Norm
§6 Abs1 Z3 GlBGDiskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Sexuelle Belästigung durch DrittenText
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 28. Jänner 2020 über den am 11. August 2017 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) durch B (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/783/17, zu folgendem
PRÜFUNGSERGEBNIS:
A ist nicht aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG durch B diskriminiert worden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
VORBRINGEN
Im Antrag der GAW vom 11. August 2017 wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Die Antragstellerin habe sich im Oktober 2016 scheiden lassen. Seit diesem Zeitpunkt habe der stellvertretende Filialleiter, der Antragsgegner, mit unerwünschten Komplimenten und Avancen begonnen. So habe er die Scheidung ihr gegenüber kommentiert, und habe gemeint, dass ihr Mann nicht der Richtige für sie gewesen sei und machte ihr Komplimente über ihren Körper. Im Jänner 2017 sei es zu einem Vorfall durch den Ex-Mann der Antragstellerin gekommen. Dieser habe in der Filiale angerufen und habe gefordert, dass man sie entlassen solle. Da befürchtet worden sei, dass der Ex-Mann die Antragstellerin am Arbeitsplatz aufsuchen und bedrohen könnte, sei der Antragsgegner aufgrund seiner leitenden Position damit beauftragt worden, die Situation zu überwachen und ein „schützendes Auge" auf die Antragstellerin zu werfen. Dies habe der Antragsgegner jedoch ausgenutzt, um der Antragstellerin nachzustellen.
Die unerwünschten Komplimente und Avancen gegenüber der Antragstellerin, die im Oktober begonnen hätten, hätten sich nun verstärkt. So habe der Antragsgegner zum Beispiel gesagt: „Du hast so eine schöne Brust. Du bist so schön angezogen. Komm in meine Nähe." Sie wies seine Avancen stets entschieden ab.
Anfang April 2017 habe die Antragstellerin während der Osterferien für zwei Wochen die Vertretung einer Kollegin übernommen, um neben der Kassa auch an den Regalen zu arbeiten. Die habe der Antragsgegner ausgenutzt, um immer wieder in anzüglicher Weise ihre Figur und speziell ihr Gesäß zu betrachten. Einmal sei die Antragstellerin auf einer Leiter gestanden. Der Antragsgegner habe ihr auf ihr Gesäß gestarrt, und habe dies mit „Sehr gut“ kommentiert. Die Antragstellerin habe vorgebracht, dass sich diese Aussage eindeutig auf ihr Äußeres und nicht auf ihre Arbeitsleistung bezog. Sie habe sich in dieser Zeit regelrecht vom Antragsgegner verfolgt gefühlt, weil er immer in ihrer Nähe gewesen sei und unerwünschte Komplimente von sich geben habe. Die Antragstellerin habe von einem Vorfall Mitte April 2017 berichtet, als sie einmal an der Kassa gesessen sei. Der Antragsgegner habe sie vor Kunden/innen gefragt, ob er eine Chance bei ihr hätte. Der Antragstellerin sei es derart peinlich gewesen, dass die Kunden/innen dies gehört hätten und habe so getan, als ob sie nichts gehört hätte. Die Kunden/innen hätten sie danach sogar darauf angesprochen.
Kurz danach habe es noch einen weiteren Vorfall gegeben. Eines Abends sei die Antragstellerin zum Antragsgegner mit ihrer Kassa ins Büro gekommen. Plötzlich habe der Antragsgegner völlig unverblümt zu ihr gesagt, dass sie eine schöne große Brust hätte. Sie ignorierte diese Aussage und versuchte so schnell wie möglich ihre Abrechnung zu machen.
Die Antragstellerin habe sich bereits massiv unter psychischen Druck gesetzt gefühlt und sei einmal weinend bei C vorbeigegangen. Diese habe zuerst gedacht, die Antragstellerin würde wegen ihrer Scheidung weinen. Nachdem die Antragstellerin ihr anvertraut habe, dass es sich um die unerwünschten Komplimente und Avancen vom Antragsgegner gehandelt habe, habe C sie gewarnt und habe ihr mitgeteilt, sie solle gut auf sich aufpassen. Bevor die Antragstellerin am 1. Mai 2017 ihren Urlaub angetreten habe, habe der Antragsgegner wieder offen sein Interesse bekundet und habe gesagt, wie sehr er es bedauerte, dass sie sich für längere Zeit nicht sehen würden. Auch diese Aussage sei die Antragstellerin unangenehm gewesen. Nach ihrem Urlaub habe sich die Antragstellerin entschlossen, nicht länger zu schweigen und die Vorkommnisse zu melden. Sie habe ihren Filialleiter informiert, D, der wiederum den Regionalmanager, E, eingeschaltet habe. Die Antragstellerin habe umgehend einen Schichtwechsel machen dürfen. Durch eine darauffolgende Versetzung vom Antragsgegner sei jede weitere Begegnung mit ihm vermieden worden.
In der auf Ersuchen des Senates I der GBK der rechtsfreundlichen Vertretung des Antragsgegners übermittelten Stellungnahme vom 17. November 2017, bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:
Das Vorbringen der Antragstellerin werde ausdrücklich bestritten, die Vorwürfe seien völlig unwahr und aus der Luft gegriffen. Dem Antragsgegner sei lediglich bekannt, dass die Antragstellerin mit ihrem Ehemann im Herbst 2016 Probleme gehabt habe, von einer Scheidung wisse er konkret nichts. Vielmehr sei es offensichtlich unrichtig, dass die Antragstellerin bereits geschieden sei, vor drei Wochen habe F ein Gespräch verfolgen können, in welchem die Antragstellerin mitteilte, dass sie erst die Papiere benötigt, um sich scheiden lassen zu können. Der Antragsgegner habe allerdings im Herbst 2016 - wie die gesamte Filialleitung und die gesamten Mitarbeiter der Filiale - darüber Kenntnis erlangt habe, dass die Antragstellerin Probleme mit dem Ehegatten gehabt habe, da dieser Facebookmitteilungen an die Zentrale bzw. an den Marktmanager, D, auf Facebook geschrieben habe, dass die Antragstellerin eine "Hure“ sei und mit mehreren Mitarbeitern eine Affäre gehabt hätte wie auch mit Kunden/innen. Der Ehemann habe auch geschrieben, dass er erwarte, dass D sie kündige, da sie der X AG schaden würde. Der Antragsgegner wisse lediglich, dass der Regionalmanager E und D mit dem Ehemann ein Gespräch geführt hätten, den Inhalt dieses Gespräches könne der Antragsgegner jedoch nicht angeben. In dieser Angelegenheit hätten auch Gespräche mit dem Personalbüro und dem Betriebsrat stattgefunden. Der Antragsgegner habe mit der Antragstellerin ein einziges Mal über diese Vorfälle gesprochen. Die Gespräche zwischen Antragstellerin und Antragsgegner wären stets betriebsbedingter Natur. Die Antragstellerin beherrsche nicht einmal die deutsche Sprache fließend und habe der Antragsgegner mit ihr lediglich betreffend die Kasse und wenn sie bei der Kasse etwas zu tun, habe gesprochen, d.h. Arbeitsanweisungen erteilt etwas aufzuräumen, etc. Der Antragsgegner habe mit der Antragstellerin nie private Gespräche geführt. Festgehalten werde, dass der Antragsgegner bereits seit Herbst 2014 mit F ein Paar sei. Der Antragsgegner und F hätten dies nicht offiziell verlautbart, da sie dies am Arbeitsplatz nicht für erforderlich gehalten hätten. Dennoch hätten die Kollegen/innen mitbekommen, dass hier eine nähere Beziehung besteht und wurde oft darüber getuschelt, ob die beiden ein Paar seien. Ausdrücklich bestritten werde daher, dass der Antragsgegner mit der Antragstellerin über ihren Ehemann gesprochen hätte und der Antragsgegner ihr gegenüber gemeint hätte, dass der Mann nicht der Richtige für sie gewesen sei und ihr Komplimente über ihren Körper gemacht hätte. Diese hätte der Antragsgegner gar nicht machen können, da er den Ehemann gar nicht kannte. Auch die zweite Äußerung sei für den Antragsgegner abwegig, da der Antragsgegner bereits längst in einer Beziehung gewesen sei. Es werde ausdrücklich bestritten, dass der Antragsgegner in irgendeiner Art und Weise von der Filialleitung oder wem auch immer beauftragt worden wäre, auf die Antragstellerin „aufzupassen". Dies sei auch abwegig, da der Antragsgegner völlig andere Aufgaben gehabt habe, als die Damen bei der Kasse zu überwachen. Der Antragsgegner hätte zwar mit dem Kassenpersonal zu tun, allerdings sei er nicht deren direkter Vorgesetzter gewesen. Die Aufgaben des Antragsgegners als Stellvertreter des Filialleiters gewesen sei, überall dafür Sorge zu tragen, dass das Geschäft laufe und die Mitarbeiter/innen allen ihren Aufgaben nachkommen müssten, d.h. der Antragsgegner sei immer wieder in allen Abteilungen unterwegs gewesen, sicher auch an der Kasse. Der Antragsgegner hätte jedoch nicht die Aufgabe die Kasse permanent zu überwachen, sondern habe es täglich eine Kassenaufsicht gehabt. Die Kassenaufsicht habe G übergehabt. Die Antragstellerin sei mit G verwandt gewesen. Inwieweit sei nicht bekannt gewesen. Durch G habe die Antragstellerin auch die Beschäftigung bei der Filiale erlangt. Wenn jemand also „schützendes Auge" auf die Antragstellerin hätte werfen sollen, so wäre es G gewesen, die die Vorgesetzte von ihr gewesen sei.
Keinesfalls habe der Antragsgegner daher der Antragstellerin „nachgestellt". Keine Rede könne davon sein, dass sich die Antragstellerin wegen dieser - unwahren - Behauptungen unter „massivem psychischen Druck" befunden haben könnte. Die Kommission werde sich einen eigenen Eindruck über die Person der Antragstellerin machen. Bestritten werde auch ausdrücklich, dass der Antragsgegner unerwünschte Komplimente und Avancen gegenüber der Antragstellerin getätigt hätte, die sich dann verstärkt hätten. Bestritten werde ausdrücklich, dass der Antragsgegner gesagt hätte, „Du hast so eine schöne Brust. Du bist so schön angezogen. Komm in meine Nähe." Diese Behauptungen seien völlig unwahr und würden von der Antragstellerin nur deshalb aufgestellt werden, da der Antragsgegner vom Marktleiter aus seinem Anstellungsverhältnis gedrängt worden sei. In diesem Zusammenhang habe der Antragsgegner bereits am 13. September 2017 die Kündigungsanfechtungsklage erhoben. Die Kündigung werde wegen Sozialwidrigkeit sowie verpöntem Motiv und Sittenwidrigkeit angefochten. Das Verfahren sei derzeit, nach Unzuständigkeitserklärung des Arbeitsgerichtes … durch gemeinsamen Delogierungsantrag wieder an das Arbeitsgericht … rückdelegiert worden und dort zu Gz … anhängig. Bestritten werde ausdrücklich, dass der Antragsgegner Anfang April 2017 der Antragstellerin beim Regaleinräumen zu nahe gekommen wäre und anzügliche Äußerungen getätigt hätte. Abgesehen davon, dass der Antragsgegner nicht an der Antragstellerin interessiert gewesen sei, da er in einer glücklichen Beziehung sei, wäre dies auch im Geschäft äußerst aufgefallen, da jeden Tag etwa 30 Mitarbeiter/innen gleichzeitig ihren Dienst versehen. Im Übrigen habe die Antragstellerin - soweit dem Antragsgegner bekannt - kein einziges Mal allein die Regale eingeräumt. Festzuhalten sei, dass der Regionalleiter, E, bereits mehrmals erwogen habe die Antragstellerin zu kündigen, da sie kaum Deutsch verstehe und sprechen könne. Dies wäre in der Beziehung zu den Kunden nicht gut. Dementsprechend sei es verwunderlich, dass die Antragstellerin alle möglichen Äußerungen genau verstehen haben wollen, etc. Im Gegensatz zu den aufgestellten Behauptungen sei die Antragstellerin am Antragsgegner interessiert gewesen. Die Antragstellerin habe gegenüber einer Kollegin gesagt, dass ihr der Antragsgegner gefallen würde, aber sie wohl keine Chance bei ihm hätte. Diese Kollegin möchte allerdings anonym bleiben, da sie ihre Beschäftigung nicht verlieren möchte. Dementsprechend sei die Behauptung der Antragstellerin, der Antragsgegner habe sie Mitte April 2017 vor Kundinnen gefragt, ob er eine Chance bei ihr hätte, absolut unwahr gewesen. Die Antragstellerin werde instrumentalisiert solche Unwahrheiten zu behaupten, damit die zwischenzeitlich ausgesprochene Kündigung irgendwie begründet werden könne. Betreffend der Behauptung der Abendabrechnung mit der Kasse im Büro werde entgegengehalten, dass der Antragsgegner nie mit jemandem alleine im Büro die Kassenabrechnung mache. Es werden meistens zwei Kassen quasi parallel abgerechnet bzw. lösen sich die Damen und Herren ab. Es handelt sich hierbei um die letzten zwei Kassen, die bis zum Schluss geöffnet sind. Der Antragsgegner bestreitet ausdrücklich, dass er eine Äußerung betreffend die Brust der Antragstellerin gemacht hätte. Dies sei eine Unwahrheit.
Der Antragsgegner könne sich sohin auch nicht vorstellen, dass die Antragstellerin „massiv unter psychischen Druck gesetzt" gewesen wäre und weinend bei C vorbeigegangen wäre und sich dann ihr anvertraut hätte.
Die Antragstellerin habe sich mit C abgesprochen, die auch einen Antrag auf Feststellung der Diskriminierung eingereicht habe, aber auch nur, damit die erfolgte Kündigung des Antragsgegners irgendwie begründet werden könne. Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass die Kündigung wegen verpöntem Motiv und Sittenwidrigkeit angefochten werde. Dazu werde festgehalten, dass dem Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt seitens des Marktleiters oder Regionalleiters irgendwelche Vorwürfe zugetragen worden seien, sondern der Antragsgegner am 19. Mai 2017 eine Woche nach seinem Urlaub von zwei Kollegen erfahren habe, dass es angeblich irgendwelche Vorkommnisse mit ihm geben würde. Aus diesem Grund habe der Antragsgegner das Gespräch mit dem Marktleiter D und dem Regionalleiter, E, gesucht. Bei einem Gesprächstermin am 22. Mai 2017 sei dem Antragsgegner plötzlich eröffnet worden, dass die Antragstellerin - und nicht C - behauptet hätte, er habe sie sexuell belästigt. Dem Antragsgegner werde lediglich vorgehalten, dass die Antragstellerin gesagt habe, dass sie einen schönen Po habe. Der habe diese Behauptung dort vehement bestritten. Bei einer Besprechung zwei Tage später wurde dem Antragsgegner mitgeteilt, dass er in eine andere Filiale versetzt werde. Der Antragsgegner sei nicht zu dem Vorwurf, damals sei es auch bloß einer gewesen, nunmehr seien es mehrfache, konkret gefragt worden, sondern sei er vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Dem Antragsgegner sei angekündigt worden, dass er in eine andere Filiale versetzt werden sollte, jedoch nicht zu dem gelinderen Mittel einer Verwarnung gegriffen worden. Der einzige Vorhalt sei gewesen, dass der Antragsgegner gemeint hätte, die Antragstellerin habe einen „schönen Po". Dies - auch wenn es wahr wäre - aus ausdrücklich bestritten werde - rechtfertigt keinesfalls eine Versetzung, da der Arbeitgeber auch eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Antragsgegner habe und eine Versetzung in keinem Verhältnis zum Vorwurf steht - zumal kein rechtsstaatliches Verfahren über den erhobenen Vorwurf abgeführt worden sei. Es handle sich bloß um eine Behauptung, deren Wahrheitsgehalt keiner geprüft habe.
Am 29. Mai 2017 sei der Antragsgegner bereits in Krankenstand da er der Belastung aufgrund dieser unwahren Vorwürfe nicht standgehalten. Am 29. August 2019 sei der Antragsgegner - immer noch im aufrechten Krankenstand - die Kündigung zugestellt worden. Festzuhalten sei, dass der Antragsteller bereits am 07. Juni 2017 ein Aufforderungsschreiben an die X AG gerichtet habe, in welchem er dargelegt habe, dass die erhobenen Vorwürfe unwahr seien.
Die X AG habe mit Schreiben vom 12. Juni 2017 geantwortet, dass „aufgrund des Vorfalls betreffend der „sexuellen Belästigung" eine Versetzung vorgenommen werden würde.
Es sei daher noch Mitte Juni 2017 nur die Rede von einem einzigen Vorfall gewesen. Es sei wohl ein reiner Zufall gewesen, dass der Antrag der GAW erst vom 11. August 2017 stamme, somit nach dem Zeitpunkt, als der Antragsgegner wegen des unwahren Vorwurfes und der unrechtmäßigen Versetzung rechtliche Schritte angedroht habe. Der Regionalleiter, Herr E, und der Marktleiter, D, hätten den Antragsgegner aus seinem Arbeitsverhältnis drängen wollen, da er diese zum Beispiel zu Recht darauf hingewiesen habe, dass diese ungerechtfertigte Mitarbeiterbeobachtungen durch betriebsfremde Personen unterlassen sollten. Es habe sich nämlich zugetragen, dass Ende Dezember/Anfang Jänner 2016/2017 zwei Mitarbeiter H und I (Nachname unbekannt) während der Arbeitszeit vor der Türe des Lagers geraucht hätten, was erlaubt gewesen sei. Plötzlich hätten die beiden mitbekommen, dass sie von einem Auto aus mit einer Handykamera gefilmt werden. I sei zu dem Herrn im Auto gegangen und habe gefragt, was er da mache. Der Herr habe mit seinem Handy D angerufen, das Handy I gegeben, damit er direkt mit ihm sprechen könne. D habe gefragt, was die beiden hier machen würden, sie sollen nicht rauchen, sondern wieder arbeiten gehen. H und I hätten sich ungerechtfertigt behandelt gefühlt, da sie beim zulässigen Rauchen unzulässiger Weise gefilmt worden seien. Sie hätten sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt befunden. Der Antragsgegner habe seine Bedenken betreffend diese seiner Ansicht nach unzulässige Videoüberwachung am Arbeitsplatz geäußert. Eine Genehmigung des Betriebsrats liege wohl nicht vor. Weiters habe der Antragsgegner gegenüber dem Marktleiter, D, und auch dem Regionalleiter, E, immer wieder seine Meinung zu unrechtmäßigen oder unpassenden Vorgehensweisen bekannt gegeben z.B., dass er es nicht für in Ordnung befindet, dass die Mitarbeiter plötzlich zwei Stunden weniger zum Dienst eingeteilt werden würden. Dies sei selbstverständlich mit Gehaltseinbußen für die Mitarbeiter verbunden gewesen. Es habe kein Gespräch oder Begründungen dazu gehabt, sondern sei jedem/r Mitarbeiter/in ein Zettel ausgehändigt worden, in dem die neue Regelung verkündet worden. Selbst der Betriebsrat sei dagegen gewesen, habe jedoch keine Aktivitäten gesetzt.
Der Antragsgegner habe auch kritisiert, dass der Regionalleiter und der Marktleiter die Gewohnheit der Mitarbeiter/innen, dass diese auch drei Wochen am Stück Urlaub genehmigt worden sei, dahingehend plötzlich geändert worden sei, dass nur noch zwei Wochen genehmigt worden seien. Der Antragsgegner habe dem Marktmanager, D, auch gesagt, dass er sich nicht auskenne, da er Fehler bei den Bestellungen gemacht habe, beim Personaleinsatzplan, bei Stundeneinteilungen. Der Marktleiter, D, konnte fragenden Mitarbeitern/innen auch nicht erklären, wie die Warenübernahme funktioniert habe, sondern habe der Marktleiter, D, diesen Mitarbeiter/innen dann an den Antragsgegner verwiesen habe. Der Antragsgegner habe dem Marktmanager gesagt, wie er sich das vorstellte, wenn er nicht da sei, müsste er das wohl auch den Mitarbeitern erklären können. D habe nur Ausflüchte gesucht.
PRÜFUNGSGRUNDLAGEN
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners, deren mündliche Befragung sowie die mündliche Befragung von D, E, J und C vom 26. November 2019. Als weitere Auskunftsperson wurde K am 28. Jänner 2020 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf das Gesprächsprotokoll vom 22. Mai 2017.
BEGRÜNDUNG2
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:
„§ 6. (1) Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn eine Person
1. vom/von der Arbeitgeber/in selbst sexuell belästigt wird,
2. durch den/die Arbeitgeber/in dadurch diskriminiert wird, indem er/sie es schuldhaft unterlässt, im Falle einer sexuellen Belästigung durch Dritte (Z 3) eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen,
3. durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird oder
4. durch Dritte außerhalb eines Arbeitsverhältnisses (§ 4) belästigt wird.
(2) Sexuelle Belästigung liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und
1. eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt oder
2. der Umstand, dass die betroffene Person ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten seitens des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin oder von Vorgesetzten oder Kolleg/inn/en zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Berufsausbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung oder Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen Entscheidung in der Arbeitswelt gemacht wird.“
Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 6 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.
Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
Bei einer (sexuellen) Belästigung gilt davon abweichend, dass es dem/der AntragsgegnerIn zu beweisen obliegt, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm/ihr glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, die Antragstellerin sei aufgrund des Geschlechtes durch den Antragsgegner durch unerwünschte sexualisierte „Komplimente“ belästigt worden, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:
Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass der Antragsgegner schon lange bei der X AG beschäftigt war, in der konkreten Filiale war er seit 2008 beschäftigt. Es gab bis dato keine Vorfälle oder sonstige Probleme in Zusammenhang mit (sexueller) Belästigung durch den Antragsgegner.
Die Antragstellerin ist seit März 2016 in der besagten Filiale beschäftigt.
Fest steht, dass der Antragsgegner nicht mit der Arbeitsleistung der Antragstellerin zufrieden war. Schließlich sei es zur Kündigung des Antragsgegners gekommen.
Die behaupteten Belästigungen konnten nicht festgestellt werden.
In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt somit wie folgt zu beurteilen:
Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.
Als Dritte iSd § 6 kommen vom/von der Arbeitgeber/in (AG) und der belästigten Person verschiedene Personen in Betracht. Im Fall des § 6 Abs. 1 Z 3 sind das zB Arbeitskolleg/inn/en der belästigten Person, Vorgesetzte, Geschäftspartner/innen oder Kund/inn/en des/der AG.4
Unter dem Begriff des der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhaltens sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise aufgedrängte Küsse, erzwungene Umarmungen und „Begrapschen“.5
Um von einer sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs. 2 sprechen zu können, muss durch ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten des Weiteren die Würde einer Person beeinträchtigt oder deren Beeinträchtigung zumindest bezweckt werden.6 Ein die Würde verletzendes Verhalten liegt erst ab einem gewissen Mindestmaß an Intensität vor. Nach den Gesetzesmaterialien zum ArbBG sollen Beispiele wie das Nachpfeifen oder die unerwünschte Einladung zum Kaffee oder zum Essen „grundsätzlich“ nicht genügen, um bereits die Voraussetzung der Verletzung der Würde und damit den Tatbestand der sexuellen Belästigung zu erfüllen. Anders zu sehen ist dies aber uU dann, wenn zwar die einzelnen Belästigungshandlungen nicht das gebotene Mindestmaß an Intensität erreichen, dafür aber immer wieder erfolgen.7
Das belästigende Verhalten muss für die betroffene Person weiters unerwünscht, unangebracht oder anstößig sein (§ 6 Abs. 2). Ein Verhalten ist dann unerwünscht, wenn es gegen den Willen oder ohne Einverständnis der betroffenen Person erfolgt. Einzelne Menschen sollen selbst bestimmen, welches Verhalten für sie noch akzeptabel ist und welches Verhalten sie bereits als beleidigend empfinden. Durch die Unerwünschtheit wird eine sexuelle Belästigung von freundschaftlichem Verhalten, das willkommen und gegenseitig ist, unterschieden. 8
Weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 6 Abs. 2 Z 1 ist, dass ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Meistens wird die „Arbeitsumwelt“ erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Doch wie schon oben erwähnt, kann bereits eine einzelne Belästigungshandlung derartig schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.9 Durch körperliche Kontakte gegen den Willen der betroffenen Person (sog. „Begrapschen“) wird im Allgemeinen die Toleranzgrenze überschritten.10
Sexuelle Belästigung liegt somit vor, wenn ein objektiv der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, und dieses Verhalten objektiv eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt.
Der Antragsgegner ist Dritter iSd § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG, da er ebenso wie die Antragstellerin bei der X AG beschäftigt war. Die im Antrag behaupteten Vorwürfe, der Antragsteller habe der Antragstellerin unerwünschte Komplimente gemacht und sie bedrängt, eine Affäre mit ihm zu haben sowie der behauptete körperliche Übergriff - Schlag auf das Gesäß als die Antragstellerin auf einer Leiter stand und etwas in ein Regal schlichtete - können grundsätzlich Akte sexueller Belästigung darstellen. Die Antragstellerin hat diese Vorwürfe in ihrem schriftlichen Antrag auch insofern glaubwürdig dargestellt, als diesbezüglich ein Verfahren vor der GBK eingeleitet und durchgeführt wurde.
Die Antragstellerin konnte bei der Befragung die vorgebrachten Vorwürfe gegenüber dem Antragsgegner nicht ausreichend darlegen. Sie blieb – wie im Antrag – sehr allgemein und konnte diese trotz mehrmaligen Nachfragens nicht weiter konkretisieren. Es fiel auf, dass sie dieselben vagen Vorwürfe wie die Antragstellerin aus GBK I/782/17 gegen den Antragsgegner vorgebracht hat. Es gelang der Antragstellerin in der mündlichen Befragung nicht, die in ihrem Antrag angeführten Vorkommnisse glaubhaft darzulegen.
Der Antragsgegner bestritt stets die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und war in seinem Auftreten vor dem Senat I der GBK sehr glaubwürdig.
Nach den Befragungen der Auskunftspersonen ergab sich für den erkennenden Senat das Bild, dass der Antragsgegner stets sehr genau bzw. streng nach Vorschrift gearbeitet hat, wodurch er sich nicht sehr viele Freunde bei der neuen Führungsmannschaft rund um D gemacht haben dürfte. Die behaupteten Vorfälle nahmen ebenso auffällig mit dem Personalwechsel im Management zu. Der Antragsgegner hat die Arbeit der Antragstellerin mehrmals bemängelt.
Die Antragstellerin war auch insofern nicht glaubhaft, als dass sie vorbrachte, dass der Antragsgegner keine Kosovoalbaner/innen mag. Aus diesem Zusammenhang heraus ist es durchaus unwahrscheinlich, dass der Antragsgegner, der serbischer Herkunft ist, sich eine Beziehung bzw. Affäre mit der Antragstellerin wünschen würde bzw. sie zu einer solchen drängen wollte.
Auch das Argument, dass der Antragsgegner auf sie „aufpassen“ sollte ist nach Ansicht des Senates nicht schlüssig und konnte durch das Vorbringen des Antragsgegners, dass es für die (fachliche) Aufsicht über die Antragstellerin eine ihr direkt vorgesetzte Person, G gab, entkräftet werden. Auch ist dem Senat I der GBK völlig unklar geblieben, warum der Antragsgegner die Antragstellerin vor einer möglichen Gefahr durch deren Ehemann beschützen sollte – dies gehört wohl nicht zu den Aufgaben eines stv. Marktleiters.
Der Antragsteller konnte die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe entkräften und die in der Stellungnahme dargestellten Argumente auch in der mündlichen Befragung durch den Senat I der GBK glaubhaft darlegen.
Der von Antragstellerin gewonnene Eindruck führte daher im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG zur Ansicht, dass es der Antragstellerin nicht gelungen ist eine sexuelle Belästigung glaubhaft zu machen. Daher kommt es zu keiner Beweislastverlagerung gemäß § 12 Abs. 12 GlBG und geht dieses Beweisdefizit folglich zu Lasten der Antragstellerin.
Es liegt somit keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.
Wien, 28. Jänner 2020
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.
2 Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.
3 Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.
4 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 9 (Stand 1.1.2009, rdb.at).
5 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 20 (Stand 1.1.2009, rdb.at)
6 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 21 (Stand 1.1.2009, rdb.at).
7 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 24 (Stand 1.1.2009, rdb.at).
8 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 25 (Stand 1.1.2009, rdb.at).
9 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 28 (Stand 1.1.2009, rdb.at).
10 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 29 (Stand 1.1.2009, rdb.at).
Zuletzt aktualisiert am
24.11.2020