Norm
§3 Z2 GlBGDiskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
EntgeltText
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 11. Februar 2020 über den am 30. April 2018 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Festsetzung des Entgelts gemäß § 3 Z 2 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) und bei den sonstigen Arbeitsbedingungen gemäß § 3 Z 6 GlBG durch X (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/822/18, zu folgendem
PRÜFUNGSERGEBNIS:
1. A ist aufgrund des Geschlechtes bei der Festsetzung des Entgelts gemäß § 3 Z 2 GlBG durch X mittelbar diskriminiert worden.
2. Der Antrag betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei den sonstigen Arbeitsbedingungen gemäß § 3 Z 6 GlBG wurde von der Gleichbehandlungsanwaltschaft zurückgezogen.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
VORBRINGEN
Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Die Antragstellerin sei am … geboren worden. Sie habe ab … 1986 die Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe (HBLA), …, … besucht, und diese nach fünf regulären Schuljahren mit der Reifeprüfung am … 1991 abgeschlossen.
Am … 1994 habe die Antragstellerin eine Beschäftigung als Sekretärin beim Antragsgegner aufgenommen. Zunächst habe sie ein befristetes Dienstverhältnis gehabt, welches mit … 1996 unbefristet gestellt worden sei. Zugleich sei es den Bestimmungen der Freien Betriebsvereinbarung unterstellt worden.
Im Zuge der Dienstvertragsänderung habe der Antragsgegner entschieden, dass bei der Antragstellerin keine Vordienstzeiten vorlägen. Dabei habe er sich vermutlich auf § 6 Z 3 lit b der FBV gestützt, der vorsah, dass „einschlägige, abgeschlossene Studien an […] Handelsakademien und Höheren Technischen Lehranstalten in der gewöhnlichen Dauer dieses Studiums bis zum Höchstausmaß von insgesamt 5 Jahren" als Vordienstzeiten gälten. Weiters habe § 6 Z 3 lit. d leg cit normiert: „Vor dem vollendeten 19. Lebensjahr werden keine Beschäftigungs- oder Studienzeiten als Vordienstjahre zur Anrechnung herangezogen." Diese Regelungen hätten sich auch wortgleich im Kollektivvertrag wiedergefunden. Das Studium an der HBLA sei der Antragstellerin unter Berufung auf diese Bestimmungen nicht angerechnet worden, da HBLA in der Aufzählung des § 6 Z 3 lit. b KV 1996A/FBV nicht ausdrücklich genannt wären. Der Großteil ihrer fünfjährigen Studienzeit sei aber schon aufgrund der Altersgrenze gemäß § 6 Z 3 lit. d als nicht anrechenbar angesehen worden. Somit wäre nur ein Zeitraum von etwa fünf Monaten ihres HBLA-Besuchs zur Anrechnung in Frage gekommen, der zwischen dem 19. Geburtstag der Antragstellerin und dem Zeitpunkt ihres Schulabschlusses gelegen sei.
Mit … 2002 sei die Antragstellerin als … umgestuft worden und in die Verwendungsgruppe 12, Stufe 4 gereiht worden. Mit … 2005 habe die Antragstellerin in den Geltungsbereich des Kollektivvertrages 1996 A optiert.
Am 28. Februar 2015 habe der Zentralbetriebsrat des Antragsgegners beim Obersten Gerichtshof die Feststellung gemäß § 54 Abs 2 ASGG beantragt, dass die Regelung des § 6 Z 3 lit d KV 1996A/FBV eine Altersdiskriminierung darstelle. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner Entscheidung 9 ObA 84/15s vom 26. November 2015 unter Berufung auf die EuGH-Entscheidung C-88/08 Hütter ausgesprochen, dass die „nach dem Alter (Vollendung des 19. Lebensjahres) differenzierende Anrechnung der Vordienstzeiten unmittelbar altersdiskriminierend ist." Dies führe zu einer Diskriminierung bei der Gehaltseinstufung und daher beim Entgelt. Der Oberste Gerichtshof habe daher antragsgemäß festgestellt, dass die betroffenen Arbeitnehmerlnnen Anspruch auf die Berücksichtigung von Vordienstzeiten vor Vollendung des 19. Lebensjahres sowie auf Bezahlung der Differenz hätten.
In Folge dieser Entscheidung habe die Personalabteilung des Antragsgegners alle Beschäftigten dazu aufgefordert, anrechenbare Vordienstzeiten vor dem 19. Geburtstag bekannt zu geben. Die Antragstellerin sei dieser Aufforderung durch das Ausfüllen des betreffenden Formulars nachgekommen. Daraufhin sei ihr am 12. Juli 2016 mitgeteilt worden, dass die von ihr beantragten Vordienstzeiten nicht berücksichtigt werden könnten, da „es sich um keine anrechenbare oder keine abgeschlossene Ausbildung gemäß KV [handle] (taxative Aufzählung)". Die Antragstellerin habe sich durch die Nicht-Anrechnung ihrer HBLA-Ausbildungszeiten diskriminiert gefühlt und sich zur Beratung an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gewandt. Die Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt habe das Vorliegen einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vermutet, da HBLA den Handelsakademien (HAK) und Höheren Technischen Lehranstalten (HTL) als berufsbildende höhere Schulen (BHS) gleichzusetzen seien. Die Ausbildung an HBLA sei zudem einschlägig für den von der Antragstellerin ausgeübten Beruf der Sekretärin. Da HBLA lange als Mädchenschulen gegolten hätten und fast ausschließlich weibliche AbsolventInnen gehabt hätten, führe § 6 Z 3 lit b FBV zu einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Die Bestimmung sei im Einklang mit dem Unionsrecht und dem GIBG auszulegen, weshalb die Aufzählung der Schultypen demonstrativ zu verstehen sei und auch Studienzeiten an der HBLA anerkannt werden müssten. Die Gleichbehandlungsanwältin habe den Antragsgegner diesbezüglich um Stellungnahme ersucht.
Der Antragsgegner habe am 3. Juli 2017 Stellung genommen. Er habe argumentiert, dass es sich bei § 6 Z 3 lit. b KV 1996A/FBV um eine taxative Aufzählung handle. Die Anrechnung von Vordienstzeiten erfolge geschlechtsneutral. Die Tatsachen, dass HBLA lange Zeit als Mädchenschulen gegolten hätten, und dass die überwiegende Mehrheit der Absolventlnnen weiblich wären, wären keine Indizien für eine geschlechtsbezogene Diskriminierung. Weiters wären öffentliche Schulen nach dem Schulorganisationsgesetz ohne Unterschied des Geschlechts zugänglich. Zudem würden auch Ausbildungszeiten anderer Schulformen nicht angerechnet, wie etwa jene land- und forstwirtschaftlicher höherer Schulen, welche überwiegend männliche Absolventen hätten, oder allgemeinbildender höherer Schulen (AHS). Auf das Argument der Einschlägigkeit von HBLA-Studien für Sekretärlnnen habe der Antragsgegner lapidar geantwortet, dass jede Ausbildung für ein Unternehmen „in irgendeiner Form nützlich sein" könnte. Die KV-Parteien hätten die Auswahl der Ausbildungen jedoch inhaltlich auf Ausbildungen der kaufmännischen und technischen Unternehmensbereiche Tätigkeiten beschränkt. Die Ausbildungsschwerpunkte der HBLA und die dort erlernbaren Lehrberufe wären — genau wie jene land- und forstwirtschaftlicher Schulen für den Antragsgegner „schon per se nicht einschlägig und somit ohne Belang". Dementsprechend wäre die Anrechnung abzulehnen.
In der auf Ersuchen des Senates I der GBK vom Antragsgegner übermittelten Stellungnahme vom 6. Juni 2018 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:
Ausdrücklich festgehalten werde, dass die Nichtanrechnung der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe als Vordienstzeit weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstelle.
Nach § 6 Z 3 lit b. des Kollektivvertrages 1996 (nachfolgend „KV 1996A") gälten als Vordienstzeiten einschlägige abgeschlossene Studien an Hochschulen, Musikakademien, Konservatorien, Handelsakademien und Höheren Technischen Lehranstalten in der gewöhnlichen Dauer dieses Studiums bis zum Höchstausmaß von 5 Jahren. Die Anrechnung von Studien sei daher an zwei Bedingungen geknüpft:
a) Angerechnet würden zunächst nur Studien werden, die an einer im Kollektivvertrag genannten Bildungseinrichtung absolviert worden seien. Der Kollektivvertrag enthalte nach seinem Wortlaut eine taxative Aufzählung jener Bildungseinrichtungen, deren Abschluss als Vordienstzeit anrechenbar sei. Die Kollektivvertragsparteien hätten dabei eine Auswahl getroffen, die auf die Bedürfnisse des Antragsgegners Bedacht nehme. Die besondere Regelung der technischen Lehranstalten (HTL) und der Handelsakademien (HAK) hänge offensichtlich mit den dort vermittelten Bildungsinhalten zusammen. Die HAK diene der Erwerbung höherer kaufmännischer Bildung für alle Zweige der Wirtschaft (§ 74 SchOG). Die HTL würden der Erwerbung höherer technischer Bildung auf den verschiedenen Fachgebieten der industriellen Wirtschaft dienen. Hierbei sei in einem Werkstättenunterricht oder in einem sonstigen praktischen Unterricht auch eine sichere praktische Fertigkeit zu vermitteln (§ 72 Abs. 1 SchOG). In den Lehrplänen für HTL werde als Bildungsziel formuliert, dass der/die Absolvent/in einer HTL über die zur Ausübung von Ingenieurberufen der Fachrichtung nach dem Stande der Technik erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten sicher verfügen solle; der/die Absolvent/in solle die durch Gesetz oder Norm festgelegten Erfordernisse der Berufspraxis kennen und beachten sowie die in der Berufspraxis verwendeten Maschinen und Geräte bedienen können. Die besondere Verbindung mit den beim Antragsgegner benötigten Fähigkeiten zeige sich auch in der Anrechnung der Studien an Musikakademien und Konservatorien. Wenn der Antragsgegner ein Orchester betreibe, sei es wohl naheliegend, Studien an diesen Akademien bzw. Konservatorien als Vordienstzeit zu berücksichtigen.
b) Das absolvierte Studium aus der taxativen Aufzählung müsse zudem für die beim Antragsgegner ausgeübte Beschäftigung einschlägig sein. Nicht einschlägige Studien seien nach dem Wortlaut des Kollektivvertrags nicht anrechnungsfähig. Ob ein Studium als einschlägig anzusehen sei, könne nur im Einzelfall beurteilt werden. Stichtag sei die erstmalige Aufnahme. Werde daher ein/e Dienstnehmer/in in das … aufgenommen, werde ein Studium an einer Musikakademie als einschlägig anzusehen sein, jedoch eher nicht bei einer Aufnahme als Redakteur/in der Wetterredaktion. Diese Einzelfallbeurteilung sei auch bei Studien an den anderen „anrechnungsfähigen" Bildungseinrichtungen anzustellen. Das Absolvieren eines technischen Studiums sei nur dann als „einschlägig" zu werten, wenn der/die Arbeitnehmer/in einen „technischen" Beruf ausübt.
Nach Ansicht der Gleichbehandlungsanwaltschaft wäre die Bestimmung des § 6 Abs. 3 lit. b KV 1996A so zu interpretieren, dass sie Studienzeiten an allen berufsbildenden höheren Schulen (BHS) umfasse, sofern diese für die ausgeübte Tätigkeit einschlägig wären, insbesondere jene an Höheren Lehranstalten für wirtschaftlichen Berufe. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft verkenne hier einen wesentlichen Punkt. Die getroffene Auswahl im Kollektivvertrag (HTL, HAK und Musikakademien) sei geschlechtsneutral erfolgt und habe sich auf jene Schulen beschränkt, deren vermittelte Bildungsinhalte und Kenntnisse bzw. Fertigkeiten aus dem praktischen Unterricht für den Antragsgegner vom größten Nutzen sind. Erst im Rahmen dieser Auswahl komme es zusätzlich zur Prüfung einer Einschlägigkeit. Die Kollektivvertragsparteien hätten eben nicht sämtliche Schulzeiten zur Anrechnung bringen wollen, die für die jeweils ausgeübte Tätigkeit in irgendeiner Art und Weise einschlägig hätten sein können. Es seien daher alle Schulzeiten außer Acht gelassen worden, deren Schwerpunkt nicht auf dem kaufmännischen bzw. technischen Gebiet liege, sondern zu einer Befähigung auf anderen Gebieten führe und sich der praktische Unterricht außerhalb des kaufmännischen und technischen Gebiets bewege. Dass die fachlichen Spezialisierungen (damit gemeint ist wohl insbesondere der praktische Unterricht) bei den BHS unterschiedlich seien, anerkenne auch die Gleichbehandlungsanwaltschaft.
Überhaupt nicht angerechnet würden demnach etwa Schulzeiten an einer allgemeinbildenden höheren Schule (AHS) werden. Nach § 34 SchOG hätten die AHS die Aufgabe, den Schüler/innen eine umfassende und vertiefte Allgemeinbildung zu vermitteln und sie zugleich zur Universitätsreife zu führen. Die Kollektivvertragsparteien hätten dieses Bildungsziel als nicht ausreichend für eine Anrechnung der Schulzeiten gefunden. Wird der/die Schüler/in zur Universitätsreife herangeführt und besucht er/sie in der Folge eine Universität, würden diese Universitätszeiten als Vordienstzeiten berücksichtigt werden.
Die Kollektivvertragsparteien hätten aber auch aus dem Segment der BHS eine Auswahl der anrechnungsfähigen Bildungseinrichtungen getroffen, denn deren fachliche Spezialisierung bzw. praktische Fertigkeiten auf kaufmännischem und technischem Gebiet seien für den Antragsgegner besonders relevant, aber auch auf dem gesamten Arbeitsmarkt sehr nachgefragt. § 67 SchOG nenne als BHS die Höheren technischen und gewerblichen (einschließlich kunstgewerblichen) Lehranstalten, die Handelsakademien, die Höheren Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe, die Bildungsanstalten für Elementarpädagogik und die Bildungsanstalten für Sozialpädagogik. Auch wenn die Gleichbehandlungsanwaltschaft das Gesetz zum Zeitpunkt des Kollektivvertragsabschlusses zitiere und vermeine, es gäbe nur vier Arten von BHS, so sei sie darauf hinzuweisen, dass es zu diesem Zeitpunkt auch Anstalten der Lehrerbildung und Erzieherbildung gegeben habe (§§ 94ff SchOG idF vom 1. Jänner 1996), die nunmehr als den BHS zugeordnet gelten würden. BHS seien auch die Höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten, die zur Ausübung einer gehobenen Berufstätigkeit auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet befähigen würden und zugleich zur Universitätsreife führen würden, auch wenn sie nicht im SchOG, sondern in einem gesonderten Gesetz (§§ 10 ff Land- und forstwirtschaftliches Bundesschulgesetz) geregelt seien.
Angerechnet würden nur Schulzeiten in HTL und HAK werden. Die AHS und die übrigen BHS – gewerbliche (einschließlich kunstgewerblicher) Lehranstalten, Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe, Bildungsanstalten für Elementar- bzw. Sozialpädagogik, landes- und fortwirtschaftliche Lehranstalten — würden unberücksichtigt bleiben, obwohl sie auch allesamt zur Hochschulreife führen würden. Die kollektivvertraglichen Anrechnungsbestimmungen würden nämlich nicht nach dem vom Arbeitnehmer/von der Arbeitnehmerin besuchten Schultyp, sondern nach den in den genannten Schulen vermittelten (praktischen) Kenntnissen und Fertigkeiten differenzieren. Die HLW vermittle Kenntnisse und Fertigkeiten, die zur Ausübung eines gehobenen Berufs auf hauswirtschaftlichem oder sonstigem wirtschaftlichen Gebiet (Wirtschaft, Verwaltung, Ernährung, Tourismus und Kultur) und eben nicht auf dem kaufmännischen Gebiet befähige. Insofern sei es zu keiner Aufnahme in die kollektivvertragliche taxative Aufzählung anrechenbarer Schulzeiten gekommen, da die dort vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten von Vornherein einen anderen Schwerpunkt als den kaufmännischen bzw. technischen hätten.
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft führe aus, dass das Reifeprüfungszeugnis der Antragstellerin für die Sekretariatstätigkeit Unterrichtsfächer wie Praktische Betriebsführung, Ernährungslehre und Betriebsorganisation, Deutsch und Fremdsprachen, „Staatsbürgerkunde und Rechtskunde", Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre (wenn auch mit Schwerpunkt Fremdenverkehr), Rechnungswesen, „Stenographie und Textverarbeitung" enthalte. Die Nichtanrechnung des Besuchs land- und forstwirtschaftlicher Schulen wäre als Argumentation nach Ansicht der Gleichbehandlungsanwaltschaft gerade deshalb nicht überzeugend, da diese für den Antragsgegner kaum einschlägig sein dürften. Auch der Vergleich mit AHS sei aus ihrer Sicht nicht überzeugend, denn deren Lehrpläne würden im Gegensatz zu BHS keine Berufsausbildungen beinhalten.
Zunächst werde der Vorwurf, der Antragsgegner würde Klischees reproduzieren, „dass es sich beim Beruf der Sekretärin um eine unqualifizierte Arbeit handle, die keine besondere Ausbildung erfordere", entschieden zurückgewiesen. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft werde dem Antragsgegner beipflichten müssen, dass auch Absolventen/Absolventinnen einer AHS in der Lage seien, hervorragend eine Sekretariatstätigkeit auszuüben. Ebenso würden auch Absolvent/innen einer Handelsschule bestens diese Aufgaben erfüllen. Darauf komme es aber im Konkreten nicht an, denn mit der taxativen Aufzählung hätten aus unternehmerischer Sicht jene Ausbildungen begünstigt werden sollen, die auf dem gesamten Arbeitsmarkt gefragt seien und die im Hinblick auf die kaufmännischen und technischen Agenden/Tätigkeiten im Antragsgegner die größtmöglichen (praktischen) Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln werden.
Ausgehend von der vorgelegten Stundentafel sei ersichtlich, dass abgesehen von den allgemeinen Pflichtgegenständen — die im Übrigen bei anderen höheren Schulen ebenfalls vorhanden seien – der Schwerpunkt bzw. fachliche Spezialisierung mit fast doppelter Wochenstundenanzahl nicht im kaufmännischen Bereich, sondern auf hauswirtschaftlichen bzw. sonstigem Gebiet liege. So seien die Fächer Küchenführung und Servierkunde (wohl dem Prüfungsgebiet „praktische Betriebsführung" zuordenbar), Wohnkultur und Arbeitsraumgestaltung, Ernährungslehre und Hauswirtschaftliche Betriebsorganisation (wohl dem Prüfungsgebiet „Ernährungslehre und Betriebsorganisation" zuordenbar) und Textilverarbeitung für berufliche Verwendungen beim Antragsgegner irrelevant. Auch die Betriebswirtschaftslehre habe den Schwerpunkt Fremdenverkehr, ein für den Antragsgegner vollkommen irrelevanter Bereich.
Vergleiche man nun die Stundentafel der HAK aus dem Jahr 1978 (zeitlich der vorgelegten Stundentafel der HLW am nächsten kommend), so zeige sich der besondere kaufmännische Schwerpunkt aus den entsprechenden, deutlich stärker vertretenen bzw. zusätzlichen Unterrichtsfächern: Betriebswirtschaftslehre inkl. spezieller BWL mit 19 Wochenstunden, Rechnungswesen mit 16 Wochenstunden, (angewandte) Mathematik mit 12 Wochenstunden, Wirtschaftliches Rechnen mit 3 Wochenstunden, Datenverarbeitung 4 Wochenstunden.
Nehme man aber den Lehrplan der — von der Gleichbehandlungsanwaltschaft als nicht einschlägig qualifizierten — land- und forstwirtschaftlichen höheren Schulen aus dem Jahr 1988 (am Beispiel der Höheren Lehranstalt für allgemeine Landwirtschaft) als Vergleich, so zeige sich, dass dort die von der Gleichbehandlungsanwaltschaft genannten Unterrichtsfächer ebenfalls im annähernd gleichen Ausmaß vorhanden seien: Deutsch und Fremdsprachen, Geschichte, Sozial- und Staatsbürgerkunde, Volkswirtschaftslehre, Elektronische Datenverarbeitung, Maschinschreiben, Rechtskunde, Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen. Der Unterschied hier zur HAK (und zugleich der gemeinsame Nenner mit der HLW und ihrer vermittelten hauswirtschaftlichen Bildung) liege eben in der fachlichen Spezialisierung, die keinen Mehrwert oder praktische Bedeutung für den Antragsgegner erzeuge.
Deshalb sei der Vergleich zwischen der land- und fortwirtschaftlichen höheren Schule und der HLW sehr wohl statthaft und mehr als bedeutend. Denn die Gleichbehandlungsanwaltschaft betone immer wieder, dass die HLW lange als Mädchenschule gegolten haben und leite insbesondere aus diesem Umstand eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ab. Das Geschlecht habe bei der Auswahl der anrechenbaren Schulzeiten aber überhaupt keine Rolle gespielt. Wie im Schreiben vom 3. Juli 2017 festgehalten, sei es auch zu keiner Anrechnung der Zeiten eines Besuches einer land- und forstwirtschaftlichen höheren Schule gekommen, obwohl diese beispielsweise im Jahr 1990/91 zum weit überwiegenden Teil von männlichen Schülern besucht worden sei (vgl. Statistik Austria, Schülerinnen und Schüler an öffentlichen und privaten Schulen 1923/24 bis 2016/17 (ausgewählte Jahre)).
In diesem Zusammenhang sei noch einmal festzuhalten, dass öffentliche Schulen nach dem SchOG (jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses des KV 1996A bzw. des Eintritts der Antragstellerin ins Unternehmen) allgemein ohne Unterschied insbesondere des Geschlechts zugänglich gewesen seien bzw. seien. Geschlechtsspezifische Aufteilungen in einer bestimmten Ausbildung bzw. in einem Beruf würden zudem gesellschaftspolitische Gegebenheiten darstellen, die nicht dem/der einzelnen Arbeitgeber/in aufgebürdet werden könnten.
Zu erwähnen sei, dass auch die Schulzeiten an den HTL, HAK oder Musikakademien nicht ohne Weiteres angerechnet werden würden. In Bezug auf diese Schulzeiten komme es auf die Einschlägigkeit für die jeweils ausgeübte Tätigkeit an; nur bei einschlägigen Studien komme es tatsächlich zu einer Anrechnung.
Die im KV 1996A getroffene Auswahl fuße nicht auf einer Unterscheidung zwischen den Geschlechtern und sei auf beide Geschlechter gleichermaßen anwendbar. Zudem sei auch bei der Außerachtlassung anderer Schulen (AHS und sonstige BHS) nicht nach Geschlechtern unterschieden worden und der Umstand, ob eine Schule mehrheitlich von männlichen oder weiblichen Schüler/innen absolviert worden sei, habe schon gar nicht eine Rolle gespielt. Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Anrechnung von Vordienstzeiten liege demnach nicht vor. Der von der Gleichbehandlungsanwaltschaft geforderten Interpretation fehle somit jegliche Grundlage.
PRÜFUNGSGRUNDLAGEN
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin (inklusive der Unterlagen zum Dienstverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner) und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin vom 14. Jänner und 11. Februar 2020 und von Dr.in B (informierte Vertreterin des Antragsgegners) vom 14. Jänner 2020. Als weitere Auskunftsperson wurde C am 11. Februar 2020 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die Statistik der Statistik Austria, Schülerinnen und Schüler an öffentlichen und privaten Schulen 1923/24 bis 2018/19, das Rechtsgutachten über die Anrechnung von Vordienstzeiten erstattet für den Antragsgegner von Em. O. Univ. Prof. Dr. D und das Rechtsgutachten „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ von Mag. Dr. E.
BEGRÜNDUNG2
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:
„§ 3. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht
2. bei der Festsetzung des Entgelts.“
„§ 5. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund ihres Geschlechtes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
(2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechtes benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich.“
Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 3 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.
Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, der Antragsgegner habe die HBLA-Ausbildung der Antragstellerin nicht als Vordienstzeiten angerechnet, was sich wiederum auf die Gehaltshöhe der Antragstellerin ausgewirkt habe, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:
Die am … 1971 geborene Antragstellerin besuchte ab … 1986 die HBLA (nunmehr HLW), …, …, und schloss diese nach fünf regulären Schuljahren mit der Reifeprüfung am … 1991 ab.
Am … 1994 nahm die Antragstellerin eine Beschäftigung als Sekretärin beim Antragsgegner auf. Das zunächst befristete Dienstverhältnis wurde mit … 1996 unbefristet gestellt und zugleich den Bestimmungen der Freien Betriebsvereinbarung (FBV) unterstellt.
Mit … 2002 wurde die Antragstellerin als … umgestuft und in die Verwendungsgruppe 12, Stufe 4 gereiht. Mit … 2005 optierte die Antragstellerin in den Geltungsbereich des Kollektivvertrages 1996 (KV 1996A).
Nach einer Entscheidung des OGH, 9 ObA 84/15s vom 26. November 2015, in der festgestellt wurde, dass die nach dem Alter (Vollendung des 19. Lebensjahres) differenzierende Anrechnung der Vordienstzeiten gemäß § 6 Z 3 lit. d KV 1996A unmittelbar altersdiskriminierend sei, forderte die Personalabteilung des Antragsgegners alle Beschäftigten dazu auf, anrechenbare Vordienstzeiten vor dem 19. Geburtstag bekannt zu geben.
Die Antragstellerin kam dieser Aufforderung durch das Ausfüllen des hierfür vorgesehenen Formulars nach. Daraufhin teilte der Antragsgegner ihr am … 2016 mit, dass die von ihr beantragten Vordienstzeiten nicht berücksichtigt werden könnten, da es sich um keine anrechenbare oder keine abgeschlossene Ausbildung gemäß KV handle (taxative Aufzählung). Dabei stützte sich der Antragsgegner auf § 6 Z 3 lit. b KV 1996A, der vorsieht, dass als Vordienstzeiten einschlägige abgeschlossene Studien an Hochschulen, Musikakademien, Konservatorien, Handelsakademien und Höheren Technischen Lehranstalten in der gewöhnlichen Dauer dieses Studiums bis zu einem Höchstausmaß von 5 Jahren gelten.
Dass HBLA-/HLW-Ausbildungszeiten nicht angerechnet wurden, begründete der Antragsgegner weiters damit, dass die KV-Parteien aus dem Segment der BHS eine Auswahl an anrechnungsfähigen Bildungseinrichtungen getroffen hätten, da deren fachliche Spezialisierung bzw. praktische Fertigkeiten auf kaufmännischem und technischem Gebiet für den Antragsgegner besonders relevant seien. Die Ausbildungsschwerpunkte der HBLA/HLW und die dort erlernbaren Lehrberufe wären — genau wie jene land- und forstwirtschaftlicher Schulen – für den Antragsgegner schon per se nicht einschlägig und somit ohne Belang.
In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:
Es liegt eine (mittelbare) Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Festsetzung des Entgelts gemäß § 3 Z 2 GlBG vor.
Unter den weit zu verstehenden arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff fallen alle Leistungen, die ein/e Arbeitnehmer/in (AN) als Gegenleistung dafür erhält, dass er/sie seine/ihre Arbeitskraft dem/der Arbeitgeber/in (AG) zur Verfügung stellt.4 Eine Ungleichbehandlung beim Entgelt liegt auch bei der Nichtberücksichtigung von Vordienstzeiten aufgrund des Geschlechtes vor, da die Anrechnung von Vordienstzeiten für die Gehaltseinstufung von Bedeutung ist.5
Die bisherige Auslegung des Verbotes der mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechtes wurde in der RL 97/80/EG (BeweislastRL) kodifiziert. So setzt eine mittelbare Diskriminierung zunächst voraus, dass eine merkmalsneutral formulierte Regelung tatsächlich überwiegend zum Nachteil von Frauen oder Männern wirkt (statistische Diskriminierung). Da die erforderlichen statistischen Daten aber nicht immer verfügbar sind, soll die verpflichtende Einhaltung dieses Kriteriums nunmehr entfallen. Daher kann die Gefahr einer Diskriminierung nunmehr durch entsprechende statistische Daten oder andere geeignete Mittel nachgewiesen werden, die belegen, dass sich eine Vorschrift ihrem Wesen nach nachteilig für die betreffende Person oder Personengruppe auswirken würde.6
Bei einer Maßnahme, die prozentuell erheblich mehr Frauen als Männer benachteiligt oder umgekehrt, besteht nach der Rsp. des EuGH eine Vermutung dafür, dass diese Maßnahme eine mittelbare Diskriminierung darstellt.7 In diesem Fall muss der AG das Gegenteil beweisen.8
Gerechtfertigt ist die unterschiedliche Behandlung, wenn zum einen das Ziel der betreffenden Vorschrift, der Kriterien oder Verfahren, durch die eine Ungleichbehandlung begründet wird, schützenswert ist (legitimer Zweck) und wichtig genug ist, um Vorrang vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu haben; zum anderen müssen die zur Erreichung des Zieles angewandten Mittel geeignet und erforderlich sein (Verhältnismäßigkeit).9
Nach Ansicht des Senates konnte die Antragstellerin durch ihre Ausführungen glaubhaft den Anschein einer Diskriminierung darlegen. So ließ die geschilderte Nichtberücksichtigung ihrer Vordienstzeiten – ihre Ausbildung an der HBLA, die überwiegend von Frauen absolviert worden sei, sei im Gegensatz zu Ausbildungen an einer HAK oder HTL, die ebenfalls als BHS gelten, vom Antragsgegner nicht als Vordienstzeit angerechnet worden – darauf schließen, dass die Antragstellerin aufgrund ihres Geschlechtes bei der Gehaltseinstufung vom Antragsgegner benachteiligt wurde.
Als Grund für die Nichtanrechnung der Ausbildung der Antragstellerin an der HBLA wurde die taxative Aufzählung der Schulen im KV 1996A genannt. Da HBLA in § 6 Z 3 lit. b KV 1996A nicht genannt seien, handle es sich hierbei um eine nicht anrechenbare Ausbildung. Dies habe nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern sei auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum der Kollektivvertragsparteien zurückzuführen. Sie hätten eben eine taxative Auswahl von Schulen getroffen, deren Bildungsinhalte besondere Kenntnisse und Fähigkeiten auf kaufmännischem oder technischem Gebiet vermitteln würden, die für die Tätigkeit beim Antragsgegner von größtem Nutzen wären. Die von der Antragstellerin besuchte HBLA vermittle keine mit der HAK vergleichbaren Kenntnisse und Fähigkeiten im kaufmännischen Bereich.
Der Rsp. des EuGH folgend wird in diesem Fall eine mittelbare Diskriminierung vermutet, da die Nichtanrechnung der Ausbildung von HBLA-/HLW-AbsolventInnen als Vordienstzeiten prozentuell erheblich mehr Frauen als Männer benachteiligt. So haben in Österreich im Schuljahr 1990/1991 – zum Zeitpunkt als auch die Antragstellerin diese Schule abschloss – laut Statistik Austria mehrheitlich Frauen, und zwar 13.943 von insgesamt 14.279 AbsolventInnen, eine höhere Schule für wirtschaftliche Berufe abgeschlossen. (Auch heute noch sind die AbsolventInnen der HLW zum Großteil Frauen, zB waren im Schuljahr 2018/19 23.020 der insgesamt 26.531 AbsolventInnen weiblich.) Der Senat ist der Ansicht, dass der Antragsgegner mit seinen Ausführungen auch nicht das Gegenteil beweisen konnte. Denn die Antragstellerin wurde mit ihrer Ausbildung beim Antragsgegner als Sekretärin im Jahr 1994 aufgenommen, was darauf schließen lässt, dass der Antragstellerin in der HBLA sehr wohl Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt wurden, die beim Antragsgegner von großem Nutzen sind. Daher liegt der Schluss nahe, dass der Geschlechteraspekt bei der Nichtberücksichtigung dieser Schulen bei der Vordienstzeitanrechnung eine Rolle gespielt hat, wobei der Antragsgegner auch keine plausiblen Argumente vorbringen konnte, die dies widerlegen konnten.
Zusammengefasst wurde eine mittelbare Diskriminierung der Antragstellerin vermutet, da HBLA- bzw. HLW-AbsolventInnen zum Großteil weiblich sind und ihre Ausbildung beim Antragsgegner nicht als Vordienstzeit angerechnet wird – dies, obwohl die Antragstellerin genau mit dieser Ausbildung beim Antragsgegner eingestellt wurde. Der Antragsgegner wiederum konnte diese Ungleichbehandlung bei der Vordienstzeitanrechnung nicht sachlich rechtfertigen.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist, zu beweisen, dass ein anderes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war.
VORSCHLAG
Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.
Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegner, B, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:
Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.
Wien, 11. Februar 2020
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.
2 Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.
3 Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.
4 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz. 75 (Stand 1.1.2009, rdb.at).
5 Vgl. OGH 26.11.2015, 9 ObA 84/15s.
6 Vgl. Windisch-Graetz in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 5 GlBG Rz. 5 (Stand 1.1.2018, rdb.at).
7 Vgl. EuGH C-17/95, Gerster, Slg 1997, I-5253; C-100/95, Kording, Slg 1997, I-5289; C-313/02, Wippel, Slg 2004, I-9483; C-196/02, Nikoloudi, Slg 2005, I-1789)
8 Vgl. OGH 9 ObA 90/04g, ecolex 2005, 312.
9 Vgl. ErläutRV 307 BlgNR 22. GP 11.
Zuletzt aktualisiert am
23.11.2020