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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §115 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Andreas Peyrer-Heimstätt, Rechtsanwalt in Wien I, Franziskanerplatz 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom 26. Februar 1993, Zl. 6/3-3292/92-05, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge der Veranlagung betreffend Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer für das Kalenderjahr 1989 beantragte der Beschwerdeführer, der seinen Beruf als "Aufzugsbauer" bezeichnet, die steuerliche Anerkennung von Aufwendungen für Werbung (S 26.413,59), Fachliteratur (S 3.978,61) und Kurse, Seminare (S 7.800,--) als Betriebsausgaben.
Das Finanzamt ersuchte den Beschwerdeführer um Vorlage der entsprechenden Belege.
Mit der Begründung, dieses Ersuchen gehe "weit über die normale Auskunftspflicht hinaus", verweigerte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers die Vorlage der Belege. Die Originalbelege könnten wegen der Gefahr des Verlustes nicht vorgelegt werden und eine Anfertigung von Kopien sei aus Kostengründen unzumutbar. Es bestehe jedoch die Bereitschaft, Prüfungsorganen des Finanzamtes die Einsicht in die Unterlagen in der Kanzlei des Steuerberaters zu ermöglichen.
Nachdem das Finanzamt die Vorlage der Belege vergeblich urgiert und dabei darauf hingewiesen hatte, daß bei Nichtvorlage die betreffenden Aufwendungen steuerlich nicht anerkannt würden, erließ es Abgabenbescheide betreffend Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer, in denen die genannten Betriebsausgaben keine Berücksichtigung fanden.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Gemäß § 164 BAO solle das Finanzamt die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen und Geschäftspapieren von Abgabepflichtigen erst verlangen, wenn dessen Auskunft nicht genügt oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestehen. Abs. 2 des zitierten Paragraphen sehe vor, daß die Einsicht in solche Unterlagen auf Verlangen des Abgabepflichtigen tunlichst in dessen Geschäftsräumen oder Wohnung erfolgen solle. Eine derartige Einsichtnahme sei der Abgabenbehörde angeboten worden.
Im übrigen spezifizierte der Beschwerdeführer die strittigen Betriebsausgaben wie folgt:
"Fachliteratur: Hiebei handelt es sich insgesamt um 6 Belege, welche wie folgt sich darstellen: 1 Word 4.0 Schulung, ein weiteres EDV-Buch, der Rest sind Normen des österreichischen Normungsinstitutes.
Kurse: Hiebei handelt es sich um einen Computerkurs für ... (den Beschwerdeführer).
Werbung: Unter dieser Position wurden insgesamt 30 Belege erfaßt. Es handelt sich hiebei um Werbegeschenke für Weihnachten und in geringerem Ausmaß um werbeähnliche Aufwendungen bei Zusammenkünften mit Kunden."
Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer neuerlich unter Hinweis auf § 138 Abs. 2 BAO auf, die Belege (im Original) vorzulegen, und stellte für den Fall der Nichtbefolgung dieser Aufforderung eine Abweisung der Berufung in Aussicht.
Mit Schreiben vom 5. August 1992 beantragte der Steuerberater des Beschwerdeführers "vorsorglich" (offensichtlich für den Fall der Abweisung seiner Berufung) die Anpassung der Investitionsrücklage und die Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung.
Die belangte Behörde wies die Berufung mit der Begründung ab, daß die Belege betreffend die geltend gemachten Aufwendungen trotz ausdrücklicher Aufforderung auch der Abgabenbehörde zweiter Instanz nicht vorgelegt worden seien. Eine Anpassung der Investitionsrücklage sowie der Gewerbesteuerrückstellung erfolgte (ohne Begründung) nicht.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 119 Abs. 1 BAO sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muß vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen. In diesem Zusammenhang sieht § 138 Abs. 1 BAO vor, daß die Abgabepflichtigen auf Verlangen der Abgabenbehörde zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen haben. Abs. 2 der zitierten Gesetzesstelle normiert, daß Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere, Schriften und Urkunden auf Verlangen zur Einsicht und Prüfung vorzulegen sind, soweit sie für den Inhalt der Anbringen von Bedeutung sind.
Der Beschwerdeführer meint, § 138 BAO sei in erster Linie im Rahmen abgabenbehördlicher Prüfungen (§§ 147 ff BAO) von Bedeutung. Im Rahmen der Veranlagung sei aber eine umfassende Überprüfung der Erklärung des Abgabepflichtigen "nicht geboten" und auch "nicht vorgesehen".
Diese Auffassung findet im Gesetz keine Stütze. Es mag zutreffen, daß Abgabenbehörden die Abgabenerklärungen mehr oder weniger ungeprüft den Abgabenbescheiden zugrunde legen und eine Prüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärungen einer nachfolgenden abgabenrechtlichen Prüfung überlassen (sogenannte "Soforteingabefälle"). Im Gesetz ist jedoch eine solche Vorgangsweise nicht vorgesehen. Vielmehr bestimmt § 115 Abs. 1 BAO, daß die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln haben, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Daß diese Verpflichtung der Abgabenbehörden nicht erst im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung zum Tragen kommt, ergibt sich zweifelsfrei aus den §§ 161 ff BAO. In diesen Bestimmungen wird unter der Überschrift "Prüfung der Abgabenerklärungen" und unter ausdrücklichem Hinweis auf § 115 BAO angeordnet, daß die Abgabenbehörde die Abgabenerklärungen zu prüfen hat. Soweit nötig, hat sie, tunlichst durch schriftliche Aufforderung, zu veranlassen, daß die Abgabepflichtigen unvollständige Angaben ergänzen und Zweifel beseitigen. Wenn die Abgabenbehörde Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung hegt, hat sie die Ermittlungen vorzunehmen, die sie zur Erforschung des Sachverhaltes für nötig hält. Sie kann den Abgabepflichtigen unter Bekanntgabe der Bedenken zur Aufklärung bestimmter Angaben auffordern. Erforderliche Beweise sind aufzunehmen.
Es kann also keine Rede davon sein, daß die Abgabenbehörde, wie der Beschwerdeführer meint, bei Prüfung der Abgabenerklärungen und der Ermittlung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes geringere Befugnisse hätte als im Rahmen abgabenbehördlicher Prüfungen.
Der Beschwerdeführer beruft sich weiters auf § 164 Abs. 1 BAO, wonach die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen und Geschäftspapieren vom Abgabepflichtigen erst verlangt werden soll, wenn dessen Auskunft nicht genügt oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestehen. Da der Beschwerdeführer die strittigen Aufwendungen "einzeln aufgeschlüsselt" und die belangte Behörde keine Zweifel an der Richtigkeit geäußert habe, widerspreche ihre Vorgangsweise der genannten Bestimmung.
Dazu ist zunächst festzustellen, daß die Abgabenbehörde Zweifel an der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen als Betriebsausgaben bereits dadurch zum Ausdruck bringt, daß sie den Abgabepflichtigen zu deren Nachweis einschließlich des Nachweises ihrer betrieblichen Veranlassung auffordert. Einer ausdrücklichen Anmeldung von Zweifeln und der Bekanntgabe der Gründe hiefür bedarf es nicht. Im Beschwerdefall ist zudem zu beachten, daß die strittigen Aufwendungen zur Gänze jenem Bereich zuzuordnen sind, bei dem gemäß § 20 EStG 1988 eine Abgrenzung der durch den Betrieb (Beruf) einerseits und die private Lebensführung andererseits veranlaßten Aufwendungen in besonderer Weise geboten ist. Sowohl unter dem Begriff "Fachliteratur" als auch unter den Begriffen "Kurse" und "Werbung" finden sich häufig Aufwendungen, die in Wahrheit den Bereich der privaten Lebensführung betreffen oder als sogenannter Repräsentationsaufwand steuerlich nicht abzugsfähig sind. Eine sorgfältige Sachverhaltsermittlung durch die Abgabenbehörde kann gerade in diesem Bereich nicht als entbehrlich bezeichnet werden.
Nach Auffassung des Gerichtshofes ist der Beschwerdefall auch nicht so gelagert, daß die belangte Behörde das Anerbieten des Beschwerdeführers auf Einsichtnahme in die strittigen Belege in der Kanzlei seines Steuerberaters deswegen hätte aufgreifen müssen, weil die Vorlage der Belege in den Amtsräumlichkeiten für den Beschwerdeführer unzumutbar gewesen wäre. Der Steuerberater des Beschwerdeführers hat in der mündlichen Berufungsverhandlung die Anzahl der Belege mit insgesamt 36 bezeichnet. Der Gerichtshof kann nicht finden, daß der Transport einer solchen Menge an Belegen die Grenzen des Zumutbaren übersteigt. Bei diesem Sachverhalt steht das Begehren des Beschwerdeführers nach § 164 Abs. 2 BAO mit dem in dieser Gesetzesstelle normierten Tunlichkeitsgrundsatz in Widerspruch.
Kann aber das Verhalten des Beschwerdeführers als Weigerung angesehen werden, bei bestimmten von ihm geltend gemachten Betriebsausgaben sowohl die tatsächliche Höhe als auch ihre betriebliche Verursachung nachzuweisen, so war die belangte Behörde im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung zu der Annahme berechtigt, die betriebliche Veranlassung der strittigen Aufwendungen liege nicht vor, sodaß ihre steuerliche Berücksichtigung zu unterbleiben hatte.
Die Beschwerde erweist sich daher in diesem Punkt als unbegründet.
Anders verhält es sich mit der Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde sei auf sein Berufungsbegehren betreffend Anpassung der Investitionsrücklage und der Gewerbesteuerrückstellung nicht eingegangen. Es erübrigen sich im Beschwerdefall Ausführungen des Gerichtshofes darüber, ob es Aufgabe der belangten Behörde gewesen wäre, eine vom Beschwerdeführer gebildete Investitionsrücklage durch eigene rechnerische Operationen auf jenes Maß zu erhöhen, das mit Rücksicht auf die Nichtanerkennung von Betriebsausgaben und die dadurch bewirkte Gewinnerhöhung gesetzlich zulässig gewesen wäre. Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, daß die Berechnung des Höchstausmaßes von Investitionsbegünstigungen dem Abgabepflichtigen obliegt - bei Streit über die Höhe der Bemessungsgrundlagen allenfalls im Wege eines Eventualbegehrens -, weil es sonst nur noch ein weiterer Schritt wäre, die Ermittlung des Höchstausmaßes von Steuerbegünstigungen über Antrag des Abgabepflichtigen ganz allgemein der Abgabenbehörde zu überbinden, was wohl kaum ernstlich zu vertreten wäre.
Gleichgültig welche Rechtsansicht die belangte Behörde zu diesem Punkt vertritt und welche Vorgangsweise sie ins Auge gefaßt hätte, sie war jedenfalls verpflichtet, den Spruch ihres Bescheides im Hinblick auch auf dieses Begehren zu begründen. Da sie dies nicht getan hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, was dessen Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG zur Folge hatte.
Die Kostentscheidung gründet sich auf die §§47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1993130059.X00Im RIS seit
07.06.2001