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L2 DienstrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung der Individualanträge von Beamten der Landeshauptstadt Linz auf Aufhebung einer sowohl für Statutargemeindebeamte als auch für Landesbeamte als Landesrecht in Geltung stehenden Bestimmung des GehG 1956 wegen zu weiten AnfechtungsumfangesSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.a) Der Antragsteller zu G283/94 steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Linz. Mit Beschluß der Disziplinarkommission beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz vom 11. Jänner 1994 wurde gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Dieses Verfahren ruht derzeit, weil beim Landesgericht Linz Vorerhebungen geführt werden.
b) Die Antragstellerin zu G16/95 steht gleichfalls in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Linz. Die Disziplinarkommission leitete mit Beschluß vom 30. März 1994 gegen sie ein Disziplinarverfahren ein. Mit Erkenntnis der Disziplinarkommission vom 20. Dezember 1994 wurde sie zweier Dienstpflichtverletzungen und einer Ordnungswidrigkeit schuldig erkannt und über sie eine Disziplinarstrafe verhängt. Das Erkenntnis ist den dem Verfassungsgerichtshof bekannten Unterlagen zufolge noch nicht in Rechtskraft erwachsen.
Die nächste Vorrückung wäre ihr am 1. Juli 1995 zugestanden.
2. Mit den vorliegenden, auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Anträgen begehren die Einschreiter, "der Verfassungsgerichtshof möge §9 Abs1 Zif. 1 Gehaltsgesetz 1956 in der für Oberösterreich geltenden Fassung LGBl. 1956/8 §1 Abs1 litf als verfassungswidrig aufheben, sowie dem Antragsteller (zu G16/95: der Antragstellerin) den Ersatz der Kosten im Sinne des §27 letzter Satz VfGG zusprechen und der Antragsgegnerin zum Ersatz auflegen."
Die genannte Bestimmung sei - wie näher begründet wird - verfassungswidrig; insbesondere verstoße sie gegen den Gleichheitsgrundsatz.
3.a) Die Oberösterreichische Landesregierung erstattete zu beiden Anträgen Äußerungen, in denen sie begehrt, die Anträge mangels Zulässigkeit zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.
b) Im führenden Fall G283/94 gab - über Einladung des Verfassungsgerichtshofes - auch das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst eine Stellungnahme ab. Darin wird die Zulässigkeit des Antrages bezweifelt und die Verfassungsmäßigkeit der bekämpften Regelung verteidigt.
c) Der Antragsteller zu G283/94 gab noch zwei Äußerungen ab, in denen er seinen Antrag aufrechterhält.
II. Die maßgebende Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1.a) Gehaltsgesetz 1956 (GG), BGBl. 54/1956 (sowie zahlreiche Novellen):
Gemäß §8 Abs1 GG rückt der Beamte nach jeweils zwei Jahren in die nächsthöhere für ihn vorgesehene Gehaltsstufe vor.
Gemäß §9 Abs1 Z1 GG in der Stammfassung wurde die Vorrückung durch Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Beamten bis zum Abschluß des Verfahrens aufgeschoben.
Durch ArtI Z3 der 31. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. 662/1977, wurde §9 GG aufgehoben.
b) Geltung des GG für Landes- und Statutargemeinde-Beamte in Oberösterreich:
aa) Landesbeamte:
Für Oberösterreich wurde mit LGBl. 27/1954 das Landesbeamtengesetz erlassen.
Mit Landesgesetz LGBl. 8/1956 ("3. Ergänzung zum Landesbeamtengesetz") wurde normiert, daß (unter anderem) das Gehaltsgesetz 1956 für das Dienstverhältnis der Landesbeamten "sinngemäß als landesgesetzliche Vorschrift" gilt (§1 Abs1 litf des LGBl. 8/1956).
Mit Landesgesetz LGBl. 68/1981 erging die "20. Ergänzung zum Landesbeamtengesetz", die festlegt, daß u.a. auch näher bezeichnete Bestimmungen der 31. Gehaltsgesetz-Novelle für Landesbeamte "sinngemäß als landesgesetzliche Vorschriften gelten" (s. ArtI Abs1 Z13 des LGBl. 68/1991). Die Aufhebung des §9 GG wurde dabei jedoch nicht übernommen.
Mit 1. März 1994 trat (mit Ausnahme einzelner Bestimmungen) das O.ö. Landesbeamtengesetz 1993 - O.ö. LBG, LGBl. 11/1994, in Kraft. Auf die Geltung des Gehaltsgesetzes 1956 als landesgesetzliche Vorschrift (im bisherigen Umfang) wirkte sich das nicht aus (s. §154 Abs4 Z1 litb O.ö. LBG).
bb) Beamte von Statutargemeinden:
Das O.ö. Statutargemeinden-Beamtengesetz, LGBl. 37/1956, (zuletzt geändert durch LGBl. 35/1984), regelt seinem §1 zufolge das Dienstverhältnis der Beamten der oberösterreichischen Städte mit eigenem Statut. Gem. §2 Abs1 leg. cit. finden auf diese Dienstverhältnisse (soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt) "die Landesgesetze und die als Gesetze des Landes geltenden sonstigen Vorschriften sinngemäße Anwendung, die das Dienstrecht (einschließlich Besoldungs- bzw. Pensionsrecht) der Landesbeamten regeln".
2. Zusammengefaßt bedeutet dies:
Für die Beamten der oberösterreichischen Städte mit eigenem Statut ist (nach wie vor) u.a. der gemäß §154 Abs4 Z1 litb des O.ö. Landesbeamtengesetzes 1993 (§1 Abs1 litf der 3. Ergänzung zum LandesbeamtenG, LGBl. 8/1956) iVm §2 Abs1 des O.ö. Statutargemeinden-Beamtengesetzes als Landesrecht in Geltung stehende §9 Abs1 Z1 GG 1956 idF vor der 31. Gehaltsgesetz-Novelle anzuwenden.
III. Der Verfassungsgerichtshof
hat zur Zulässigkeit der Anträge erwogen:
1. In von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 7376/1974, 7726/1975, 8155/1977, 11506/1987, 12465/1990).
Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden (VfSlg. 6674/1972, 8155/1977, 11455/1987, 12465/1990).
2. In den beiden vorliegenden Fällen begehren die Antragsteller, "§9 Abs1 Zif. 1 Gehaltsgesetz 1956 in der für Oberösterreich geltenden Fassung LGBl. 1956/8 §1 Abs1 litf" als verfassungswidrig aufzuheben.
Die gestellten Anträge sind sprachlich nicht gerade geglückt, jedoch immerhin verständlich.
Hätten die Anträge Erfolg, so würde damit der persönliche Geltungsbereich des §9 Abs1 Z1 GG nicht bloß für die Beamten der oberösterreichischen Statutarstädte, sondern auch für die oberösterreichischen Landesbeamten beseitigt.
Die Antragsteller begehren also, auch solche Regelungen aus dem Rechtsbestand zu beseitigen, die sie gar nicht beschweren. Eine dieses Ergebnis vermeidende Formulierung wäre durchaus möglich, indem §2 Abs1 des O.ö. Statutargemeinden-BeamtenG in den Antragstext mit einbezogen wird (vgl. zB VfSlg. 11155/1986, 11271/1987, 11384/1987, 12323/1990, 12332/1990, 12573/1990).
Die Anträge waren daher wegen zu weiten Anfechtungsumfanges als unzulässig zurückzuweisen.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Dienstrecht, Vorrückung, Gemeindebedienstete, Landesbedienstete, VfGH / Prüfungsumfang, Geltungsbereich (persönlicher) eines GesetzesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:G283.1994Dokumentnummer
JFT_10048989_94G00283_00