TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/17 W271 2120202-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.2020
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Entscheidungsdatum

17.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6

Spruch

W271 2120202-3/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH, gegen Spruchpunkt VIII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX betreffend ein Einreiseverbot nach dem FPG, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

I.1. Erster Antrag auf internationalen Schutz

I.1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsbürger und Angehöriger der Volksgruppe der Usbeken, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet erstmals am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.1.2. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom XXXX den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus Österreich nach Afghanistan aus.

I.1.3. Der Asylgerichtshof wies die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am XXXX zugestellt.

I.2. Ausreise in die Schweiz

Nach Zustellung der Entscheidung des Bundesasylamtes reiste der Beschwerdeführer illegal in die Schweiz ein und begehrte Asyl. Dieser wurde nach abweisender Entscheidung nach Österreich rücküberführt.

I.3. Zweiter Antrag auf internationalen Schutz

I.3.1. Nach erfolgter Rückübernahme stellte der Beschwerdeführer am XXXX neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.3.2. Das Bundesasylamt wies den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom XXXX gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus Österreich nach Afghanistan aus.

I.3.3. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom XXXX ab.

I.4. Dritter Antrag auf internationalen Schutz

I.4.1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.4.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom XXXX gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

I.4.3. Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom XXXX , ab.

I.5. Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen

I.5.1. Am XXXX beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen.

I.5.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Außerdem wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

I.5.2. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom XXXX , ab.

I.6. Planung der freiwilligen Rückkehr

Am XXXX meldete sich der Beschwerdeführer zur freiwilligen Rückkehr an.

I.7. Vierter Antrag auf internationalen Schutz – Zurückweisung und Behebung

I.7.1. Am XXXX stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Am XXXX stellte er zudem einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen.

I.7.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück und den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ab. Das Bundesamt erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, erklärte gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung gemäß § 46 FPG für zulässig, räumte ihm gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise ein, verhängte § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren gegen ihn und trug ihm gemäß § 15b Abs. 1 AsylG auf, in einem gesonderten Quartier Unterkunft zu nehmen.

I.7.3. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte mit seiner Entscheidung vom XXXX , die Abweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Im Übrigen gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und behob den angefochtenen Bescheid gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG iVm § 68 AVG.

I.8. Vierter Antrag auf internationalen Schutz – Abweisung und gegenständliche Beschwerde

I.8.1. Nach neuerlicher Einvernahme des Beschwerdeführers und Einführung aktualisierter Länderberichte in das Verfahren wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX , Zl. XXXX , den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs.1 Z 13 AsylG ab. Das Bundesamt erteilte ihm gemäß § 57 AsylG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung, erklärte gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung gemäß § 46 FPG für zulässig, räumte ihm gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise ein, verhängte gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren gegen ihn (der hier noch relevante Spruchpunkt VIII.) und trug ihm gemäß § 15b Abs. 1 AsylG auf, in einem gesonderten Quartier Unterkunft zu nehmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erkannte darüber hinaus einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG ab.

I.8.2. Gegen diesen Bescheid richtete sich die gegenständliche Beschwerde, die dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX vorgelegt wurde.

I.8.3. Am XXXX fand in der Angelegenheit eine mündliche Verhandlung statt.

I.8.4. Mit Erkenntnis vom XXXX , XXXX , gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides (Einreiseverbot) Folge und behob diesen Spruchpunkt ersatzlos. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

I.8.5. Gegen die ersatzlose Behebung von Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides (Einreiseverbot) erhob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

I.8.6. Der Beschwerdeführer erhob gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom XXXX XXXX , die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Die daraufhin am XXXX im vollem Umfang eingelegte Revision des Beschwerdeführers wies das Höchstgericht mit Beschluss vom XXXX , XXXX , zurück.

I.8.7. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX , XXXX , wurde die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Umfang der Anfechtung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – die Behebung des Spruchpunktes VIII. (Einreiseverbot) – wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen

II.1.1. Der Beschwerdeführer war seit seiner Ankunft im XXXX nur während der Dauer der Behandlung seiner – letztlich unbegründeten – vier Anträge auf internationalen Schutz bzw. zwei Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen zum vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Nach Abschluss der jeweiligen Verfahren kam der Beschwerdeführer seinen wiederholt ausgesprochenen Ausreiseverpflichtungen (erste rechtskräftige Rückkehrentscheidung im XXXX ), nicht nach und verblieb rechtswidrig im Land.

Auch die zwischenzeitig wiederholt gestellten Anträge auf internationalen Schutz wurden zurück- bzw. abgewiesen ( XXXX , XXXX , XXXX ; zuletzt verbunden mit einer Rückkehrentscheidung). Auch seine Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden abgewiesen ( XXXX und XXXX , in diesen Entscheidungen wurde jeweils neuerlich eine Rückkehrentscheidung erlassen, die der Beschwerdeführer nicht berücksichtigte).

II.1.2. Der Beschwerdeführer verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes.

II.1.3. Der aktuelle Aufenthaltsort des Beschwerdeführers ist unbekannt; seit XXXX ist er nicht mehr in Österreich gemeldet. Er verfügt in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte oder ein verwurzeltes Privatleben.

II.2. Beweiswürdigung

Ad II.1.1. Die Feststellungen zum un- bzw. rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, insbesondere zur wiederholten Missachtung der Rückkehrverpflichtung, ergeben sich aus den vorliegenden Verfahrensakten und durch Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.

Ad II.1.2. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht selbsterhaltungsfähig ist, gründet auf dem Umstand, dass dieser seit XXXX (und damit den überwiegenden Teil seines etwa achtjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet) durchgehend Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung in Anspruch genommen hat. Seine individuelle Lage lässt auch nicht darauf schließen, dass er – gesetzt den Fall einer erneuten Einreise nach Österreich – seinen Aufenthalt im Bundesgebiet in absehbarer Zeit legalisieren und so seine Mittellosigkeit durch die Aufnahme einer legalen Beschäftigung in eine Selbsterhaltungsfähigkeit umwandeln könnte. Darüber hinaus bezeugt auch die von einem österreichischen Ehepaar für den Beschwerdeführer abgegebene Patenschaftserklärung nicht den Besitz ausreichender Mittel zu seinem Unterhalt, als die Erklärung lediglich für den Fall der Erteilung eines Aufenthaltsrechtes in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gelten soll; über ein solches Aufenthaltsrecht verfügt der Beschwerdeführer nicht und ist ein solches nicht Verfahrensgegenstand.

Ad II.1.3. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer derzeit unbekannten Aufenthaltes ist, beruht einerseits darauf, dass aktuell keine aufrechte Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet besteht; aus dem Zentralen Melderegister vom XXXX geht als letzte Anschrift des Beschwerdeführers vom XXXX bis zum XXXX die Wohnadresse seiner „Paten“ hervor. Andererseits ist dem aktuellen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer „unbekannt verzogen“ ist und mit Wirkung vom XXXX aus der Grundversorgung entlassen wurde.

Die Feststellungen zu seinem Privatleben ergeben sich aus einer gesamthaften Würdigung der Angaben und des Verhaltens des Beschwerdeführers sowie aus seinem Untertauchen im XXXX , womit er sein Leben in Österreich zurückließ.

II.3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

II.3.1. Entscheidungsgegenstand

Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt in seiner Entscheidung vom 22.05.2013, 2011/18/0259, ausgesprochen, dass es sich bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung einerseits und einem Einreiseverbot andererseits um trennbare Spruchbestandsteile handelt und sich die alleinige Behandlung der Erlassung eines Einreiseverbotes vor diesem Hintergrund als zulässig erweist.

Da die gegen den Beschwerdeführer im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , XXXX , ausgesprochene Rückkehrentscheidung bereits in Rechtskraft erwachsen ist, hat das erkennende Gericht sohin im fortgesetzten Verfahren lediglich das Einreiseverbot im Sinne der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes zu adaptieren (§ 63 Abs. 1 VwGG).

II.3.2. Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides (Einreiseverbot)

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt betont, dass „bei der Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG [...] eine Einzelfallprüfung vorzunehmen [ist], bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FPG anzunehmen. Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 FPG indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet“ (VwGH 20.08.2018, Ra 2019/19/0436).

Im vorliegenden Fall ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon aus, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde und damit der Tatbestand des § 53 Abs. 2 FPG verwirklicht sei. Es begründete seine Entscheidung einerseits mit der nicht nachgekommenen Ausreiseverpflichtung durch den Beschwerdeführer und andererseits mit dessen Mittellosigkeit.

o        Nichteinhaltung der Ausreiseverpflichtung:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stützte im angefochtenen Bescheid das verhängte Einreiseverbot zunächst darauf, dass der gegenständliche Fall in den Anwendungsbereich des Art. 11 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 (kurz: „Rückführungsrichtlinie“) falle.

Dazu ist eingangs festzuhalten, dass sich aus der Formulierung des § 53 Abs. 2 FPG ergibt, dass die dortige Aufzählung nicht als taxativ, sondern als demonstrativ zu sehen ist („Dies ist insbesondere dann anzunehmen, [...]“), weshalb das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in mit den in Z 1 bis 9 expressis verbis nicht genannten Fällen, die jedoch in ihrer Interessenslage mit diesen vergleichbar sind, ebenso ein Einreisverbot erlassen kann (VwGH 16.05.2019, Ra 2019/21/0104, mwN). Nach Art. 11 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie, der durch § 53 FPG umgesetzt wird, geht eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einher, falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde (lit. a) oder falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde (lit. b). Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist auch daher auf diesen Tatbestand Rücksicht zu nehmen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt festgestellt hat, rechtfertigt ein unrechtmäßiger Aufenthalt per se – neben der Erlassung einer Rückkehrentscheidung – nicht immer auch die Verhängung eines Einreiseverbotes. Liegt aber nicht bloß ein unrechtmäßiger Aufenthalt, sondern eine qualifizierte Verletzung der Ausreiseverpflichtung vor, so kann daraus eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuleiten sein. Dies entspricht auch Art. 11 Abs. 1 lit. b der Rückführungsrichtlinie, wonach Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einhergehen, falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde (VwGH 04.03.2020, Ra 2019/21/0192, mwN).

Angesichts dessen war das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgrund von Art. 11 der Rückführungsrichtlinie berechtigt, die Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer mit einem Einreiseverbot zu verbinden, zumal dieser im Bundesgebiet schon vier unbegründete Anträge auf internationalen Schutz ( XXXX , XXXX , XXXX , XXXX ) und zwei unbegründete Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen ( XXXX , XXXX ) gestellt hat, um seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verlängern.

o        Mittellosigkeit:

Weiters ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im bekämpften Bescheid davon aus, dass der Beschwerdeführer keinen Nachweis einer Selbsterhaltungsfähigkeit iSd § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erbracht habe und auch aus diesem Grund ein Einreiseverbot auszusprechen sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG gerechtfertigt ist (VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309).

Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt, dass er ausreichende Mittel zur auch nur kurzfristigen Sicherung seines Lebensbedarfes hat. Dieser lebte von XXXX bis zu seinem Untertauchen im XXXX von der Grundversorgung. Da der Beschwerdeführer in Österreich über kein Aufenthaltsrecht und damit nicht über die Möglichkeit, einer rechtmäßigen Beschäftigung bzw. Erwerbstätigkeit nachzugehen, verfügt, ist auch künftig – im Falle seiner Rückkehr in das Bundesgebiet – nicht davon auszugehen, dass er seinen Aufenthalt aus Eigenem finanzieren könnte. Seine Mittellosigkeit kann auch nicht durch die für ihn abgegebene Patenschaftserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG beseitigt werden, weil diese keine Haftung für seine „Paten“ unabhängig von der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG begründet (VwGH 29.02.2012, 2010/21/0255).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte demnach zu Recht fest, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig ist und daher ein Einreiseverbot gerechtfertigt erscheint.

Gemäß der anfangs zitierten höchstgerichtlichen Judikatur ist bei der vorzunehmenden Gefährdungsprognose das bisherige Gesamtverhalten des Fremden zu berücksichtigen: Zwar ist der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten, wie vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aber zutreffend ausgeführt wurde, stellt dessen Verhalten, insbesondere das Nichtbefolgen der erlassenen Rückkehrentscheidungen, eine Missachtung der österreichischen Rechtsordnung und der Entscheidungen der österreichischen Verwaltungsbehörden und Gerichte dar. Insgesamt betrachtet zeigt sich, dass der Beschwerdeführer seit XXXX nicht gewillt ist, sich an die ihm gegenüber ausgesprochenen Ausweisungen zu halten, und er keineswegs über gesicherte Mittel für seinen Unterhalt verfügt. Ein Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stellt daher eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar, weshalb eine Gefährdungsprognose nicht zugunsten des Beschwerdeführers ausschlagen kann.

Die Erlassung eines Einreiseverbotes steht, ebenso wie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, unter dem Vorbehalt des § 9 BFA-VG: Wie bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , XXXX , und oben in II.1.3. festgestellt wurde, verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte und auch über kein vertieftes Privatleben in Österreich. In Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers mit dem Interesse an der Verhängung eines Einreiseverbotes erscheint daher die Erlassung des Einreiseverbotes zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere in Anbetracht der beharrlichen Nichtbeachtung fremdenbehördlicher Anordnungen und der fehlenden Existenzmittel, geboten.

Zur Dauer des Einreiseverbotes wird festgehalten, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht einmal die Hälfte der gesetzlich zulässigen Dauer des § 53 Abs. 2 FPG verhängt hat. Ein Einreiseverbot dieser Dauer ist angesichts der vorliegenden Verfehlungen des Beschwerdeführers notwendig, aber auch ausreichend, um der von ihm ausgehenden Gefährdung wirksam zu begegnen und eine nachhaltige Änderung seines Verhaltens sowie seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken. Die Beschwerde zeigt auch keine Gründe auf, wonach die Ermessensübung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Zusammenfassend ist sohin das Einreiseverbot vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl rechtmäßig erlassen und die gewählte Dauer von zwei Jahren als angemessen angesetzt worden. Aus diesem Grund war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides (Einreiseverbot) als unbegründet abzuweisen.

II.3.3. Unterbleiben einer (neuerlichen) mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Im vorliegenden Fall konnte die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung unterbleiben, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war: Der Sachverhalt wurde durch das Bundesverwaltungsgericht bereits vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. In der Beschwerde finden sich zudem keine Hinweise, wonach eine weitere mündliche Verhandlung notwendig gewesen wäre, zumal sich dort keine substantiierten Ausführungen zum Einreiseverbot finden.

Zu B)

II.3.4. Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom XXXX , XXXX , bereits über eine Revision betreffend die vorliegende Rechtssache entschieden. Die nunmehrige Entscheidung dient lediglich dazu, einen der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Darüberhinausgehende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung werden dadurch nicht aufgeworfen.

Schlagworte

Ausreiseverpflichtung Einreiseverbot Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Mittellosigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W271.2120202.3.00

Im RIS seit

27.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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