TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/25 W272 2139645-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.09.2020
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Entscheidungsdatum

25.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W272 2139645-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 31.10.2019, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., II., IV., V., VI und VII. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

II. In Erledigung der Beschwerde wird der Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 11.09.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für zwei Jahre erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 30.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. Am 02.07.2015 wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zunächst zu seinen persönlichen Verhältnissen angab, dass er Dari spreche und Analphabet sei. Er sei 22.03.2001 geboren und könne im Iran keine Schule besuchen, da er keine Dokumente bekomme. Er wolle nicht zurück, da er keine Möglichkeit auf Bildung und Ausbildung im Iran habe. Die Lage seiner Familie sei schlecht.

1.3. Mit Vollmacht des Amtes für Jugend und Familie der Stadt Graz vom 14.07.2015 wurde die Mitarbeiterin der Caritas XXXX als gesetzliche Vertreterin gem. § 10 BFA-VG und § 12 FPG bestellt. Mit Schreiben vom 02.02.2016 wurde bestätigt, dass der BF vom 19.07.2015 bis zum 14.09.2015 am Alphabetisierungskurs teilgenommen hat. Durch ein Handröntgen wurde mit 07.10.2015 festgestellt, dass der BF jenseits der Altersgrenze vom vollendeten 14 Lebensjahr ist. Es wurde ein Kosultationsverfahren mit Ungarn begonnen.

1.4. Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 03.02.2016 gab der BF an, dass er in Afghanistan geboren sei, jedoch im Iran aufgewachsen. Er sei nicht zur Schule gegangen, seine Mutter habe ihm vier oder fünf Monate lesen und schreiben beigebracht. Seine Mutter lebe im Iran, sein Vater sei nach Afghanistan abgeschoben worden. Von ihm wisse er nichts. Er sei nun 14 Jahre alt und bereits 8 Monate in Österreich. Was die paschtu-sprechende Dolmetscherin in Ungarn angegeben habe, wisse er nicht. In Belgien habe er einen Cousin väterlicherseits, zu welchem er jedoch keinen Kontakt habe.

1.5. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 30.09.2016 gab der Beschwerdeführer an, gesund zu sein, in Afghanistan in Maidan Wardak geboren zu sein und im Alter von 8 Jahren in den Iran gezogen zu sein. Danach habe er 6 Jahre in Teheran gelebt. Er habe keine Schule besucht und drei Jahre als Schuhmacher gearbeitet. Im Heimatland sei sein Vater, welcher vor 2 Jahren abgeschoben worden sei. Seine Mutter, ein Bruder und zwei Schwestern seien im Iran. Sie würden in einem Mietshaus leben und seine Mutter arbeite als Reinigungskraft. Zwei Tanten und 1 Onkel väterlicherseits seien in Teheran und drei Tanten und zwei Onkel mütterlicherseits würden in Kabul leben. Er habe Kontakt mit seiner Mutter. In Afghanistan könne er nicht leben. Als Fluchtgrund gab er an, dass die finanzielle Lage seiner Familie schlecht gewesen sei, sein Vater habe in der Landwirtschaft gearbeitet, jedoch kein Geld bekommen. Danach habe dieser die Ernte in Kabul verkauft und sei mit dem Besitzer der Landwirtschaft in Feindschaft geraten. Deshalb habe seine Familie Afghanistan verlassen. Er habe weder zu seinem Vater, noch zu anderen Familienangehörigen Kontakt. In Österreich besuche er die Schule, habe Kontakt zu anderen Österreichern und lerne Deutsch. Vorgelegt wurden: Schulbesuchsbestätigung (benotet in Deutsch als Zweitsprache und alternativen Gegenständen – Deutsch, Berufsorientierung und Lebenskunde, Bewegung und Sport und Projektarbeit), zwei Empfehlungsschreiben und eine Deutschkursbestätigung.

1.6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) zuerkannt. dem Beschwerdeführer wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 12.10.2017 erteilt. Begründet wurde die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten damit, dass der BF zu seinem Heimatland keinen Bezug hat. Er habe mit seinen Onkeln und Tanten keinen Kontakt und sei daher von seinem Heimatland entwurzelt. Daher kann von einem familiären Netzwerk in Afghanistan nicht ausgegangen werden. Auch gehe aus den aktuellen Länderinformationen hervor, dass die Situation für unbegleitete Minderjährige in Bezug auf die Sicherheit und die wirtschaftliche Situation, sich mehr als schlecht darstelle. Bei einer Rückkehr in sein Heimatland, wäre der BF daher in einer aussichtlosen Lage und laut den aktuellen Länderinformationen und den fehlenden familiären Anknüpfungspunkt ist von einer Gefährdung gem. Art. 2 und Art. 3 EMRK auszugehen. Eine innerstaatliche Schutzalternative, etwa auch in seiner Heimatprovinz Maidan Wardak, wäre unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände, aufgrund des Fehlens einer sicheren Rückkehrroute zu seinem Heimatdorf, insbesondere das Fehlen eines familiären Netzwerkes, sowie auch in Hinblick auf die allgemein schlechte Versorgungslage in Afghanistan, derzeit ebenfalls nicht zur Verfügung. Aufgrund der Minderjährigkeit und des fehlenden familiären Netzwerkes können nicht ausgeschlossen werden, dass der BF keiner ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit ausgesetzt wäre. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre der BF in einer aussichtslosen Lage. Eine Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG sei daher gegeben.

1.7. Gegen den genannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter mit Schreiben vom 10.11.2016 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Schreiben vom 16.08.2017 beantragte der BF durch seinen Vertreter mit Schreiben vom 16.08.2017 die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gem. §8 Abs. 4 AsylG.

1.8. Mit Bescheid des BFA Regionaldirektion Steiermark vom 10.10.2017 wurde dem BF die befristete Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 12.10.2019 erteilt. Begründend wurde festgestellt, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat in Verbindung mit seinem Vorbringen bzw. mit seinem Antrag das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden konnte.

1.9. Mit Urteil vom 06.11.2018 vom Landesgericht für Strafsachen Graz wurde der BF wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 2 a zweiter Fall SMAG als Beitragstäter im Sinne des § 12 dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde unter Bestimmungen einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

1.10. Mit Erkenntnis des BVwG W126 2139645-1/16E vom 31.07.2019 wurde die Beschwerde des BF gegen Spruchpunkt I des og. Bescheides, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, als unbegründet abgewiesen.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Am 11.09.2019 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ein.

Mitvorgelegt wurde ein Dienstvertrag mit dem Arbeitgeber XXXX . Mit Dienstvertrag vom 08.04.2018 wurde die Arbeitszeit von 5 Stunden pro Woche auf 20 Stunden pro Woche verändert. Lohn/Gehaltsabrechnung vom Juli und August 2019. Kursbesuchsbestätigung „Deutsch für MigrantInnen“ auf Deutschniveau B1, Deutschprüfungszeugnis ÖIF „B1“ bestanden, drei Empfehlungsschreiben, Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs.

2.2. In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 24.10.2019 erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Der BF gab wiederum an, dass er Tanten und Onkel väterlicherseits in Kabul habe, zu diesen jedoch keinen Kontakt. Seine Mutter, sein Bruder und seine zwei Schwestern würden in Teheran leben, sowie zwei Tanten und ein Onkel väterlicherseits. Sein Vater sei nach Afghanistan abgeschoben worden, zu ihm habe er keinen Kontakt. Seine Eltern haben keine Besitztümer in Afghanistan. Er habe keinen Kontakt nach Afghanistan. In Österreich lebe er zu Dritt in einem Heim. Er beginne nun in Österreich mit dem Hauptschulabschluss. Vorgelegt wurde zusätzlich eine Teilnahmebestätigung vom steirischen Jugendcollege.

2.3. Mit gegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA; in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) vom 31.10.2019 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 12.10.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II wurde die vom 12.10.2016 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gem. § 9 Abs. 4 AsylG entzogen. Unter Spruchpunkt III. wurde der Antrag vom 11.09.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 nicht erteilt (Spruchpunkt IV.) Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 4 FPG erlassen (Spruchpunkt V.) und festgestellt, dass gemäß § 52 Absatz 9 FPG seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt VI.). Ferner wurde unter Spruchpunkt VII. ausgesprochen, dass die gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

In diesem Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer afghanischer Staatsangehöriger sei. Er stamme aus Maidan Wardak, sei schiitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Sayed eine Untergruppe der Hazara an. Er sei ledig, jung, gesund und arbeitsfähig. Zum Zeitpunkt der Asylantragsstellung sei er minderjährig gewesen, nunmehr volljährig. Es könne nicht festgestellt werden, dass er an einer lebensbedrohenden Krankheit leide. Er sei rechtskräftig mit Urteil des Landesgerichtes wegen § 12 3 Fall StGB, § 27 (2a) 2. Fall SMG zu 3 Monaten bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren strafrechtlich verurteilt worden. Des Weiteren stellte die Behörde fest, dass der Beschwerdeführer den Status als subsidiär Schutzberechtigten am 12.10.2016 zugesprochen bekam, da der BF zum damaligen Entscheidungszeitpunkt minderjährig gewesen sei und darausfolgend eine Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative bestanden habe und eine schlechte Versorgungslage in seiner Heimatprovinz. Nunmehr sei der BF alleinstehend, jung, arbeitsfähig und gesund und volljährig und habe sich in Österreich wertvolle Kenntnisse aneignen können, welche ihm bei der Rückkehr helfen könne. Die Heimatprovinz sei noch volatil, es bestehe jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul Stadt, Herat und Mazar-e Sharif. Es könne nicht festgestellt werden, dass ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohe. Die drei Städte könnten sicher erreicht werden. Der BF könne bei Rückkehr grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befrieden und gerate nicht in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation bzw. Notlage. Seine Verwandten im Iran könnten ihn unterstützen. Aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Sayed bestehe auch eine weitere soziale Unterstützung. Seine Erfahrung als Kellner, seine Deutschkenntnisse und die Bildung aus dem Jugendcollege könnten ihm bei Rückkehr zu Gute kommen. Er habe nunmehr wertvolle Berufskenntnisse und anderes lebensnotwendiges Wissen angeeignet. Der BF kenne die kulturellen Gepflogenheiten, zumal er in Afghanistan gelebt habe und aufgewachsen sei. Er gehöre keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass Sie sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellen, als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Die Einschätzung gem. UNHCR-Guidelines und EASO zur Sicherheitslage in Kabul stellen keine bindenden Wertungen dar. Die Sicherheitslage in Kabul, aber noch besser in Mazar-e Sharif ist gegeben. Da die Hauptstadt von Balkh zu den stabilsten und ruhigsten Provinzen zähle. Auch die Arbeitssuche werde durch die sogenannten Employement Services Centres unterstützt. Es sei ihm zumutbar im Alter von 18 Jahren Kenntnisse der örtlichen Begebenheiten anzueignen. Auch werde die Volksgruppe der Hazara ihn unterstützen. Die Lage habe sich daher insgesamt seit Zuerkennung bzw. Verlängerung des Status als subsidiär Schutzberechtigte wesentlich geändert und unter Heranziehung einer innerstaatlichen Fluchtalternative sei eine Rückkehr nunmehr möglich. Es bestehe keine Gefahr einer Verletzung von Art 2., 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zu Konvention. eine familiäre Anknüpfungspunkte im Iran habe. Weiters könne der BF auf die Unterstützung im Rahmen der Rückkehrhilfe zurückgreifen, welche ihm zumindest in der Übergangsphase bei der Ansiedelung helfen.

2.4. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens. Der BF brachte vor, dass die Sicherheitslage in Afghanistan sich verschlechtert habe und sehr instabil sei. 2018 gab es einen Anstieg von drei Prozent von Gewalt an zivile Personen gegenüber 2017. Aber auch in Mazar-e Sharif und Herat habe sich die Sicherheitslage verschlechtert. Im Juni 2019 seien rund 100.000 Vertriebene nach Herat gegangen und habe sich die humanitäre Hilfe verringert und die Wasserversorgung sei knapp. Aber insbesondere aufgrund dessen, dass der BF aus Europa zurückkehre sei die Lage für ihn noch schwieriger, wie aus einem Bericht von Friderike Stahlmann hervorgehe. Es fehle die Erwerbssicherheit und nur 23,3 Prozent der Rückkehrer, wie IOM berichtet, könne Arbeit finden. Man könne nicht davon ausgehen, dass der BF, aufgrund seiner langen Abwesenheit aus Afghanistan, die Anfangsschwierigkeiten überwinden wird können, dies sei aus dem Gutachten von Friderike Stahlmann vom 28.03.2018 erkennbar. Weiters bestehe eine besondere Integration des BF. Er sei seit 2015 in Österreich, spreche Deutsch auf B1-Niveau, sei von 04.2018 bis 08.2019 als Küchenhelfer und Kellner tätig gewesen, sodass eine Rückkehrentscheidung in das Privatleben des BF eingreifen würde. Dem BF sei daher der Status als subsidiär Schutzberechtigte weiterhin zu verlängern. Es können nicht mit erforderlicher Sicherheit, aufgrund der fehlenden familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan ausgeschlossen werden, dass im Falle einer Rückkehr eine Verletzung seiner durch Art. 3 u. 8 EMRK geschützten Rechte erfolge.

2.5. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 21.09.2020 wurde vorgelegt:

?        Teilnahmebestätigung „Nachholen des Pflichtschulabschlusses“ vom 24.02.2020 bis zum 01.04.2021

?        Teilnahmebestätigung steirisches Jugendcollege vom 19.09.2019 bis 08.03.2020

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten und mündlichen Verhandlung sowie aus dem Akteninhalt (ua. dem Erkenntnis des BVwG vom 31.07.2019), der Niederschrift vor dem BFA am 24.10.2019, der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan am XXXX geboren, gehört der Volksgruppe der Sayed einer Untergruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Er ist ledig, hat keine Obsorgeverpflichtungen, ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer spricht Dari und Farsi.

Der BF ist in Afghanistan geboren und ging mit seinen Eltern im Alter von 8 Jahren in den Iran und hielt sich bis zu seiner Ausreise nach Europa im Iran auf. Seine Mutter, ein Bruder und zwei Schwestern leben im Iran, in der Stadt Teheran, es besteht regelmäßiger Kontakt. Sein Vater wurde ca. 1 Jahr vor Ausreise des BF aus dem Iran nach Afghanistan abgeschoben. Eine Verbindung zu dem Vater besteht nicht. Der Beschwerdeführer hat keinen Kontakt zu anderen Angehörigen, weder im Iran noch in Afghanistan. Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären und sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan.

Bei Rückkehr nach Afghanistan besteht, trotz Coronapandemie, keine Gefahr, dass der BF eine Krankheit oder gar den Tod erleide. Der BF kann das Gesundheitssystem Afghanistan beanspruchen.

Der Beschwerdeführer hat keine Schule besucht und kann nur wenig auf Dari lesen und schreiben. Er spricht die Sprache Dari und Faris mit iranischem Akzent, sodass jeder erkennt, dass der BF im Iran aufgewachsen ist. Der BF hat bereits vor Ausreise als Schuhmacher gearbeitet.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in Afghanistan über ein familiäres Netz oder soziale Anknüpfungspunkte verfügt, dass den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr unterstützen würde. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers lebte sowohl zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten, als auch zum Zeitpunkt der Aberkennung des Schutzstatus im Iran. Die Familie kann den BF nicht unterstützen.

Der BF ist in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, war dort nie inhaftiert und hatte keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Herkunftsland.

Der BF war zunächst, nach illegaler Einreise in das österreichische Staatsgebiet und Antragsstellung auf internationalen Schutz am 30.06.2015, als Asylwerber in Österreich aufhältig.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat mit Bescheid vom 12.10.2016 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Dem BF wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 21.10.2017 erteilt. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzes erfolgte, da der BF minderjährig war und keine familiären Anknüpfungspunkte. Eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Heimatprovinz des BF war nicht möglich. Der BF würde in eine ausweglose Situation in Afghanistan kommen. Die dagegen erhobene Beschwerde gegen Spruchpunkt I (Status als Asylberechtigter) wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 31.07.2019 abgewiesen

Seit der Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl war der Beschwerdeführer als subsidiär Schutzberechtigter aufhältig und erhielt eine Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 10.10.2017.

Ein Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes wurde am 11.09.2019 gestellt und dieser mit dem gegenständlichen Bescheid abgewiesen und der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt.

In Österreich wurde Beschwerdeführer am 06.11.2018 vom Landesgericht für Strafsachen Graz, 032 Hv 16/2018w (RK 06.11.2018) wegen der Beitragstäterschaft zu § 27 2a 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bedingt verurteilt. Er ist nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen vom Arbeitsmarktservice. Der Beschwerdeführer besuchte Deutschkurse, absolvierte ein Deutschzertifikat B1, und nahm an Werte- und Orientierungskursen teil. Der Beschwerdeführer arbeitete als Küchenhelfer und Aushilfskellner. Der BF nahm am steirischen Jugendcollege teil und besuchte die Polytechnische Schule Graz-Herrgottwies in die Klasse K2 im Schuljahr 2015/16. Der BF nimmt zurzeit an der Ausbildung „Nachholen des Pflichtschulabschlusses“ teil.

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in der Herkunftsprovinz Maidan Wardak sowie in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat, kann nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.10.2016 und Verlängerung vom 10.10.2017 wesentlich und nachhaltig verändert haben.

Eine Rückkehr in seine Heimatprovinz Maidan Wardak bzw. die Fahrt dorthin, ist aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ist für den BF aufgrund seiner individuellen Gefährdungsfaktoren (geringe Kenntnis der kulturellen Gepflogenheiten, fehlende Kenntnis der infrastrukturellen Gegebenheiten, fehlendes Unterstützungsnetzwerk, Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, Exponiertheit als „Iran-Rückkehrer“, geringe Bildung und Berufserfahrung) und der sicherheitsrelevanten und wirtschaftlichen Situation in den Städten nicht zumutbar. Mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ist nicht in der Lage, nach anfänglichen Schwierigkeiten in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein relativ normales Leben ohne unangemessene Härten zu führen. Vor dem Hintergrund der Länderberichte und der von UNHCR vertretenen Auffassung ist es für ihn in Kabul mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit noch weniger als in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten dort Fuß zu fassen und ein relativ normales Leben ohne unangemessene Härten zu führen.

1.2. Zum Herkunftsstaat:

Das BVwG trifft folgende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat unter Auszug aus dem Länderinformationsblatt.

Länderspezifische Anmerkungen COVID-19:

Stand 21.7.2020

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Aktueller Stand der COVID-19 Krise in Afghanistan

Berichten zufolge, haben sich in Afghanistan mehr als 35.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt (WHO 20.7.2020; vgl. JHU 20.7.2020, OCHA 16.7.2020), mehr als 1.280 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet (OCHA 16.7.2020; vgl. DS 19.7.2020). 10 Prozent der insgesamt bestätigten COVID-19-Fälle entfallen auf das Gesundheitspersonal. Kabul ist hinsichtlich der bestätigten Fälle nach wie vor der am stärksten betroffene Teil des Landes, gefolgt von den Provinzen Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar (OCHA 15.7.2020). Beamte in der Provinz Herat sagten, dass der Strom afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran zurückkehren, und die Nachlässigkeit der Menschen, die Gesundheitsrichtlinien zu befolgen, die Möglichkeit einer neuen Welle des Virus erhöht haben, und dass diese in einigen Gebieten bereits begonnen hätte (TN 14.7.2020). Am 18.7.2020 wurde mit 60 neuen COVID-19 Fällen der niedrigste tägliche Anstieg seit drei Monaten verzeichnet – wobei an diesem Tag landesweit nur 194 Tests durchgeführt wurden (AnA 18.7.2020).

Krankenhäuser und Kliniken berichten weiterhin über Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Diese Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Testkits und medizinischem Material sowie mit der begrenzten Anzahl geschulter Mitarbeiter - noch verschärft durch die Zahl des erkrankten Gesundheitspersonals. Es besteht nach wie vor ein dringender Bedarf an mehr Laborequipment sowie an der Stärkung der personellen Kapazitäten und der operativen Unterstützung (OCHA 16.7.2020, vgl. BBC-News 30.6.2020).

Maßnahmen der afghanischen Regierung und internationale Hilfe

Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Universitäten und Schulen bleiben weiterhin geschlossen (OCHA 8.7.2020; vgl. RA KBL 16.7.2020). Die Regierung Afghanistans gab am 6.6.2020 bekannt, dass sie die landesweite Abriegelung um drei weitere Monate verlängern und neue Gesundheitsrichtlinien für die Bürger herausgeben werde. Darüber hinaus hat die Regierung die Schließung von Schulen um weitere drei Monate bis Ende August verlängert (OCHA 8.7.2020).

Berichten zufolge werden die Vorgaben der Regierung nicht befolgt, und die Durchsetzung war nachsichtig (OCHA 16.7.2020, vgl. TN 12.7.2020). Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich weiterhin von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet (OCHA 15.7.2020).

Einwohner Kabuls und eine Reihe von Ärzten stellten am 18.7.2020 die Art und Weise in Frage, wie das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie im Land umgegangen ist, und sagten, das Gesundheitsministerium habe es trotz massiver internationaler Gelder versäumt, richtig auf die Pandemie zu reagieren (TN 18.7.2020). Es gibt Berichte wonach die Bürger angeben, dass sie ihr Vertrauen in öffentliche Krankenhäuser verloren haben und niemand mehr in öffentliche Krankenhäuser geht, um Tests oder Behandlungen durchzuführen (TN 12.7.2020).

Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden (TN 18.7.2020).

Am Samstag den 18.7.2020 kündete die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken (TN 18.7.2020; vgl. Mangalorean 19.7.2020).

Die Weltbank genehmigte am 15.7.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten (WB 10.7.2020; vgl. AN 10.7.2020).

Auszugsweise Lage in den Provinzen Afghanistans

Dieselben Maßnahmen – nämlich Einschränkungen und Begrenzungen der täglichen Aktivitäten, des Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Lebens – werden in allen folgend angeführten Provinzen durchgeführt. Die Regierung hat eine Reihe verbindlicher gesundheitlicher und sozialer Distanzierungsmaßnahmen eingeführt, wie z.B. das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten, das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern in der Öffentlichkeit und ein Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Personen. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen; die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind auf 6 Stunden pro Tag beschränkt und die Beschäftigten werden in zwei ungerade und gerade Tagesschichten eingeteilt (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte sind aufgrund der COVID-19 Maßnahmen geschlossen, es sei denn, sie wurden geheim und unbemerkt von staatlichen Stellen geöffnet (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

In der Provinz Kabul gibt es zwei öffentliche Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln mit 200 bzw. 100 Betten. Aufgrund der hohen Anzahl von COVID-19-Fällen im Land und der unzureichenden Kapazität der öffentlichen Krankenhäuser hat die Regierung kürzlich auch privaten Krankenhäusern die Behandlung von COVID-19-Patienten gestattet. Kabul sieht sich aufgrund von Regen- und Schneemangel, einer boomenden Bevölkerung und verschwenderischem Wasserverbrauch mit Wasserknappheit konfrontiert. Außerdem leben immer noch rund 12 Prozent der Menschen in Kabul unter der Armutsgrenze, was bedeutet, dass oftmals ein erschwerter Zugang zu Wasser besteht (RA KBL 16.7.2020; WHO o.D).

In der Provinz Balkh gibt es ein Krankenhaus, welches COVID-19 Patienten behandelt und über 200 Betten verfügt. Es gibt Berichte, dass die Bewohner einiger Distrikte der Provinz mit Wasserknappheit zu kämpfen hatten. Darüber hinaus hatten die Menschen in einigen Distrikten Schwierigkeiten mit dem Zugang zu ausreichender Nahrung, insbesondere im Zuge der COVID-19-Pandemie (RA KBL 16.7.2020).

In der Provinz Herat gibt es zwei Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln. Ein staatliches öffentliches Krankenhaus mit 100 Betten, das vor kurzem speziell für COVID-19-Patienten gebaut wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 19.3.2020) und ein Krankenhaus mit 300 Betten, das von einem örtlichen Geschäftsmann in einem umgebauten Hotel zur Behandlung von COVID-19-Patienten eingerichtet wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 4.5.2020). Es gibt Berichte, dass 47,6 Prozent der Menschen in Herat unter der Armutsgrenze leben, was bedeutet, dass oft ein erschwerter Zugang zu sauberem Trinkwasser und Nahrung haben, insbesondere im Zuge der Quarantäne aufgrund von COVID-19, durch die die meisten Tagelöhner arbeitslos blieben (RA KBL 16.7.2020; vgl. UNICEF 19.4.2020).

In der Provinz Daikundi gibt es ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Es gibt jedoch keine Auswertungsmöglichkeiten für COVID-19-Tests – es werden Proben entnommen und zur Laboruntersuchung nach Kabul gebracht. Es dauert Tage, bis ihre Ergebnisse von Kabul nach Daikundi gebracht werden. Es gibt Berichte, dass 90 Prozent der Menschen in Daikundi unter der Armutsgrenze leben und dass etwa 60 Prozent der Menschen in der Provinz stark von Ernährungsunsicherheit betroffen sind (RA KBL 16.7.2020).

In der Provinz Samangan gibt es ebenso ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Wie auch in der Provinz Daikundi müssen Proben nach Kabul zur Testung geschickt werden. Eine unzureichende Wasserversorgung ist eine der größten Herausforderungen für die Bevölkerung. Nur 20 Prozent der Haushalte haben Zugang zu sauberem Trinkwasser (RA KBL 16.7.2020).

Wirtschaftliche Lage in Afghanistan

Verschiedene COVID-19-Modelle zeigen, dass der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet wird, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen der Bevölkerung haben wird (OCHA 16.7.2020). Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen (OCHA 15.7.2020). Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 – 31 Prozent gestiegen sind (WFP 15.7.2020, OCHA 15.7.2020). Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) und des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht (MAIL) zufolge sind über 20 Prozent der befragten Bauern nicht in der Lage, ihre nächste Ernte anzubauen, wobei der fehlende Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die COVID-19-Beschränkungen als Schlüsselfaktoren genannt werden. Darüber hinaus sind die meisten Weizen-, Obst-, Gemüse- und Milchverarbeitungsbetriebe derzeit nur teilweise oder gar nicht ausgelastet, wobei die COVID-19-Beschränkungen als ein Hauptgrund für die Reduzierung der Betriebe genannt werden. Die große Mehrheit der Händler berichtete von gestiegenen Preisen für Weizen, frische Lebensmittel, Schafe/Ziegen, Rinder und Transport im Vergleich zur gleichen Zeit des Vorjahres. Frischwarenhändler auf Provinz- und nationaler Ebene sahen sich im Vergleich zu Händlern auf Distriktebene mit mehr Einschränkungen konfrontiert, während die große Mehrheit der Händler laut dem Bericht von teilweisen Marktschließungen aufgrund von COVID-19 berichtete (FAO 16.4.2020; vgl. OCHA 16.7.2020; vgl. WB 10.7.2020).

Am 19.7.2020 erfolgte die erste Lieferung afghanischer Waren in zwei Lastwagen nach Indien, nachdem Pakistan die Wiederaufnahme afghanischer Exporte nach Indien angekündigt hatte um den Transithandel zu erleichtern. Am 12.7.2020 öffnete Pakistan auch die Grenzübergänge Angor Ada und Dand-e-Patan in den Provinzen Paktia und Paktika für afghanische Waren, fast zwei Wochen nachdem es die Grenzübergänge Spin Boldak, Torkham und Ghulam Khan geöffnet hatte (TN 20.7.2020).

Einreise und Bewegungsfreiheit

Die Türkei hat, nachdem internationale Flüge ab 11.6.2020 wieder nach und nach aufgenommen wurden, am 19.7.2020 wegen der COVID-19-Pandemie Flüge in den Iran und nach Afghanistan bis auf weiteres ausgesetzt, wie das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur mitteilte (TN 20.7.2020; vgl. AnA 19.7.2020, DS 19.7.2020).

Bestimmte öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, die mehr als vier Passagiere befördern, dürfen nicht verkehren. Obwohl sich die Regierung nicht dazu geäußert hat, die Reisebeschränkungen für die Bürger aufzuheben, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern, hat sich der Verkehr in den Städten wieder normalisiert, und Restaurants und Parks sind wieder geöffnet (TN 12.7.2020).

Stand 29.6.2020

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).

In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).

In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).

Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).

Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen

In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).

Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm; bei dem bedürftige Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).

Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung

Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum Einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum Anderem schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).

Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen(RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wieder aufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wieder aufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wieder aufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).

Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan

Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Handel angewandt (XI 23.6.2020). Der bilaterale Handel soll an sechs Tagen der Woche betrieben werden, während an Samstagen diese Grenzübergänge für Fußgänger reserviert sind (XI 23.6.2020; vgl. UNHCR 20.6.2020); in der Praxis wurde der Fußgängerverkehr jedoch häufiger zugelassen (UNHCR 20.6.2020).

Pakistanischen Behörden zufolge waren die zwei Grenzübergänge Torkham und Chaman auf Ansuchen Afghanistans und aus humanitären Gründen bereits früher für den Transithandel sowie Exporte nach Afghanistan geöffnet worden (XI 23.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus dem Iran

Die Anzahl aus dem Iran abgeschobener Afghanen ist im Vergleich zum Monat Mai stark gestiegen. Berichten zufolge haben die Lockerungen der Mobilitätsmaßnahmen dazu geführt, dass viele Afghanen mithilfe von Schmugglern in den Iran ausreisen. UNHCR zufolge, gaben Interviewpartner/innen an, kürzlich in den Iran eingereist zu sein, aber von der Polizei verhaftet und sofort nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein (UNHCR 20.6.2020).

Stand: 18.5.2020

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten I-formationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

In 30 der 34 Provinzen Afghanistans wurden mittlerweile COVID-19-Fälle registriert (NYT 22.4.2020). Nachbarländer von Afghanistan, wie China, Iran und Pakistan, zählen zu jenen Ländern, die von COVID-19 besonders betroffen waren bzw. nach wie vor sind. Dennoch ist die Anzahl, der mit COVID-19 infizierten Personen relativ niedrig (AnA 21.4.2020). COVID-19 Verdachtsfälle können in Afghanistan aufgrund von Kapazitätsproblem bei Tests nicht überprüft werden – was von afghanischer Seite bestätigt wird (DW 22.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; NYT 22.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Auch wird die Dunkelziffer von afghanischen Beamten höher geschätzt (WP 20.4.2020). In Afghanistan können derzeit täglich 500 bis 700 Personen getestet werden. Diese Kapazitäten sollen in den kommenden Wochen auf 2.000 Personen täglich erhöht werden (WP 20.4.2020). Die Regierung bemüht sich noch weitere Testkits zu besorgen – was Angesicht der derzeitigen Nachfrage weltweit, eine Herausforderung ist (DW 22.4.2020).

Landesweit können – mit Hilfe der Vereinten Nationen – in acht Einrichtungen COVID-19-Testungen durchgeführt werden (WP 20.4.2020). Auch haben begrenzte Laborkapazitäten und -ausrüstung einige Einrichtungen dazu gezwungen Testungen vorübergehend einzustellen (WP 20.4.2020). Unter anderem können COVID-19-Verdachtsfälle in Einrichtungen folgender Provinzen überprüft werden: Kabul, Herat, Nangarhar (TN 30.3.2020) und Kandahar. COVID-19 Proben aus angrenzenden Provinzen wie Helmand, Uruzgan und Zabul werden ebenso an die Einrichtung in Kandahar übermittelt (TN 7.4.2020a).

Jahrzehntelange Konflikte in Afghanistan machen das Land anfällig für den Ausbruch von Krankheiten: nach wie vor ist Polio dort endemisch (als eines von drei Ländern weltweit) (WP 20.4.2020) außerdem ist das Gesundheitssystem fragil (AnA 21.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Beispielsweise mangelt es an adäquaten Medikamenten für Patient/innen, die an CO-VID-19 erkrankt sind. Jedoch sind die wenigen Medikamente, die hierfür zur Verfügung stehen, kostenfrei (ARZ KBL 7.5.2020). Der landesweite Mangel an COVID-19-Testkits sowie an Isolations- und Behandlungseinrichtungen verdeutlichen diese Herausforderung (AnA 21.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten (BBC 9.4.2020) und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung (TN 8.4.2020; vgl. DW 22.4.2020; QA 16.4.2020). 300 weitere Beatmungsgeräte plant die afghanische Regierung zu besorgen. Weiters mangelt es an geschultem Personal, um diese medizinischen Geräte in Afghanistan zu bedienen und zu warten (DW 22.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Engpässe bestehen bei den PPE (personal protective equipment), persönlichen Schutzausrüstungen für medizinisches Personal; außerdem wird mehr fachliches Personal benötigt, um Patient/innen auf den Intensivstationen zu betreuen (ARZ KBL 7.5.2020).

Aufgrund der Nähe zum Iran gilt die Stadt Herat als der COVID-19-Hotspot Afghanistans (DW 22.4.2020; vgl. NYT 22.4.2020); dort wurde nämlich die höchste Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle registriert (TN 7.4.2020b; vgl. DW 22.4.2020). Auch hat sich dort die Anzahl positiver Fälle unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung – die Provinzdirektion bestätigte dies und erklärtes mit langwierigen Beschaffungsprozessen (TN 7.4.2020b). Betten, Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte und Medikamente wurden bereits bestellt – jedoch ist unklar, wann die Krankenhäuser diese Dinge tatsächlich erhalten werden (NYT 22.4.2020). Die Provinz Herat verfügt über drei Gesundheitseinrichtungen für COVID-19-Patient/innen. Zwei davon wurden erst vor kurzem errichtet; diese sind für Patient/innen mit leichten Symptomen bzw. Verdachtsfällen des COVID-19 bestimmt. Patient/innen mit schweren Symptomen hingegen, werden in das Regionalkrankenhaus von Herat, welches einige Kilometer vom Zentrum der Provinz entfernt liegt, eingeliefert (TN 7.4.2020b). In Hokerat wird die Anzahl der Beatmungsgeräte auf nur 10 bis 12 Stück geschätzt (BBC 9.4.2020; vgl. TN 8.4.2020).

Beispiele für Maßnahmen der afghanischen Regierung

Eine Reihe afghanischer Städte wurde abgesperrt (WP 20.4.2020), wie z.B. Kabul, Herat und Kandahar (TG 1.4.2020a). Zusätzlich wurde der öffentliche und kommerzielle Verkehr zwischen den Provinzen gestoppt (WP 20.4.2020). Beispielsweise dürfen sich in der Stadt Kabul nur noch medizinisches Personal, Bäcker, Journalist/innen, (Nahrungsmittel)Verkäufer/innen und Beschäftigte im Telekommunikationsbereich bewegen. Der Kabuler Bürgermeister warnte vor "harten Maßnahmen" der Regierung, die ergriffen werden, sollten sich die Einwohner/innen in Kabul nicht an die Anordnungen halten, unnötige Bewegungen innerhalb der Stadt zu stoppen. Die Sicherheitskräfte sind beauftragt zu handeln, um die Beschränkung umzusetzen (TN 9.4.2020a).

Mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (WP 22.4.2020): Aufgrund der Maßnahmen sorgen sich zehntausende Tagelöhner in Kabul und Herat um ihre Existenz. UNICEF zufolge, arbeiten allein in Kabul mindestens 60.000 Kinder, um das Familieneinkommen zu ersetzen (TG 1.4.2020). Offiziellen Schätzungen zufolge können z.B. in Herat-Stadt 150.000 Tagelöhner aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten und haben somit kein Einkommen. Weil es in Herat an Ressourcen mangelt, um Hunderttausende zu ernähren, nimmt die Bevölkerung die Bedrohung durch das Virus nicht ernst. Zwar hat die Bevölkerung anfangs großzügig gespendet, aber auch diese Spenden werden weniger, nachdem die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Unternehmen sichtbar werden (NYT 22.4.2020).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die International Organization for Migration (IOM) unterstützen das afghanische Ministerium für öffentliche Gesundheit (MOPH) (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020); die WHO übt eine beratende Funktion aus und unterstützt die afghanische Regierung in vier unterschiedlichen Bereichen während der COVID-19-Krise (WHO MIT 10.5.2020): 1. Koordination; 2. Kommunikation innerhalb der Gemeinschaften 3. Monitoring (durch eigens dafür eingerichtete Einheiten – speziell was die Situation von Rückkehrer/innen an den Grenzübergängen und deren weitere Bewegungen betrifft) und 4. Kontrollen an Einreisepunkten – an den 4 internationalen Flughäfen sowie 13 Grenzübergängen werden medizinische Kontroll- und Überwachungsaktivitäten durchgeführt (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020).

Taliban und COVID-19

Ein Talibansprecher verlautbarte, dass die Taliban den Konflikt pausieren könnten, um Gesundheitsbehörden zu erlauben, in einem von ihnen kontrollierten Gebiet zu arbeiten, wenn COVID-19 dort ausbrechen sollte (TN 2.4.2020; vgl. TD 2.4.2020). In der nördlichen Provinz Kunduz, hätten die Taliban eine Gesundheitskommision gegründet, die direkt in den Gemeinden das öffentliche Bewusstsein hinsichtlich des Virus stärkt. Auch sollen Quarantänezentren eingerichtet worden sein, in denen COVID-19-Verdachtsfälle untergebracht wurden. Die Taliban hätten sowohl Schutzhandschuhe, als auch Masken und Broschüren verteilt; auch würden sie jene, die aus anderen Gebieten kommen, auf COVID-19 testen (TD 2.4.2020). Auch in anderen Gebieten des Landes, wie in Baghlan, wird die Bevölkerung im Rahmen einer Informationsveranstaltung in der Moschee über COVID-19 informiert. Wie in der Provinz Kunduz, versorgen die Taliban die Menschen mit (Schutz)material, helfen Entwicklungshelfern dabei zu jenen zu gelangen, die in Taliban kontrollierten Gebieten leben und bieten sichere Wege zu Hilfsorganisationen, an (UD 13.3.2020).

Der Umgang der Taliban mit der jetzigen Ausnahmesituation wirft ein Schlaglicht auf den Modus Operandi der Truppe. Um sich die Afghanen in den von ihnen kontrollierten Gebieten gewogen zu halten, setzen die Taliban auf Volksnähe. Durch die Präsenz vor Ort machten die Islamisten das Manko wett, dass sie kein Geld hätten, um COVID-19 medizinisch viel entgegenzusetzen: Die Tali-ban können Prävention betreiben, behandeln können sie Erkrankte nicht (NZZ 7.4.2020).

Aktuelle Informationen zu Rückkehrprojekten

IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer/innen im Rahmen der freiwilligen Rückkehr. Aufgrund des stark reduzierten Flugbetriebs ist die Rückkehr seit April 2020 nur in sehr wenige Län-der tatsächlich möglich. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei, wie bekannt, Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (IOM AUT 18.5.2020).

IOM Österreich bietet derzeit, aufgrund der COVID-19-Lage, folgende Aktivitäten an:

•        Qualitätssicherung in der Rückkehrberatung (Erarbeitung von Leitfäden und Trainings)

•        Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr und Reintegration im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten (Virtuelle Beratung, Austausch mit Rückkehrberatungseinrichtungen und Be-hörden, Monitoring der Reisemöglichkeiten) (IOM AUT 18.5.2020).

Das Projekt RESTART III – Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems und der Rein-tegration freiwilliger Rückkehrer/innen in Afghanistan“ wird bereits umgesetzt. Derzeit arbeiten die österreichischen IOM-Mitarbeiter/innen vorwiegend an der ersten Komponente (Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems) und erarbeiten Leitfäden und Trainingsinhalte. Die Unterstüt-zung der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan ist derzeit aufgrund fehlender Flugverbindungen nicht möglich. IOM beobachtet die Situation und steht diesbezüglich in engem Austausch mit den zuständigen Rückkehrberatungseinrichtungen und den österreichischen Behörden (IOM AUT 18.5.2020)

Mit Stand 18.5.2020, sind im laufenden Jahr bereits 19 Projektteilnehmer/innen nach Afghanistan zurückgekehrt. Mit ihnen, als auch mit potenziellen Projektteilnehmer/innen, welche sich noch in Österreich befinden, steht IOM Österreich in Kontakt und bietet Beratung/Information über virtuelle Kommunikationswege an (IOM AUT 18.5.2020).

Informationen von IOM Kabul zufolge, sind IOM-Rückkehrprojekte mit Stand 13.5.2020 auch weiterhin in Afghanistan operativ (IOM KBL 13.5.2020).

1.       Politische Lage

Letzte Änderung: 18.5.2020

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019). Die unabhängige afghanische Wahlkommission (Afghanistan’s Independent Election Commission) hat mehr als vier Monate nach der Präsidentschaftswahl in Afghanistan Mohammed Ashraf Ghani zum Sieger erklärt (DW 18.2.2020). Der amtierende Präsident erhielt 50,64% der Stimmen, wie die Kommission verlautbarte (DW 18.2.2020; vgl. REU 25.2.2020; UNGASC 17.3.2020). Da Ghani im ersten Durchgang die Präsidentschaftswahl bereits gewonnen hat, ist keine Stichwahl mehr notwendig (DW 18.2.2020). CEO bzw. Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, kam den Resultaten zufolge auf 39,52% (DW 18.2.2020; vgl. REU 25.2.2020). Die Präsidentenwahl hatte am 28. September stattgefunden. Nach monatelangem, erbittertem Streit um die Richtigkeit von Hunderttausenden von Stimmen waren nur noch 1,8 Millionen Wahlzettel berücksichtigt worden. Hingegen lag die Zahl der registrierten Wähler bei 9,6 Millionen. Afghanistan hat eine geschätzte Bevölkerung von 35 Millionen Einwohnern (DW 18.2.2020).

Wochenlang stritten der amtierende Präsident Ashraf Ghani und sein ehemaliger Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah um die Macht in Kabul und darum wer die Präsidentschaftswahl im vergangenen September gewonnen hatte. Abdullah Abdullah beschuldigte die Wahlbehörden, Ghani begünstigt zu haben, und anerkannte das Resultat nicht (NZZ 20.4.2020). Am 9.3.2020 ließen sich sowohl Ghani als auch Abdullah als Präsident vereidigen (NZZ 20.4.2020; vgl. TN 16.4.2020). Nach monatelanger politischer Krise (DP 17.5.2020; vgl. TN 11.5.2020), einigten sich der afghanische Präsident Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah auf eine Machtteilung: Abdullah wird die Friedensgespräche mit den Taliban leiten und Mitglieder seines Wahlkampfteams werden ins Regierungskabinett aufgenommen (DP 17.5.2020; vgl. BBC 17.5.2020; DW 17.5.2020).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Die afghanischen Regierungskräfte und die Amerikaner können die Taliban, die über rund 60 000 Mann verfügen, nicht besiegen. Auch die Islamisten sind nicht stark genug, um die Regierungstruppen zu überrennen, obwohl sie rund die Hälfte des Landes kontrollieren oder dort zumindest präsent sind. In Afghanistan herrscht fast zwei Jahrzehnte nach dem Sturz des Taliban-Regimes durch die USA eine Pattsituation (NZZ 20.4.2020). Das lang erwartete Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban wurde Ende Februar 2020 unterzeichnet (AJ 7.5.2020; vgl. NPR 6.5.2020) – die afghanische Regierung war an dem Abkommen weder beteiligt, noch unterzeichnete sie dieses. Diesem Abkommen zufolge hätten noch vor den für 10.03.2020 angesetzten inneren Friedensgesprächen, von den Taliban bis zu 1.000 Gefangene und von der Regierung 5.000 gefangene Taliban freigelassen werden sollen. Zum einen, verzögern die Unstimmigkeiten zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung über Umfang und Umsetzungstempo des Austauschs, die Gespräche (AJ 7.5.2020) [ Anm.: 800 Taliban-Gefangene entließ die afghanische Regierung, während die Taliban 100 der vereinbarten 1.000 Sicherheitskräfte frei ließen – (NPR 6.5.2020)], Andererseits stocken die Verhandlungen auch aufgrund des innerpolitischen Disputes zwischen Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah, die beide die Präsidentschaft für sich beanspruchten. Die Taliban haben seit dem unterzeichneten Abkommen im Februar mehr als 4.500 Angriffe verübt. Die von dieser Gewalt am stärksten betroffenen Provinzen sind auch jene Provinzen, die am stärksten von COVID-19-Fällen betroffen sind (AJ 7.5.2020). In den innerafghanischen Gesprächen wird es um die künftige Staatsordnung, eine Machtteilung und die Integration der Aufständischen gehen (NZZ 20.4.2020).

Das Abkommen mit den US-Amerikanern

Das Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban enthält das Versprechen der US-Amerikaner, ihre noch rund 13.000 Armeeangehörigen in Afghanistan innerhalb von 14 Monaten abzuziehen. Auch die verbliebenen nichtamerikanischen NATO-Truppen (Stand Ende 2019: rund 6.700 Mann) sollen abgezogen werden. In den ersten 135 Tagen nach der Unterzeichnung werden die US-Amerikaner ihre Truppen in Afghanistan auf 8.600 Mann reduzieren. Der Abzug der ausländischen Truppenangehörigen, von denen die meisten Beratungs- und Ausbildungsfunktionen wahrnehmen, ist abhängig davon, ob die Taliban ihren Teil der Abmachung einhalten. Sie haben im Abkommen zugesichert, terroristischen Gruppierungen wie etwa al-Qaida keine Zuflucht zu gewähren. Die Taliban verpflichteten sich weiter, innerhalb von zehn Tagen nach Unterzeichnung, Gespräche mit einer afghanischen Delegation aufzunehmen (NZZ 20.4.2020; vgl. USDOS 29.2.2020).


2.         Sicherheitslage

Letzte Änderung: 22.4.2020

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 17.3.2019). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Nichtsdestotrotz, hat die afghanische Regierung wichtige Transitrouten verloren (USDOD 12.2019).

Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer "strategischen Pattsituation", die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann (SIGAR 30.1.2020). Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt; bis dahin hatten die beiden Seiten sich nur per Videokonferenz unterhalten (B

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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