machen hätte müssen. Im gegenständlichen Fall wird dies nach Ansicht des Gerichtes zur Sicherung der Abschiebung des BF als ausreichend erachtet. Der BF war zum Zeitpunkt der Festnahme noch minderjährig. Darüber hinaus war er seit etwa einem Jahr stets an derselben Adresse gemeldet und hat es keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass sich der BF einem gelinderen Mittel entziehen würde. Er ist vielmehr zu sämtlichen Einvernahmen ladungsgemäß erschienen und hat – entgegen der Ansicht des BFA – seine Verfahren auch nicht wesentlich erschwert oder vereitelt. Die in § 77 Abs. 3 Z 1-3 vorgesehenen Möglichkeiten stellen einerseits für den BF eine lediglich geringfügige und wohl auch zumutbare Beschränkung dar und bieten andererseits der Behörde eine gute Möglichkeit, zur Sicherung der Abschiebung durch die verhängten Maßnahmen engmaschige Kontrolle des BF zu organisieren. Der BF hat auch in der Vergangenheit nicht gegen vergleichbare Auflagen verstoßen, sodass hier das Gericht die Verhängung von gelinderen Mittel für ausreichend erachtet hat. Die Verurteilungen des BF führen nicht automatisch dazu, dass der BF unglaubwürdig wird und von einer Nichtbefolgung von österreichischen Gesetzen im Allgemeinen auszugehen ist und der BF auch eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.
Wenn die belangte Behörde anführt, dass sich der BF von seinen Eltern jedenfalls zum Untertauchen überreden hätte lassen, fehlt hierfür jegliche nachweisbare Begründung, die über Spekulation hinausgehen würde.
Aufgrund der fehlenden Notwendigkeit des Freiheitsentzuges war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114). Ebenso war daher die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 10.07.2019 bis zu seiner Abschiebung am 29.08.2019 für rechtswidrig zu erklären.
Zu Spruchpunkt A) II. Abschiebung des BF am 29.08.2019
Gemäß § 46 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 70/2015 sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
Es müssen also zur durchsetzbaren Rückkehrentscheidung, Anordnung zur Außerlandesbringung, zur Ausweisung bzw. zum Aufenthaltsverbot noch weitere Voraussetzungen hinzutreten; dass durchsetzbare Bescheide vorliegen genügt noch nicht; dies ist nur eine der Voraussetzungen für die Abschiebung. Es muss daher ein Weg eröffnet sein, die Rechtswidrigkeit der Abschiebung trotz Vorliegens durchsetzbarer Bescheide betreffend Rückkehrentscheidung, Anordnung zur Außerlandesbringung, Aufenthaltsverbot oder Ausweisung geltend zu machen. Das Gesetz wird dem insofern gerecht als es die Umsetzung des Bescheides als unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt bezeichnet und damit die Möglichkeit einer Maßnahmenbeschwerde eröffnet (VwGH 23.09.1994, 94/02/0139; VwGH 20.10.2011, 2010/21/0056). Bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Abschiebung kommt es nach § 46 Abs. 1 FPG nicht nur auf das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Entscheidung, sondern auch auf die Erfüllung einer in den Z 1 bis 4 genannten Tatbestandsvoraussetzungen an. Überdies sieht die Bestimmung bei Vorliegen der dort genannten Bedingungen keine unbedingte Abschiebeverpflichtung vor, sondern stellt die Abschiebung in behördliches Ermessen (VwGH 30.08.2011, 2008/21/0020; VwGH 20.10.2011, 2010/21/0056). Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme ist die Behörde nicht auf die vorgebrachten Gründe beschränkt. Eine Abschiebung darf im Fall eines gestellten Antrages auf internationalen Schutz bis zur Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 12a Abs. 4 AsylG 2005 nicht stattfinden (vgl. VwGH 26.06.2014, 2013/21/0253).
Im vorliegenden Fall wurde gegen den BF mit Bescheid des BFA vom 30.04.2019 eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem siebenjährigen Einreiseverbot erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Serbien gem. § 46 FPG zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Teilerkenntnis vom 18.06.2019 hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet abgewiesen und erwuchs in Rechtskraft. Die mit Bescheid erlassene Rückkehrentscheidung war damit zumindest vorläufig durchsetzbar.
Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung kommt es nach § 46 Abs. 1 FPG nicht nur auf das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Entscheidung, sondern auch auf die Erfüllung einer der in den § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Tatbestandsvoraussetzungen an (VwGH 20.10.2011, 2010/21/0056).
Hierzu ist festzuhalten, dass gegen den BF seit 18.06.2019 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung bestand und er seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen ist, sodass der Tatbestand des § 46 Abs. 1 Z 2 FPG erfüllt ist. Wird eine Ausweisung durchsetzbar, ist damit stets die Verpflichtung zum unverzüglichen Verlassen des Bundesgebietes verbunden (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht [2014] § 46 FPG Anm 2).
§ 46 Abs. 1 Z 3 FPG sieht keine unbedingte Abschiebeverpflichtung vor (VwGH 28.01.2016; Ra 2015/21/0232; 29.06.2017, Ra 2017/21/0089), sondern stellt die Abschiebung in behördliches Ermessen (VwGH 23.10.2008, 2007/21/0335; 20.10.2011, 2010/21/0056).
Zudem war zu befürchten, dass der BF aufgrund seines etwa zehnjährigen illegalen Aufenthaltes sowie den sozialen und familiären Anknüpfungspunkten zu seinen Eltern und seinen Freunden, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.
Der BF reiste im Jahr 2010 in das Bundesgebiet ein und hielt sich bis auf einen kurzen Zeitraum als Asylwerber illegal und ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet auf.
Die Voraussetzungen für die Abschiebung des BF lagen daher vor (vgl. VwGH 28.05.2008, 2007/21/0240; 20.11.2008, 2006/21/0071; 30.04.2005, 2007/21/0541; 23.09.2010, 2009/21/0280).
Es kann daher nicht festgestellt werden, dass die belangte Behörde von ihrem Ermessen nicht rechtskonform Gebrauch gemacht hätte.
Die belangte Behörde konnte darüber hinaus mit der erfolgreichen Durchführung der Abschiebung rechnen, da der Reisepass des BF der belangten Behörde vorgelegen hat und dieser die Übernahme des minderjährigen BF durch den Jugendwohlfahrtsträger zugesichert worden war.
Es ist weiters zu prüfen, ob im vorliegenden Fall ein