TE Vfgh Erkenntnis 2020/9/29 V485/2020

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Veröffentlicht am 29.09.2020
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Index

L2200 Landesbedienstete

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
Stmk Landes-Dienst- und Besoldungsrecht §6, §7
EinreihungsV der Stmk Landesregierung vom 03.05.2004 §2
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit näher bezeichneter Wortfolgen der Verordnung der Stmk Landesregierung betreffend die Einreihung von Stellen in Gehaltsklassen mangels Nachvollziehbarkeit des Verordnungserlassungsverfahrens hinsichtlich der für die Einstufung notwendigen Punktezahl

Spruch

I. Die Wortfolgen "Wassermeisterin/Wassermeister Wahrnehmen der Gewässerzustandsaufsicht als Gewässeraufsichtsorgan" in der Tabelle zu Gehaltsklasse 9 und "Bauleiterin/Bauleiter Leiten der Bauaufsicht, Durchführen von Planungs-, Vermessungs- und Projektierungsarbeiten, Abwickeln von Ausschreibungen" in der Tabelle zu Gehaltsklasse 11 in §2 Abs1 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. Mai 2004 über die Einreihung der Stellen im Landesdienst in Gehaltsklassen (Steiermärkische Einreihungsverordnung – StEVO), LGBl für die Steiermark Nr 19/2004 idF LGBl für die Steiermark Nr 26/2017, werden als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. April 2021 in Kraft.

III. Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für die Steiermark verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark, die Wortfolgen "Wassermeisterin/Wassermeister Wahrnehmen der Gewässerzustandsaufsicht als Gewässeraufsichtsorgan" in der Tabelle zu Gehaltsklasse 9 und "Bauleiterin/Bauleiter Leiten der Bauaufsicht, Durchführen von Planungs-, Vermessungs- und Projektierungsarbeiten, Abwickeln von Ausschreibungen" in der Tabelle zu Gehaltsklasse 11 in §2 Abs1 Steiermärkische Einreihungsverordnung (im Folgenden: StEVO), in eventu §2 StEVO, in eventu die gesamte StEVO als gesetzwidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Stmk Gesetzes über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk L-DBR), LGBl 29/2003 idF LGBl 35/2020, lauten auszugsweise wie folgt:

"§5

Wirkungsbereich, Funktionsgruppe und Gehaltsklassen

(1) Die dienst- und besoldungsrechtlichen Merkmale einer Stelle gemäß §4 Abs1 setzen sich aus der Zuordnung dieser Stelle zu einem Wirkungsbereich, zu einer Funktionsgruppe und einer Gehaltsklasse zusammen.

(2) Der Landesdienst umfasst die Wirkungsbereiche

1. Leitung (LT),

2. Allgemeine Verwaltung (AV),

3. Technik/Handwerk (TH) und

4. Fachdienste (FD).

(3) Die Funktionsgruppen umfassen

1. Hilfsdienste mit den Gehaltsklassen                                          1 bis 3,

2. Qualifizierter Hilfsdienst mit den Gehaltsklassen                         4 bis 6,

3. Fach- und Sachbereich mit den Gehaltsklassen                               7 bis 9,

4. Fachassistenz mit den Gehaltsklassen                                       10 bis 12,

5. Experten/Expertinnen und Leiter/Leiterinnen mittleres Management mit den Gehaltsklassen 13 bis 17,

6. Top Experten/Expertinnen und Leiter/Leiterinnen gehobenes Management mit den Gehaltsklassen 18 bis 21,

7. Leiter/Leiterinnen Top Management mit den Gehaltsklassen              22 bis 24.

(4) Die Zugehörigkeit einer Stelle zu einer bestimmten Gehaltsklasse ist abhängig vom Stellenwert.

§6

Stellenbewertung

(1) Die Wertigkeit jeder Stelle ist unter Anwendung der Bewertungsgrundsätze gemäß §7 durch Ermittlung eines Punktewertes festzusetzen. Die Gehaltsklassen umfassen folgende Punktwerte:

Gehaltsklassen

Punktewerte

1

0 – 75

2

76 – 87

3

88 – 101

4

102 – 117

5

118 – 136

6

137 – 158

7

159 – 182

8

183 – 212

9

213 – 245

10

246 – 283

11

284 – 327

12

328 – 377

13

378 – 435

14

436 – 501

15

502 – 577

16

578 – 665

17

666 – 766

18

767 – 882

19

883 – 1016

20

1017 – 1170

21

1171 – 1347

22

1348 – 1550

23

1551 – 1784

24

1785 – 2053

Auf Grund des festgesetzten Punktewertes können Stellen oder Stellengruppen durch Verordnung der Landesregierung einer Gehaltsklasse zugeordnet werden (Einreihungsverordnung).

(2) Stellen, an denen Aufgaben besorgt werden, die gleichartig sind oder nicht wesentlich voneinander abweichen, können in einer Stellengruppe zusammen-gefasst werden.

(3) Ändern sich bestehende Aufgaben, entstehen neue Aufgaben oder neue Stellengruppen, ist die Verordnung anzupassen. Die Verordnungen dürfen zugunsten der Bediensteten auch rückwirkend erlassen werden.

§7

Bewertungsgrundsätze

(1) Durch die Bewertung einer Stelle wird in einem analytischen Verfahren der Punktwert der Stelle ermittelt. Dabei sind die mit der Stelle verbundenen Anforderungen an das Wissen, die für die Umsetzung des Wissens erforderliche Denkleistung und die Verantwortung zu berücksichtigen. Wissen, Denkleistung und Verantwortung bilden die Hauptbewertungsfaktoren einer Stelle. Im Einzelnen ist zu bewerten:

1. das Wissen nach den Anforderungen

a) an die durch Ausbildung und Erfahrung erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten – Subfaktor Fachwissen in der Ausprägung von einfachen Fähigkeiten und Kenntnissen bis auf die Beherrschung von sehr komplexen Aufgaben oder eine vertiefte Kenntnis auf mehreren Sachgebieten,

b) an die Fähigkeit Aufgaben zu erfüllen, Vorgänge und Prozesse zu überwachen, zu integrieren oder zu koordinieren – Subfaktor Managementwissen in der Ausprägung von nicht gegeben bei rein ausführenden und überwachenden Stellen bis übergeordnete Integration komplexer Organisationseinheiten mit heterogener Zielausrichtung sowie

c) an die Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit – Subfaktor Kommunikation in der Ausprägung von minimaler Kommunikation bis Einflussnahme auf Meinungen, Verhalten und Überzeugungen;

2. das Denken

a) nach dem Umfang des Rahmens, in dem Handeln mehr oder weniger exakt vorgegeben ist – Subfaktor Denkart in der Ausprägung von exakter Anleitung bis gesamtstrategisch orientiert sowie

b) nach der Anforderung, Wissen bei der Erfüllung von wiederkehrenden bis neuartigen Aufgaben umzusetzen – Subfaktor Kreativität in der Ausprägung von wiederholend bis zur Lösung neuartiger, bisher von niemandem gelöster Problemstellungen sowie

3. die Verantwortung

nach dem Grad der Bindung an Gesetze, Verordnungen und Dienstanweisungen – Subfaktor Prozessbeitrag in der Ausprägung von detailliert angewiesener Ausführung bis existenzielle Befassung mit sozialen, wirtschaftlichen, physikalischen Phänomenen im Rahmen der Naturgesetze.

Die Ausprägung der Subfaktoren ist durch Verordnung der Landesregierung festzulegen.

(2) Die Ausprägung der einzelnen Subfaktoren wird durch einen Teilpunktewert ausgedrückt. Der Punktewert einer Stelle ist die Summe der für die Hauptbewertungsfaktoren Wissen, Denkleistung und Verantwortung ermittelten Teilpunktewerte.

(3) Jede im Stellenplan ausgewiesene Stelle ist gemäß Abs1 und 2 zu bewerten.

(4) Eine neuerliche Bewertung ist insbesondere durchzuführen, wenn

1. sich bestehende Aufgaben einer Stelle ändern,

2. neue Aufgaben einer Stelle übertragen werden oder

3. mit einer Organisationsänderung eine Veränderung des Stellenwertes zu erwarten ist.

Bei der Bewertung ist die betreffende Stelle, im Fall von Z3 auch alle anderen von der Organisationsänderung betroffenen Stellen neuerlich zu bewerten."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. Mai 2004 über die Einreihung der Stellen im Landesdienst in Gehaltsklassen (Steiermärkische Einreihungsverordnung – StEVO), LGBl 19/2004 idF LGBl 26/2017, lauten auszugsweise wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"§1

Ausprägung der Bewertungsfaktoren

(1) Die der Bewertung einer Stelle zugrunde liegenden Hauptfaktoren Wissen, Denken und Verantwortung §7 Abs1 Z1, 2 und 3 L-DBR untergliedern sich in Subfaktoren. Die unterschiedliche Ausprägung der Bewertungsfaktoren und die der einzelnen Ausprägung zugrunde liegende Beschreibung ergibt sich nach Abs2 bis 4.

(2) Hauptfaktor Wissen (§7 Abs1 Z1 lita bis c L-DBR)

[tabellarische Darstellung der Ausprägungsgrade der Subfaktoren Fachwissen, Managementwissen und Kommunikation samt wörtlicher Beschreibung ohne Angabe von Punktewerten]

(3) Hauptfaktor Denken (§7 Abs1 Z2 lita und b L-DBR)

[tabellarische Darstellung der Ausprägungsgrade der Subfaktoren Denkart und Kreativität samt wörtlicher Beschreibung ohne Angabe von Punktewerten]

(4) Hauptfaktor Verantwortung (§7 Abs1 Z3 L-DBR)

[tabellarische Darstellung der Ausprägungsgrade des Subfaktors Prozessart samt wörtlicher Beschreibung ohne Angabe von Punktewerten]

§2

Einreihung von Stellen

(1) Folgende Stellen werden gemäß §6 Abs1 Stmk L-DBR den einzelnen Gehaltsklassen zugeordnet:

[…]

Gehaltsklasse 9

Stelle

Aufgaben

[…]

[…]

Wassermeisterin/Wassermeister

Wahrnehmen der Gewässerzustandsaufsicht

als Gewässeraufsichtsorgan

[…]

[…]

[…]

Gehaltsklasse 11

Stelle

Aufgaben

Bauleiterin/Bauleiter

Leiten der Bauaufsicht, Durchführen von Planungs-, Vermessungs- und Projektierungsarbeiten, Abwickeln von Ausschreibungen

[…]

[…]

[…]

(2) Die von den in Abs1 angeführten Stellen jeweils hauptsächlich ausgeführten Aufgaben (Kernaufgaben) werden in der Spalte 'Aufgaben' aufgezählt.

[…]"

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Beim Landesverwaltungsgericht Steiermark ist ein Beschwerdeverfahren gegen einen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. Juli 2019 anhängig. Mit diesem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark, "als Bauleiter nach dem entsprechenden Besoldungsschema entlohnt zu werden", abgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass der genannte Beschwerdeführer als Wassermeister beschäftigt sei und nicht die Kernaufgaben eines Bauleiters verrichte. Er sei daher nach der Gehaltsklasse 9 zu entlohnen, die gemäß §2 Abs1 StEVO für die Stelle eines Wassermeisters vorgesehen ist.

Bei der Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde sind beim Landesverwaltungsgericht Steiermark Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Wortfolgen "Wassermeisterin/Wassermeister Wahrnehmen der Gewässerzustandsaufsicht als Gewässeraufsichtsorgan" in der Tabelle zu Gehaltsklasse 9 und "Bauleiterin/Bauleiter Leiten der Bauaufsicht, Durchführen von Planungs-, Vermessungs- und Projektierungsarbeiten, Abwickeln von Ausschreibungen" in der Tabelle zu Gehaltsklasse 11 in §2 Abs1 StEVO entstanden.

2. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legte seine Bedenken wie folgt dar:

"Die von der Steiermärkischen Landesregierung am 03.05.2004 in der Stammfassung erlassene Steiermärkische Einreihungsverordnung konkretisiert nun in ihrem §1 zum einen die Ausprägung der unterschiedlichen Bewertungsfaktoren. Es wird allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die unterschiedlichen Ausprägungen zwar in Worten beschrieben, allerdings nicht mit einem Punktewert oder einer sonstigen Anordnung, wie ein Punktewert, der in weiterer Folge gemäß §7 Abs1 Stmk L-DBR den 'Punktwert der Stelle' bestimmt, ermittelt werden sollte, versehen sind.

Zudem nimmt die Steiermärkische Landesregierung mit §2 StEVO auch die von §6 Abs1 Stmk L-DBR ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit wahr, einzelne konkrete Stellen einzelnen Gehaltsklassen zuzuordnen und hat dies tatsächlich für mehr als 100 Stellen auch getan.

[…]

Um die Überlegungen und Grundsätze nachvollziehen zu können, von welcher der Verordnungsgeber vor bzw bei Erlassung der Stammfassung ausgegangen ist, wurde vom Landesverwaltungsgericht – vor dem Hintergrund des im Ermittlungsverfahren bestätigten Beschwerdevorbringens, wonach sämtliche anderen Wassermeister nicht gemäß der Verordnung in ST 09, sondern tatsächlich in ST 10 eingestuft sind und auch die in ST 11 eingestufte Tätigkeit eines Bauleiters zu prüfen war – der Verordnungsakt angefordert. Mit Schriftsatz vom 13.11.2019 hat die Steiermärkische Landesregierung den Verordnungsakt übermittelt und dazu selbst ausgeführt, dass dieser die folgenden Schriftstücke enthält:

a.) Regierungssitzungsbeschluss vom 03.05.2004 samt Beilagen (Verordnung, erläuternde Bemerkungen)

b.) Regierungssitzungsbeschluss vom 26.04.2004 (Auflage)

c.) Regierungssitzungsbeschluss vom 11.10.1999

d.) Regierungssitzungsbeschluss vom 20.09.1999 (Auflage)

Dazu sei bemerkt, dass die beiden Beschlüsse des Jahres 2004 neben der Auflage der Verordnung deren tatsächliche Beschlussfassung in der Landesregierung umfassen, die zwei zuletzt genannten Beschlüsse aus dem Jahr 1999 betreffen die ursprüngliche, grundsätzliche Beschlussfassung über die Durchführung der Besoldungsreform Steiermark – BEST in Auflage und endgültiger Beschlussfassung. Diesen zuletzt genannten Beschlüssen ist unter anderem zu entnehmen, dass eine Arbeitsgruppe eingerichtet und im Einvernehmen mit der Landespersonalvertretung von einem seit mehreren Jahrzehnten erfahrenen Beratungsunternehmen 80 Referenzstellen ermittelt wurden, welche in einem ersten Schritt bewertet werden sollten.

Weitere Unterlagen enthält dieser Verordnungsakt nicht und hat die belangte Behörde in ihrem Schreiben vom 13.11.2019 ausdrücklich festgehalten, dass keinerlei Unterlagen oder Schriftstücke vorliegen, aus denen ersichtlich wäre, von welchen Überlegungen man zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung bei der Einreihung bzw der Bewertung der Stellen von Wassermeistern und Bauleitern ausgegangen ist.

ln der vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark abgehaltenen öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 27.01.2020 (Fortsetzungsverhandlung nach dem 28.11.2019) hat die Vertreterin der belangten Behörde dies auf explizite Nachfrage nochmals bekräftigt und ausdrücklich festgehalten, dass der Verordnungsakt keinerlei weitere Dokumente beinhaltet und insbesondere kein Verordnungsakt existiert, der Stellenbeschreibungen bzw Stellenbewertungen der in der Verordnung konkret genannten Stellen umfasst.

Es existieren also keinerlei Schriftstücke, aus denen die im konkreten Verfahren relevanten Einstufungen der Wassermeister in ST 09 und der Bauleiter in ST 11 nachvollziehbar wären, auch hinsichtlich der in den Regierungssitzungsbeschlüssen aus dem Jahr 1999 genannten 80 Referenzstellen konnten keinerlei Stellenbeschreibungen oder Bewertungsgutachten oder sonstige Unterlagen vorgelegt werden.

Es liegen zum heutigen Zeitpunkt weder für die genannten 80 Referenzstellen noch für die konkret in die Verordnung aufgenommenen, explizit bezeichneten und einer Gehaltsklasse zugeordneten Stellen – zu denen auch die hier relevanten Stellen eines Wassermeisters sowie eines Bauleiters zählen – Stellenbeschreibungen oder Bewertungsgutachten oder sonstige Unterlagen vor.

Es mag sein, dass zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung umfassendere Ermittlungsschritte gesetzt worden sind, allerdings gibt es heute – abgesehen von den bereits genannten vier Regierungssitzungsbeschlüssen – keinerlei Dokumentationen mehr dazu. Es existieren heute mit Ausnahme dieser vier Beschlüsse überhaupt keinerlei Unterlagen zum Ermittlungsverfahren, das vor Verordnungserlassung durchgeführt wurde, weshalb es dem Landesverwaltungsgericht nicht möglich ist, die in dieser Verordnung getroffenen Normierungen nachzuvollziehen und überprüfen zu können.

Neben dem Umstand eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens sowie unzureichender Dokumentationen darüber ist überdies festzuhalten, dass es auf Basis der aktuell gültigen StEVO mangels irgendwelcher Punkteangabe weder einem rechtsunterworfenen Landesbediensteten noch dem Landesverwaltungsgericht möglich ist, den Punkte- oder Stellenwert bzw die 'Wertigkeit einer Stelle' zu ermitteln. Gerade dieser Wert ist allerdings gemäß §5 Abs4 Stmk L-DBR entscheidend für die Zugehörigkeit einer Stelle zu einer Gehaltsklasse. §1 StEVO haftet daher auch der Vorwurf der Undeterminiertheit an.

Das Landesverwaltungsgericht hat zwar in seinem […] anhängigen Beschwerdeverfahren lediglich auf die konkreten Stellen des Wassermeisters bzw des Bauleiters Bezug zu nehmen, der Umstand des mangelhaften Ermittlungsverfahrens betrifft jedoch nicht nur diese beiden Stellen, sondern sämtliche in §2 Abs1 StEVO genannten, den einzelnen Gehaltsklassen zugeordneten Stellen und darüber hinaus die Verordnung ihrem gesamten Inhalte nach, weshalb die Frage der Gesetzeskonformität die Stmk Einreihungsverordnung in ihrer Gesamtheit betrifft."

3. Die Steiermärkische Landesregierung hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der zur Prüfung gestellten Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:

"Das Landesverwaltungsgericht bringt vor, es sei nicht nachvollziehbar dokumentiert, welche Überlegungen vor Verordnungserlassung angestellt wurden. Zudem seien Einwendungen und Änderungen im Begutachtungsverfahren bzw im Erlassungsverfahren zu dokumentieren. Im Lichte der dargestellten Genese zeigt sich, dass die Überlegungen vor Verordnungserlassung umfangreicher Natur waren und der StEVO ein intensiver Bewertungsprozess unter Einbeziehung der Firma […] vorausgegangen ist. Zudem wurde der Entwurf einem Begutachtungsverfahren unterzogen und wurden die eingelangten Stellungnahmen in die Überarbeitung des Entwurfes einbezogen und entsprechend dokumentiert.

Zwar ist es zutreffend, dass die Dokumentation des Verordnungsaktes, der zum damaligen Zeitpunkt noch als Papierakt geführt wurde, nicht einwandfrei ist, dennoch ist im Lichte der Systematik der Bewertung und des der Verordnung vorausgegangenen umfassenden Verfahrens festzustellen, dass die Ausweisung und Einreihung der Stellen in jedem einzelnen Fall gesetz- und damit rechtmäßig erfolgte. Der Erlassung der Verordnung gingen umfangreiche Ermittlungsschritte wie Vor-Ort-Erhebungen, Arbeitssitzungen und Bewertungen voran. Wie aus dem an alle Bezirkshauptmannschaften gerichteten Schreiben vom 08.11.2002 ersichtlich, wurden alle von der Besoldungsreform betroffenen Stellen erfasst, bearbeitet und einer individuellen Bewertung unterzogen. Dabei wurde nicht nur auf vorhandene Organisationsunterlagen (Organisationshandbücher, Stellenbeschreibungen etc.) zurückgegriffen, sondern der tatsächliche Ist-Stand durch Interviews vor Ort differenziert erhoben. Die Erfassung der Daten (Stelleninhalte) erfolgte online, d.h. computerunterstützt, und wurde auf die damals üblichen CD-Roms abgespeichert. Dies geht aus dem Schriftverkehr zwischen der Organisations- und Personalabteilung der Jahre 2003 bis 2004 […] hervor. Dieser Datenbestand bildete sodann die Grundlage für die Stellenbewertungen.

Die Stellen Wassermeisterin/Wassermeister und Bauleiterin/Bauleiter waren zwar keine Referenzstellen (siehe die Referenzstellenbewertung […]), die im Jahr 2001 von [einem Unternehmen] bewertet und auditiert wurden, jedoch wurden auch diese auf Grundlage von einvernehmlich erarbeiteten Stellenbeschreibungen von einem besonders geschulten Bewertungsteam bewertet […] und Bewertungszeilen mit den jeweiligen Subfaktoren erstellt. Diese wurden vorerst in einer lokalen Datenbank der Personalabteilung gespeichert und ab Mitte der 2000er Jahre EDV-unterstützt ins SAP überspielt. Für die in die Verordnung aufgenommenen Stellen lassen sich daher die Bewertungszeilen zwar nicht im Verordnungsakt, aber im SAP nachvollziehbar darstellen.

Die Rechtmäßigkeit der Verordnung wird auch dadurch belegt, dass §6 Abs1 L-DBR zwar die Möglichkeit der Zuordnung von Stellen und Stellengruppen zu einer Gehaltsklasse durch Verordnung ermöglicht, die Alternative zur Aufnahme in die Einreihungsverordnung die Einzelbewertung darstellt, wie sie auch für Stellen durchzuführen ist, die nicht in der Einreihungsverordnung enthalten sind. Stellt man – bezogen auf den Anlassfall – für die Stelle des Wassermeisters und des Bauleiters die Einzelbewertung an […], gelangt man zum selben Ergebnis wie es in §2 Abs1 StEVO ausgewiesen ist, wonach der Wassermeister in ST09 und der Bauleiter in ST11 einzuordnen sind.

[…]

Das Ergebnis der Bewertung ist in beiden Fällen – Ausweisung in der StEVO oder Einzelbewertung – dasselbe, da die Bewertung Voraussetzung und Grundlage der Einreihung durch die StEVO ist. Dieser Prozess könnte für sämtliche Stellen nachvollzogen werden. Daraus ergibt sich, dass ungeachtet der nicht vollständigen Dokumentation im Verordnungsakt an der Rechtmäßigkeit jeder einzelnen Einreihung der StEVO kein Zweifel besteht. Zu jedem Zeitpunkt lässt sich die Plausibilität der einzelnen Einreihungstatbestände darstellen. Der Vorwurf der Undeterminiertheit trifft nicht zu."

IV. Erwägungen

1. Zulässigkeit

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist begründet:

2.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat der Verordnungsgeber die Umstände, die für die Erlassung einer Verordnung maßgeblich sind, zu ermitteln und dies im Verordnungserlassungsverfahren entsprechend festzuhalten, um eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung zu gewährleisten (vgl zB VfSlg 11.758/1988, 11.972/1989, 17.161/2004; siehe auch VfGH 14.7.2020, V363/2020).

2.2.2. Gemäß §6 Abs1 Stmk L-DBR ist die Wertigkeit jeder Stelle unter Anwendung der Bewertungsgrundsätze gemäß §7 leg.cit. durch Ermittlung eines Punktewertes festzusetzen. Auf Grund dieses Punktewertes können Stellen oder Stellengruppen durch Verordnung der Landesregierung entsprechend der in §6 Abs1 leg.cit. vorgesehenen Tabelle einer Gehaltsklasse zugeordnet werden. Bei der Ermittlung des Punktewertes werden nach §7 Abs1 leg.cit. die dort genannten Hauptfaktoren "Wissen", "Denken" und "Verantwortung" bewertet, wobei diese Hauptfaktoren in Subfaktoren gegliedert werden, deren Ausprägung von der Landesregierung durch Verordnung festzulegen ist. Nach §7 Abs2 leg.cit. wird die Ausprägung der einzelnen Subfaktoren durch einen Teilpunktewert ausgedrückt. Der Gesamtpunktewert setzt sich aus der Summe der für die Hauptfaktoren ermittelten Teilpunktewerte zusammen.

Der genannte Punktewert bildet somit den zentralen Anknüpfungspunkt für die Einreihung einer Stelle durch die in §6 Abs1 leg.cit. vorgesehene Verordnung. Vor diesem Hintergrund ist es für die Überprüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung erforderlich, dass aus dem Verordnungsakt hinsichtlich der zugeordneten Stellen jeweils hervorgeht, welcher Ausprägungsgrad der einzelnen Subfaktoren festgelegt wurde, welcher Teilpunktewert demnach für die einzelnen Subfaktoren festgesetzt wurde und welcher Gesamtpunktewert sich daraus ergibt.

2.2.3. Der dem Verfassungsgerichtshof vorliegende Verordnungsakt enthält keine Nachweise darüber, von welchen Punktewerten bei der Beschlussfassung über die von der vorliegenden Anfechtung betroffenen Stellen "Wassermeisterin/Wassermeister" und "Bauleiterin/Bauleiter" ausgegangen wurde. In ihrer Stellungnahme wendet die Steiermärkische Landesregierung zwar ein, dass der Erlassung der StEVO ein umfangreiches Verfahren mit externer Beratung durch ein darauf spezialisiertes Unternehmen vorausgegangen sei und sich im Verordnungsakt ein Auszug aus einer Datenbank befinde, aus dem ersichtlich sei, dass für die genannten Stellen eine dem Gesetz entsprechende Bewertung erfolgt sei.

Damit konnte eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Nachvollziehbarkeit des Verordnungserlassungsverfahrens jedoch nicht belegt werden. Der genannte Auszug liegt einem mit 26. November 2019 datierten Schreiben bei, das dem Verordnungsakt jedenfalls erst nach der am 3. Mai 2004 erfolgten Beschlussfassung der Verordnung beigegeben wurde (nämlich im Rahmen des Verfahrens vor dem antragstellenden Landesverwaltungsgericht Steiermark); schon insofern kann damit keine Rechtmäßigkeit des Verordnungsverfahrens begründet werden (vgl zB VfSlg 15.643/1999, 17.572/2005, 18.492/2008; VfGH 11.6.2015, V51/2014; 11.6.2015, V108/2014, jeweils mwN).

Doch selbst die Annahme, dass die in diesen Daten zum Ausdruck kommende Bewertung der Stellen tatsächlich der Beschlussfassung der Verordnung zugrunde gelegt wurde, würde zu keinem anderen Ergebnis führen. Zwar ist aus diesem Auszug eine Bewertung der von der vorliegenden Anfechtung betroffenen Stellen ersichtlich, die eine Gesamtpunktezahl und eine Punktezahl für die Hauptfaktoren enthält. Hinsichtlich der einzelnen Subfaktoren sind jedoch nur "Rohpunkte" angegeben, aus denen der nach §7 Abs1 Stmk L-DBR eindeutig erforderliche Teilpunktewert nicht abgeleitet werden kann. Auch aus der Angabe der Ausprägung der Subfaktoren nach §1 StEVO lässt sich kein Punktewert ableiten, da eine allgemeine Punktebewertung der Ausprägung der einzelnen Subfaktoren weder aus der StEVO selbst noch aus dem Verordnungsakt ersichtlich ist. Die aus dem Akt ersichtliche Begründung, dass eine genaue Punktebewertung der Ausprägungen der Subfaktoren "[i]m Hinblick auf die Komplexität des Bewertungssystems und die gegenüber dem Beratungsunternehmen bestehende Verschwiegenheitspflicht" unterblieben sei, ändert nichts daran, dass sich aus dem Verordnungsakt nicht nachvollziehen lässt, wie die für die Einstufung notwendige Punktezahl festgelegt wurde.

2.2.4. Da sich aus dem Verordnungsakt hinsichtlich der von der vorliegenden Anfechtung betroffenen Stellen "Wassermeisterin/Wassermeister" und "Bauleiterin/Bauleiter" somit keine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Nachvollziehbarkeit des Verordnungsverfahrens ergibt, erweisen sich die angefochtenen Bestimmungen als gesetzwidrig.

V. Ergebnis

1. Die Wortfolgen "Wassermeisterin/Wassermeister Wahrnehmen der Gewässerzustandsaufsicht als Gewässeraufsichtsorgan" in der Tabelle zu Gehaltsklasse 9 und "Bauleiterin/Bauleiter Leiten der Bauaufsicht, Durchführen von Planungs-, Vermessungs- und Projektierungsarbeiten, Abwickeln von Ausschreibungen" in der Tabelle zu Gehaltsklasse 11 in §2 Abs1 StEVO sind als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnungsstelle gründet sich auf Art139 Abs5 letzter Satz B-VG.

3. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und des damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Ausspruches erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z7 Stmk KundmachungsG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Einreihungsverordnung, Verordnungserlassung, VfGH / Fristsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:V485.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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