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L65004 Jagd Wild OberösterreichNorm
AVG §16Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des H N in P, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 20. April 2020, Zl. LVwG-551800/2/KLe, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens betreffend den Widerruf der Bestätigung der Bestellung als Jagdschutzorgan (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Mandatsbescheid vom 4. April 2018 verhängte die belangte Behörde über den Revisionswerber gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 ein Waffenverbot, das mit Vorstellungsbescheid vom 25. September 2018 bestätigt wurde.
2 Nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis wurde dem Revisionswerber mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. April 2018 gemäß § 40 OÖ Jagdgesetz (OÖ JagdG) die Jagdkarte für die Dauer des über ihn verhängten Waffenverbotes entzogen, was mit Vorstellungsbescheid vom 6. März 2019 bestätigt wurde. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
3 Die gegen das verhängte Waffenverbot erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (Verwaltungsgericht) vom 19. Februar 2019 als unbegründet abgewiesen.
4 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. März 2019 wurde die Bestätigung der Bestellung des Revisionswerbers als Jagdschutzorgan gemäß § 46 Abs. 1 OÖ JagdG widerrufen, weil mit dem Jagdkartenentzug die Voraussetzungen zur Erlangung einer Jagdkarte und somit die Voraussetzungen zur Bestellung als Jagdschutzorgan gemäß § 44 OÖ JagdG nicht mehr vorlägen. Auch dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
5 Aufgrund der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts betreffend das Waffenverbot vom 19. Februar 2019 erhobenen außerordentlichen Revision des Revisionswerbers hob der Verwaltungsgerichtshof dieses mit Erkenntnis vom 24. September 2019, Ra 2019/03/0055, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
6 Im zweiten Rechtsgang gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers mit Erkenntnis vom 24. Februar 2020 Folge und behob den Bescheid der belangten Behörde vom 25. September 2018, mit welchem das Waffenverbot verhängt worden war.
7 Nach dem Vorbringen des Revisionswerbers beantragte er mit Schreiben vom 5. März 2020 daraufhin die Einstellung des Jagdkartenentzugsverfahrens sowie die Wiederausfolgung der Jagdkarte. Am 10. März 2020 sei ihm die Jagdkarte wieder ausgefolgt worden.
8 Mit Schreiben vom selben Tag beantragte der Revisionswerber die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend den Widerruf der Bestätigung der Bestellung als Jagdschutzorgan, weil er mit der Einstellung des Verfahrens betreffend den Entzug der Jagdkarte wieder in deren Besitz sei. Die rechtlichen Voraussetzungen für den Widerruf seien somit weggefallen.
9 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. März 2020 wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend den mit Bescheid vom 27. März 2019 rechtskräftig verfügten Widerruf der Bestätigung der Bestellung als Jagdschutzorgan gemäß § 69 Abs. 1 Z 3 AVG als unbegründet abgewiesen.
10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht (unter Spruchpunkt I.) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab und erklärte (unter Spruchpunkt II.) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.
11 Das Verwaltungsgericht führte im Wesentlichen aus, das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Waffenverbotes stelle keine Vorfrage für den Widerruf der Bestätigung der Bestellung als Jagdschutzorgan nach dem OÖ JagdG dar, weil gemäß § 46 Abs. 1 OÖ JagdG die Bestätigung der Bestellung zum Jagdschutzorgan von der Behörde zu widerrufen sei, wenn nachträglich ein Umstand bekannt werde oder eintrete, der die Bestätigung ausgeschlossen hätte. Der Widerruf der Bestätigung habe sich auf den Entzug der Jagdkarte gestützt. Das Verfahren betreffend den Entzug der Jagdkarte (als Vorfrage für das Verfahren betreffend den Widerruf der Bestätigung) sei rechtskräftig abgeschlossen und nachträglich von der Behörde (bescheidmäßig) auch nicht anders entschieden worden.
12 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Hinweis auf die gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG, die fallbezogen nicht vorlägen.
13 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Sie macht zur Zulässigkeit im Wesentlichen geltend, der Revisionswerber habe den Wiederaufnahmeantrag nicht nur mit der Aufhebung des Waffenverbotes, sondern auch mit der von der belangten Behörde vorgenommenen Wiederausfolgung der Jagdkarte und der Einstellung des Entzugsverfahrens begründet. Die Wiederausfolgung der Jagdkarte stelle bereits eine anders lautende Entscheidung dar. Das Verwaltungsgericht habe zudem keine Feststellung dazu getroffen, dass die belangte Behörde das Verfahren betreffend den Entzug der Jagdkarte eingestellt habe. Dies sei relevant, weil das Verwaltungsgericht bei Feststellung der bescheidmäßigen Einstellung des Jagdkartenentzugsverfahrens zu einer Stattgabe der Beschwerde und damit des Wiederaufnahmeantrags gekommen wäre.
14 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht verwies in ihrer als Revisionsbeantwortung bezeichneten Äußerung lediglich auf die Begründung des Bescheides vom 20. März 2020 sowie auf das angefochtene Erkenntnis, ohne dabei auf die Argumente der Revision einzugehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Die Revision ist im Hinblick auf den in der Revision geltend gemachten relevanten Verfahrensmangel zulässig und berechtigt.
16 Die im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen (wie auch der behördlichen) Entscheidung maßgeblichen Bestimmungen des OÖ JagdG, LGBl. Nr. 32/1964, in der Fassung LGBl. Nr. 18/2020, lauten (auszugsweise) wie folgt:
„§ 38
Voraussetzungen für die Erlangung einer Jagdkarte
(1) Voraussetzung für die Erlangung einer Jagdkarte ist der Nachweis
a) der im Zusammenhang mit der Jagdausübung erforderlichen Verläßlichkeit;
b) der jagdlichen Eignung;
c) einer ausreichenden Jagdhaftpflichtversicherung;
d) daß kein Verweigerungsgrund im Sinne des § 39 vorliegt.
[...]“
„§ 39
Verweigerung der Jagdkarte
(1) Die Ausstellung der Jagdkarte ist zu verweigern:
[...]
g) Personen, über die ein Waffenverbot verhängt wurde, für die Dauer des Waffenverbots.
[...]“
„§ 40
Entziehung der Jagdkarte
Wenn bei einem Inhaber einer Jagdkarte, der ursprüngliche und noch fortdauernde Mangel einer der Voraussetzungen des § 38 nachträglich zum Vorschein kommt oder eine dieser Voraussetzungen nachträglich wegfällt, so ist die Jagdkarte zu entziehen.“
„§ 44
Voraussetzungen für die Bestellung
Zu Jagdhütern oder Berufsjägern dürfen nur eigenberechtigte, unbescholtene Personen bestellt werden, die
a) die Voraussetzungen zur Erlangung einer Jagdkarte erfüllen;
[...]“
„§ 46
Bestätigung; Angelobung; Ausweis; Jagdschutzabzeichen
(1) Die Bestellung eines Jagdhüters oder Berufsjägers bedarf der Bestätigung der Bezirksverwaltungsbehörde. Die Bestätigung darf nur versagt werden, wenn eine der im § 44 angeführten Voraussetzungen nicht gegeben ist. Die Bestätigung ist zu widerrufen, wenn nachträglich ein Umstand bekannt wird oder eintritt, der die Bestätigung ausgeschlossen hätte.
[...]“
17 § 69 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, lautet (auszugsweise):
„Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1. [...]
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;
[...]“
18 Von einer einen Wiederaufnahmegrund bildenden Entscheidung über eine Vorfrage kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes immer dann gesprochen werden, wenn eine Bindung der Behörde des einen Verfahrens an eine in einem anderen Verfahren zu lösende Hauptfrage zu bejahen ist (vgl. VwGH 9.4.1999, 98/19/0272).
19 Hauptfrage im Verfahren betreffend den Widerruf der Bestätigung der Bestellung als Jagdschutzorgan nach § 46 OÖ JagdG ist, ob nachträglich ein Umstand bekannt geworden oder eingetreten ist, der die Bestätigung der Bestellung ausgeschlossen hätte. Eine der in diesem Verfahren zu erörternden Fragen ist demnach gemäß § 44 lit. a OÖ JagdG, ob die betreffende Person die Voraussetzungen zur Erlangung einer Jagdkarte erfüllt. Dies ist gemäß § 38 Abs. 1 lit. d OÖ JagdG unter anderem dann der Fall, wenn kein Verweigerungsgrund im Sinne des § 39 OÖ JagdG vorliegt. Ein Verweigerungsgrund nach § 39 OÖ JagdG wiederum liegt etwa dann vor, wenn über die betreffende Person ein Waffenverbot verhängt wurde. Damit ist die Entscheidung darüber, ob dem Revisionswerber die Jagdkarte zu entziehen ist, eine für die Entscheidung über den Widerruf der Bestätigung der Bestellung als Jagdschutzorgan relevante Vorfrage.
20 Im vorliegenden Fall hatte die belangte Behörde dem Revisionswerber zunächst die Jagdkarte entzogen. Diese Entscheidung stützte die belangte Behörde (ausschließlich) auf das über den Revisionswerber verhängte Waffenverbot. Die rechtskräftige Entscheidung über die Entziehung der Jagdkarte war in der Folge im Verfahren betreffend den Widerruf der Bestätigung der Bestellung als Jagdschutzorgan hinsichtlich der dort relevanten Vorfrage des Vorliegens der Voraussetzungen zur Erlangung einer Jagdkarte bindend zu berücksichtigen, was im Ergebnis zum Widerruf der Bestätigung der Bestellung des Revisionswerbers als Jagdschutzorgan führte.
21 In weiterer Folge gab das Verwaltungsgericht im zweiten Rechtsgang mit Erkenntnis vom 24. Februar 2020 der Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Verhängung des Waffenverbotes statt und behob den Bescheid der belangten Behörde. Mit der Aufhebung des Waffenverbots wurden die Voraussetzungen für den Entzug der Jagdkarte nach § 40 iVm § 38 Abs. 1 lit. d iVm § 39 Abs. 1 lit. g OÖ JagdG beseitigt (vgl. zum NÖ Jagdgesetz VwGH 26.2.2016, Ra 2016/03/0022).
22 In der Folge wurde dem Revisionswerber die Jagdkarte - wie das Verwaltungsgericht feststellte - aufgrund eines von ihm gestellten Antrags am 10. März 2020 wieder ausgefolgt. Das Verwaltungsgericht folgerte aus dem Umstand, dass keine bescheidmäßige neuerliche Absprache über die Entziehung bzw. Wiederausfolgung der Jagdkarte erfolgte, dass damit nicht im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 3 AVG von der zuständigen Verwaltungsbehörde in wesentlichen Punkten anders entschieden worden war.
23 Dem kann jedoch in der hier vorliegenden Konstellation nicht gefolgt werden:
24 Beim Verfahren zum Entzug der Jagdkarte handelt es sich um ein amtswegig eingeleitetes Verwaltungsverfahren, das in einem Fall, in dem die Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen für den Entzug als gegeben ansieht, mit Bescheid beendet wird. Kommt die Behörde im Ermittlungsverfahren jedoch zum Ergebnis, dass die Jagdkarte nicht zu entziehen ist, kann das Verfahren - bei dem es sich um ein Administrativverfahren handelt, das keinen strafrechtlichen Charakter trägt (vgl. VwGH 3.5.2017, Ro 2016/03/0003) - formlos mit Aktenvermerk eingestellt werden. Hat daher die Behörde mit Bescheid die Entziehung der Jagdkarte ausgesprochen und wurde der rechtskräftig gewordene Entziehungsbescheid in der Folge - insbesondere im Fall einer amtswegig oder auf Antrag verfügten Wiederaufnahme nach einer abweichenden Vorfragenentscheidung - aus dem Rechtsbestand beseitigt, so kann das Entziehungsverfahren in der Folge auch formlos eingestellt werden; die entzogene Jagdkarte wäre in diesem Fall aufgrund der Wiederaufnahme des Entziehungsverfahrens wieder auszufolgen. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes liegt darin auch eine „andere Entscheidung“ im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 3 AVG, da der die Entziehung aussprechende Bescheid weggefallen ist und für die gegenteilige „Entscheidung“ - den Weiterbestand der durch die zuvor ausgestellte Jagdkarte dokumentierten Berechtigung zur Ausübung der Jagd - keine bescheidmäßige Erledigung erforderlich ist.
25 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht lediglich festgestellt, dass dem Revisionswerber die Jagdkarte wieder ausgefolgt wurde. Im Hinblick darauf, dass nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis die Jagdkarte lediglich für die Dauer des über den Revisionswerber verhängten Waffenverbots entzogen worden war, reichen diese Feststellungen nicht aus, um zu beurteilen, ob die Wiederausfolgung durch die belangte Behörde bloß aufgrund der Ansicht erfolgte, dass nach Wegfall des Waffenverbots nun die Entziehungsdauer abgelaufen sei (worin keine abweichende Vorfragenentscheidung im Sinne des vorigen Absatzes zu sehen wäre), oder ob die belangte Behörde im Sinne einer Wiederaufnahme des Entziehungsverfahrens die Jagdkarte wieder ausgefolgt und zudem das Entziehungsverfahren eingestellt und dadurch im Ergebnis eine abweichende Entscheidung der für das Verfahren betreffend den Widerruf der Bestätigung der Bestellung zum Jagdschutzorgan relevanten Vorfrage getroffen hat.
26 Das Verwaltungsgericht hat aufgrund seiner unzutreffenden Rechtsansicht, wonach nur im Falle eines bescheidmäßigen Abspruchs über die Wiederausfolgung der Jagdkarte eine „andere Entscheidung“ im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 3 AVG vorliegen würde, die als Grund für eine Wiederaufnahme herangezogen werden könnte, keine ausreichenden Feststellungen betreffend das Jagdkartenentziehungsverfahren getroffen.
27 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
28 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 9. November 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030076.L00Im RIS seit
15.12.2020Zuletzt aktualisiert am
15.12.2020