TE Pvak 2020/8/18 B3-PVAB/20

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.08.2020
beobachten
merken

Norm

PVG §9 Abs1
PVG §9 Abs2 litb
PVG §10 Abs1
PVG §10 Abs2
PVG §10 Abs3
PVG §41 Abs4
PVG §41 Abs5

Schlagworte

Herstellung des Einvernehmens zwischen DA und DL; Dienstplan; Diensteinteilung; Maßnahmen bei drohender Gefahr und bei Katastrophenfällen; Nichtanwendung von
§ 10 Abs. 1 und 2 PVG; unverzügliche Verständigung des DA durch DL

Text

 

 

B 3-PVAB/20

Prüfungsergebnis

Die Personalvertretungsaufsichtsbehörde hat durch ihre Mitglieder Dr.in Eva-Elisabeth SZYMANSKI als Vorsitzende sowie Dr.in Anita PLEYER als Vertreterin des Dienstgebers und Mag. Walter HIRSCH als Vertreter der Dienstnehmer/innen die im Wege des Zentralausschusses beim Bundesministerium für ***) für die Bediensteten des Exekutivdienstes der Justizanstalten (ZA) gemäß § 41 Abs. 5 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes (PVG), BGBl. Nr. 133/1967, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 58/2019, eingebrachte Beschwerde des Dienststellenausschusses der Justizanstalt ***) (JA) für die Bediensteten des Exekutivdienstes (DA) gegen den Leiter dieser JA (DL) in seiner Eigenschaft als Organ des Dienstgebers wegen behaupteter Verletzung des PVG durch Nichteinbindung des DA in die Änderung der Dienstzeiten im Zeitraum zwischen 23. März 2020 bis Ende 31. Mai 2020 (Corona-Krise) gemäß § 41 Abs. 4 PVG mit folgendem Ergebnis geprüft:

Der DL hat das PVG in der in Beschwerde gezogenen Angelegenheit verletzt, indem er entgegen § 10 Abs. 3 letzter Halbsatz PVG seiner Verpflichtung, den DA von den jeweils getroffenen Maßnahmen unverzüglich zu verständigen, nicht nachgekommen ist.

Begründung

Der DA beschloss in seiner Sitzung vom 2. Juli 2020, Beschwerde an die PVAB wegen möglicher Verletzung des PVG durch den DL in der Zeit der Corona-Krise durch Nichteinbindung des DA in die Änderung der Dienstzeiten im Zeitraum zwischen 23. März 2020 bis Ende 31. Mai 2020 zu erheben. Die Beschwerde wurde der PVAB im Wege des ZA mit Schreiben vom 14. Juli 2020 vorgelegt.

Nach § 41 Abs. 4 PVG kann sich ein Personalvertretungsorgan (PVO) wegen behaupteter Verletzung des PVG innerhalb des letzten Jahres durch ein Organ des DG bei der PVAB beschweren, wobei solche Beschwerden im Wege des zuständigen ZA einzubringen sind.

Nach ständiger Rechtsprechung der Personalvertretungs-Aufsichtskommission, an der auch die PVAB unverändert festhält, muss die behauptete Verletzung des PVG innerhalb des letzten Jahres vor dem Beschluss des PVO, der der Beschwerde an die PVAB zugrunde liegt, erfolgt sein (Schragel, § 41, Rz 33, mwN). Die in Beschwerde gezogenen behaupteten Verletzungen des PVG ereigneten sich im Zeitraum zwischen 23. März 2020 und 31. Mai 2020. Der DA beschloss am 2. Juli 2020, wegen der behaupteten Verletzungen des § 9 Abs. 2 lit. b PVG Beschwerde an die PVAB im Wege des ZA zu erheben. Der relevante Jahreszeitraum liegt zwischen 2. Juli 2019 und 2. Juli 2020. Die Beschwerde des DA über die behaupteten Verletzungen des PVG in der Zeit zwischen 23. März 2020 und 31. Mai 2020 erfolgte somit fristgerecht iSd § 41 Abs. 4 PVG.

Der Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Einführung eines Gruppensystems wurde mit Dienstanweisung der Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen (GD) per E-Mail vom 17. März 2020 den Justizanstalten (JA) mit der Bitte um dringende und nachhaltige Umsetzung angeordnet.

Es wurde angeordnet, dass in den JA unter Einbindung der örtlichen PV bei der Diensteinteilung ein Gruppensystem zu etablieren ist. Es seien zumindest zwei oder mehr Gruppen zu bilden, die sowohl im Tag- als auch Nachtdienst konstant zusammen Dienst versehen und sich in definierten Abständen (je nach Anzahl der Gruppen tageweise oder auch nach mehreren Tagen bis zu einer Woche) ablösen. Innerhalb der Gruppen sei darauf zu achten, dass konstante Nachtdienst-Gruppen eingeteilt werden, die auch im Tagdienst zusammenarbeiten, und die Kontakte unter diesen Nachtdienst-Gruppen auf ein unbedingt notwendiges Minimum reduziert werden.

In der Bezug habenden Besprechung des DL mit dem Krisenteam und dem DA am 19. März 2020 wurde die Tagesdienstzeit für die Einführung des Gruppensystems festgelegt sowie die gesamte Tagesstruktur der JA überarbeitet und an die geänderten Dienstzeiten adaptiert.

Am 27. März 2020 fand eine Dienstplanbesprechung für den Monat April 2020 statt, bei der auch Mitglieder des DA anwesend waren, in welcher Besprechung die Dienstpläne besprochen und zustimmend zur Kenntnis genommen wurden.

Von der DL wurden in den Monaten April und Mai 2020 Dienstpläne mit Dienstzeiten bis zu 9 Stunden erstellt, wodurch eine Dienstpflicht von bis zu 20 Diensttagen entstand.

Über diese wesentliche Veränderung der Dienstzeit (§ 9 Abs. 2 lit. b PVG) wurde der DA nicht offiziell informiert und eingebunden. Der DA-Vorsitzende wurde aber über sämtliche Änderungen laufend informiert.

Der DA brachte am 2. April 2020 einen Antrag nach § 9 Abs. 4 lit. a PVG betreffend die Dienstzeit beim DL ein, über den am 28. April 2020 ein Beratungsgespräch stattfand, in dem keine Einigung erfolgte, weshalb die vom DL verfügten Maßnahmen weiter aufrecht blieben.

Mit Wirksamkeit vom 1. Juni 2020 erfolgte die Rückkehr zum Normaldienstsystem.

Die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen wurden dem DL und dem DA mit Schriftsatz vom 5. August 2020 zur Kenntnis gebracht und ihnen Gelegenheit gegeben, sich dazu zu äußern. Da der ZA die Beschwerde weitergeleitet hatte, ohne sich inhaltlich dazu zu äußern, war seine Einbindung nicht geboten.

Der DL bestritt in seiner Stellungnahme vom 11. August 2020 die Sachverhaltsfeststellungen der PVAB nicht, merkte jedoch ergänzend an, dass nach der Besprechung vom 19. März 2020 ein neuerlicher Erlass der GD ergangen sei, wodurch die zuvor mit dem DA getroffenen Vereinbarungen hinfällig wurden, da sich diese nicht mehr auf dem aktuellen Stand befanden. Auch sei der DA-Vorsitzende laufend mündlich informiert worden. Ein formaler Abgleich mit dem DA iSd § 9 Abs. 2 lit. b PVG habe nicht stattfinden können, weil der Auftrag der GD bis 23. März 2020 umzusetzen war. Zusätzlich verwies der DL unter Vorlage entsprechender Dokumente darauf, dass die Dienstzeit keineswegs so festgelegt worden wäre, dass bis zu 20 Diensttage absolviert werden mussten, das Maximum habe 16 Dienstantritte betragen. Letztlich betonte der DL, ein weisungsgebundener Beamter zu sein, weshalb er den Anordnungen der GD unbedingt Folge zu leisten habe.

In seiner Stellungnahme vom 11. August 2020 bestritt der DA die Sachverhaltsfeststellungen der PVAB gleichfalls nicht, wiederholte im Wesentlichen seine im Beschwerdevorbringen mitgeteilten Überlegungen und legte ergänzend Wert auf die Feststellung, dass die in der Folge vom DL angeordneten Dienstzeiten komplett konträr zu den mit dem DA am 19. März 2020 vereinbarten Maßnahmen gewesen wären, wobei diese geänderten Maßnahmen weder Thema irgendeiner Besprechung mit dem DA gewesen sei, noch der DA darüber in Kenntnis gesetzt worden wäre.

Auch der DL bestritt nicht, dass eine offizielle Information und Einbindung des DA nicht erfolgt sei, legte aber Wert auf die Feststellung, dass der DA-Vorsitzende laufend mündlich informiert worden wäre, welcher Tatsache in den Sachverhaltsfeststellungen der PVAB auch vom DA nicht widersprochen wurde.

Der prüfungsrelevante Sachverhalt, dass nämlich Anordnungen zum Dienstplan und dienstzeitrechtliche Änderungen getroffen wurden, ohne in jedem Fall das Einvernehmen mit dem DA herzustellen, und der DL nach der Einigung am 19. März 2020 zwischen DL und DA nur den DA-Vorsitzenden mündlich von den jeweils getroffenen Maßnahmen informiert hatte, steht somit fest.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 10 Abs. 1 PVG sind beabsichtigte Maßnahmen der DL iSd § 9 Abs. 1 PVG dem DA spätestens zwei Wochen vor ihrer Durchführung nachweislich zu Kenntnis zu bringen. Gemäß § 10 Abs. 2 PVG sind Maßnahmen, hinsichtlich derer das Einvernehmen mit dem DA herzustellen ist (§ 9 Abs. 2 PVG), gleichfalls spätestens zwei Wochen vor ihrer Durchführung dem DA nachweislich zur Kenntnis zu bringen, wobei die Verständigung nach § 9 Abs. 1 PVG oder das Einvernehmen als hergestellt gilt, wenn der DA zur geplanten Maßnahme die ausdrückliche Zustimmung gibt oder sich innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Mitteilung der geplanten Maßnahme nicht äußert; der DA kann innerhalb der zweiwöchigen Frist begründete Einwendungen erheben und allenfalls begründete Gegenvorschläge machen.

Zu den Maßnahmen, hinsichtlich derer das Einvernehmen mit dem DA herzustellen ist, zählen u.a. die Erstellung und Änderung des Dienstplanes einschließlich der zeitlichen Lagerung der Ruhepausen und der Diensteinteilung, soweit sich diese über einen längeren Zeitraum oder auf mehrere Bedienstete bezieht (§ 9 Abs. 2 lit. b PVG).

Gemäß § 10 Abs. 3 PVG sind auf Maßnahmen, die sofort getroffen werden müssen, insbesondere bei drohender Gefahr und bei Katastrophenfällen, sowie bei Alarm- und Einsatzübungen § 10 Abs. 1 und 2 PVG nicht anzuwenden; der DA ist jedoch unverzüglich von der getroffenen Maßnahme zu verständigen.

Es steht außer Zweifel, dass Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Eindämmung der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie Maßnahmen iSd § 10 Abs. 3 PVG darstellen.

Demzufolge wurden die Vorgaben des § 10 Abs. 1 und 2 PVG, die sich auch auf § 9 Abs. 2 lit. b PVG beziehen, durch § 10 Abs. 3 PVG bis zur Rückkehr zum regulären Dienstbetrieb am 1. Juni 2020 ausgesetzt und der DL war kraft Gesetzes nicht zur Herstellung des Einvernehmens mit dem DA über das Gruppensystem und die daraus folgende Diensteinteilung bzw. deren Änderung verpflichtet, weil § 10 Abs. 1 und 2 PVG für Maßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie gemäß § 10 Abs. 3 PVG kraft Gesetzes nicht in Geltung standen.

Nach § 10 Abs. 3 letzter Halbsatz PVG bestand die gesetzliche Verpflichtung der DL aber darin, den DA von den zur Gefahrenabwehr getroffenen Maßnahmen unverzüglich zu verständigen.

Unbestrittenermaßen steht fest, dass der DL den DA-Vorsitzenden während der Corona-Krise laufend mündlich von den jeweils angeordneten Maßnahmen informierte.

§ 10 Abs. 3 PVG verlangt jedoch die Verständigung des DA als Kollegialorgan und nicht nur die Information seines Vorsitzenden. Wenngleich der Gesetzgeber in Fällen unmittelbar drohender Gefahr darauf verzichtet hat, festzulegen, dass diese Verständigung des DA nachweislich oder schriftlich zu erfolgen habe, verpflichtet die Regelung des § 10 Abs. 3 letzter Halbsatz PVG den DL rechtlich ohne Zweifel dazu, formell den DA als PVO zu verständigen und nicht nur informell dessen Vorsitzenden.

Da der DL seiner Verpflichtung nach § 10 Abs. 3 letzter Halbsatz PVG nicht nachgekommen ist, hat er die diesbezügliche Vorgabe des PVG verletzt und die Beschwerde war insoweit berechtigt.

Wien, am 18. August 2020

Die Vorsitzende:

Sektionschefin i.R. Prof.in Dr.in Eva-Elisabeth SZYMANSKI

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:PVAB:2020:B3.PVAB.20

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Personalvertretungsaufsichtsbehörde Pvab, https://www.bundeskanzleramt.gv.at/personalvertretungsaufsichtsbehorde
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten