TE Vfgh Erkenntnis 1995/10/11 B1430/95

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Veröffentlicht am 11.10.1995
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

EMRK Art8
AufenthaltsG §6 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch die Abweisung von Anträgen auf Verlängerung bereits abgelaufener Sichtvermerke aufgrund der Annahme der Notwendigkeit der Antragstellung vom Ausland aus; kein Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller; verfassungskonforme Auslegung hinsichtlich der Zulässigkeit einer Antragstellung vom Inland aus in bestimmten Fällen geboten

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in dem durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer, zu Handen seines Rechtsvertreters, die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger; er lebt seit 1966 in Österreich, auch seine Ehefrau sowie seine sieben Kinder leben hier. Nachdem der zuletzt erteilte Sichtvermerk am 8. Mai 1994 abgelaufen war, brachte er am 10. Oktober 1994 bei der Österreichische Botschaft in Preßburg einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein. Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Feber 1995 unter Berufung auf §6 Abs2 des Aufenthaltsgesetzes, BGBl. 466/1992 idF vor der Novelle BGBl. 351/1995, abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, daß der Antrag vom Arbeitgeber des Beschwerdeführers bei der Österreichischen Botschaft in Preßburg abgegeben worden sei, der Beschwerdeführer sich aber zum Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten habe; gemäß der Verfahrensvorschrift des §6 Abs2 AufG sei daher die Erteilung einer Bewilligung ausgeschlossen.

II. Der vorliegende Beschwerdefall entspricht in allen entscheidungswesentlichen Belangen der Beschwerdesache B 1611-1614/94. Der Verfassungsgerichtshof kann sich daher darauf beschränken, auf die Entscheidungsgründe seines am 16. Juni 1995 gefällten Erkenntnisses B 1611-1614/94 hinzuweisen, aus denen sinngemäß auch für diesen Beschwerdefall folgt, daß der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid, welcher die Bestimmung des ersten Satzes des §6 Abs2 AufG (idF vor der Novelle BGBl. 351/1995) auf einen bereits seit 28 Jahren in Österreich lebenden Fremden anwendet, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) verletzt wurde. Der Bescheid war sohin aufzuheben.

III.        Die Kostenentscheidung

gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.000 S enthalten.

IV.                                 Diese Entscheidung konnte

gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht, Privat- und Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B1430.1995

Dokumentnummer

JFT_10048989_95B01430_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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