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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §217 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführer DDDr. Jahn, über die Beschwerde der S A AG in W, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Dr. Wilfried Seist und Dr. Peter Csoklich, Rechtsanwälte in Wien IX, Währinger Straße 2-4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. Februar 1993, Zl. GA 7-704/1/93, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende AG stellte an eine ARGE, an der sie "federführend" beteiligt war, eine Faktura für erbrachte Leistungen aus, die bei der Beschwerdeführerin zu einer Umsatzsteuerzahllast für September 1991 und bei der ARGE zu einer abzugsfähigen Vorsteuer führte. Bezüglich dieses Vorsteuerguthabens beantragte die ARGE mit einer am 11. November 1991 persönlich durch einen Mitarbeiter der Beschwerdeführerin beim Finanzamt für Körperschaften eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung (in der Folge UVA) die Überrechnung auf das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin, um damit die (ebenfalls) am 11. November 1991 fälligen Selbstbemessungsabgaben der Beschwerdeführerin abzudecken.
Ein Beamter der Einlaufstelle des Finanzamtes für Körperschaften machte den Mitarbeiter der Beschwerdeführerin darauf aufmerksam, daß die UVA und der darin enthaltene Überrechnungsantrag beim dafür zuständigen Finanzamt für den 12., 13., 14. und 23. Bezirk in Wien einzureichen wären. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei der Mitarbeiter aber auch gleichzeitig darauf hingewiesen worden, daß das Finanzamt für Körperschaften "die UVA ohnehin an das zuständige Finanzamt unverzüglich weiterleiten würde, sodaß kein Schaden entstünde".
Tatsächlich langte die UVA "erst nach 11-tägigem Aktenlauf" beim zuständigen Finanzamt ein, was zur Folge hatte, daß die Selbstbemessungsabgaben der Beschwerdeführerin nicht fristgerecht durch die Überrechnung des Vorsteuerguthabens der ARGE entrichtet wurden, was wiederum zur Vorschreibung eines Säumniszuschlages an die Beschwerdeführerin im Ausmaß von S 201.621,-- führte.
Die Beschwerdeführerin ersuchte um Nachsicht dieses Säumniszuschlages. Die UVA mit dem Überrechnungsantrag sei durch ein bedauerliches Versehen beim unzuständigen Finanzamt für Körperschaften eingereicht worden. Es wäre kein Problem gewesen, die UVA unverzüglich beim zuständigen Finanzamt einzureichen, wenn nicht der Beamte der Einlaufstelle die Auskunft erteilt hätte, die UVA würde ohnedies unverzüglich durch das Finanzamt für Körperschaften an das zuständige Finanzamt weitergeleitet werden. Der Mitarbeiter der Beschwerdeführerin habe auf diese Auskunft vertraut. Die unverzügliche Weiterleitung sei jedoch offensichtlich nicht erfolgt, sodaß es zu einer verspäteten Abgabenentrichtung gekommen sei. In Anbetracht dieses Sachverhaltes und der Tatsache, daß die Beschwerdeführerin ihren Zahlungsverpflichtungen bisher immer pünktlich nachgekommen sei, erscheine die Einhebung eines Säumniszuschlages unbillig. Dazu komme, daß dieser der Höhe nach in keinem Verhältnis zu der Fehlleistung der Beschwerdeführerin stehe.
Das Finanzamt wies das Nachsichtsansuchen ab. Die Auskunft des Beamten der Einlaufstelle habe sich in einem Hinweis auf § 50 BAO erschöpft. Daraus könne keine Unbilligkeit der Einhebung des Säumniszuschlages abgeleitet werden.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Eine Weiterleitung der UVA innerhalb von vier Tagen hätte ausgereicht, um unter dem Aspekt des § 221 Abs. 1 BAO die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages nicht entstehen zu lassen. Der Beamte der Einlaufstelle des Finanzamtes für Körperschaften wäre verpflichtet gewesen, den Mitarbeiter der Beschwerdeführerin auf die Gefahr der Säumnis durch verspätete Weiterleitung der UVA an das zuständige Finanzamt aufmerksam zu machen. Auch sei zu beachten, daß ein "wirtschaftliches Mißverhältnis" zwischen der Einhebung des Säumniszuschlages und den damit für den Abgabepflichtigen verbundenen Nachteilen gegeben sei. Weiters spreche für die Unbilligkeit, daß bei "zusammengefaßter Betrachtungsweise" der Saldo der Steuerschuld immer Null gewesen sei, weil der Umsatzsteuerzahllast die Vorsteuergutschrift gegenübergestanden und die Beschwerdeführerin federführender Partner der ARGE sei.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Die verzögerte Weiterleitung der UVA an das zuständige Finanzamt sei auf den "organisatorischen Ablauf in der Finanzbehörde" zurückzuführen. Die Mitteilung des Bediensteten der Einlaufstelle habe sich darauf beschränkt, die Weiterleitung der UVA an das zuständige Finanzamt in Aussicht zu stellen, "ohne daß zusätzlich Versandkosten entstehen". In der Höhe des gesetzlich vorgesehenen Säumniszuschlages könne keine Unverhältnismäßigkeit erblickt werden. Die bisher stets pünktliche Abgabenentrichtung rechtfertige keine Nachsicht des Säumniszuschlages.
Nachdem die Beschwerdeführerin die Entscheidung über ihre Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt hatte, wies die belangte Behörde die Berufung ab und verwies zur Begründung auf jene der Berufungsvorentscheidung.
In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die Beschwerdeführerin erblickt die Unbilligkeit der Vorschreibung des Säumniszuschlages vor allem darin, daß diese auf die verzögerte Weiterleitung der UVA mit dem darin enthaltenen Überrechnungsantrag an das zuständige Finanzamt zurückzuführen sei.
Die Abgabe der UVA erfolgte persönlich durch einen Mitarbeiter der Beschwerdeführerin am 11. November 1991, somit am letzten Tag der Frist, die für die Entrichtung jener Selbstbemessungsabgaben gesetzlich vorgesehen war, deren unterbliebene fristgerechte Entrichtung zur Vorschreibung des Säumniszuschlages geführt hat. Unter diesen Umständen ist es unverständlich, daß die Beschwerdeführerin bzw. deren Mitarbeiter darauf vertraute, die im § 50 Abs. 1 BAO vorgesehene Weiterleitung der UVA an das zuständige Finanzamt würde fristgerecht erfolgen. Selbst steuerlich wenig versierte Abgabepflichtige würden wohl kaum annehmen, daß ein an einem bestimmten Tag bei einem unzuständigen Finanzamt eingereichtes Anbringen durch Weiterleitung an das zuständige Finanzamt bei diesem noch am selben Tag einlangt.
Auch die Beschwerdeführerin dürfte dies nicht für wahrscheinlich halten. Sie verweist aber auf die Bestimmung des § 221 Abs. 1 BAO, wonach die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages (unter weiteren dort genannten Voraussetzungen) nicht entsteht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt. Innerhalb dieser Frist hätte sie auf die Weiterleitung der UVA und die antragsgemäße Überrechnung des Guthabens vertrauen dürfen.
Die Beschwerdeführerin übersieht dabei zweierlei:
Zum einen ist es regelmäßig nicht Aufgabe eines in der Einlaufstelle eines Finanzamtes beschäftigten Organs, die Zuständigkeit für diverse Anbringen in der Weise wahrzunehmen, daß es umgehend selbst eine allfällige Weiterleitung gemäß § 50 Abs. 1 BAO verfügt. Vielmehr wird das Geschäftsstück über die Kanzlei zunächst jenem Referat zuzuleiten sein, welches von seinem Aufgabenbereich her gesehen am ehesten für eine Bearbeitung in Betracht kommt. Bedenkt man, daß die behördeninterne Bearbeitung von Geschäftsstücken auch ohne unnötigen Aufschub leicht einige Tage in Anspruch nehmen kann und die Weiterleitung gemäß § 50 Abs. 1 BAO ausdrücklich "auf Gefahr des Einschreiters" zu erfolgen hat, wobei die für die Beförderung erforderliche Zeit ebenfalls einzubeziehen ist, dann kann der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, wenn sie unter dem Aspekt der Toleranzbestimmung des § 221 Abs. 1 BAO meint, sie hätte darauf vertrauen dürfen, daß die am letzten Tag der hiezu gesetzlich vorgesehenen Frist beim unzuständigen Finanzamt abgegebene UVA noch zu einer zeitgerechten Überrechnung und damit zum Entstehen eines Guthabens beim zuständigen Finanzamt führen werde.
Auch trifft das Argument nicht zu, nach Abgabe eines Anbringens beim unzuständigen Finanzamt stünde es nicht mehr "in der Macht des Abgabepflichtigen", über das Schriftstück zu verfügen. Selbst für den sehr unwahrscheinlichen Fall, daß der Beamte der Einlaufstelle des Finanzamtes für Körperschaften sich geweigert hätte, das von ihm selbst als fehlgeleitetes Schriftstück bezeichnete Anbringen dem Mitarbeiter der Beschwerdeführerin auf dessen Verlangen wiederum zurückzugeben, damit es dieser unter Beachtung der ihm zumutbaren Vorsicht noch fristgerecht beim zuständigen Finanzamt hätte einreichen können - eine derartige Vorgangsweise ist als Alternative ausdrücklich im § 50 Abs. 1 BAO vorgesehen -, hätte noch immer die Möglichkeit bestanden, dem zuständigen Finanzamt fristgerecht eine weitere Ausfertigung der UVA zuzuleiten. Die verspätete Gutschrift der Vorsteuer und damit die verspätete Entrichtung der zum 11. November 1991 fälligen Selbstbemessungsabgaben ist daher in erster Linie auf ein der Beschwerdeführerin zuzurechnendes Fehlverhalten ihres Mitarbeiters und nicht auf ein solches der Abgabenbehörde zurückzuführen.
Auch mit dem Hinweis auf § 215 Abs. 3 BAO vermag die Beschwerdeführerin schon deshalb nichts für ihren Rechtsstandpunkt zu gewinnen, weil diese Bestimmung das Vorhandensein eines Abgabenguthabens voraussetzt, was im Beschwerdefall unbestritten nicht fristgerecht der Fall war. (Anderenfalls wäre es mit Rücksicht auf den Überrechnungsantrag gar nicht zur Vorschreibung eines Säumniszuschlages gekommen, sodaß sich die Frage seiner Unbilligkeit nicht stellen könnte.)
Was schließlich das wirtschaftliche Mißverhältnis zwischen schuldhaftem Fehlverhalten und dessen steuerlicher Auswirkung betrifft, so wäre eine allenfalls darin erblickbare Härte unmittelbares und gewolltes Ergebnis der gesetzlichen Regelung des § 219 BAO, wonach der Säumniszuschlag stets 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages beträgt. Daß die Gründe für eine verspätete Abgabenentrichtung vielfältig sein können und mit einem starren Prozentsatz vom verspätet entrichteten Abgabenbetrag dieser denkbaren Vielfalt nicht Rechnung getragen werden kann, wird vom Gesetzgeber offensichtlich in Kauf genommen, wenn er als Maßstab für den Säumniszuschlag ausschließlich auf das Ausmaß der verspätet entrichteten Abgaben abstellt, was unter Umständen auch sehr hohe Säumniszuschläge zur Folge haben kann.
Soweit die Beschwerdeführerin Verfahrensmängel geltend macht, unterläßt sie es, deren Relevanz aufzuzeigen; auch der Gerichtshof vermag nicht zu erkennen, zu welchem für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis die belangte Behörde bei Vermeidung der gerügten Begründungsmängel hätte gelangen können.
Da die Beschwerde somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigt, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1993130049.X00Im RIS seit
11.07.2001