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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny, sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der J W C Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien I, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 12. März 1993,
GA 7-729/6/93, betreffend Haftung gemäß § 14 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Finanzamtes vom 17. Jänner 1992 als Betriebsnachfolger gemäß § 14 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten des Betriebsvorgängers herangezogen. In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid brachte sie im wesentlichen vor, daß der Haftungstatbestand des § 14 BAO, nämlich die Übereignung eines Unternehmens, nicht verwirklicht worden sei. Außerdem sei § 14 BAO vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 20. Juni 1991, G 3/91, G 127/91 und G 173/91, als verfassungswidrig aufgehoben worden. Der vorliegende Fall sei zwar kein Anlaßfall, jedoch seien "die tragenden Gründe dieses höchstgerichtlichen Erkenntnisses auch auf den gegenständlichen Fall anzuwenden".
Nach Ergehen einer die Berufung abweisenden Berufungsvorentscheidung und Stellung des Antrages auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz erließ die belangte Behörde am 22. März 1993 (Tag der Zustellung) den mit 12. März 1993 datierten angefochtenen Bescheid, mit dem die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen wurde. Die belangte Behörde stützte sich dabei ausdrücklich auf § 14 BAO in der alten, durch den Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Fassung, indem sie die Rechtsansicht vertrat, die Aufhebung sei mit Ablauf des 31. Mai 1992 in Kraft getreten, "sodaß die aufgehobene Bestimmung dem Art. 140 Abs. 7 B-VG zufolge - abgesehen von den Anlaßfällen - auf alle bis 31. Mai 1992 vorgenommenen Übereignungen weiterhin anzuwenden ist".
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin rügt, daß die belangte Behörde § 14 BAO in der durch den Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Fassung angewendet hat. Damit zeigt sie im Ergebnis zutreffend eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. September 1995, 95/14/0038, ausgesprochen hat, ist die Rechtsmittelbehörde verpflichtet, bei der Entscheidung über einen Haftungsfall im Sinne des § 14 BAO das im Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidung geltende Recht anzuwenden. Bei einer solchen Entscheidung wird nämlich nicht darüber abgesprochen, ob die Haftung des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Betriebsübergabe bestanden hat, sondern eine derartige Haftung für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ausgesprochen. Die Betriebsübergabe stellt lediglich einen Teil des gegebenen Sachverhaltes dar, der von der belangten Behörde in der Richtung beurteilt werden muß, ob er zusammen mit den weiteren Sachverhaltselementen nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung zur Verwirklichung des Haftungstatbestandes führt.
Der angefochtene Bescheid wurde von der belangten Behörde am 22. März 1993, also zu einem Zeitpunkt erlassen, zu dem § 14 BAO in der ursprünglichen Fassung durch den Verfassungsgerichtshof bereits rechtswirksam aufgehoben und § 14 BAO in seiner neuen Fassung, BGBl. Nr. 448/1992, in Kraft getreten war (Aufhebung mit Wirkung ab 31. Mai 1992; Inkrafttreten der Nachfolgebestimmung mit Wirkung ab 31. Juli 1992).
Die belangte Behörde hätte daher § 14 BAO in seiner neuen Fassung anzuwenden gehabt. Dadurch, daß sie ihrer Entscheidung eine nicht mehr anwendbare gesetzliche Bestimmung zu Grunde gelegt, und daher auch die maßgebenden Bestimmungen des § 14 BAO in der neuen Fassung, insbesondere jene, die das Kennen oder Kennen-Müssen der Abgabenschuldigkeiten seitens des Rechtsnachfolgers als Voraussetzung für seine Inanspruchnahme als Haftender normieren, nicht beachtet hat (gerade diese Voraussetzung verneint die Beschwerdeführerin), hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodaß dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1993130050.X00Im RIS seit
11.07.2001