TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/5 W170 2190143-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2020
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Entscheidungsdatum

05.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2190143-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 20.02.2018, Zahl: 1032000305 - 140011709, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) I. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 69/2020, stattgegeben und XXXX der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in Verbindung mit §§ 8, 10, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2020 und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 27/2020 stattgegeben und diese Spruchpunkte ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020, nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (in Folge: Beschwerdeführerin) stellte am 26.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen des Administrativverfahrens gab die Beschwerdeführerin als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass sie zum Christentum konvertiert sei und legte mehrere Unterlagen und diverse Fotos betreffend ihre Integration, Konversion sowie Deutschkenntnisse vor.

3. Mit im Spruch bezeichneten Bescheid wurde der gegenständliche Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig sei sowie eine Frist für ihre freiwillige Ausreise bestimmt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der vagen, unvollständigen und häufig widersprüchlichen Angaben der Beschwerdeführerin der vorgebrachte Fluchtgrund nicht glaubhaft sei.

Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 02.03.2018 zugestellt.

4. Mit am 18.03.2018 bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen den im Spruch bezeichneten Bescheid Beschwerde erhoben.

Begründend wurde vorgebracht, der Beschwerdeführerin drohe Verfolgung aus religiösen Gründen, da sie bereits in Iran den islamischen Glauben abgelegt und zum Christentum gefunden habe. In Österreich sei die Beschwerdeführerin getauft worden und besuche regelmäßig den Gottesdienst. Zudem befürchte die Beschwerdeführerin eine geschlechtsspezifische Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der „westlich orientierten Frauen“.

5. Das Verfahren wurde am 23.03.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und der Gerichtsabteilung L508 zugewiesen. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungs-ausschusses vom 25.09.2018 wurde die Rechtssache am 02.10.2018 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

6. Seitens des Bundesverwaltungsgerichts wurde am 10.09.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX ist eine volljährige iranische Staatsangehörige, die der Volkgruppe der Perserinnen angehört, deren Identität nicht feststeht und die in Österreich unbescholten ist.

1.2. XXXX stammt aus Teheran, hat den Iran im Jahr 2014 gemeinsam mit ihrem Vater verlassen, reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 26.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. XXXX ist ledig, hat keine Geschwister oder Kinder und ihre Eltern sind bereits verstorben, der Vater ist in Österreich verstorben.

1.3. XXXX interessiert sich so sehr für das Christentum, dass sie nach einer einjährigen Taufvorbereitung und einer laufenden Mitgliedschaft in der Katechumenatsgruppe am 16.04.2017 in der römisch-katholischen Pfarre XXXX die Sakramente der Taufe und Firmung empfangen hat.

XXXX besucht immer noch wöchentlich die Messen in der Pfarre XXXX in Wien. Weiters nimmt sie an ca. monatlichen Treffen der Neugetauften teil, um das Glaubenswissen weiter zu vertiefen. XXXX ist aktives Mitglied in der Pfarre und engagiert sich ehrenamtlich bei Kindergottesdiensten in der Pfarre um die Betreuung der Kinder.

XXXX ist ernstlich und aus innerem Entschluss zum katholischen Glauben konvertiert, auch im Falle der Rückkehr nach Iran würde sie an ihrem Glauben festhalten.

1.4. Es besteht zwar nicht die Sicherheit, aber die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass XXXX deshalb in Iran von den Sicherheitsbehörden verhaftet und im Rahmen dieser Verhaftung misshandelt werden würde.

1.5. XXXX hat keine Asylausschluss- oder -endigungsgründe verwirklicht.

1.6. Zur Lage in Iran wird festgestellt, dass Iran eine islamische Republik ist, deren Verfassung islamische und demokratische Elemente kennt, eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht aber nicht.

Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert.

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen. In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht.

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region. Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen.

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen. Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind.

99% der Bevölkerung gehören dem Islam (Staatsreligion) an. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9 % Sunniten, der Rest Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Die in der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben im Land relativ frei ausüben, allerdings kann jegliche Missionstätigkeit als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden und werden anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha‘i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt.

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar]. Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt.

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind.

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden.

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte.

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken.

In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden. Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen. Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 20,8% (1,11 Millionen). Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf. Allerdings ist der Spielraum der Regierung beschränkt, da konservative Vertreter immer wieder die traditionelle Rolle der Frau in der islamischen Familie betonen. Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangenen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Außerdem haben selbst gut qualifizierte Frauen Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden. Weiters legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich – ungeachtet ihrer Qualifikationen – für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können. Die Erwerbsquote von Frauen liegt nur bei etwa 12%. Viele Frauen sind im informellen Sektor tätig.

In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen.

Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen. Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen od. Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden.

Häusliche Gewalt ist in Iran sehr weit verbreitet und die Gesetze dagegen sind schwach. Ein Drittel der Frauen gibt an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein, über die Hälfte gibt an, mit psychischer Gewalt konfrontiert worden zu sein. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Informationen über diese Einrichtungen sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Genauere Informationen über mögliche Unterstützungen des Staates für alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar.

Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt. Vergewaltigung ist illegal und unterliegt strengen Strafen, einschließlich der Todesstrafe. Das Gesetz betrachtet Sex innerhalb der Ehe per Definition als einvernehmlich und behandelt daher keine Vergewaltigung in der Ehe, auch nicht in Fällen von Zwangsheirat. Die meisten Vergewaltigungsopfer melden Verbrechen nicht, weil sie offizielle Vergeltungsmaßnahmen oder Strafen für Vergewaltigungen befürchten, wie zum Beispiel Anklagen wegen Unanständigkeit, unmoralischem Verhalten oder Ehebruch. Ehebruch wiederum ist ebenfalls mit der Todesstrafe bedroht. Auch gesellschaftliche Repressalien oder Ausgrenzung werden von Vergewaltigungsopfern befürchtet.

Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl 2017 antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, stehen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie können schikaniert und festgenommen werden, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauen, wenn sie stark geschminkt sind oder eng anliegende Kleidung tragen. Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzen, können Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen werden. Nach anderen Berichten will die Polizei Frauen, die sich auf den Straßen „unislamisch“ kleiden oder benehmen, nunmehr belehren statt bestrafen. Frauen, die (in der Öffentlichkeit) die islamischen Vorschriften nicht beachten, würden laut Teherans Polizeichef seit einiger Zeit nicht mehr auf die Wache gebracht. Vielmehr würden sie gebeten, an Lehrklassen teilzunehmen, um ihre Sichtweise und ihr Benehmen zu korrigieren. In Iran müssen alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren gemäß den islamischen Vorschriften in der Öffentlichkeit ein Kopftuch und einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. „Sünderinnen“ droht die Festnahme durch die Sittenpolizei, in manchen Fällen auch ein Strafverfahren und eine saftige Geldstrafe. Laut Polizeichef Rahimi gab es 2017 bereits mehr als 120 solcher Aufklärungsklassen, an denen fast 8.000 Frauen teilgenommen haben. Bewirkt haben sie anscheinend aber wenig. Nach der Wiederwahl des moderaten Präsidenten Hassan Rohani und der Ausweitung der gesellschaftlichen Freiheiten werden besonders abends immer mehr Frauen ohne Kopftuch in Autos, Cafés und Restaurants der Hauptstadt gesehen.

Seit Ende Dezember 2017 fordern immer mehr iranische Frauen eine Abschaffung der Kopftuchpflicht. Als Protest nehmen sie in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher ab und hängen sie als Fahne auf. Auch gläubige Musliminnen, die das Kopftuch freiwillig tragen, ältere Frauen, Männer und angeblich auch einige Kleriker haben sich den landesweiten Protestaktionen angeschlossen. Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften rasch eingedämmt, von der Judikative wurden schwere Strafen (z. T. mehrjährige Haft) verhängt. Dennoch wurde dadurch eine öffentliche Debatte angestoßen. Das Forschungszentrum des Parlaments veröffentlichte etwa eine Studie, welche die geringe Zustimmung zum Kopftuchzwang thematisierte und sogar dessen Abschaffung in Erwägung zog. Im Oktober 2018 kam es wieder zu vereinzelten Berichten über Frauen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten. Auch 2019 wurden diesbezüglich von Verhaftungen berichtet. Auch die Diskussion über den Zugang von Frauen zu Sportveranstaltungen ist immer noch Gange. Im Oktober 2019 durften Frauen auf Druck der FIFA erstmals ein Fußball-Länderspiel im Stadion verfolgen. Das Thema ist für Frauen nach wie vor wichtig, Anfang September 2019 zündete sich eine Frau an, als ihr eine Haftstrafe drohte (sie hatte sich als Mann verkleidet, um an einem Fußballmatch teilzunehmen).

Die zu Apostasie und Konversion festgestellte Situation stellt sich im gesamten iranischen Staatsgebiet gleichermaßen dar.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Beweiswürdigung nimmt Bedacht auf die Beweiswürdigung des Bundesamtes im Bescheid vom 20.02.2018 und stützt sich auf die Aussagen der Beschwerdeführerin vor der Polizei (Niederschrift der Erstbefragung vom 27.09.2014), dem Bundesamt (Niederschrift der Einvernahme vom 10.12.2014 und vom 31.10.2017 samt Beilagen) und dem Bundesverwaltungsgericht (Niederschrift der Verhandlung vom 10.09.2020 samt Beilagen, im Folgenden VH-Protokoll), auf die Beschwerde vom 18.03.2018 und die von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht abgegebenen Stellungnahmen (Stellungnahme vom 10.01.2019 an das Bundesverwaltungsgericht samt Beilagen) sowie auf folgende Beweismittel (nur diese sind für die gegenständliche Entscheidung relevant):

?        die Zeugenaussage von XXXX in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.09.2020,

?        die im Akt des Bundesamtes befindliche Bestätigung über die Mitgliedschaft der Beschwerdeführerin in der Katechumenatsgruppe vom 02.03.2017 (AS 71) und im Akt des Bundesverwaltungsgerichts undatiert (OZ 6 S.7),

?        die im Akt des Bundesverwaltungsgerichts befindliche Bestätigung der Pfarre XXXX über die Taufvorbereitung, Taufe und Teilnahme am Pfarrleben der Beschwerdeführerin (OZ 6 S.12),

?        der im Akt des Bundesamtes befindliche Taufschein vom 08.06.2017 der Taufe und Firmung am 15.04.2017 (AS 93 ff; ebenfalls im Akt des Bundesverwaltungsgerichts OZ 6 S.13),

?        das im Akt des Bundesamtes befindliche Schreiben von Kardinal Schönborn vom 02.03.2017 (AS 69),

?        das im Akt des Bundesamtes befindliche Foto der Taufe durch Kardinal Schönborn (AS 155) und

?        das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Iran, Gesamtaktualisierung am 19.06.2020, samt den darin genannten Quellen

Die Anträge auf weitere Zeugenbefragungen (OZ 11) wurden in der mündlichen Verhandlung zurückgezogen. Dem in der Beschwerde gestellten Antrag (AS 305) einen landeskundlichen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Iran und den spezifischen von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Punkten befasst war nicht zu entsprechen, weil diesbezüglich das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Iran herangezogen wurde und in das Beweismittelverfahren miteinbezogen und gewürdigt wurde und mit Hilfe dieses Länderinformationsblatt die relevanten Sachverhaltsfragen geklärt werden konnten.

Es liegt im Wesen der freien Beweiswürdigung, dass weitere Beweisaufnahmen dann unterbleiben können, wenn sich die Verwaltungsbehörde bzw. das Verwaltungsgericht auf Grund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann (VwGH 21. 3. 1991, 90/09/0097; 19. 3. 1992, 91/09/0187; 16. 10. 1997, 96/06/0004; 13. 9. 2002, 99/12/0139; vgl. auch VwGH 12. 3. 1991, 87/07/0054).

2.2. Die Feststellungen zu 1.1. hinsichtlich der Person der Beschwerdeführerin ergeben sich aus deren gleichbleibenden Angaben, hinsichtlich der Unbescholtenheit aus der in das Verfahren eingeführten Strafregisterauskunft. Dass die Identität der Beschwerdeführerin nicht feststeht ergibt sich aus dem Umstand, dass diese keinen Ausweis vorlegen konnte.

2.3. Die Feststellungen zur Herkunft, Zeitpunkt der Ausreise, Einreise in Österreich, Zeitpunkt der Antragstellung und den Familienverhältnissen, ergeben sich einerseits daraus, dass die Beschwerdeführerin diesbezüglich glaubhafte und gleichbleibende Angaben sowohl im Administrativverfahren als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht gemacht hat, und andererseits diese dem Verwaltungsakt zweifelsfrei zu entnehmen sind und eine österreichische Sterbeurkunde des Vaters im Akt einliegt.

2.4. Hinsichtlich der Feststellungen zur Konversion der Beschwerdeführerin ist auf folgende Überlegungen zu verweisen:

Einleitend ist auf die rezente, hinsichtlich dieser Frage relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der ausführt, dass bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten ankomme, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln sei (VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0603; VwGH 22.02.2018, Ra 2017/18/0426; VwGH 23.05.2017, Ra 2017/18/0028). Etwa lasse sich allein mit der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens zur Ausreise nicht schlüssig begründen, dass alle im Zusammenhang mit dem neu erworbenen Glauben stehenden weiteren Aktivitäten eines Asylwerbers nur zum Schein mit dem (ausschließlichen) Ziel der Asylerlangung entfaltet worden seien. Für eine solche Einschätzung bedarf es vielmehr einer näheren Auseinandersetzung mit jenen Umständen, die die Konversion konkret betreffen (VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0603; VwGH 2.9.2015, Ra 2015/19/0091). Auch greift es nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zu kurz, bei einem Konvertiten alleine das religiöse oder Bibelwissen abzufragen, wenn auch ein vertieftes Bibelwissen durchaus auf eine tiefgehende Befassung mit der Bibel schließen lässt.

Vielmehr misst das Bundesverwaltungsgericht den Fragen, ob die Beschwerdeführerin erklären kann, warum sie den Glauben gewechselt hat, ob diese die wesentlichen Grundlage ihres neuen Glaubens kennt, sie zumindest ihre Befassung mit der Bibel oder anderen relevanten Texten des neuen Glaubens glaubhaft machten kann und diese dartun kann, welche Auswirkung der Glaubenswechsel auf ihr Leben hat, was sich insbesondere, aber nicht nur, an der Teilnahme an Gottesdiensten darstellt, in einer Gesamtbetrachtung besondere Relevanz für die Glaubhaftmachung der ernstlichen und aus innerem Entschluss erfolgten Konversion zu.

Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin glaubhaft gemacht, warum sie sich nunmehr zum Christentum hingezogen fühlt, wie sie sich in der neuen Religion engagiert und wie sie religiöses Wissen erlangt hat bzw. zu erlangen beabsichtigt.

Insbesondere die Dauer von 4 Jahren, seitdem sich die Beschwerdeführerin intensiv in Österreich mit ihrem neuen Glauben auseinandersetzt, waren ein Indiz für die ernstliche und aus innerem Entschluss erfolgte Konversion. Unzweifelhaft wurde die Beschwerdeführerin bereits im April 2017 getauft und hat zuvor eine einjährige Taufvorbereitung absolviert. Zudem ist die Beschwerdeführerin im Pfarrleben integriert, besucht bis dato eine Katechumenatsgruppe und engagiert sich bei der Kinderbetreuung bei Kindergottesdienste in der Pfarre. Dies belegen auch die verschiedenen oben angeführten Bestätigungsschreiben der Pfarre, das vorgelegte Foto der Taufe und ein Schreiben von Kardinal Schönborn.

Auch war die Beschwerdeführerin durchaus in der Lage, den Aufbau der Bibel im Detail, insbesondere des neuen Testamentes, und die Bedeutung der wesentlichen christlichen Feiertage zu erklären (VH-Protokoll S.16). Schließlich konnte die Beschwerdeführerin die Bedeutung der „Dreifaltigkeit“ erklären, das Oberhaupt der katholischen Kirche nennen und ihre Lieblingsstelle in der Bibel im Zusammenhang erklären und machte sich dazu eigene Gedanken hinsichtlich der Interpretation, die nicht auswendig gelernt wirkten (VH-Protokoll 17). Weiters konnte die Beschwerdeführerin den Text des Vater Unsers auf Deutsch und dem erkennenden Gericht imponierte auch die ausführlichen, detailreichen Erzählungen über die Vorbereitung auf die Konversion und den Ablauf der Taufe, die den Eindruck erweckten, dass die Beschwerdeführerin vom Glaubenswechsel überzeugt ist und den Wunsch äußert „das ewige Leben“ zu erlangen und mit der Taufe „als Kind Gottes“ nach den christlichen Werten leben zu wollen (VH-Protokoll S. 14). Sie sieht es als Christin auch als Pflicht an, missionarisch tätig zu sein und andere Menschen für ihren neu gewonnenen Glauben zu „bekehren“.

Die Schilderungen des oben genannten Zeugen bestätigen, dass die Beschwerdeführerin regelmäßig jeden Sonntag am Gottesdienst teilnimmt und zudem auch ungefähr 1 Mal im Monat beim Treffen der Katechumenatsgruppe von Neugetauften dabei ist, um weiter ihren Glauben und ihr christliches Wissen zu vertiefen. Der Zeuge ist vom Pfarrer beauftragter Katechist und Leiter der Taufvorbereitung. Er kenne die Beschwerdeführerin seit September 2016. Der Zeuge konnte unter anderem auch wahrnehmen, dass er die Beschwerdeführerin schon als jemanden kennen gelernt habe, die sich zum Christentum hingezogen hat und er habe den Glaubenswechsel der Beschwerdeführerin dementsprechend nie hinterfragt. Die Beschwerdeführerin habe auch vor der Pfarrgemeinde in einer Sonntagsmesse erklären müssen, warum sie Christin ist bzw. getauft werden möchte (VH-Protokoll S. 10). Schließlich konnte der Zeuge auch angeben, dass sich die Beschwerdeführerin in der Kinderbetreuungsgruppe der Pfarre für die Kindergottesdienste engagiert hat (VH-Protokoll S 11). Die Aussagen des Zeugen sind glaubhaft und unter Strafandrohung ergangen, decken sich auch mit den Aussagen der Beschwerdeführerin, es gibt keinen Grund, an diesen zu zweifeln.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Beschwerdeführerin noch gewisse Lücken in ihrem theologischen Wissen bzw. Verständnis von christlichen Geboten hat und insbesondere ihre in Iran angesiedelte Konversion mit Hauskirchenbesuche und Taufe auf Grund von Widersprüchen und fehlender Plausabilität nicht glaubwürdig sind; diese Umstände sind aber im Sinne einer Gesamtbetrachtung, insbesondere aufgrund der inzwischen langen Glaubenspraxis, der Zeugenaussage und dem guten Bibelwissen nur hinreichend, Zweifel, aber keine Unglaubwürdigkeit zu begründen. Daher ist im Zweifel von der Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin auszugehen und war die ernstlich und aus innerem Entschluss erfolgte Konversion zum Christentum festzustellen.

Hinsichtlich der Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes ist weiter zu bemerken, dass inzwischen zweieinhalb Jahre vergangen sind, in denen sich der Glaube der Beschwerdeführerin weiter festigen konnte und daher die gegenständliche Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts aktueller ist als die des Bundesamtes. Dieses hat es auch unterlassen, den Zeugen einzuvernehmen (bzw. einen Zeugen aus dem religiösen Umfeld der Beschwerdeführerin zu ermitteln und einzuvernehmen), sodass dem Bundesamt bei seiner Beweiswürdigung ein beschränkteres Bild zur Verfügung gestanden ist als dem Bundesverwaltungsgericht; daher muss nicht näher auf die Beweiswürdigung des Bundesamtes eingegangen werden.

Dass die Beschwerdeführerin auch im Falle der Rückkehr nach Iran an ihrem christlichen Glauben festhalten würde, ergibt sich aus der festgestellten ernstlichen und aus innerem Entschluss erfolgten Konversion zum Christentum.

2.5. Die Feststellungen zu 1.4. ergeben sich hinsichtlich der Gefahr, dass die Beschwerdeführerin als Konvertitin in Iran verfolgt und bedroht wird, vor dem Hintergrund der glaubhaft gemachten, ernsthaften und von innerer Überzeugung getragenen Konversion der Beschwerdeführerin, die als Christin sich auch verpflichtet fühlt zu missionieren, aus den Länderberichten.

2.6. Die Feststellung zu 1.5. ergibt sich daraus, dass keine Hinweise zu sehen sind, aus denen zu schließen wäre, dass die Beschwerdeführerin Asylausschluss- oder -endigungsgründe verwirklicht hätte, dies ergibt sich aus der Aktenlage.

2.7. Die Feststellungen zur Lage in Iran ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 19.06.2020. Da dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, das in das Verfahren eingeführt wurde, diesbezüglich nicht entgegengetreten worden ist, waren die obigen Feststellungen zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt I.:

3.1.1. Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 69/2020 (in Folge: AsylG), ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat – dies ist im vorliegenden Fall gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG zweifellos Iran – Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

3.1.2. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 76/1997, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).

3.1.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0210, mwN).

Die Beschwerdeführerin hat glaubhaft gemacht, dass sie ernstlich und aus innerem Entschluss zum Christentum konvertiert ist und diesen Glauben auch in Iran ausüben würde. Daher drohen ihr laut den Länderberichten in Iran die festgestellte Verfolgung durch staatliche Organe, die asylrelevante Schwere erreicht. Es liegt daher eine staatliche Verfolgung aus Gründen der religiösen Zugehörigkeit vor.

3.1.4. Da die Verfolgung durch staatliche Organe droht, kommt eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht. Da darüber hinaus keine vom Beschwerdeführer verwirklichten Asylausschluss- oder -endigungsgründe festzustellen waren, ist der Beschwerde stattzugeben, der Beschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und auszusprechen, dass dieser somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt

3.2. Zu Spruchpunkt II.:

Durch die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die jeweilige rechtliche Voraussetzung für die Spruchpunkte II. bis VI. weggefallen und diese daher ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat unter A) die für die Entscheidung relevante Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dargestellt und diese seiner Entscheidung zu Grunde gelegt; es ist keine von dieser Judikatur nicht umfasste, entscheidungsrelevante Rechtsfrage erkennbar. Im Übrigen waren – unter Zugrundelegung der unter A) dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung – im Wesentlichen Sachverhaltsfragen zu klären. Daher ist die Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung ersatzlose Teilbehebung gesamtes Staatsgebiet Konversion Nachfluchtgründe Religion staatliche Verfolgung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2190143.1.00

Im RIS seit

27.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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